1. Wann kann das Teileinkünfteverfahren (TEV) beantragt werden?
Das TEV kann bei Einkünften aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden. Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen die Voraussetzungen für die Antragstellung jedoch nur im Jahr der Antragstellung vorliegen. Entfallen diese Voraussetzungen in den Folgejahren, ist dies für den Abzug nachlaufender Beteiligungsaufwendungen (z. B. Schuldzinsen) unerheblich. Der BFH hat damit der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung widersprochen.
2. Entscheidung des BFH
Mit Urteil vom 17.07.2024 (VIII R 37/23) hat der BFH klargestellt, dass der Wegfall der Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach der Antragstellung auf das TEV unbeachtlich ist. Der BFH betont, dass der Abzug der Werbungskosten auch in den vier Folgejahren nach Antragstellung möglich ist, selbst wenn die Beteiligung veräußert wurde.
3. Sachlage im Streitfall
Der Kläger war zu einem Drittel an einer GmbH beteiligt und hatte den Erwerb seines Anteils vollständig fremdfinanziert. Zum Zweck des Abzugs der Schuldzinsen beantragte er das TEV. Obwohl er seinen Anteil 2010 verkaufte und weiterhin Schuldzinsen aus dem Darlehen entstanden, machte er diese in den Jahren 2011 bis 2014 als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt (FA) lehnte den Abzug ab, da es die Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug nach der Veräußerung als nicht mehr gegeben ansah. Das Finanzgericht gab der anschließenden Klage jedoch statt. Der BFH bestätigte diese Entscheidung und wies die Revision des FA zurück.
4. Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des TEV
- Das TEV ist optional und kann bei Einkünften aus Kapitalvermögen unter bestimmten Bedingungen anstelle der Abgeltungssteuer angewendet werden.
- Voraussetzung für die Antragstellung ist, dass der Steuerpflichtige:
- Im Jahr der Antragstellung unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG) oder
- Zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG).
- Der Antrag muss spätestens mit der Steuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gestellt werden und gilt für die folgenden vier Veranlagungszeiträume.
5. BFH-Urteil: Anwendung der Grundsätze
- Nach der Auffassung des BFH ist der Werbungskostenabzug auch dann möglich, wenn die Voraussetzungen in den Folgejahren nach der Antragstellung entfallen (z. B. durch Veräußerung der Beteiligung).
- Der BFH begründet dies damit, dass der Gesetzgeber den mit dem Erwerb der Beteiligung zusammenhängenden Aufwand aus dem Werbungskostenabzugsverbot ausnehmen wollte. Dieser Zweck bleibt bestehen, selbst wenn aus der Beteiligung keine Einkünfte mehr erzielt werden können.
- In dem Streitfall konnte der Kläger daher die Schuldzinsen auch nach der Veräußerung seiner Beteiligung als Werbungskosten abziehen.
6. Praxishinweis
- Antragstellung: Ein Antrag auf das TEV kann nur im Jahr der entsprechenden Beteiligung gestellt werden. Ein nach der Veräußerung der Beteiligung gestellter Antrag ist unwirksam und ermöglicht keinen Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten.
- Frist: Steuerpflichtige sollten den Antrag rechtzeitig stellen, um die Vorteile des TEV und den Abzug nachlaufender Aufwendungen auch nach einer Veräußerung nutzen zu können.
Zusammenfassung
Der BFH hat klargestellt, dass der Abzug von Werbungskosten unter Anwendung des TEV auch dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen für den Abzug in den Folgejahren entfallen. Entscheidend ist, dass die Voraussetzungen im Jahr der Antragstellung erfüllt sind. Durch diese Entscheidung ist es auch nach der Veräußerung von Beteiligungen möglich, nachlaufende Aufwendungen wie Schuldzinsen als Werbungskosten geltend zu machen.
Wichtig: Steuerpflichtige sollten sich bewusst sein, dass eine rechtzeitige Antragstellung notwendig ist. Ein Antrag, der nach der Veräußerung der Anteile gestellt wird, erfüllt nicht die Voraussetzungen des TEV und ermöglicht keinen Abzug von nachlaufenden Aufwendungen.
Quelle: BFH, Urteil vom 17.07.2024 – VIII R 37/23