Anerkennung von grenzüberschreitenden Organschaften

Anerkennung von grenzüberschreitenden Organschaften

Kernproblem

Verpflichtet sich eine inländische Kapitalgesellschaft, ihren gesamten Gewinn als Organgesellschaft an ein anderes gewerbliches Unternehmen als Organträger abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen. Die Organschaft eignet sich somit insbesondere zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten innerhalb von Konzernen. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Organschaft ist dabei u. a., dass der Organträger die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft innehat und seine Geschäftsleitung (früher zusätzlich auch Sitz) im Inland hat. Dies gilt für die Körperschaftsteuer ebenso wie für die Gewerbesteuer. Fraglich ist allerdings, ob der strikte Inlandsbezug der Organschaft den Anforderungen des Europa- und des Abkommensrechts standhält.

Sachverhalt

Klägerin war eine inländische GmbH, deren alleinige Gesellschafterin eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts (public privat company) war. Letztere gewährte der inländischen GmbH im Streitjahr 1999 hohe Darlehensbeträge, für die in 1999 Darlehenszinsen anfielen. Die klagende GmbH begehrte als Organgesellschaft behandelt zu werden, so dass eine Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen für Zwecke der Gewerbesteuer unterbleiben würde. Das Finanzamt sowie das Finanzgericht Hessen folgten dieser Auffassung nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klägerin im Ergebnis jedoch nunmehr recht.

Entscheidung

Der BFH erkennt vorliegend die gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der britischen Muttergesellschaft und der deutschen Tochter-GmbH an. Zwar könne die Obergesellschaft mangels inländischer Geschäftsleitung nach dem Gesetzeswortlaut nicht Organträger sein. Allerdings sei der strikte Inlandsbezug ein Verstoß gegen das im DBA-Großbritannien vereinbarte Diskriminierungsverbot. Danach dürfen Inlandsunternehmen, die von im Ausland ansässigen Gesellschaftern beherrscht werden, steuerlich nicht schlechter behandelt werden als von Inländern beherrschte Inlandsunternehmen. Da die Organschaft schon nach abkommensrechtlichen Grundsätzen anzuerkennen war, konnte der BFH die interessante Frage nach der Europarechtskonformität der Organschaftsregelungen offen lassen.

Konsequenzen

Das Urteil kann zwar nicht unmittelbar auf das geltende Recht übertragen werden, da nach aktuellem Recht (neben der körperschaftsteuerlichen) nunmehr auch die gewerbesteuerliche Organschaft den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags verlangt. Es ist jedoch fraglich, ob das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags europarechtlichen Anforderungen entspricht. Sofern diese Voraussetzung zukünftig aus europarechtlichen Gründen aufgehoben wird, käme dem Urteil zukünftig in grenzüberschreitenden Sachverhalten erhebliche Bedeutung zu. In diesen Fällen wären grenzüberschreitende Organschaften dann anzuerkennen, wenn die sonstigen Organschaftsvoraussetzungen erfüllt wären und das maßgebliche DBA ein Diskriminierungsverbot i. S. d. Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen beinhaltet.