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Bundesfinanzministerium: Keine Anerkennung der grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft

Bundesfinanzministerium: Keine Anerkennung der grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft

Grundlagen

Mit Urteil aus Februar 2011 hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine grenzüberschreitende gewerbesteuerliche Organschaft zwischen einer inländischen Untergesellschaft und einer britischen Obergesellschaft für das Streitjahr 1999 anerkannt. Zwar ergebe sich dies nicht aus dem Gesetzeswortlaut, wonach zwingende Voraussetzung für die Anerkennung einer Obergesellschaft als Organträger ist, dass diese ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Das Erfordernis einer inländischen Geschäftsleitung verstoße jedoch gegen das im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und Großbritannien vereinbarte Diskriminierungsverbot. Dieses gebiete, dass ein inländisches Unternehmen, welches von im Ausland ansässigen Anteilseignern beherrscht werde, nicht schlechter behandelt werden dürfe als ein inländerbeherrschtes Inlandsunternehmen.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil des BFH ist auf aktuelle Sachverhalte nicht unmittelbar übertragbar. Die Anerkennung einer gewerbesteuerlichen Organschaft – wie auch seit jeher die körperschaftsteuerliche Organschaft – erfordert, anders als im Streitjahr 1999, nunmehr auch den Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags. Enthält das jeweils anzuwendende DBA daher eine Diskriminierungsklausel entsprechend der des OECD-Musterabkommens, wird eine grenzüberschreitende Organschaft nur anerkannt, wenn neben den sonstigen Voraussetzungen auch ein Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen und durchgeführt wird. Ob und inwieweit das Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrags für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses wiederum den Anforderungen des Europarechts entspricht, ist derzeit noch ungeklärt.

Reaktion der Finanzverwaltung

Mit Schreiben vom 27.12.2011 hat die Finanzverwaltung erwartungsgemäß mit einem Nichtanwendungserlass auf die Entscheidung des BFH reagiert. Demnach ist das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelsachverhalt hinaus anzuwenden.

Konsequenz

Die Europatauglichkeit der aktuellen Organschaftsregelungen ist eines der umstrittensten Themen des internationalen Steuerrechts. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, wie auch das aktuelle Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission zeigt. In diesem äußert die Kommission europarechtlichen Bedenken gegen das Erfordernis des doppelten Inlandsbezugs von Organgesellschaften, wonach diese sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung in Deutschland haben müssen. Fraglich ist, ob diese Bedenken durch ein im März 2011 veröffentlichtes Schreiben des Bundesfinanzministeriums beseitigt sind. Aufgrund der hohen Komplexität der Materie sowie der sich ständig weiterentwickelnden Rechtsgrundsätze sollte in der Praxis in Fällen von grenzüberschreitenden Organschaften stets die Heranziehung eines steuerlichen Beraters erwogen werden.

Anerkennung von grenzüberschreitenden Organschaften

Anerkennung von grenzüberschreitenden Organschaften

Kernproblem

Verpflichtet sich eine inländische Kapitalgesellschaft, ihren gesamten Gewinn als Organgesellschaft an ein anderes gewerbliches Unternehmen als Organträger abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen. Die Organschaft eignet sich somit insbesondere zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten innerhalb von Konzernen. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Organschaft ist dabei u. a., dass der Organträger die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft innehat und seine Geschäftsleitung (früher zusätzlich auch Sitz) im Inland hat. Dies gilt für die Körperschaftsteuer ebenso wie für die Gewerbesteuer. Fraglich ist allerdings, ob der strikte Inlandsbezug der Organschaft den Anforderungen des Europa- und des Abkommensrechts standhält.

Sachverhalt

Klägerin war eine inländische GmbH, deren alleinige Gesellschafterin eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts (public privat company) war. Letztere gewährte der inländischen GmbH im Streitjahr 1999 hohe Darlehensbeträge, für die in 1999 Darlehenszinsen anfielen. Die klagende GmbH begehrte als Organgesellschaft behandelt zu werden, so dass eine Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen für Zwecke der Gewerbesteuer unterbleiben würde. Das Finanzamt sowie das Finanzgericht Hessen folgten dieser Auffassung nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klägerin im Ergebnis jedoch nunmehr recht.

