KI-Zusammenfassung

Sozialversicherungspflicht beim Gesellschafter-Geschäftsführer

Abgrenzung Beschäftigung (§ 7 SGB IV) vs. Selbstständigkeit: Regeln, Mehrheit, Minderheit, qualifizierte Sperrminorität, Statusfeststellung. Mit Checkliste & FAQs.


Wann ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig?

Die Frage der Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers gehört zu den häufigsten Streitpunkten mit der Deutschen Rentenversicherung. Entscheidend ist nicht die Organstellung als Geschäftsführer, sondern, ob eine abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt. Maßgeblich sind dabei insbesondere Kapitalbeteiligung und gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht.

Eine fehlerhafte Einordnung kann zu erheblichen Beitragsnachforderungen führen – inklusive Säumniszuschlägen für mehrere Jahre. Eine frühzeitige Prüfung und rechtssichere Gestaltung ist daher dringend zu empfehlen.


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Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von GmbH Geschäftsführern

Kapitalanteil mindestens 50% oder Sperrminoritäten aufgrund besonderer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag?

Selbstkontrahierung?
Abbedingung des Selbstkontrahierungsverbots nach § 181 BGB

Bindung an Art, Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung?

Familien-GmbH ( Familienangehörige halten Gesellschaftsanteile von mehr als 50%) ?
Geschäftsführer verfügt als einziger Gesellschafter über die für die Führung des Betriebes notwendigen Branchenkenntnisse

Geschäftsführer war vor der Umwandlung Alleininhaber einer Einzelfirma

Geschäftsführer übt seine Tätigkeit - nicht nur bei bestimmten wichtigen Geschäften - gemäß den Weisungen der Gesellschafter aus

Treuhandvertrag?
Dem Treuhänder-Gesellschafter-Geschäftsführer ist das Stimmrecht in der GmbH entzogen und er ist wie ein Arbeitnehmer in die Gesellschaft eingegliedert

Erhebliches Unternehmerrisiko?

Von vornherein grundsätzlich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, da maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Dies gilt auch, wenn ein besonderer Beirat bestellt wird oder der Geschäftsführer bzw. mitarbeitende Gesellschafter die ihm zustehende beherrschende Rechtsmacht tatsächlich nicht wahrnimmt. Die Sperrminorität des mitarbeitenden Gesellschafters (ohne Geschäftsführerfunktion) schließt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hingegen nicht von vorn hernaus. Gleiches gilt für eine nur eingeschränkte Sperrminorität des Gesellschafter-Geschäftsführers. Auch der Treuhänder-Gesellschafter-Geschäftsführer kann zu Gesellschaft in einem abhängigen Beschäftigungsverhänltnis stehen.

Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis

Kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Es kommt nicht allein darauf an, inwieweit die Sachentscheidungsbefugnis begrenzt ist. Wesentlicher ist, ob der äußere Rahmen der Tätigkeit durch einseitige Weisungsgen geregelt werden kann.

Soweit der Geschäftsführer kein Gesellschafter der GmbH ist, besteht jedoch aufgrund seiner funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess regelmäßig ein abgehängiges Beschäftigungsverhältnis.

Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, da die übrigen Gesellschafter nicht oder kaum in der Lage sind, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen. Die fachliche Überlegenheit für sich allein lässt aber nicht den Schluss auf eine selbständige Tätigkeit zu.

Kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, wenn der Geschäftsführer "Kopf und Seele" des Betriebes geblieben ist und die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nur deshalb getroffen worden sind, weil er sich dadurch haftungs- oder steuerrechtlich besser zu stehen glaubt.

Kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn die Geschäftsführertätigkeit mehr durch familienhafte Rücksichtnahmen und durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander als durch einen für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischen Interessengegensatz gekennzeichnet ist.

Kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis

Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Teilhabe am Arbeitsprozess in diesen Fällen häufig zar funktionsgerecht, aber nicht "dienender" Natur.

abhängiges Beschäftigungsverhältnis


Ausnahme: Wann ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungsfrei?

Eine Sozialversicherungsfreiheit kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschäftsführer aufgrund seiner Gesellschafterstellung nicht weisungsabhängig ist.

Checkliste: Erste Einordnung der Sozialversicherungspflicht

  • Beteiligung ≥ 50 %? → regelmäßig versicherungsfrei (Prüfung der Satzung trotzdem sinnvoll)
  • Beteiligung < 50 %? → grundsätzlich versicherungspflichtig, es sei denn: qualifizierte Sperrminorität
  • Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag: umfasst sie alle Beschlüsse (umfassend)?
  • Rechtsmacht ergibt sich aus Satzung + Gesellschafterliste, nicht aus internen Abreden
  • Tatsächliche Durchführung konsistent mit der Vertragslage (Organbeschlüsse, Geschäftsordnung, Weisungen)
  • Statusfeststellung bei der DRV rechtzeitig anstoßen (vor allem bei Änderungen)

1. Grundsätze der Sozialversicherungspflicht beim Gesellschafter-Geschäftsführer

Grundsatz: Geschäftsführer sind zunächst sozialversicherungspflichtig

Angestellte Geschäftsführer einer GmbH gelten sozialversicherungsrechtlich zunächst als abhängig beschäftigt. Sie unterliegen damit grundsätzlich der Pflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschäftsführer:

  • in die betriebliche Organisation eingegliedert ist,
  • Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt,
  • ein fixes Gehalt erhält, unabhängig vom Unternehmenserfolg.

