Abfindungszahlungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterfallen nicht der sog. Grenzgänger-Regelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-FRA

Erhält ein durchgehend in Deutschland beschäftigter und teilweise in Frankreich wohnhafter Steuerpflichtiger für die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, ist eine zeitbezogene Aufteilung der Abfindungszahlung in einen steuerpflichtigen und einen nicht steuerbaren Teil anhand der Anzahl der Monate vorzunehmen, in denen der Steuerpflichtige tatsächlich in Deutschland besteuert worden ist.

Sachverhalt

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und war vom Februar 1995 bis Juni 2015 (245 Monate) bei einem inländischen Arbeitgeber angestellt. Er lebte bis einschließlich Oktober 2005 in Deutschland. Im November 2005 zog er mit seiner Familie nach Frankreich und hatte dort seinen ausschließlichen Wohnsitz. Seitdem wurde der Kläger aufgrund entsprechender Freistellungsbescheinigungen des beklagten Finanzamtes (FA) als sog. Grenzgänger gem. Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und der gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-FRA) von der deutschen Lohnsteuer freigestellt. Die laufenden Einkünfte des Klägers in Höhe von zuletzt 4.901,40 Euro aus seinem inländischen Arbeitsverhältnis wurden in Frankreich der dortigen Einkommensbesteuerung unterworfen.

Aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs wurde das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2015 beendet und eine Abfindungszahlung von 180.000 Euro vereinbart. Das FA war der Auffassung, die Abfindungszahlung müsse in einen im Inland steuerpflichtigen (129/245) und einen im Inland nicht steuerbaren Betrag (116/245) aufgeteilt werden. Diese Aufteilung entspreche der Dauer des Innehabens eines inländischen Wohnsitzes (129 Monate) im Verhältnis zur Dauer des Dienstverhältnisses (245 Monate). Der Arbeitgeber unterwarf den anteiligen Betrag von 94.775,41 Euro der Lohnsteuer. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Aus den Gründen

Klage auf Erlass eines Freistellungsbescheids

Das FG legte das Begehren des Klägers dahingehend aus, dass es auf Erlass eines Freistellungsbescheids gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO) gerichtet sei (Verpflichtungsbegehren) und damit weder auf den Erlass eines Erstattungsbescheids noch auf die Rückzahlung der einbehaltenen Steuern.

Kein Anspruch auf steuerliche Freistellung der Abfindung

Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine weitere steuerliche Freistellung der Abfindung. Das FA habe unter Anwendung der sog. Fünftelregelung gem. § 39b Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Abfindung anteilig der deutschen Besteuerung unterworfen und damit zu Recht von dieser Abfindung Lohnsteuern in Höhe von 9.240 Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von 508,20 Euro einbehalten.

Beschränkte Steuerpflicht für Entschädigungszahlung als inländische Einkünfte

Der Kläger unterliege der beschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 4 EStG, da er seit 1. November 2005 in Deutschland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Die Abfindung stelle inländische Einkünfte dar. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG seien inländische Einkünfte auch solche Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden. Die Abfindung sei eine Entschädigung. Der arbeitsgerichtliche Vergleich habe das Arbeitsverhältnis vollständig beendet und die vereinbarte Abfindung sei konkret und final auf dessen Auflösung bezogen gewesen. Die Abfindung unterliege der deutschen Besteuerung, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben.

Zeitanteilige Aufteilung der Abfindung

Der Kläger sei während des gesamten Dienstverhältnisses über den Zeitraum von 245 Monaten mit seinen nichtselbständigen Einkünften nach deutschem Steuerrecht unbeschränkt (129 Monate) oder beschränkt (116 Monate) einkommensteuerpflichtig gewesen. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG sei der Kläger hinsichtlich der Abfindungszahlung insoweit beschränkt einkommensteuerpflichtig, als die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Auf eine tatsächliche Besteuerung komme es nicht an; auch DBA-befreite inländische Einkünfte seien einzubeziehen. Wenn nun das FA eine Aufteilung der Abfindungszahlung vorgenommen und hierbei eine zeitbezogene Aufteilung anhand der Anzahl der Monate gewählt habe, in denen der Kläger tatsächlich in Deutschland besteuert worden sei, so sei dies rechtlich nicht zu beanstanden.

Abfindungszahlungen unterlägen gem. § 39b Abs. 3 EStG der Lohnsteuer. Der Arbeitgeber habe entsprechend der vorliegenden Freistellungsbescheinigung gem. § 39d Abs. 1 Satz 1 EStG a. F. den Lohnsteuerabzug zu Recht nach Steuerklasse I vorgenommen. Die Regelung des § 39d Abs. 1 EStG sei zwar zum 1. Januar 2012 aufgehoben worden. Sie gelte aber gem. § 52 Abs. 23e EStG im Streitjahr fort.

Keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch das DBA-FRA

Das nationale Besteuerungsrecht für 129/245 der Abfindung werde durch das DBA-FRA nicht eingeschränkt. Ein ausschließliches Besteuerungsrecht Frankreichs ergebe sich weder aus Art. 13 Abs. 5 DBA-FRA noch aus Art. 13 Abs. 1 DBA-FRA.

Grenzgängerregelung ist nicht auf Abfindungszahlungen anwendbar

Die Regelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-FRA (sog. Grenzgängerregelung) sei nicht auf Abfindungen anwendbar. Diese Vorschrift weise das Besteuerungsrecht für laufende Vergütungen des Grenzgängers dem Ansässigkeitsstaat zu. Die im Streitfall gezahlte Abfindung sei keine laufende Vergütung. Werde diese für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis und damit für die Nichtfortsetzung der Arbeit gezahlt, so beziehe sie sich auf eine vergangene Tätigkeit und nicht auf eine laufende Tätigkeit, die im Grenzgebiet verrichtet werden kann. Es gebe keine aktive Tätigkeit mehr und damit auch keinen Tätigkeitsstaat. Die Abfindung anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gehöre zwar zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger sei insoweit aber kein Grenzgänger mehr.

Kein Besteuerungsrecht Frankreichs für Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit in Deutschland

Ein ausschließliches Besteuerungsrecht Frankreichs ergebe sich auch nicht aus Art. 13 Abs. 1 DBA-FRA. Diese Regelung weise für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit das ausschließliche Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat (Arbeitsortprinzip) zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Abfindungszahlungen unter Geltung von DBA-Regelungen, die Art. 15 Abs. 1 OECD-MA entsprechen, gilt das für die Besteuerung von Arbeitslöhnen geltende abkommensrechtliche Arbeitsortprinzip zwar nicht für Abfindungen, die anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden. Aufgrund des vom Wortlaut des OECD-MA abweichenden Wortlauts des Art. 13 Abs. 1 DBA-FRA verbleibe es im Streitfall aber beim Arbeitsortsprinzip und damit beim ausschließlichen Besteuerungsrecht Deutschlands. Frankreich als Ansässigkeitsstaat habe unter Geltung des DBA-FRA für Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit in Deutschland kein Besteuerungsrecht.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 17.09.2020 zum Urteil 6 K 1055/18 vom 11.02.2020 (nrkr – BFH-Az.: I R 30/20)