Entscheidung

Der BFH erkennt vorliegend die gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der britischen Muttergesellschaft und der deutschen Tochter-GmbH an. Zwar könne die Obergesellschaft mangels inländischer Geschäftsleitung nach dem Gesetzeswortlaut nicht Organträger sein. Allerdings sei der strikte Inlandsbezug ein Verstoß gegen das im DBA-Großbritannien vereinbarte Diskriminierungsverbot. Danach dürfen Inlandsunternehmen, die von im Ausland ansässigen Gesellschaftern beherrscht werden, steuerlich nicht schlechter behandelt werden als von Inländern beherrschte Inlandsunternehmen. Da die Organschaft schon nach abkommensrechtlichen Grundsätzen anzuerkennen war, konnte der BFH die interessante Frage nach der Europarechtskonformität der Organschaftsregelungen offen lassen.

Konsequenzen

Das Urteil kann zwar nicht unmittelbar auf das geltende Recht übertragen werden, da nach aktuellem Recht (neben der körperschaftsteuerlichen) nunmehr auch die gewerbesteuerliche Organschaft den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags verlangt. Es ist jedoch fraglich, ob das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags europarechtlichen Anforderungen entspricht. Sofern diese Voraussetzung zukünftig aus europarechtlichen Gründen aufgehoben wird, käme dem Urteil zukünftig in grenzüberschreitenden Sachverhalten erhebliche Bedeutung zu. In diesen Fällen wären grenzüberschreitende Organschaften dann anzuerkennen, wenn die sonstigen Organschaftsvoraussetzungen erfüllt wären und das maßgebliche DBA ein Diskriminierungsverbot i. S. d. Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen beinhaltet.

Keine freie Rechtswahl bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen

Keine freie Rechtswahl bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen

Rechtslage

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer aktuellen Entscheidung zur Frage der Zulässigkeit einer Rechtswahl im Arbeitsrecht und zu den Kriterien, nach denen sich der Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses bei grenzüberschreitender Tätigkeit im Bereich der Europäischen Union bestimmt, entschieden.

Sachverhalt

Der Kläger wohnte in Deutschland und war bei einem luxemburgischen Arbeitgeber als Lkw-Fahrer im internationalen Speditionsgeschäft beschäftigt; die Abstellplätze für die LKW befanden sich in Deutschland, wo der Arbeitgeber aber weder einen Gesellschaftssitz noch Geschäftsräume unterhält. Die Lkw waren in Luxemburg zugelassen, die Fahrer sind der luxemburgischen Sozialversicherung angeschlossen. Der bestehende Arbeitsvertrag sah die Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts vor. Aufgrund angekündigter Restrukturierungsmaßnahmen gründeten die Beschäftigten in Deutschland einen Betriebsrat, dem der Kläger angehörte, bevor ihm gekündigt wurde. In seiner Kündigungsschutzklage macht der Kläger die Anwendbarkeit deutschen Rechts geltend, nach dem er als Betriebsratsmitglied (anders als in Luxemburg) Sonderkündigungsschutz genießt.

Entscheidung

Nach Vorlage durch das nationale Gericht (geklagt worden war in Luxemburg) entschied der Europäische Gerichtshof, dass das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen im Wesentlichen erfülle. Zwar sei eine Rechtswahl auch im Arbeitsrecht möglich. Diese dürfe aber nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch das Recht gewährt wird, das anzuwenden wäre, wenn die Rechtswahl nicht erfolgt sei. Für das Arbeitsrecht sei daher primär darauf abzustellen, in welchem Staat der Arbeitnehmer „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“. Das ist der Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübt, und, wenn ein solcher Mittelpunkt nicht feststellbar ist, der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeit ausübt. Dabei sei das Kriterium des Orts der Ausübung der beruflichen Tätigkeit zum Schutz der Arbeitnehmer weit auszulegen. Im Streitfall sei daher zu ermitteln, in welchem Staat sich der Ort befinde, von dem aus der Kläger seine Transportfahrten durchführt, wo sich die Arbeitsmittel befinden, sowie an welche Orte die Waren hauptsächlich transportiert werden, wo sie entladen werden, wohin der Arbeitnehmer nach seinen Fahrten zurückkehrt und von woher Anweisungen zu diesen Fahrten ergehen. Eine Gesamtschau dieser Kriterien und ihre Gewichtung durch das Gericht führten dann zur Entscheidung, wo der Ort des Arbeitsverhältnisses liege und welches Recht anwendbar sei.

Konsequenz

Eine Rechtswahl im Arbeitsrecht ist zwar auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes möglich und zulässig. Spätestens dann aber, wenn grenzüberschreitend Leistungen erbracht werden oder mehrere Tätigkeitsorte existieren, muss der tatsächliche Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses, der dann auch das anwendbare Arbeitsrecht bestimmt, im Rahmen einer Gesamtabwägung bestimmt werden. Dabei darf die Rechtswahl nicht zum Verlust von Arbeitnehmerrechten führen.