Maßstab: Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV

Die sozialversicherungsrechtliche Einordnung richtet sich nach dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IVnicht nach der Organstellung als Geschäftsführer und auch nicht zwingend nach arbeitsrechtlichen Kategorien.

Kernmerkmale der abhängigen Beschäftigung sind Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Bei Geschäftsführern tritt jedoch besonders die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht in den Vordergrund: Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer aufgrund seiner Stellung im Gesellschaftsrecht unliebsame Weisungen effektiv verhindern kann.

Praxis-Merksatz: Nicht die „Titelzeile“ entscheidet, sondern die Rechtsmacht in der Gesellschafterversammlung und der Gesellschaftsvertrag.

Typische Indizien für Sozialversicherungspflicht

  • Beteiligung unter 50 %
  • Keine umfassende Sperrminorität
  • Weisungsgebundenheit
  • Festgehalt, Entgeltfortzahlung, Urlaubsanspruch
  • Eingliederung in die betriebliche Organisation

Typische Indizien gegen Sozialversicherungspflicht

  • Mehrheitsbeteiligung
  • Qualifizierte Sperrminorität
  • Unternehmerisches Risiko
  • Erfolgsabhängige Vergütung

Exkurs: Rentenversicherungspflicht trotz Selbständigkeit

Auch sozialversicherungsfreie Geschäftsführer können unter Umständen der Rentenversicherungspflicht als arbeitnehmerähnliche Selbständige unterliegen (§ 2 SGB VI), etwa bei Tätigkeit für nur einen Auftraggeber.


2. Gesellschafter-Geschäftsführer mit Mehrheitsbeteiligung (≥ 50 %)

Hält der Geschäftsführer mindestens 50 % der Geschäftsanteile, wird regelmäßig eine ausreichende Rechtsmacht angenommen. In diesem Fall liegt typischerweise keine abhängige Beschäftigung vor, sodass der Gesellschafter-Geschäftsführer in der Regel sozialversicherungsfrei ist (KV/RV/PV/AV).

Mehrheitsgesellschafter (> 50 % Beteiligung)

Hält der Geschäftsführer mehr als 50 % der Geschäftsanteile oder ist er Alleingesellschafter, wird regelmäßig von Selbstständigkeit ausgegangen. In diesem Fall besteht keine Sozialversicherungspflicht.

Minderheitsgesellschafter mit Sperrminorität

Auch bei einer Beteiligung von unter 50 % kann Sozialversicherungsfreiheit vorliegen, wenn eine qualifizierte Sperrminorität besteht.

Voraussetzung ist, dass der Gesellschaftsvertrag dem Geschäftsführer erlaubt, alle wesentlichen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu blockieren – also Weisungen in sämtlichen unternehmerischen Angelegenheiten zu verhindern.

Wichtig: Eine nur eingeschränkte oder themenbezogene Sperrminorität (z. B. bei Investitionen oder Personalentscheidungen) reicht nicht aus.


Was nicht ausreicht: Häufige Fehlannahmen

  • Besondere Fachkenntnisse oder die Rolle als „Kopf und Seele“ des Unternehmens
  • Familiäre Beziehungen zwischen Gesellschaftern
  • Faktische Alleinführung des Unternehmens
  • Stimmrechtsbindungen oder Vetorechte außerhalb des Gesellschaftsvertrags
  • Treuhand- oder interne Absprachen

Hinweis: Auch bei 50/50-Konstellationen kann die konkrete Satzung (z. B. Stimmrechtsregelungen, Patt-Auflösung) relevant werden. Eine saubere Vertragslage und eine Statusklärung sind in der Praxis dennoch empfehlenswert.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zählen ausschließlich formale, gesellschaftsrechtlich abgesicherte Rechte.


3. Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer (< 50 %): Grundsätzlich sozialversicherungspflichtig

Ein Kapitalanteil von unter 50 % genügt nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht, um eine selbstständige Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich zu begründen. Ohne zusätzliche, umfassende Rechtsmacht wird der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer typischerweise als abhängig beschäftigt eingeordnet – mit voller Sozialversicherungspflicht.

Typische Fehlerquelle: „Faktische“ Alleinführung, interne Absprachen oder besondere Stellung im Tagesgeschäft ersetzen nicht die erforderliche gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht.

4. Ausnahme: Qualifizierte („umfassende“) Sperrminorität

Sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit kann ausnahmsweise auch bei Minderheitsbeteiligung vorliegen, wenn der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Sperrminorität einräumt. Diese muss den Geschäftsführer in die Lage versetzen, sämtliche ihn betreffenden und die Unternehmensführung prägenden Weisungen/Beschlüsse zu verhindern.

Was bedeutet „qualifiziert“ in der Praxis?

