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BFH: Zweimalige Grunderwerbsteuer bei Signing und Closing? – Rechtliche Zweifel an Doppelbelastung

BFH stoppt Finanzamt im einstweiligen Rechtsschutz – Klärung der Rechtslage steht bevor

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2025 (II B 47/25, AdV) hat der Bundesfinanzhof erhebliche Zweifel an der doppelten Festsetzung von Grunderwerbsteuer beim Erwerb von GmbH-Anteilen geäußert, wenn Signing und Closing zeitlich auseinanderfallen. Der BFH gewährte AdV (Aussetzung der Vollziehung) und stellte klar, dass die Rechtslage unsicher ist.

Dies betrifft vor allem M&A-Transaktionen, Share Deals und immobilienhaltende Kapitalgesellschaften.


1. Worum geht es? – Share Deals und Grunderwerbsteuer

Bei immobilienhaltenden GmbHs entstehen grunderwerbsteuerliche Risiken, wenn mindestens 90 % der Anteile übertragen werden. Zwei Erwerbstatbestände spielen regelmäßig eine Rolle:

  • § 1 Abs. 2b GrEStG
    → Erwerb eines „maßgeblichen Einflusses“ (Share Deals).
  • § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG
    → Vereinigung von mind. 90 % der Anteile in einer Hand.

Wenn Signing (schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft) und Closing (dinglicher Übergang der Anteile) zeitlich auseinanderfallen, besteht Streit darüber, ob beide Tatbestände jeweils separat Grunderwerbsteuer auslösen.


2. BFH: Zweifelhafte doppelte Besteuerung bei zeitlichem Auseinanderfallen

Der BFH bewertet die Doppelbelastung als rechtlich zweifelhaft, wenn:

  • das Finanzamt bei Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bereits wusste,
  • dass das Closing bereits durchgeführt war,
  • während es zuvor schon nach § 1 Abs. 2b GrEStG Grunderwerbsteuer festgesetzt hatte.

Kurz gesagt:

👉 Wenn das Finanzamt die spätere Anteilsvereinigung (Closing) kennt, spricht vieles dagegen, dass zusätzlich eine separate Steuer für den Signing-Tatbestand bestehen darf.

Der BFH äußert damit erhebliche verfassungs- und systembedingte Zweifel an der bisherigen Verwaltungspraxis.


3. Bedeutung für die Praxis

Der Beschluss ist hochrelevant für:

  • Immobilieninvestoren
  • Private-Equity-Strukturen
  • M&A-Transaktionen
  • Corporate Real Estate
  • steuerliche Strukturierungs- und Transaktionsberatung

Typische Risikkonstellationen:

  • Signing im Jahr 1, Closing im Jahr 2
  • zeitlich versetzte Beteiligungsübertragungen
  • Anteilskäufe in mehreren Tranchen
  • internationale Erwerbsstrukturen

Die Gefahr einer doppelten Grunderwerbsteuer war bislang real – der BFH stellt sie nun in Frage.


4. Konsequenzen für laufende und abgeschlossene Fälle

4.1 Aussetzung der Vollziehung (AdV) jetzt leichter durchsetzbar

Da der BFH Zweifel an der Rechtslage sieht:

👉 Betroffene Steuerpflichtige haben gute Chancen auf AdV,
wenn gegen entsprechende Festsetzungen Einspruch eingelegt wird.

4.2 Gestaltungsspielräume in M&A-Transaktionen

Berater sollten prüfen:

  • ob Signing- und Closing-Strukturen optimiert werden können,
  • wie Tatbestände nach § 1 Abs. 2b und Abs. 3 GrEStG vermeidet oder kombiniert werden können,
  • ob bereits erfolgte Festsetzungen angefochten werden sollten.

4.3 Relevanz für die Rechtsprechung

Der Beschluss ist ein AdV-Beschluss, kein materielles Urteil.
Aber:

  • Der BFH zeigt deutlich, dass er rechtliche Zweifel an einer Doppelbesteuerung hat.
  • Eine spätere grundlegende Entscheidung ist sehr wahrscheinlich.
  • Auch Gesetzesanpassungen sind nicht ausgeschlossen.

5. Fazit

Der BFH setzt ein wichtiges Zeichen im Bereich der Grunderwerbsteuer bei Share Deals:

  • Die zweimalige Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei auseinanderfallendem Signing und Closing ist rechtlich fragwürdig.
  • Der BFH schützt Steuerpflichtige im AdV-Verfahren.
  • Für Transaktionsstrukturen eröffnet dies neue Argumentationslinien und Chancen zur Rechtsverteidigung.

Unternehmen und Berater sollten laufende und vergangene Transaktionen prüfen, in denen zwei Erwerbstatbestände parallel angesetzt wurden – die Erfolgsaussichten in Einspruchs- und AdV-Verfahren sind nun deutlich gestiegen.


Quelle: BFH, Beschluss II B 47/25 (AdV) vom 27.10.2025

BFH: Fehlende Ausweisung von Stornobuchungen begründet formellen Buchführungsmangel

Schätzungsbefugnis des Finanzamts – und klare Anforderungen an die Wahl der Schätzungsmethode

Mit zwei Urteilen vom 29. Juli 2025 (X R 23/21 und X R 24/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) grundlegende Aussagen zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung, zur Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung und zur Auswahl geeigneter Schätzungsmethoden getroffen. Die Entscheidungen sind von erheblicher Bedeutung für alle bargeldintensiven Betriebe sowie für Betriebsprüfer und Berater.


1. Buchführungsmangel: Fehlende Stornonachweise führen zur Schätzung

Der BFH stellt klar:

👉 Wenn ein Kassensystem Stornierungen zulässt, diese aber nicht in Tagesabschlüssen oder Z-Bons ausgewiesen werden, liegt ein formeller Buchführungsmangel vor.

Wesentliche Punkte:

  • Es kommt nicht darauf an, ob die Stornierungen tatsächlich missbräuchlich verwendet wurden.
  • Allein die fehlende Dokumentation reicht aus, um die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung zu verneinen.
  • Damit entsteht eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts nach § 162 AO.

Das Urteil bestätigt die strengen Anforderungen an elektronische Kassensysteme – insbesondere an vollständige, unveränderbare und transparente Aufzeichnungen.


2. Schätzungsmethoden: Finanzamt und Gericht haben Wahl – aber nicht grenzenlos

Grundsätzlich haben Finanzamt und Finanzgericht bei der Schätzung großen Spielraum. Allerdings:

👉 Die Wahl der Methode ist an die Grundsätze pflichtgemäßen Ermessens (§ 5 AO) gebunden.

