BFH stoppt Finanzamt im einstweiligen Rechtsschutz – Klärung der Rechtslage steht bevor
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2025 (II B 47/25, AdV) hat der Bundesfinanzhof erhebliche Zweifel an der doppelten Festsetzung von Grunderwerbsteuer beim Erwerb von GmbH-Anteilen geäußert, wenn Signing und Closing zeitlich auseinanderfallen. Der BFH gewährte AdV (Aussetzung der Vollziehung) und stellte klar, dass die Rechtslage unsicher ist.
Dies betrifft vor allem M&A-Transaktionen, Share Deals und immobilienhaltende Kapitalgesellschaften.
1. Worum geht es? – Share Deals und Grunderwerbsteuer
Bei immobilienhaltenden GmbHs entstehen grunderwerbsteuerliche Risiken, wenn mindestens 90 % der Anteile übertragen werden. Zwei Erwerbstatbestände spielen regelmäßig eine Rolle:
- § 1 Abs. 2b GrEStG
→ Erwerb eines „maßgeblichen Einflusses“ (Share Deals). - § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG
→ Vereinigung von mind. 90 % der Anteile in einer Hand.
Wenn Signing (schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft) und Closing (dinglicher Übergang der Anteile) zeitlich auseinanderfallen, besteht Streit darüber, ob beide Tatbestände jeweils separat Grunderwerbsteuer auslösen.
2. BFH: Zweifelhafte doppelte Besteuerung bei zeitlichem Auseinanderfallen
Der BFH bewertet die Doppelbelastung als rechtlich zweifelhaft, wenn:
- das Finanzamt bei Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bereits wusste,
- dass das Closing bereits durchgeführt war,
- während es zuvor schon nach § 1 Abs. 2b GrEStG Grunderwerbsteuer festgesetzt hatte.
Kurz gesagt:
👉 Wenn das Finanzamt die spätere Anteilsvereinigung (Closing) kennt, spricht vieles dagegen, dass zusätzlich eine separate Steuer für den Signing-Tatbestand bestehen darf.
Der BFH äußert damit erhebliche verfassungs- und systembedingte Zweifel an der bisherigen Verwaltungspraxis.
3. Bedeutung für die Praxis
Der Beschluss ist hochrelevant für:
- Immobilieninvestoren
- Private-Equity-Strukturen
- M&A-Transaktionen
- Corporate Real Estate
- steuerliche Strukturierungs- und Transaktionsberatung
Typische Risikkonstellationen:
- Signing im Jahr 1, Closing im Jahr 2
- zeitlich versetzte Beteiligungsübertragungen
- Anteilskäufe in mehreren Tranchen
- internationale Erwerbsstrukturen
Die Gefahr einer doppelten Grunderwerbsteuer war bislang real – der BFH stellt sie nun in Frage.
4. Konsequenzen für laufende und abgeschlossene Fälle
4.1 Aussetzung der Vollziehung (AdV) jetzt leichter durchsetzbar
Da der BFH Zweifel an der Rechtslage sieht:
👉 Betroffene Steuerpflichtige haben gute Chancen auf AdV,
wenn gegen entsprechende Festsetzungen Einspruch eingelegt wird.
4.2 Gestaltungsspielräume in M&A-Transaktionen
Berater sollten prüfen:
- ob Signing- und Closing-Strukturen optimiert werden können,
- wie Tatbestände nach § 1 Abs. 2b und Abs. 3 GrEStG vermeidet oder kombiniert werden können,
- ob bereits erfolgte Festsetzungen angefochten werden sollten.
4.3 Relevanz für die Rechtsprechung
Der Beschluss ist ein AdV-Beschluss, kein materielles Urteil.
Aber:
- Der BFH zeigt deutlich, dass er rechtliche Zweifel an einer Doppelbesteuerung hat.
- Eine spätere grundlegende Entscheidung ist sehr wahrscheinlich.
- Auch Gesetzesanpassungen sind nicht ausgeschlossen.
5. Fazit
Der BFH setzt ein wichtiges Zeichen im Bereich der Grunderwerbsteuer bei Share Deals:
- Die zweimalige Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei auseinanderfallendem Signing und Closing ist rechtlich fragwürdig.
- Der BFH schützt Steuerpflichtige im AdV-Verfahren.
- Für Transaktionsstrukturen eröffnet dies neue Argumentationslinien und Chancen zur Rechtsverteidigung.
Unternehmen und Berater sollten laufende und vergangene Transaktionen prüfen, in denen zwei Erwerbstatbestände parallel angesetzt wurden – die Erfolgsaussichten in Einspruchs- und AdV-Verfahren sind nun deutlich gestiegen.
Quelle: BFH, Beschluss II B 47/25 (AdV) vom 27.10.2025