  • Die Sperrminorität muss alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung erfassen, also die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassend.
  • Sie muss es ermöglichen, jede nicht genehme Weisung/Entscheidung in sämtlichen Angelegenheiten zu blockieren.

„Unechte“ Sperrminorität reicht nicht

Eine Sperrminorität, die nur bestimmte Katalogtatbestände oder einzelne Geschäftsbereiche betrifft, reicht regelmäßig nicht aus. Entscheidend ist nicht, ob man „in wichtigen Fragen“ mitreden kann, sondern ob man unternehmerische Gesamtentscheidungen wirksam verhindern kann.

Merksatz: Sperrminorität nur „für einzelne Themen“ = häufig zu wenig. Sperrminorität „für alles“ (umfassend) = kann tragen.

5. Inhalt der erforderlichen Rechtsmacht: Was zählt wirklich?

Ein nicht beschäftigter Gesellschafter-Geschäftsführer muss – vergleichbar einem Unternehmer – die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit insgesamt mitbestimmen können. Maßgeblich ist die gesellschaftsrechtlich eingeräumte Rechtsmacht, insbesondere aus Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterliste.

Nicht ausreichend sind insbesondere

  • Stimmbindungsabreden oder „Gentlemen’s Agreements“ außerhalb des Gesellschaftsvertrags,
  • faktische Einflussnahme (z. B. besondere Branchenexpertise, „Kopf des Unternehmens“),
  • weisungswidriges Verhalten, das tatsächlich toleriert wird, ohne dass es rechtlich abgesichert ist.

Praxisempfehlung: Wenn Selbstständigkeit gewollt ist, muss die Rechtsmacht vertraglich sauber im Gesellschaftsvertrag abgebildet werden – und zwar so, dass sie umfassend wirkt, nicht nur punktuell.

6. Fremd-Geschäftsführer und mitarbeitende Gesellschafter

Fremd-Geschäftsführer (ohne Kapitalbeteiligung)

Fremd-Geschäftsführer ohne Beteiligung sind regelmäßig abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig. Ihnen fehlt typischerweise die Rechtsmacht, Beschlüsse/Weisungen auf Gesellschafterebene zu verhindern.

Mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung

Mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung sind grundsätzlich ebenfalls abhängig beschäftigt, da das Weisungsrecht regelmäßig bei der Geschäftsführung liegt.

7. Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV): Ablauf und praktische Einordnung

Zur verbindlichen Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status kann (und sollte) ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV bei der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt werden.

Für Gesellschafter-Geschäftsführer ist dieses Verfahren seit 2022 faktisch unverzichtbar, um spätere Beitragsnachforderungen zu vermeiden.

Für Gesellschafter-Geschäftsführer ist in der Praxis das Statusfeststellungsverfahren zentral. Die Deutsche Rentenversicherung (Clearingstelle) klärt den sozialversicherungsrechtlichen Status und damit, ob Versicherungspflicht besteht.

Warum ist das Verfahren so wichtig?

  • Es schafft Rechtssicherheit für GmbH und Geschäftsführer.
  • Es reduziert das Risiko von Nachforderungen (Beiträge, Säumniszuschläge) bei späteren Prüfungen.
  • Es zwingt zur sauberen Dokumentation von Vertragslage und tatsächlicher Durchführung.

Risikohinweis: Eine nachträgliche Korrektur der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen (z. B. Satzungsänderung) wirkt in der Regel nicht automatisch rückwirkend „heilend“. Timing und Umsetzung sind entscheidend.

Statusfeststellungsverfahren für GmbH-Geschäftsführer: Ablauf, Statuskennzeichen & praktische Tipps

Bei GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern ist die sozialversicherungsrechtliche Einordnung besonders relevant: Beschäftigung oder Selbständigkeit? Um Nachzahlungen zu vermeiden, wird die Klärung regelmäßig über ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) vorgenommen. Hier erfahren Sie verständlich, wie das Verfahren funktioniert – inklusive Statuskennzeichen und Checkliste.

Merksatz: Das Statusfeststellungsverfahren prüft den Status (Beschäftigung/Selbständigkeit). Die konkrete Versicherungspflicht (z. B. in der Krankenversicherung) wird anschließend regelmäßig von der Krankenkasse beurteilt.

Was ist das Statusfeststellungsverfahren?

Das Statusfeststellungsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund, das die sozialversicherungsrechtliche Stellung einer Person klärt – also, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt oder eine selbständige Tätigkeit. Für GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer ist dieses Verfahren in der Praxis besonders wichtig, weil hier häufig das Risiko späterer Beitragsnachforderungen besteht.

Statuskennzeichen bei der Anmeldung: Wann wird das Verfahren ausgelöst?

Bei der Anmeldung einer neuen Beschäftigung ist der Arbeitgeber verpflichtet, gegenüber der Einzugsstelle anzugeben, ob es sich um eine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter handelt. Dazu wird ein Statuskennzeichen vergeben:

  • 1 = Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers
  • 2 = Geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH

Das Statuskennzeichen wird von der DRV Bund genutzt, um ein Statusfeststellungsverfahren einzuleiten.