Das bedeutet:

  • Es muss die genaueste geeignete Methode gewählt werden.
  • Ungenaue Schätzmethoden sind nachrangig, wenn genauere zur Verfügung stehen.
  • Der innere Betriebsvergleich (Vergleich mit eigenen Zahlen und Zeiträumen) ist in der Regel dem äußeren Betriebsvergleich (Vergleich mit Branchendaten anderer Betriebe) überlegen.

Damit stärkt der BFH die Bedeutung betriebsinterner Daten – und schwächt die oftmals sehr pauschalen äußeren Betriebsvergleiche.


3. Begründungspflicht: Schätzung muss nachvollziehbar sein

Der BFH betont mit Nachdruck:

👉 Finanzamt und Finanzgericht müssen ihre Schätzung detailliert und nachvollziehbar begründen.

Ist dies nicht der Fall, führt dies zu:

  • einem sachlich-rechtlichen Mangel,
  • der vom Revisionsgericht auch ohne Rüge beanstandet werden kann.

Damit mahnt der BFH eine sorgfältige Darlegungspflicht an – Schätzungen dürfen nicht schematisch oder pauschal vorgenommen werden.


4. Praxisfolgen für Unternehmer und Berater

Die Urteile haben erhebliche Relevanz für die tägliche Beratungspraxis, insbesondere in bargeldintensiven Branchen wie Gastronomie, Einzelhandel, Friseurhandwerk, Bäckereien und Taxiunternehmen.

Was Unternehmen jetzt beachten sollten:

  • Kassensysteme müssen jede Stornierung dokumentieren.
  • Stornos müssen sichtbar ausgewiesen werden (Z-Bon, Tagesabschluss, DSFinV-K).
  • Kassendaten müssen vollständig, manipulationssicher und exportierbar sein.
  • Fehlende Stornodokumentation führt automatisch zum formellen Mangel.
  • Bei Schätzungen sollten Unternehmen auf inneren Betriebsvergleich dringen.

Was Berater beachten müssen:

  • Prüfung der Kassenführung im Rahmen von Jahresabschluss und Beratung.
  • Hinweis auf erhöhte Anforderungen durch TSE und KassenSichV.
  • Unterstützung bei der Dokumentation und Verfahrensdokumentation.
  • Im Streitfall: Einfordern einer nachvollziehbaren Schätzungsbegründung.

5. Bedeutung für Betriebsprüfungen

Das Urteil stärkt die Finanzverwaltung bei formellen Fehlern – aber begrenzt sie beim Schätzverfahren:

  • Schätzungsbefugnis wird leicht ausgelöst,
  • Schätzungsumfang wird klar begrenzt durch Genauigkeitsanforderungen.

Damit ist der Beschluss als Mahnung an beide Seiten zu verstehen:
Kassenführung muss ordnungsgemäß sein, aber Schätzungen müssen sich auf die beste verfügbare Methode stützen.


Fazit

Die BFH-Urteile vom 29.07.2025 schaffen wichtige Klarheit:

  • Fehlende Stornonachweise → formeller Mangel → Schätzung.
  • Schätzungsmethoden → innerer Betriebsvergleich meist vorzugswürdig.
  • Schätzungsergebnisse → müssen nachvollziehbar und plausibel begründet werden.

Für Unternehmen bedeutet dies erhöhte Anforderungen an Kassenführung und Dokumentation.
Für die Finanzverwaltung bedeutet es eine strengere Kontrolle der eigenen Schätzungspraxis.


Quelle: BFH-Urteile X R 23/21 und X R 24/21, Presseinformation vom 29.07.2025

Finale Betriebsstättenverluste in Belgien nicht abzugsfähig – FG Düsseldorf bestätigt Symmetrieprinzip

Kein Abzug nach nationalem Recht oder Unionsrecht – Revision beim BFH anhängig (I R 22/25)

Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 2. Juli 2025 (2 K 3098/20 G,F) entschieden, dass sog. finale Betriebsstättenverluste einer belgischen Betriebsstätte weder nach nationalem Steuerrecht noch nach Unionsrecht im Inland abzugsfähig sind. Die Entscheidung fügt sich nahtlos in die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zum Symmetrieprinzip ein. Die Revision beim BFH ist anhängig (I R 22/25).


1. Hintergrund: Beteiligung über Organschaft – Verluste werden „final“

Die Klägerin – eine deutsche KG – war Organträgerin einer deutschen GmbH (H. GmbH). Diese GmbH war an einer in Belgien ansässigen Commanditaire Vennotschap (R. CV) beteiligt, die nach belgischem Steuerrecht wie eine Kapitalgesellschaft behandelt wurde und dort eine Betriebsstätte unterhielt.

Wesentliche Eckpunkte:

  • Die R. CV wurde liquidiert.
  • Es verblieben nicht nutzbare Verluste.
  • Weder die R. CV noch deren Gesellschafter konnten diese Verluste in Belgien steuerlich verwerten.
  • Die Klägerin begehrte die Anerkennung der Verluste als „finale Verluste“ auf ihrer Ebene.

Das Finanzamt lehnte dies ab – das FG Düsseldorf bestätigte diese Sichtweise.


2. Keine Berücksichtigung nach nationalem Recht

Das FG Düsseldorf stellt klar:

👉 Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland–Belgien (Art. 7 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Belgien) sind sowohl Gewinne als auch Verluste der belgischen Betriebsstätte von der deutschen Steuer freigestellt.

Folglich:

  • Wo Deutschland Gewinne nicht besteuern darf, kann es auch Verluste nicht berücksichtigen.
  • Die Freistellung erfolgt symmetrisch.
  • Das Schlussprotokoll zum DBA führt zu keinem anderen Ergebnis.

Damit folgt das FG dem traditionellen Symmetrieprinzip der Betriebsstättenbesteuerung.


3. Kein unionsrechtlicher Anspruch auf Abzug „finaler Verluste“

Die Klägerin berief sich hilfsweise auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Das Gericht verneint jedoch jeden Anspruch auf Abzug.

Entscheidend sind die Grundsätze aus dem EuGH-Urteil „W“ (C-538/20):

  • Finale Verluste sind nur in engsten Ausnahmefällen zu berücksichtigen.
  • Dies gilt nicht, wenn ein DBA eine bilaterale Zuweisung der Besteuerungsrechte vorsieht.
  • Wenn Gewinne in Belgien steuerfrei sind, müssen auch Verluste dort verbleiben.
  • Es fehlt bereits an der Vergleichbarkeit mit Inlandsfällen.

