Das Finanzgericht Münster hat im Rahmen eines Verfahrens zur Aussetzung der Vollziehung entschieden, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig begrenzten Verlustverrechnung für Termingeschäfte nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) bestehen.
Hintergrund:
In einem Fall hatten Eheleute Gewinne aus Termingeschäften und Stillhalterprämien erklärt. Das Finanzamt berücksichtigte jedoch bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2022 die geltend gemachten Verluste aus Termingeschäften nur bis zu einer Höhe von jeweils 20.000 Euro. Die verbleibenden Verluste wurden gesondert festgestellt. Die Eheleute legten gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein und beantragten zudem die Aussetzung der Vollziehung.
Entscheidung des Finanzgerichts:
Das Finanzgericht Münster gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, soweit er die Beschränkung des Verlustausgleichs bei Termingeschäften auf 20.000 Euro betraf. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
- Erhebliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung:
Die Beschränkung der Verlustverrechnung für Termingeschäfte auf 20.000 Euro verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Steuerpflichtige werden bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte danach unterschiedlich behandelt, ob sie Verluste aus Termingeschäften oder aus anderen Kapitalanlagen erzielt haben. Für diese Ungleichbehandlung fehlt es an einem hinreichenden Rechtfertigungsgrund. Die vom Gesetzgeber angeführten Gründe, insbesondere die Begrenzung des Investitionsvolumens und der Verlustrisiken aus spekulativen Termingeschäften, überzeugen nicht.
- Keine hinreichende gesetzgeberische Begründung:
Die Beschränkung der Verlustverrechnung auf 20.000 Euro ist nicht geeignet, die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zu erreichen. Es ist nicht ersichtlich, warum die Sofortversteuerung nur für Gewinne aus Termingeschäften eingreifen soll. Vor dem Hintergrund des objektiven Nettoprinzips ist es nicht folgerichtig, dass der Steuerpflichtige Gewinne aus Kapitalanlagen vollumfänglich im Zuflusszeitpunkt versteuern soll, die Anerkennung der Verluste aber betragsmäßig begrenzt wird. Zudem kann die alleinige Abziehbarkeit in den Folgejahren dazu führen, dass die Verlustverrechnung endgültig ausbleibt.
Fazit:
Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster ist ein wichtiger Schritt zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung der Verlustverrechnung für Termingeschäfte. Es ist zu erwarten, dass sich auch der Bundesfinanzhof in dieser Frage mit der Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster auseinandersetzen wird.
Hinweis:
Diese Zusammenfassung dient lediglich der Information und stellt keine Steuerberatung dar. Bei Fragen zu den spezifischen Gegebenheiten Ihres Falls sollten Sie sich an einen Steuerberater wenden.