Welche Kriterien prüft die DRV?

Die DRV bewertet die Tätigkeit nach einer Gesamtabwägung. Typische Prüffaktoren sind:

  • Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers/der Gesellschaft
  • Weisungsgebundenheit (fachlich, zeitlich, örtlich)
  • Persönliche Abhängigkeit
  • Vergütungsgestaltung (Fixum, variable Bestandteile, Unternehmerrisiko)
  • Zeitliche und örtliche Bindung
  • Unternehmerische Initiative und eigene Gestaltungsspielräume

Praxis-Hinweis: Ergibt das Gesamtbild eine abhängige Beschäftigung, besteht grundsätzlich Sozialversicherungspflicht (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung).

Wie endet das Verfahren?

Die DRV teilt das Ergebnis in einem rechtsbehelfsfähigen Bescheid mit. Es handelt sich um einen Verwaltungsakt, gegen den Rechtsmittel möglich sind.

Wichtig: Bei Statusentscheidungen im obligatorischen Verfahren gelten die Besonderheiten zum Beginn der Versicherungspflicht, zur Beitragsfälligkeit und zur fehlenden aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen nicht.

DRV-Status vs. Versicherungspflicht: Wer entscheidet was?

Die DRV klärt im Statusfeststellungsverfahren in erster Linie die Frage, ob eine Beschäftigung vorliegt. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Versicherungspflicht besteht, liegt regelmäßig bei den zuständigen Krankenkassen.

Vertretung im Verfahren: Was Steuerberater dürfen – und was nicht

Steuerberater haben – anders als z. B. Rentenberater – grundsätzlich keine Vertretungsbefugnis im Statusfeststellungsverfahren. In der Praxis kann dennoch sinnvoll sein, dass die Unterlagen vorab strukturiert und argumentativ sauber aufbereitet werden, um Rückfragen und Verzögerungen zu vermeiden.

Praktische Tipps für Arbeitgeber

  • Statuskennzeichen bei der Anmeldung korrekt und vollständig angeben.
  • Bei Zweifeln frühzeitig eine Statusklärung anstoßen, statt später Beiträge nachzuzahlen.
  • Unterlagen zur Tätigkeit (Verträge, Gesellschafterliste, Satzung, Aufgabenbeschreibung) geordnet bereithalten.
  • Den Bescheid sorgfältig prüfen und Fristen beachten.

§ 3 EStG: Rückwirkender Wegfall der Sozialversicherungspflicht bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern

Lohnsteuer · Einkommensteuer · Sozialversicherungsrecht · § 3 EStG, beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer, rückwirkende Freistellung, Erstattung Sozialversicherungsbeiträge, § 175 AO, Vorwegabzug, verdeckte Gewinnausschüttung

Stellt der Sozialversicherungsträger nachträglich fest, dass ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) in der Vergangenheit nicht sozialversicherungspflichtig war, hat das nicht nur beitragsrechtliche, sondern auch steuerliche Folgen. Insbesondere können Einkommensteuerbescheide der betroffenen Jahre wegen eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern sein.

Praxis-Hinweis: Für die Abgrenzung „beherrschender, nicht sozialversicherungspflichtiger GGF“ vs. „abhängig beschäftigter Arbeitnehmer“ enthalten Verwaltungsanweisungen (u. a. im Kontext des § 3 EStG) Entscheidungshilfen. Maßgeblich sind stets die konkreten Verhältnisse im Einzelfall.

Steuerliche Folgen, wenn die Sozialversicherungspflicht rückwirkend entfällt

Wird die (zuvor angenommene) Versicherungspflicht rückwirkend verneint, kommt es typischerweise zu Erstattungen von Beiträgen. Entscheidend ist, wer die Beiträge erstattet bekommt (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) und was anschließend mit den Beträgen passiert.

  1. Erstattung der Arbeitgeberanteile an den Arbeitgeber (ohne Weitergabe an den GGF)

    Erstattet der Sozialversicherungsträger die Arbeitgeberanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an den Arbeitgeber und werden diese nicht an den Arbeitnehmer weitergegeben, ergeben sich daraus in der Regel keine lohnsteuerlichen Folgen (BFH-Urteil vom 27.03.1992, BStBl II 1992, 663).

  2. Erstattung vermeintlicher Arbeitnehmeranteile an den Arbeitnehmer

    Erstattet der Sozialversicherungsträger die vermeintlichen Arbeitnehmeranteile an den Arbeitnehmer, ist dies grundsätzlich kein Arbeitslohn. Allerdings konnten diese Beiträge steuerlich regelmäßig nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Deshalb sind die betroffenen Veranlagungen nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, soweit im Erstattungsjahr keine Verrechnung mit gleichartigen Aufwendungen (z. B. Vorsorgeaufwendungen) möglich ist (BFH-Urteil vom 28.05.1998, BStBl II 1999, 95).

    Merksatz: Die spätere „Freistellung“ ist ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 AO.