Damit bestätigt das FG:

👉 Ein DBA-basierter „symmetrischer“ Ausschluss von Verlusten ist unionsrechtlich zulässig.

Auch die EU-Grundrechtecharta hilft nicht weiter – das Ertragsteuerrecht ist in diesem Bereich nicht harmonisiert.


4. Keine Vorlage an EuGH oder BVerfG

Der Senat lehnte die beantragten Vorlagen an EuGH und BVerfG ab:

  • Unionsrechtliche Zweifel bestünden nicht, da die EuGH-Rechtsprechung eindeutig sei.
  • Verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere hinsichtlich Art. 3 GG, wurden ebenfalls verneint.

5. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil bestätigt die seit Jahren strenger werdende Linie in Deutschland und Europa:

➡️ Finale Verluste aus ausländischen Betriebsstätten sind grundsätzlich nicht in Deutschland abzugsfähig.

Relevante Konsequenzen:

  • Auslandsinvestitionen sollten vorausschauend strukturiert werden.
  • DBA-Freistellungsmethoden verhindern regelmäßig die Anerkennung „finaler Verluste“.
  • Bei Umstrukturierungen und Liquidationen in der EU besteht kein Auffangabzug im Inland.
  • Organschaftsstrukturen mit Auslandsberührung sind besonders sorgfältig zu planen.

6. Revision beim BFH anhängig (I R 22/25)

Die Revision ist zugelassen und inzwischen beim BFH anhängig.
Es bleibt abzuwarten, ob der BFH:

  • die EuGH-Rechtsprechung erneut bestätigt oder
  • eine erneute Vorlage an den EuGH für erforderlich hält.

Erfahrungsgemäß dürfte eine Bestätigung des FG-Urteils wahrscheinlich sein.


Fazit

Das FG Düsseldorf stärkt das Symmetrieprinzip und folgt der jüngsten EuGH-Linie:
Auch sog. finale Verluste einer ausländischen Betriebsstätte – hier in Belgien – bleiben bei der deutschen Besteuerung unberücksichtigt. Unternehmer sollten dies bei internationalen Strukturen und Liquidationen unbedingt einkalkulieren. Die Entscheidung des BFH wird jedoch mit Spannung erwartet.


Quelle: Finanzgericht Düsseldorf, Newsletter November 2025 – Urteil vom 02.07.2025, 2 K 3098/20 G,F (Revision: BFH I R 22/25)

DStV nimmt Stellung zum Steueränderungsgesetz 2025: Mehr Vereinfachung, weniger Bürokratie, mehr Rechtssicherheit

Arbeitstagepauschale, Ehrenamt, Registrierkassenpflicht und Grunderwerbsteuer im Fokus

Das Steueränderungsgesetz 2025 soll den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und das bürgerschaftliche Engagement fördern. Der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) begrüßt diese Zielsetzung grundsätzlich – sieht aber umfangreichen Nachbesserungsbedarf. In seiner aktuellen Stellungnahme (S 09/25) bewertet der DStV den Regierungsentwurf (BT-Drs. 21/1974), kommentiert die Empfehlungen des Bundesrats und macht konkrete Vorschläge für Verbesserungen.


1. Arbeitstagepauschale statt allein erhöhter Entfernungspauschale

Der Gesetzentwurf sieht eine Erhöhung der Entfernungspauschale auf 0,38 Euro ab dem ersten Kilometer vor. Der DStV bezeichnet dies als „richtigen, aber nur vorübergehenden“ Schritt.

Der Verband fordert mit Nachdruck die Einführung einer Arbeitstagepauschale, wie sie:

  • von der Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ (2024) empfohlen wurde und
  • im Koalitionsvertrag 2025 verankert ist.

Die Arbeitstagepauschale würde:

  • Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte,
  • Homeoffice-Tage sowie
  • Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer

in einer einzigen Pauschale bündeln.

Vorteile laut DStV:

  • deutliche Entbürokratisierung,
  • weniger Nachweise,
  • fairere Berücksichtigung moderner Arbeitsformen,
  • Effizienzgewinn für Verwaltung und Steuerpflichtige.

2. Pauschalen für Ehrenamt und Übungsleiter: Anpassung sinnvoll, aber unzureichend

Der Gesetzentwurf erhöht die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale, was der DStV ausdrücklich begrüßt.
Gleichzeitig kritisiert er:

👉 Eine punktuelle Erhöhung reicht nicht aus.

Der Verband fordert deshalb:

  • eine inflationsorientierte Anpassung der Pauschalen,
  • regelmäßige und systematische Überprüfungen,
  • automatische Anpassungsmechanismen wie in anderen EU-Staaten.

Damit solle verhindert werden, dass der reale Wert der Pauschalen durch Inflation fortlaufend ausgehöhlt wird.


3. Bundesratsempfehlungen: DStV lehnt Verschärfungen bei Mitteilungspflichten ab

Der Bundesrat schlägt vor, die nicht oder verspätet erfüllte Mitteilungspflicht über elektronische Aufzeichnungssysteme als Ordnungswidrigkeit einzustufen.

Der DStV hält dagegen:

  • Es gebe keine flächendeckenden Verstöße,
  • die elektronische Übertragungsmöglichkeit wurde erst ab 01.01.2025 geschaffen,
  • Startschwierigkeiten seien normal und müssten berücksichtigt werden.

Hinzu komme:
Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, die Registrierkassenpflicht zunächst zu evaluieren.
Verschärfungen dürfe es erst geben, wenn sie nachweislich erforderlich sind.


4. Grunderwerbsteuer: DStV fordert echten Systemwechsel

Ein besonders praxisrelevanter Themenblock betrifft die Grunderwerbsteuer. Der DStV bemängelt:

  • die zunehmende Komplexität der Normen,
  • die starke Fokussierung auf die Schließung vermeintlicher Steuerschlupflöcher,
  • die daraus resultierende Rechtsunsicherheit,
  • schwer durchschaubare parallele Besteuerungstatbestände.

Der Verband fordert daher:

→ eine grundlegende, rechtssichere und wettbewerbsfähige Reform der Grunderwerbsteuer.

Konkret schlägt der DStV vor:

  • verlängerte Anzeigefristen,
  • verlässliche Regeln für Personengesellschaften ab 2027,
  • Vermeidung doppelter Belastungen wirtschaftlich einheitlicher Vorgänge,
  • weniger komplexe Strukturregelungen.

