Wann ist ein Antrag auf getrennte Veranlagung missbräuchlich?

Wann ist ein Antrag auf getrennte Veranlagung missbräuchlich?

Kernaussage

Das Wahlrecht von Ehegatten auf Zusammenveranlagung oder getrennte Veranlagung kann unbefristet und ohne Bindung an die gewählte Lohnsteuerklasse ausgeübt werden. Die erstmalige Wahl der getrennten Veranlagung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten, obwohl die Lohnversteuerung anhand der Lohnsteuerklassenkombination III und V erfolgte, stellt keinen unzulässigen Gestaltungsmissbrauch dar, wenn zum Zeitpunkt der Wahl der Lohnsteuerklassen die Insolvenz noch nicht absehbar war.

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Antrag der Kläger auf eine getrennte Einkommensteuerveranlagung rechtsmissbräuchlich ist. Die Kläger sind seit 1986 verheiratet und wurden seither zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Lohnsteuerabzug der Kläger wurde nach den von ihnen vor etwa 20 Jahren gewählten Lohnsteuerklassen III und V vorgenommen. Nachdem über das Vermögen des Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, beantragten sie mit Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung eine getrennte Veranlagung. Das Finanzamt hielt diesen Antrag für eine unzulässige rechtsmissbräuchliche Gestaltung und führte eine Zusammenveranlagung durch. Hiergegen obsiegten die Kläger vor dem Finanzgericht Münster.

Entscheidung

Das Recht von Eheleuten, die getrennte Veranlagung zu wählen, ist grundsätzlich nicht beschränkt. Auch sind sie an eine einmal getroffene Wahl nicht gebunden. Gleiches gilt für die Wahl einer Lohnsteuer-Klasse. Zwar liegt der Wahl der Steuerklasse III und V ersichtlich die Annahme zugrunde, dass die Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, gleichwohl können sie in der Jahressteuerveranlagung anstelle der Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung wählen. Die Wahl der getrennten Veranlagung war hier auch nicht rechtsmissbräuchlich; es ist zulässig, wenn ein Steuerpflichtiger von einzelnen im Steuergesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht. Ein Missbrauch ist nur dann anzunehmen, wenn Wahlrechte wiederholt in widersprüchlicher Weise mit dem Ziel, die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft zu vereiteln, ausgeübt werden. Ein derartiger Gesamtplan konnte hier aber nicht festgestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass auch außersteuerlicher Gründe für die Wahl der getrennten Veranlagung bestanden, z. B. dass die Klägerin ihre Vermögensverhältnisse von jenen ihres insolventen Ehemannes getrennt wissen wollte. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin im Streitjahr 3 minderjährige Kinder zu versorgen hatten, nachvollziehbar.

Konsequenz

Sprechen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Steuerpflichtiger durch die mehrfache, einander widersprechende Ausübung von Wahlrechten, das Ziel verfolgt, die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft zu vereiteln, ist für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs kein Raum.