  3. Vorwegabzug/Vorsorgeaufwendungen: Kürzung rückgängig machen

    Durch den rückwirkenden Wegfall der Sozialversicherungspflicht kann es dazu kommen, dass der Vorwegabzug (historisch: § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) in den betroffenen Jahren zu Unrecht gekürzt wurde, weil keine Arbeitgeberleistungen i. S. d. § 3 Nr. 62 EStG vorlagen. Die Kürzung ist dann regelmäßig nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu korrigieren, sofern keine andere Kürzungsvorschrift greift.

  4. Krankenversicherungsbeiträge: Erstattung kann ausgeschlossen sein

    Krankenversicherungsbeiträge werden nicht erstattet, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet wurden, bereits Leistungen erbracht hat oder zu erbringen hat (§ 26 Abs. 2 SGB IV).

  5. Arbeitgeber erhält Arbeitgeberanteile zurück und gibt sie an den Arbeitnehmer weiter

    Gibt der Arbeitgeber erstattete Arbeitgeberanteile an den Arbeitnehmer weiter, ist steuerlich zu prüfen, ob Arbeitslohn oder eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vorliegt. Wird Arbeitslohn angenommen, ist der Betrag grundsätzlich in dem Kalenderjahr zu versteuern, in dem die Auszahlung an den Arbeitnehmer erfolgt – auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Mittel z. B. für eine private Versicherung verwendet.

  6. „Umwandlung“: Verzicht des Arbeitgebers und Verwendung für freiwillige Rentenversicherung

    Verzichtet der Arbeitgeber auf die Rückzahlung der Arbeitgeberbeiträge und werden die Beiträge für die freiwillige Versicherung des Arbeitnehmers in der gesetzlichen Rentenversicherung verwendet (Umwandlung), ist ebenfalls zu prüfen, ob Arbeitslohn oder vGA vorliegt (vgl. FG Köln, Urteil vom 21.11.1989, EFG 1990, 383).

    Wird Arbeitslohn angenommen, kann der Zufluss bereits in den jeweiligen Kalenderjahren der früheren Zahlungen liegen, weil durch die Umwandlung rückwirkend eine Versicherungsanwartschaft begründet wird. Der ehemals steuerfreie Arbeitgeberanteil wird dann als Arbeitslohn versteuert; gleichzeitig kommt ein Sonderausgabenabzug in Betracht. Eine Kürzung des Vorwegabzugs ist in dieser Konstellation regelmäßig nicht vorzunehmen.

Wichtig für die Praxis: Auch bestandskräftige Einkommensteuerveranlagungen können aufgrund der nachträglichen Freistellung als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden.

Weiterführend: Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen beim Gesellschafter-Geschäftsführer

Folgerungen aus einer irrtümlich angenommenen Sozialversicherungspflicht bei Gesellschafter-Geschäftsführern

Lohnsteuer · Sozialversicherung · Gesellschafter-Geschäftsführer · irrtümliche Sozialversicherungspflicht, Gesellschafter-Geschäftsführer, Umwandlung Sozialversicherungsbeiträge, freiwillige Beiträge, Arbeitslohn, § 175 AO, § 3 Nr. 62 EStG, FG Rheinland-Pfalz

Wird bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) oder einer vergleichbaren Führungsperson zunächst fälschlich von einer Sozialversicherungspflicht ausgegangen, stellt sich nach einer späteren Korrektur die Frage nach den steuerlichen Folgen. Die Rechtsprechung – insbesondere das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 13.09.2007 (1 K 2180/06) – hat hierzu klare Leitlinien entwickelt, die inzwischen auch von der Finanzverwaltung übernommen wurden.

Ausgangslage: Irrtümlich angenommene Sozialversicherungspflicht

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass für Gesellschafter-Geschäftsführer oder leitende Personen jahrelang Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, obwohl im Nachhinein festgestellt wird, dass keine Versicherungspflicht bestand.

Wird dies durch den Sozialversicherungsträger klargestellt, ergeben sich unterschiedliche Folgen – je nachdem, was mit den bereits gezahlten Beiträgen geschieht.

Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz: Besteuerung erst im Jahr der Umwandlung

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass in Fällen, in denen Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nicht zurückgezahlt, sondern in freiwillige Beiträge umgewandelt werden, erst im Jahr der Umwandlung steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt.

Kernaussage des Gerichts:
Die Umwandlung stellt kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Eine rückwirkende Besteuerung in den Jahren der ursprünglichen Beitragszahlung ist daher unzulässig.

Im entschiedenen Fall hatte eine GmbH über Jahre hinweg Sozialversicherungsbeiträge für ihre Prokuristin abgeführt. Nach Feststellung der Versicherungsfreiheit:

  • Die Arbeitnehmeranteile sowie die Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung wurden an die GmbH erstattet.
  • Die Arbeitnehmeranteile leitete die GmbH an die Prokuristin weiter.
  • Die bereits gezahlten Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung wurden in freiwillige Beiträge umgewandelt.

Das Finanzamt wollte diese Beiträge rückwirkend als Arbeitslohn erfassen. Das Gericht widersprach und stellte klar: Besteuerung erst im Jahr der Umwandlung.