Diese Punkte greifen bekannte Probleme der Immobilien- und Unternehmenspraxis auf.


5. DStV als Sachverständiger im Finanzausschuss

Bei der Anhörung zum Steueränderungsgesetz 2025 am 10.11.2025 war der DStV als Sachverständiger vertreten – durch die Geschäftsführerin RAin/StBin Sylvia Mein. Die zentrale Botschaft an die Politik:

👉 Steueränderungen müssen die Praxis entlasten und nicht verkomplizieren.


Fazit

Der DStV unterstützt die Zielrichtung des Steueränderungsgesetzes 2025, sieht aber dringenden Reformbedarf:

  • Die Arbeitstagepauschale ist die beste Lösung für moderne Arbeitsformen.
  • Ehrenamt und Übungsleiter müssen regelmäßig inflationsangepasst werden.
  • Neue Sanktionen oder Bürokratielasten lehnt der Verband ab.
  • Eine echte Reform der Grunderwerbsteuer ist überfällig.

Mit seiner Stellungnahme liefert der DStV der Politik wichtige Impulse – und gibt der steuerberatenden Praxis eine klare Stimme.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e. V., Mitteilung vom 12.11.2025

Entwicklung der Mehrwertsteuer: EU-Kommission denkt „grüner“ – Neue Optionen für Second-Hand, Produktspenden und Bildungsleistungen

DStV begrüßt Reformüberlegungen und fordert Wahlrechte für Weiterbildungsträger

Die EU-Kommission arbeitet derzeit an möglichen Reformbausteinen für die Zukunft des europäischen Mehrwertsteuersystems. Nach Umsetzung von ViDA („VAT in the digital age“) im Jahr 2025, rücken nun Aspekte wie Nachhaltigkeit, der Second-Hand-Markt und die Mehrwertsteuerbefreiung für Bildungsleistungen in den Fokus. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) berichtet über die ersten Inhalte und bewertet zentrale Reformoptionen.


A. Die Zukunft der EU-Mehrwertsteuer nach ViDA

Die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) aus dem Jahr 2006 wird seit Jahren fortlaufend reformiert. Mit ViDA (2025/516/EU) wurden zuletzt große Veränderungen angestoßen – etwa zur digitalen Rechnungsstellung, zum Echtzeit-Datenaustausch und zu Plattformgeschäftsmodellen.

Jetzt richtet die EU-Kommission den Blick auf die Zeit nach ViDA und hat die Studie „The challenges of VAT beyond ViDA“ in Auftrag gegeben. Ziel:
👉 Die Mehrwertsteuer soll künftig stärker zu Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung beitragen.

Im Fokus stehen drei Themenbereiche:


1. „Grüne“ Mehrwertsteuer: Förderung nachhaltiger Märkte

Die EU prüft, wie das Mehrwertsteuersystem ökologischer gestaltet werden kann – u. a. durch:

  • Förderung nachhaltiger Konsummuster
  • Begünstigung reparierter oder wiederverwendeter Produkte
  • Vermeidung steuerlicher Fehlanreize bei Produktvernichtung

Konkrete Vorschläge liegen noch nicht vor, aber erste Ansätze werden in der VAT Expert Group diskutiert.


2. Second-Hand-Produkte: Zwei mögliche Reformmodelle

Der Gebrauchtwarenmarkt ist ein Kernbereich der Kreislaufwirtschaft. Aktuell gilt in Deutschland für viele Second-Hand-Geschäfte die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, wenn der Ankauf ohne Vorsteuerabzug erfolgt.

Die EU erwägt zwei Reformoptionen:

Option 1: Harmonisierung und Erweiterung des aktuellen Systems

  • Beibehaltung der Differenzbesteuerung
  • Erweiterung der Definition von „Gebrauchtgegenständen“
  • Bessere Integration in E-Rechnungssysteme
  • Ausweitung des One-Stop-Shop (OSS)
    → Umstieg zur zielbasierten Besteuerung, also Besteuerung im Land des Verbrauchs

Diese Option würde grenzüberschreitenden Handel erleichtern und könnte Second-Hand-Plattformen entlasten.

Option 2: Einführung eines fiktiven Vorsteuerabzugs

Anlehnung an Modelle wie in Neuseeland:

  • Der Händler gibt beim Ankauf einen „fiktiven Wert“ für das Produkt an
  • Darauf basiert ein fiktiver Vorsteuerabzug
  • Verkauf wird wie ein normaler Umsatz versteuert

Diese Option würde das System vereinheitlichen, birgt aber Bewertungs- und Missbrauchsrisiken.


3. Mehrwertsteuer und Produktvernichtung: Steuerbefreiung für Sachspenden?

Aktuell gilt:
Unentgeltliche Wertabgaben (z. B. Spenden) werden nach § 3 Abs. 1b UStG wie entgeltliche Lieferungen behandelt.

Folge:
➡️ Unternehmen zahlen Mehrwertsteuer auf gespendete, aber nicht verkaufte Waren.
➡️ Die Vernichtung ist oft steuerlich günstiger – ein offensichtlicher Nachhaltigkeitswiderspruch.

Die EU-Kommission prüft daher:

  • Mehrwertsteuerbefreiung für Sachspenden
  • Spezielle Regelungen zur Förderung der Abfallvermeidung

Das deutsche BMF sieht dagegen „keinen unmittelbaren Handlungsdruck“, räumt aber Interpretationsspielraum ein. Eine Klarstellung in der MwStSystRL könnte hier europaweit einheitliche Erleichterungen schaffen.


B. Mehrwertsteuer auf Bildungsleistungen – DStV fordert Wahlrecht

Gemäß Art. 132 MwStSystRL und § 4 UStG sind viele Bildungsleistungen steuerbefreit.
Problem:
👉 Gewerbliche Bildungsträger verlieren den Vorsteuerabzug und müssen höhere Kosten auf Teilnehmer umlegen.

Dies trifft besonders:

  • private Weiterbildungsanbieter
  • Sprachschulen
  • berufliche Fortbildungsinstitute
  • spezialisierte Lehrgangsanbieter

Die German Tax Advisers (DStV & BStBK, Brüssel) fordern daher ein:

→ echtes Optionsmodell zur Umsatzsteuerpflicht

Vorteile:

  • Vorsteuerabzug möglich
  • Netto-Kosten sinken
  • Preise werden transparenter
  • Fairer Wettbewerb gegenüber nicht gewerblichen Trägern

Die Reaktion der EU-Kommission („very useful“) zeigt Offenheit – konkrete Folgeinitiativen stehen jedoch noch aus.


