Entscheidung des FG Niedersachsen
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat mit Urteil vom 4. Juli 2024 (Az. 9 K 309/21) entschieden, dass der Wegfall des auf einen verstorbenen Mitunternehmer entfallenden Gewerbeverlusts einer Mitunternehmerschaft weder durch eine teleologische Reduktion des § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG) noch durch eine entsprechende Anwendung der Verlustregelungen des Körperschaftsteuergesetzes (§§ 8c und 8d KStG) vermieden werden kann.
Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung und legt die Grenzen der Verlustnutzung bei Mitunternehmerschaften klar dar.
Hintergrund des Falls
- Der Fall betraf eine Mitunternehmerschaft, deren Mitunternehmer verstorben war. Dadurch entfiel der auf ihn entfallende Anteil am Gewerbeverlust der Gesellschaft.
- Die Klägerin machte geltend, dass die Verlustnutzung durch eine teleologische Reduktion des § 10a GewStG oder durch eine analoge Anwendung von §§ 8c und 8d KStG erhalten bleiben müsse.
Wesentliche Argumente und Entscheidung des Gerichts
- Wegfall des Gewerbeverlusts bei fehlender Unternehmeridentität:
- Nach § 10a GewStG können Gewerbeverluste nur verrechnet werden, wenn Unternehmeridentität besteht.
- Diese Voraussetzung entfällt bei einem Mitunternehmerwechsel, z. B. durch Tod.
- Eine teleologische Reduktion des § 10a GewStG, die den Verlustübergang bei Erbfolge ermöglichen würde, kommt laut FG nicht in Betracht.
- Keine analoge Anwendung von §§ 8c und 8d KStG:
- Die „Stille Reserven“-Klausel des § 8c Abs. 1 Sätze 5 und 6 KStG ist nicht auf gewerbesteuerrechtliche Verlustvorträge von Mitunternehmerschaften übertragbar.
- Der Verweis in § 10a Satz 11 GewStG auf § 8d KStG ist auf körperschaftsteuerrechtliche Verlustregelungen beschränkt und nicht weitergehend auszulegen.
- Eine analoge Anwendung auf Mitunternehmerschaften scheidet mangels vergleichbarer Sachverhalte und gesetzlicher Regelungen aus.
- Keine gleichheitsrechtlichen Bedenken:
- Der Gesetzgeber hat bewusst unterschiedliche Regelungen für Verlustvorträge bei Körperschaften und Mitunternehmerschaften getroffen.
- Eine entsprechende Anwendung von § 8d KStG auf Mitunternehmerschaften ist gleichheitsrechtlich nicht geboten, da keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen.
- Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung:
- Das FG stützt sich auf frühere Urteile des BFH (z. B. BFH-Urteil vom 12. November 2020, IV R 29/18) und lehnt eine Änderung der bisherigen Rechtsauffassung ab.
Ausblick: Revision beim BFH
Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt (Az. VI R 14/24). Der BFH wird nun klären, ob die Regelungen des § 10a GewStG verfassungsrechtlich Bestand haben und ob eine erweiterte Verlustnutzung in solchen Fällen rechtlich zulässig ist.
Bedeutung für die Praxis
- Verlustnutzung bei Mitunternehmerschaften:
- Der Wegfall eines Gewerbeverlusts bei fehlender Unternehmeridentität, z. B. durch den Tod eines Mitunternehmers, bleibt vorerst bestehen.
- Steuerpflichtige sollten dies bei der Planung von Nachfolgeregelungen und der Strukturierung von Mitunternehmerschaften berücksichtigen.
- Keine Anwendung von §§ 8c und 8d KStG:
- Die Verlustregelungen des Körperschaftsteuergesetzes können nicht auf Mitunternehmerschaften übertragen werden.
- Erwartung der BFH-Entscheidung:
- Steuerpflichtige und Berater sollten die Entscheidung des BFH in der Revision aufmerksam verfolgen, da sie für die zukünftige Verlustnutzung bei Mitunternehmerschaften von großer Bedeutung sein könnte.
Fazit
Das Urteil des FG Niedersachsen bestätigt die strengen Anforderungen an die Verlustnutzung bei Mitunternehmerschaften und lehnt eine erweiterte Verlustnutzung durch teleologische Reduktion oder analoge Anwendung der Körperschaftsteuerregelungen ab. Ob der BFH in der Revision diese Rechtsprechung aufrechterhält oder Anpassungen vornimmt, bleibt abzuwarten.
Quelle: Niedersächsisches Finanzgericht, Mitteilung vom 16.01.2025