Reaktion der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung übernommen. Die Anleitung für den Lohnsteuer-Außendienst wurde entsprechend angepasst (Neufassung Anhang 22.8.5, Stand Mai 2008).

Wichtige Einschränkung: Umwandlung ist zwingende Voraussetzung

Die neue Rechtsauffassung gilt nur dann, wenn tatsächlich eine Umwandlung irrtümlich gezahlter Sozialversicherungsbeiträge in freiwillige Beiträge erfolgt – also ein bewusster Entschluss des Arbeitgebers mit entsprechender Umsetzung.

Keine Anwendung findet diese Begünstigung in Fällen, in denen:

  • der Gesellschafter-Geschäftsführer z. B. wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht krankenversicherungspflichtig war und
  • der Arbeitgeber irrtümlich steuerfreie Zuschüsse nach § 3 Nr. 62 EStG zur Krankenversicherung gezahlt hat.

In diesen Fällen fehlt es an einer „Umwandlungshandlung“. Es bleibt daher bei der bisherigen Rechtsauffassung: Arbeitslohn ist bereits in den Jahren der ursprünglichen Zahlung zugeflossen. Entsprechende Einkommensteuerbescheide sind – bei Vorliegen der Voraussetzungen – nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Praxistipp:
Ob eine steuerlich günstige Behandlung möglich ist, hängt entscheidend davon ab, ob und wie eine Umwandlung der Beiträge vorgenommen wurde. Eine frühzeitige steuerliche Prüfung kann hier erhebliche Steuernachzahlungen vermeiden.

Häufige Fragen (FAQs)

Ist ein Geschäftsführer automatisch sozialversicherungsfrei?

Nein. Entscheidend ist, ob sozialversicherungsrechtlich eine abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt. Die Organstellung allein reicht nicht.

Reicht eine „Sperrminorität“ in bestimmten wichtigen Bereichen?

Häufig nicht. Erforderlich ist regelmäßig eine qualifizierte, umfassende Sperrminorität, die es erlaubt, sämtliche wesentlichen Weisungen/Beschlüsse zu verhindern – nicht nur einzelne Katalogfälle.

Was ist wichtiger: tatsächliche Einflussnahme oder der Gesellschaftsvertrag?

Maßgeblich ist die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht aus Satzung und Gesellschafterliste. Faktische Einflussnahme oder interne Abreden ersetzen diese Rechtsmacht nicht.

Warum sollte man ein Statusfeststellungsverfahren durchführen?

Um Rechtssicherheit zu erhalten und Risiken aus späteren Prüfungen zu reduzieren. Besonders bei Minderheitsbeteiligungen oder Satzungsänderungen ist das Verfahren regelmäßig angezeigt.

Reicht es, wenn ich „de facto“ alles entscheide?

In der Regel nicht. Maßgeblich ist die gesellschaftsrechtlich abgesicherte Rechtsmacht (Satzung/Gesellschafterliste).

Wann ist eine Sperrminorität „qualifiziert“?

Wenn sie umfassend wirkt und die Blockade nicht genehmer Beschlüsse/Weisungen in sämtlichen Angelegenheiten ermöglicht.

Ergebnis & Empfehlung

Die Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern hängt maßgeblich von der formalen gesellschaftsrechtlichen Gestaltung ab. Fehler wirken sich häufig erst Jahre später aus – dann jedoch mit erheblichen Kosten.

Die sozialversicherungsrechtliche Einordnung ist eine Einzelfallprüfung. Für eine belastbare Beurteilung sollten Satzung, Gesellschafterliste und Verträge geprüft und die tatsächliche Durchführung dokumentiert werden.

Empfehlung: Lassen Sie Ihre Beteiligungs- und Vertragsstruktur frühzeitig prüfen und sichern Sie Ihren Status über ein Statusfeststellungsverfahren ab.

Rechtsprechungsübersicht: Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern (BSG)

Diese Übersicht fasst die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern zusammen. Im Zentrum steht der Beschäftigungsbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV und die Frage, ob der Geschäftsführer über eine gesellschaftsrechtlich abgesicherte Rechtsmacht (Mehrheitsbeteiligung oder qualifizierte Sperrminorität) verfügt.

Merksätze

  • Maßstab: Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV – nicht Organstellung.
  • ≥ 50 %: regelmäßig ausreichende Rechtsmacht → häufig versicherungsfrei.
  • < 50 %: regelmäßig versicherungspflichtig, außer qualifizierte Sperrminorität.
  • Kernkriterium: formale Rechtsmacht aus Satzung und Gesellschafterliste, nicht faktische Macht.

1. Ausgangspunkt: Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV

Maßstab ist der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV (nicht der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff). Entscheidend sind Weisungsgebundenheit und Eingliederung – bei Geschäftsführern wird dies durch die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht überlagert.

  • Literatur: Masuch/Meyer (ABC des GmbH-Geschäftsführers 2024), Gallus/Hannig (KÖSDI 2020)

2. Leitbild: rechtlich dominierender Gesellschafter-Geschäftsführer

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht bereits wegen der Organstellung „selbständig“. Selbständigkeit setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass der Geschäftsführer auf Gesellschafterebene über eine Rechtsmacht verfügt, mit der er die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder ihm nicht genehme Beschlüsse wirksam verhindern kann.