Fazit: Mehrwertsteuer im Wandel – Nachhaltigkeit als neuer Leitgedanke

Die EU-Kommission denkt die Mehrwertsteuer zunehmend als Lenkungsinstrument für ökologische und gesellschaftliche Ziele. Die relevanten Trends:

  • Second-Hand-Märkte sollen attraktiver werden
  • Produktvernichtung soll eingedämmt werden
  • Bildungsträger sollen flexibilisiert werden
  • Nachhaltigkeit rückt stärker in den Fokus
  • Digitalisierung durch ViDA bleibt ein Dauerthema

Für Unternehmen, Händler, Bildungseinrichtungen und Steuerberater ergeben sich daraus potenziell erhebliche Änderungen, die in den nächsten Jahren die Mehrwertsteuersystematik neu ordnen könnten.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Mitteilung vom 12.11.2025

Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG: BMF setzt BFH-Urteil um und ändert UStAE umfassend

Neue Vorgaben zu „stehender Ernte“, landwirtschaftlichen Geräten und Vertrauensschutz bis Juni 2026

Mit Schreiben vom 12. November 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) – nach Abstimmung mit den Ländern – weitreichende Änderungen zur Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG veröffentlicht. Anlass ist das BFH-Urteil vom 17. August 2023 (V R 3/21), das zentrale Punkte der Durchschnittssatzbesteuerung neu bewertet hat. Das BMF übernimmt diese Rechtsprechung nun vollständig in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE).

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:


1. Lieferungen landwirtschaftlicher Geräte unterliegen der Regelbesteuerung

Der BFH hat klargestellt:

👉 Die Lieferung von Geräten, die ein Land- oder Forstwirt ausschließlich für Umsätze nach § 24 UStG verwendet hat, fällt nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung.

Damit bestätigt der BFH die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 24.2 Abs. 6 Satz 2 UStAE).

Folge:
Der Verkauf gebrauchter Maschinen, Traktoren, Erntetechnik usw. ist immer mit dem Regelsteuersatz zu versteuern – auch wenn der Betrieb insgesamt pauschal nach § 24 UStG besteuert wird.


2. „Stehende Ernte“ ist kein landwirtschaftliches Erzeugnis

Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils:

👉 Früchte auf dem Feld („stehende Ernte“) gelten vor der Ernte noch nicht als landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Daher gilt:

  • Die bloße Veräußerung der stehenden Ernte unterliegt nicht der Durchschnittssatzbesteuerung.
  • Sie verschafft dem Erwerber lediglich die Möglichkeit, selbst Erzeugnisse zu gewinnen.

Ausnahme:
Wird eine Erntevereinbarung abgeschlossen, sodass die Früchte im Zeitpunkt der Ernte automatisch dem Veräußerer zugerechnet werden,
kann das Ernteprodukt als landwirtschaftliches Erzeugnis gelten.
→ Dann ist die Durchschnittssatzbesteuerung anwendbar.


3. Verwaltungsvereinfachung mit 95 %-Grenze entfällt

Die alte Verwaltungsregel, nach der Umsätze mit Gegenständen des Unternehmensvermögens pauschal besteuert werden konnten, wenn sie mindestens zu 95 % für pauschalbesteuerte Umsätze genutzt wurden, erachtet der BFH als nicht vereinfachend.

👉 Diese Regelung entfällt vollständig.

Damit gilt ab sofort:
Jeder Verkauf eines Gegenstands des land- und forstwirtschaftlichen Unternehmensvermögens (z. B. Maschinen, Geräte, Fahrzeuge)
unterliegt immer der Regelbesteuerung.


4. Anpassungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)

Das BMF passt mehrere Abschnitte des UStAE an. Besonders relevant:

  • Abschnitt 24.2 Abs. 6 UStAE wird komplett neu gefasst.
  • Klarstellung zu stehender Ernte, Erntevereinbarungen und Regelbesteuerung bei Gerätelieferungen.
  • Anpassungen in 24.1 Abs. 4 und 24.3 Abs. 9 (u. a. Streichung bestimmter Vereinfachungen).
  • Ergänzung in 14c.1 Abs. 1 UStAE:
    Auch zivilrechtlich vollbeendete Personengesellschaften können Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulden.

5. Vertrauensschutz: Übergangsregelungen bis 30. Juni 2026

Zum Schutz land- und forstwirtschaftlicher Betriebe hat das BMF eine großzügige Übergangsregel geschaffen:

👉 Bis zum 30. Juni 2026 wird es nicht beanstandet, wenn Landwirte weiterhin die alte Rechtslage anwenden –
einschließlich der bisherigen Regelungen zu Gerätelieferungen und zur 95 %-Grenze.

Voraussetzung:

  • Die Rechnung muss entsprechend der alten Rechtslage ausgestellt werden.

Unternehmer können sich also frei entscheiden, ob sie bis Mitte 2026 die alten oder die neuen Vorgaben anwenden.


6. Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG möglich

Wenn ein Verkauf künftig der Regelbesteuerung unterliegt und zuvor ein reduzierter Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG vorgenommen wurde, gilt:

👉 Es kann eine zeitanteilige Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 8 und 9 UStG notwendig sein.

Dies betrifft z. B. Maschinen, Fahrzeuge oder langlebige Wirtschaftsgüter.


Fazit: Wichtige Weichenstellung für Land- und Forstwirte

Mit dem neuen Schreiben schafft das BMF Rechtssicherheit:

  • Verkäufe landwirtschaftlicher Geräte → immer Regelbesteuerung
  • „Stehende Ernte“ ohne Erntevereinbarung → nicht pauschal steuerbar
  • 95 %-Vereinfachungsregel entfällt
  • Übergangsregel bis Mitte 2026 gibt Planungssicherheit
  • Vorsteuerberichtigungen müssen geprüft werden

Das Schreiben hat erhebliche Bedeutung für Landwirte, Lohnunternehmer, Buchstellen und Steuerberater.


Quelle: BMF-Schreiben vom 12.11.2025 – III C 2 – S 7410/00029/033/051
BFH-Urteil vom 17.08.2023 – V R 3/21

Neue BMF-Regelungen zu § 3 Nr. 46 EStG und § 40 Abs. 2 Nr. 6 EStG

Wie selbst getragene Stromkosten bei E-Mobilität steuerlich zu behandeln sind

Mit dem neuen BMF-Schreiben vom 11. November 2025 (koordinierter Ländererlass) aktualisiert das Bundesministerium der Finanzen die steuerlichen Vorgaben zur Förderung der Elektromobilität. Es ersetzt das bisherige Schreiben vom 29. September 2020 und gilt für alle offenen Fälle sowie für den Zeitraum 2017 bis 2030 (unter Beachtung einzelner Ausnahmeregelungen).

Im Fokus stehen diesmal die Stromkosten, die ein Arbeitnehmer selbst trägt, wenn er ein Elektro- oder Hybridfahrzeug nutzt, das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird oder privat geladen wird.


1. Hintergrund: Steuerbefreiung und Pauschalbesteuerung

Die einschlägigen Vorschriften:

  • § 3 Nr. 46 EStG
    → Steuerbefreiung für bestimmte Vorteile im Zusammenhang mit E-Mobilität, insbesondere das unentgeltliche oder verbilligte Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeugs beim Arbeitgeber.
  • § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG
    → Möglichkeit der pauschalen Lohnsteuer (25 %) für Zuschüsse des Arbeitgebers zu Stromkosten oder zur Nutzung von Ladeeinrichtungen beim Arbeitnehmer.

Das neue BMF-Schreiben konkretisiert, wie vom Arbeitnehmer selbst getragene Stromkosten steuerlich zu behandeln sind – und wie sie in die bestehenden Fördertatbestände einzuordnen sind.


2. Wichtigste Änderungen mit Wirkung ab 2026

Das BMF-Schreiben regelt eine entscheidende Zäsur:

➡️ Pauschalen aus dem Schreiben von 2020 gelten nur noch bis Ende 2025

Die bekannten monatlichen Pauschalen aus Rn. 23 und Rn. 24 des alten Schreibens
(z. B. für das private Laden eines betrieblichen E-Fahrzeugs) dürfen letztmalig angewendet werden für:

  • laufenden Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2026 enden, sowie
  • sonstige Bezüge, die vor dem 1. Januar 2026 zufließen.

Ab 2026 gelten die neuen Grundsätze aus dem aktuellen Schreiben.


3. Steuerliche Behandlung selbst getragener Stromkosten: Die Kernaussagen

Das BMF stellt klar:

3.1. Selbst getragene Stromkosten sind kein steuerfreier Vorteil

Trägt der Arbeitnehmer den Strom selbst (z. B. Laden des Dienstwagens zuhause auf eigene Kosten),
liegen keine steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 46 EStG vor.

Eine Steuerbefreiung setzt immer eine Leistung des Arbeitgebers voraus.


3.2. Arbeitgeberzuschüsse können steuerfrei sein – oder pauschal versteuert werden

Leistet der Arbeitgeber einen Zuschuss zu den privat getragenen Stromkosten, gilt:

  • steuerfrei (§ 3 Nr. 46 EStG), wenn der Arbeitgeber den Vorteil unentgeltlich oder verbilligt gewährt (z. B. durch Bereitstellung einer Ladeeinrichtung oder durch „Tankkarten“ für Strom),
  • pauschal lohnsteuerpflichtig (25 %, § 40 Abs. 2 Nr. 6 EStG), wenn der Arbeitgeber
    – pauschale Zuschüsse zahlt oder
    – Ladeinfrastruktur beim Arbeitnehmer fördert (z. B. Wallbox-Zuschuss).

Die Details hierzu werden in den aktualisierten Randnummern des BMF-Schreibens ausgeführt.


3.3. Keine doppelte Begünstigung

Bedeutsam ist der Grundsatz:

👉 Leistungen dürfen nicht gleichzeitig steuerfrei und pauschalbesteuert werden.

Bei Wahl des § 40 Abs. 2 Nr. 6 EStG (Pauschalversteuerung) scheidet eine Steuerbefreiung aus.


3.4. Abgrenzung zum geldwerten Vorteil bei Dienstwagen

Selbst getragene Stromkosten können den geldwerten Vorteil verringern,
wenn das Fahrzeug nach der 1-%-Regelung bewertet wird.

Dies bleibt möglich, sofern

  • Ladekosten eindeutig dokumentiert werden,
  • eine individuelle Ermittlung der Stromkosten erfolgt (z. B. über Zähler, Wallbox-App, Energieversorger).

Das neue BMF-Schreiben präzisiert die Dokumentationsanforderungen.


4. Zeitliche Anwendung

  • Schreiben gilt für alle offenen Fälle.
  • Grundsätzlich für 2017 bis 2030 anwendbar.
  • Ausnahme: bestimmte Randnummern (11 und 30) gelten abweichend.
  • Pauschalen des alten BMF-Schreibens nur bis Ende 2025 anwendbar.

Damit schafft das BMF klare Übergangsregelungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.


5. Bedeutung für die Praxis

Für Arbeitgeber:

  • Prüfung laufender Pauschalregelungen bis Dezember 2025
  • Anpassung der Lohnabrechnung ab Januar 2026
  • Dokumentationspflichten für Lade- und Stromkosten beachten
  • Entscheidung treffen: Steuerfrei oder pauschale Lohnsteuer?
  • Gestaltungsmöglichkeiten bei Dienstwagen neu bewerten

Für Arbeitnehmer:

  • Klarheit darüber, wann selbst getragene Stromkosten anerkannt werden
  • Möglichkeiten zur Reduzierung des geldwerten Vorteils
  • Transparente Dokumentation wird ab 2026 noch wichtiger

Für Steuerberater:

  • Mandanten aktiv auf die Änderungen ab 2026 hinweisen
  • Dienstwagen- und Lohnsteuerkonzepte neu strukturieren
  • Abgrenzung Steuerfreiheit ↔ Pauschalversteuerung prüfen
  • Altfälle 2017–2025 gezielt überprüfen

Fazit

Das neue BMF-Schreiben führt zu einer vereinheitlichten und modernisierten steuerlichen Behandlung von Stromkosten im Rahmen der Elektromobilitätsförderung. Die Übergangsfrist bis Ende 2025 ermöglicht Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bestehende Modelle anzupassen. Ab 2026 gelten jedoch klarere – und teils strengere – Regeln.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 11.11.2025 (IV C 5 – S 2334/00087/014/013)

Unzulässige Richtervorlage zum Treaty Override in § 50d Abs. 9 EStG

BVerfG: Bundesfinanzhof begründet Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend

Mit Beschluss vom 21. Oktober 2025 (2 BvL 21/14), veröffentlicht am 12. November 2025, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Richtervorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Verfassungsmäßigkeit des sogenannten Treaty Override in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG als unzulässig verworfen.