Regelfall: Mehrheitsbeteiligung (≥ 50 %)

Diese Rechtsmacht wird regelmäßig bejaht, wenn der Geschäftsführer mindestens 50 % der Anteile hält. In der Praxis führt dies häufig zu Versicherungsfreiheit (fehlender Beschäftigtenstatus).

Ausnahme: Qualifizierte Sperrminorität bei < 50 %

Bei einer Beteiligung von unter 50 % ist Selbständigkeit nur möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag eine umfassende (qualifizierte) Sperrminorität einräumt, die alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung erfasst und damit die gesamte Unternehmenstätigkeit betrifft.

Nicht ausreichend: „unechte“ Sperrminorität & faktische Macht

Eine nur auf bestimmte Katalogbeschlüsse begrenzte Sperrminorität genügt nicht. Ebenso wenig reichen faktische Alleinherrschaft, familiäre Bindungen oder das Ignorieren von Weisungen („Schönwetter-/Schlechtwetterselbständigkeit“).

  • BSG: 01.02.2022 – B 12 KR 37/19 R; 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R
  • Literatur: Masuch/Meyer; Freudenberg (B+P 2025); Altmann (B+P 2018)

3. Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer: Grundsätzlich sozialversicherungspflichtig

Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer sind nach der Leitlinie des BSG grundsätzlich abhängig beschäftigt und damit in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig – sofern keine qualifizierte Sperrminorität besteht.

Praxisbeispiel aus der Rechtsprechung: Versicherungspflicht wurde u. a. bei 49 % Beteiligung und nur teilweiser Sperrminorität bestätigt.

Auch Sonderrechte (z. B. auf Geschäftsführung) oder die faktische Möglichkeit, Weisungen zu ignorieren, ersetzen keine fehlende gesellschaftsrechtliche Sperrminorität.

  • BSG: 01.02.2022 – B 12 KR 37/19 R; 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R

4. Fremd-Geschäftsführer & mitarbeitende Gesellschafter

Fremd-Geschäftsführer (ohne Beteiligung)

Fremd-Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung gelten typischerweise als abhängig beschäftigt und sind regelmäßig versicherungspflichtig.

Mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung

Mitarbeitende Gesellschafter ohne organschaftliche Leitung sind im Regelfall ebenfalls abhängig beschäftigt, weil das Weisungsrecht bei der Geschäftsführung liegt. Selbst bei hälftiger Beteiligung kann Beschäftigung vorliegen, wenn die Leitungsfunktion und eine umfassende Rechtsmacht zur Unternehmenssteuerung fehlen.

  • BSG: 13.03.2023 – B 12 R 6/21 R
  • Literatur: Masuch/Meyer; Gallus/Hannig

5. Vorhersehbarkeit, Gesellschafterliste (§ 16 GmbHG) & Änderungen der Verhältnisse

Die Rechtsmacht muss aus klar erkennbaren gesellschaftsrechtlichen Regelungen folgen. Das BSG betont das Prinzip der Vorhersehbarkeit und Klarheit beitragsrechtlicher Tatbestände.

Für den Umfang der Beteiligung ist nach § 16 Abs. 1 GmbHG auf die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste abzustellen; diese formale Betrachtung übernimmt das BSG ausdrücklich.

Statusfeststellungsbescheide haben Dauerwirkung und können bei wesentlicher Änderung (z. B. Kapitalerhöhung, Wegfall der Sperrminorität) nach den §§ 48 ff. SGB X angepasst werden.

  • BSG: 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R; 29.03.2022 – B 12 KR 1/20 R

6. Sonderfrage: Arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit (§ 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI)

Auch wenn keine abhängige Beschäftigung vorliegt, kann eine Rentenversicherungspflicht als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI in Betracht kommen. Bei Gesellschaftern ist hierfür praxisrelevant, wie sich Auftraggeberstruktur und Beschäftigung von Arbeitnehmern auf Ebene der GmbH auswirken.

  • Literaturhinweise: Tormöhlen (Korn/Carlé/Stahl/Strahl), Stelzer (Feldgen), Stbg 2006

7. Querbezug: Holding-Strukturen (aktuelle Fallkonstellationen)

In Holding-Konstellationen prüft das BSG besonders streng, ob dem operativen Geschäftsführer auf Ebene der operativen Gesellschaft eine die Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht zukommt. Eine mittelbare Einflussposition über eine Holding ersetzt dies nicht, wenn die Holding-Ebene selbst keine eindeutige Dominanz vermittelt.

Praxis-Hinweis: In Strukturierungen (Holding/OpCo) sollte die sozialversicherungsrechtliche Statusfrage immer vor Umsetzung geprüft und dokumentiert werden – insbesondere bei paritätischen Beteiligungen und Doppel-GF-Konstellationen.