Der BFH wollte klären lassen, ob die Vorschrift – die unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) ausschließt – gegen Grundrechte und das Gebot der Völkerrechtsfreundlichkeit verstößt. Das BVerfG kam jedoch zu dem Ergebnis: Die Vorlage genügt den Begründungsanforderungen nicht.


Worum ging es?

Die Vorlage betraf insbesondere:

  • § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG
    → regelt den Ausschluss eines DBA, wenn ausländische Einkünfte nur deshalb steuerfrei bleiben, weil im anderen Staat keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht.
  • § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG
    → definiert das Verhältnis zu anderen Regelungen, die ebenfalls den Anwendungsvorrang von DBAs einschränken, und enthält eine rückwirkende Anwendungsbestimmung (Neufassung 2013).

Der BFH bezweifelte sowohl die Vereinbarkeit mit der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes als auch die Zulässigkeit der Rückwirkung.


Hintergrund des Ausgangsverfahrens

Der Kläger war Pilot einer irischen Fluggesellschaft, lebte jedoch in Deutschland (2007–2010).
Zunächst einbehaltene irische Lohnsteuer wurde ihm vollständig erstattet.
Das deutsche Finanzamt besteuerte die Einkünfte vollständig – gestützt auf § 50d Abs. 9 EStG.

Der BFH sah europäische und verfassungsrechtliche Fragen berührt und legte dem BVerfG den Streitfall vor.


Warum wurde die Vorlage als unzulässig verworfen?

Das BVerfG stellte klar:
Die Richtervorlage scheitert an unzureichender Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

1. Unvollständige Prüfung des DBA Deutschland–Irland (1962)

Der BFH erläuterte nicht vollständig,

  • unter welchen Voraussetzungen das DBA die Einkünfte tatsächlich freistellt,
  • ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt waren.

Damit fehlte eine zwingende Grundlage dafür, dass § 50d Abs. 9 überhaupt angewendet werden musste.


2. Keine ausreichende Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG

Das BVerfG kritisiert zwei wesentliche Lücken:

a) Keine Begründung des „nur deshalb“-Kriteriums

Der BFH legte nicht dar, ob die irische Nichtbesteuerung tatsächlich ausschließlich darauf beruhte,
dass der Pilot dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig war.

b) Unklarheit über die irische Steuerpflicht insgesamt

Der BFH übernahm die Feststellung des Finanzgerichts, die Einkünfte seien in Irland „insgesamt nicht steuerpflichtig“, ohne diese Rechtslage überzeugend zu begründen.

Das BVerfG bemängelte:

  • Es seien keine verwertbaren Feststellungen zur irischen Rechtslage vorhanden.
  • Das Finanzgericht habe lediglich „kursorisch“ ausgeführt, Irland verzichte auf die Besteuerung.
  • Dies reiche nicht aus, um § 50d Abs. 9 tragfähig anzuwenden oder dessen Verfassungsmäßigkeit entscheidenserheblich zu machen.

Konsequenz: Keine inhaltliche Aussage zum Treaty Override

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht darüber entschieden,
ob § 50d Abs. 9 EStG verfassungskonform oder verfassungswidrig ist.

Grund:
👉 Der BFH konnte nicht nachvollziehbar darlegen, dass der Ausgangsfall überhaupt vom streitigen Treaty Override abhängt.

Damit bleibt die viel diskutierte Frage zur Verfassungsmäßigkeit von Treaty Overrides weiterhin ungeklärt.


Praktische Bedeutung für Steuerpflichtige und Berater

  • Der Beschluss enthält keine materiell-rechtliche Klärung zum Treaty Override.
  • § 50d Abs. 9 EStG bleibt unverändert anwendbar.
  • In internationalen Fällen mit möglicher Doppelbesteuerung oder DBA-Freistellungen bleibt eine saubere Prüfung der ausländischen Steuerpflicht essenziell.
  • Bei Auslandseinkünften sollten Feststellungen zum ausländischen Steuerrecht sorgfältig dokumentiert werden – ein Punkt, der im Ausgangsfall fehlte.

Fazit

Das BVerfG weist den BFH zurück – nicht wegen des Inhalts der Norm, sondern aufgrund formeller Defizite der Vorlage.
Für die Praxis bedeutet dies:

  • Treaty Overrides bleiben zunächst bestehen.
  • Die Diskussion über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Regelungen bleibt offen.
  • Eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung ist möglich – aber nur bei präziser Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung vom 12.11.2025 zum Beschluss 2 BvL 21/14

Konstruktiv und offen: DStV-Präsident diskutiert zentrale Steuerfragen mit dem BMF

Fremdbesitzverbot, Aktivrente und Registrierkassenpflicht im Fokus

Am 11. November 2025 fand ein intensiver und konstruktiver Austausch zwischen DStV-Präsident StB Torsten Lüth und Michael Schrodi (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen (BMF), statt. Das Treffen knüpfte an frühere Gespräche an und konzentrierte sich auf aktuelle steuerpolitische Weichenstellungen, die sowohl die Steuerberatungspraxis als auch Unternehmen unmittelbar betreffen.


DStV stärkt Position zum Fremdbesitzverbot

Ein Schwerpunkt des Gesprächs war das Fremdbesitzverbot, das im Referentenentwurf zum 9. Steuerberatungsänderungsgesetz enthalten ist. Lüth machte deutlich:

  • Der DStV unterstützt das Fremdbesitzverbot uneingeschränkt.
  • Argumente für die Beteiligung von Private-Equity im Steuerberatungsmarkt hält der Verband für nicht überzeugend.
  • Lüth räumte gezielt mit entsprechenden Scheinargumenten auf.

Schrodi zeigte Verständnis und nahm die Einschätzungen des DStV zustimmend auf.
Mit dieser klaren Haltung setzt der Verband ein wichtiges Zeichen für die Unabhängigkeit und Integrität des Berufsstands.


Aktivrente: Verbesserungsbedarf erkannt

Ein weiteres Thema war der Gesetzentwurf zur Aktivrente.
Lüth betonte:

  • Zusätzliche Anreize seien wichtig, um Selbstständige und Unternehmer in der aktiven Phase zu unterstützen.
  • Dies könne helfen, Betriebsnachfolge, Arbeitsplätze und Know-how langfristig zu sichern.
  • Gleichzeitig gebe es praktische Auslegungsfragen, die im Gesetzgebungsverfahren noch präzisiert werden müssen.