8. Systematik für Beratung & Verwaltungspraxis (Statusverfahren § 7a SGB IV)

Literatur und Praxis fassen die Rechtsprechung regelmäßig wie folgt zusammen: Mehrheit (≥ 50 %) oder qualifizierte Sperrminorität sprechen für Versicherungsfreiheit; ansonsten ist regelmäßig von Versicherungspflicht auszugehen (einschließlich Fremd-GF). Unternehmerisches Risiko (Bürgschaften, Darlehen, Verlust der Stammeinlage) wird nur zurückhaltend als selbständigkeitsbegründend anerkannt.

Für Gesellschafter-Geschäftsführer ist die Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung nach § 7a SGB IV der zentrale Weg zur Rechtssicherheit – insbesondere bei Änderungen in Satzung, Beteiligung oder Geschäftsführung.

9. Ergebnis (BSG-Linie in einem Satz)

Kernkriterium der BSG-Rechtsprechung ist die formale, aus Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterliste ablesbare Rechtsmacht: Mehrheits- oder qualifiziert minderheitsbeteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer sind regelmäßig versicherungsfrei, alle übrigen regelmäßig versicherungspflichtig.


Die Kriterien für die Beurteilung werden von den Sozialgerichten fortlaufend weiterentwickelt. Dies sind die wesentlichen Kriterien, die bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht aufgrund neuer Urteile des Bundessozialgerichts eine Rolle spielen: Rechtsmacht im Innenverhältnis entscheidend - beherrschende Beteiligung (mind. 50%) bzw. Sperrminorität (25% + 1 Stimme oder 33% + 1 Stimme), Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB, Branchenkenntnisse, faktische Weisungsgebundheit, Unternehmerrisiko, etc.


Sozialversicherungspflicht trotz Vertrags mit einer Ein-Personen-GmbH

Auch bei einer Vertragsbeziehung mit einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft (z. B. Ein-Personen-GmbH oder UG) kann eine Sozialversicherungspflicht der handelnden natürlichen Person bestehen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 20. Juli 2023 ausdrücklich klargestellt.

Entscheidend ist nicht allein, dass der Auftrag formal von einer Kapitalgesellschaft übernommen wird. Maßgeblich ist vielmehr, wie die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Die Sozialversicherungsträger prüfen daher, ob die Tätigkeit der natürlichen Person – als Gesellschafter-Geschäftsführer der Ein-Personen-Gesellschaft – im Ergebnis einer abhängigen Beschäftigung entspricht.

Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit

Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung kommt es auf eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere werden folgende Kriterien geprüft:

  • Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers
  • Weisungsgebundenheit hinsichtlich Inhalt, Zeit und Ort der Tätigkeit
  • Persönliche Abhängigkeit der handelnden Person
  • Vergütungsstruktur (fixe Vergütung vs. unternehmerisches Risiko)
  • Zeitliche und örtliche Bindung an den Auftraggeber
  • Unternehmerische Entscheidungsfreiheit und eigene Marktpräsenz

Ergibt diese Gesamtschau ein Bild der abhängigen Beschäftigung, ist die Tätigkeit sozialversicherungspflichtig – selbst dann, wenn der Vertrag formal mit der Kapitalgesellschaft geschlossen wurde.

Bedeutung des BSG-Urteils für die Praxis

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts hat erhebliche praktische Relevanz. Sie zeigt, dass die Zwischenschaltung einer Ein-Personen-GmbH keinen automatischen Schutz vor Sozialversicherungspflicht bietet.

In der Praxis bedeutet dies, dass Tätigkeiten über Ein-Personen-Gesellschaften verstärkt unter dem Gesichtspunkt der Scheinselbständigkeit geprüft werden. Dies gilt sowohl für Auftraggeber als auch für die handelnden Geschäftsführer.

Praktische Hinweise für Auftraggeber und Auftragnehmer

  • Auftraggeber sollten Vertragsgestaltungen mit Ein-Personen-Kapitalgesellschaften sorgfältig prüfen und darauf achten, dass keine arbeitnehmertypischen Strukturen entstehen.
  • Geschäftsführer von Ein-Personen-GmbHs sollten sich bewusst sein, dass ihre persönliche Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich geprüft wird – unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Hülle.
  • Bei Zweifeln empfiehlt sich die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV bei der Deutschen Rentenversicherung.

Ergebnis

Eine Ein-Personen-Kapitalgesellschaft schützt nicht automatisch vor Sozialversicherungspflicht. Entscheidend ist allein, wie die Tätigkeit tatsächlich gelebt wird. Eine frühzeitige rechtliche und steuerliche Prüfung kann helfen, spätere Beitragsnachforderungen und Haftungsrisiken zu vermeiden.

Hinweise zur Rechtsprechung und Literatur

Die dargestellten Grundsätze orientieren sich an der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere des Bundessozialgerichts (BSG), sowie an einschlägiger Fachliteratur (u. a. Masuch/Meyer, Gallus/Hannig, Arnold/Deck/Geiermann/Imping/Nehring/Voss; zudem BSG-Entscheidungen u. a. aus 2022 und 2023 zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit bei Gesellschafter-Geschäftsführern).

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