Schrodi zeigte sich offen für die Hinweise aus der Praxis.


Registrierkassenpflicht ab 2027: Klarstellungsbedarf dringend nötig

Ab dem 01.01.2027 sieht der Koalitionsvertrag eine neue Registrierkassenpflicht vor – für Geschäfte mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 100.000 Euro.

Lüth stellte im Gespräch zentrale Praxisfragen:

  • Bezieht sich die Grenze auf Barumsatz oder Gesamtumsatz?
  • Welche Branchen sollen konkret betroffen sein?
  • Soll die Pflicht stärker auf bargeldintensive Geschäftsmodelle ausgerichtet werden, um Betrug gezielt zu bekämpfen?

Beide Gesprächspartner stimmten darin überein, dass frühzeitige und klare Regeln nötig sind, um Unternehmen und Steuerberater rechtzeitig auf die neue Pflicht vorzubereiten.


Fazit

Das Treffen zwischen DStV und BMF zeigt:
Die Bundesregierung arbeitet an mehreren steuerpolitisch bedeutenden Vorhaben – und der steuerberatende Berufsstand bringt seine Expertise aktiv ein.

Die wichtigsten Punkte:

  • Fremdbesitzverbot bleibt ein zentrales Anliegen des Berufsstands.
  • Die Aktivrente benötigt praxisgerechte Nachbesserungen.
  • Zur Registrierkassenpflicht ab 2027 sind klare Definitionen und frühzeitige Leitlinien erforderlich.

Die konstruktive Gesprächskultur zwischen Verband und Ministerium ist dabei ein positives Signal für eine praxisnahe Weiterentwicklung des Steuerrechts.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e. V., Mitteilung vom 11.11.2025

Vorsteuerabzug beim Wechsel zwischen Kleinunternehmer- und Regelbesteuerung: Neues BMF-Schreiben schafft Klarheit

Was Unternehmer jetzt über Vorsteuer, Übergangszeitpunkte und § 15a UStG wissen müssen

Mit einem neuen Schreiben vom 10.11.2025 (koordinierter Ländererlass) konkretisiert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Regeln zum Vorsteuerabzug bei einem Wechsel zwischen Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) und Regelbesteuerung. Die Klarstellung betrifft zahlreiche Praxisfälle – insbesondere dann, wenn Unternehmer schon vor dem Wechsel Leistungen einkaufen, die sie erst nach dem Übergang für steuerpflichtige Umsätze nutzen möchten.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:


1. Kein Vorsteuerabzug vor dem tatsächlichen Übergang zur Regelbesteuerung

Der wesentliche Grundsatz des BMF lautet:

👉 Ein Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, solange der Unternehmer noch Kleinunternehmer ist – selbst wenn er die Leistungen später für steuerpflichtige Umsätze verwenden will.

Das gilt ausdrücklich auch dann,

  • wenn der Übergang zur Regelbesteuerung bereits absehbar oder zwingend ist (z. B. aufgrund von Umsatzsteigerungen), oder
  • wenn es sich um Voraus- oder Anzahlungsrechnungen handelt.

Damit stellt das BMF klar:
Die Absicht zukünftiger Regelbesteuerung genügt nicht. Entscheidend ist ausschließlich der tatsächliche Übergangszeitpunkt.


2. Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG möglich – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen

Wechselt der Unternehmer tatsächlich zur Regelbesteuerung, liegt steuerlich eine Änderung der Verhältnisse vor. Für die zuvor bezogenen Leistungen kann dann eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zugunsten des Unternehmers in Betracht kommen.

Wichtig dabei:

  • es gelten die Berichtigungszeiträume und Jahreseinheiten nach § 15a,
  • die Bagatellgrenzen nach § 44 UStDV müssen beachtet werden,
  • nur bestimmte Wirtschaftsgüter sind berichtigungsfähig (insb. Anlagevermögen über mehrere Jahre).

Für einmalige Leistungen im Umlaufvermögen gibt es dagegen keine rückwirkende Erstattung der Vorsteuer.


3. Umgekehrter Fall: Wechsel von Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung

Auch hier spricht das BMF von einer Änderung der Verhältnisse.

Folge:

👉 Vorsteuer, die während der Regelbesteuerung rechtmäßig gezogen wurde, muss nach dem Übergang gegebenenfalls berichtigt werden – und zwar ebenfalls nach den Regeln des § 15a UStG.

Dies betrifft vor allem:

  • Investitionen mit mehrjähriger Nutzungsdauer,
  • insbesondere Fahrzeuge, Maschinen, Büroeinrichtung,
  • aber auch immaterielle Wirtschaftsgüter mit Berichtigungszeitraum.

4. Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)

Das BMF aktualisiert den Abschnitt 15.3 Abs. 2 UStAE, und ersetzt damit die bisherige – teils großzügigere – Auslegung. Die Details folgen im veröffentlichten BStBl I.


5. Anwendungsregel: Übergangsfristen für Unternehmer

Das Schreiben gilt für alle offenen Fälle.
Allerdings gibt es eine Erleichterung:

👉 Unternehmer dürfen sich in Umsatzsteuererklärungen, die bis zum 10.11.2025 abgegeben wurden, noch auf die alte Verwaltungsauffassung berufen.

Erst in Folgejahren sind die Vorsteuerbeträge dann nach der neuen Rechtslage zutreffend zu berücksichtigen.

Für die Praxis bedeutet das:

  • Kein unmittelbarer Zwang zur rückwirkenden Korrektur,
  • aber ab 2026 klare Anwendung der neuen Grundsätze.

Fazit: Mehr Rechtssicherheit – aber weniger Spielraum für künftige Investitionsplanung

Mit dem neuen BMF-Schreiben schafft die Finanzverwaltung klare Verhältnisse:
Der Vorsteuerabzug ist strikt an den tatsächlichen Besteuerungsstatus gekoppelt – nicht an zukünftige Absichten oder geplante Umsätze.

Für Unternehmer heißt das:

  • Anschaffungen sollten strategisch geplant werden,
  • insbesondere bei anstehendem Wechsel der Besteuerungsart,
  • Investitionen vor dem Wechsel verlieren ihren Vorsteuerabzug,
  • Berichtigungsmöglichkeiten nach § 15a UStG müssen geprüft werden.

Steuerberater sollten Mandanten frühzeitig auf diese Verschärfung hinweisen, insbesondere bei Existenzgründungen, Umsatzsprung-Szenarien und Investitionen ins Anlagevermögen.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 10.11.2025 (III C 2 – S 7300/00080/004/019)