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Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Installation einer Wallbox – keine Bauleistung im Sinne des § 13b UStG

Immer mehr Privatpersonen und Unternehmen installieren Wallboxen zum Laden von Elektrofahrzeugen. In der Umsatzsteuerpraxis stellt sich dabei regelmäßig die Frage, ob die Installation einer Wallbox als Bauleistung im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG gilt – mit der Folge, dass der Leistungsempfänger (z. B. der Auftraggeber) die Umsatzsteuer schuldet (sog. Reverse-Charge-Verfahren).

Eine aktuelle Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene schafft nun Klarheit.


1. Hintergrund: § 13b UStG und das Reverse-Charge-Verfahren

Nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG gilt:
Wenn ein Unternehmer eine Bauleistung an einen anderen Unternehmer erbringt, der selbst regelmäßig Bauleistungen ausführt, dann geht die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger über.

Typische Fälle sind etwa:

  • Errichtung, Instandsetzung oder Umbau von Gebäuden,
  • Elektroinstallationen im Rahmen von Bauvorhaben,
  • Dach- oder Fassadenarbeiten.

Ziel dieser Regelung ist die Vermeidung von Umsatzsteuerbetrug im Baugewerbe.

In der Praxis war allerdings umstritten, ob die Installation einer Wallbox ebenfalls unter diesen Begriff fällt.


2. Ergebnis der Bund-Länder-Abstimmung

Nach Abstimmung der Finanzverwaltungen auf Bund-Länder-Ebene steht nun fest:

Die Installation einer Wallbox ist keine Bauleistung im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG.

Das gilt auch dann, wenn im Zuge der Installation zusätzlich Arbeiten an der Stromleitung oder eine Leistungserweiterung (Ertüchtigung) durchgeführt werden.

Damit liegt keine Umkehr der Steuerschuldnerschaft vor – der Leistende (z. B. Elektriker oder Installationsbetrieb) stellt seine Rechnung mit Umsatzsteuer aus und führt diese selbst an das Finanzamt ab.


3. Abgrenzung zu echten Bauleistungen

Eine Bauleistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts liegt nur vor, wenn die Leistung unmittelbar der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung eines Bauwerks dient.

Die Installation einer Wallbox stellt nach Auffassung der Finanzverwaltung eine eigenständige technische Leistung dar, die nicht unmittelbar mit der Bausubstanz des Gebäudes verknüpft ist.

Selbst wenn dabei Leitungen gelegt, Verteiler angepasst oder Stromanschlüsse ertüchtigt werden, ist dies nur eine Nebenleistung zur Installation der Wallbox und ändert die Einordnung nicht.


4. Praxisfolgen

Für Auftraggeber und Installateure ergeben sich daraus folgende steuerliche Konsequenzen:

SituationUmsatzsteuerliche Behandlung
Installation einer Wallbox als eigenständige LeistungKeine Bauleistung → Unternehmer stellt mit Umsatzsteuer in Rechnung
Kombination mit kleineren Elektroarbeiten (z. B. Anschlussverstärkung)Ebenfalls keine Bauleistung, wenn Hauptzweck die Installation der Wallbox bleibt
Umfangreiche Sanierung oder Neubau der Elektroanlage mit Wallbox als TeilprojektMögliche Bauleistung – Einzelfallprüfung erforderlich

5. Praxistipp

Installationsbetriebe sollten in der Rechnungsstellung und Leistungsbeschreibung eindeutig dokumentieren, dass es sich um die Installation einer Wallbox als eigenständige Leistung handelt.
Dadurch vermeiden sie unnötige Diskussionen mit dem Finanzamt über die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens.

Für Auftraggeber bedeutet dies:

Sie müssen keine Umsatzsteuer-Voranmeldung nach § 13b UStG abgeben und keine Umsatzsteuer selbst abführen – die Steuer wird vollständig vom leistenden Unternehmen abgeführt.


6. Fazit

Die Installation einer Wallbox ist keine Bauleistung im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG.
Damit greift das Reverse-Charge-Verfahren nicht – die Umsatzsteuer wird vom ausführenden Unternehmen geschuldet.

Diese Klarstellung schafft Rechtssicherheit sowohl für Handwerksbetriebe als auch für Auftraggeber und erleichtert die praktische Umsetzung bei der zunehmenden Elektrifizierung des Fuhrparks.

Betriebsausgabenabzug bei Ausgabe eigener Anteile an Arbeitnehmer

Viele Kapitalgesellschaften nutzen Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, um Fachkräfte langfristig zu binden und die Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken. Dabei stellt sich regelmäßig die steuerliche Frage, ob die verbilligte oder unentgeltliche Ausgabe eigener Anteile an Arbeitnehmer den Betriebsausgabenabzug mindert.

Eine aktuelle Erörterung auf Bund-Länder-Ebene bringt hierzu wichtige Klarheit.


1. Ausgangsfrage: Bleibt die betriebliche Veranlassung erhalten?

Wenn eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile erwirbt und diese anschließend im Rahmen einer Mitarbeiterbeteiligung an Beschäftigte weitergibt – sei es verbilligt oder unentgeltlich – stellt sich die Frage, ob der Arbeitslohnaufwand weiterhin betrieblich veranlasst ist.

Die Finanzverwaltung hat nun eindeutig entschieden:

Die Erfüllung einer Arbeitslohnverbindlichkeit durch die Gewährung eigener Anteile führt nicht zum Wegfall der betrieblichen Veranlassung.

Damit bleibt der Betriebsausgabenabzug für den Arbeitslohnaufwand bestehen. Eine Kürzung nach § 3c EStG oder aufgrund fehlender betrieblicher Veranlassung kommt nicht in Betracht.


2. Steuerliche Einordnung: Sachzuwendung statt Geldleistung

Die Ausgabe eigener Anteile im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms gilt ertragsteuerlich als Sachzuwendung.
Für das Unternehmen entsteht ein Betriebsausgabenabzug in Höhe der Differenz zwischen:

  • dem vom Arbeitnehmer gezahlten Ausübungspreis (falls vorhanden) und
  • den Kosten, die das Unternehmen selbst für den Erwerb der eigenen Anteile aufwenden musste.

Beispiel:
Eine GmbH erwirbt eigene Anteile für 100 € je Stück und überträgt sie im Rahmen eines Mitarbeiterprogramms an Arbeitnehmer für 60 €.
→ Betriebsausgabe: 40 € pro Anteil (Differenzbetrag).

Für den Arbeitnehmer liegt gleichzeitig steuerpflichtiger Arbeitslohn in Höhe dieses geldwerten Vorteils vor (§ 19 EStG).


3. Bedeutung für die Praxis

Die Klarstellung der Finanzverwaltung schafft Rechtssicherheit für Unternehmen, die Mitarbeiterbeteiligungen mit eigenen Anteilen gestalten möchten.
Damit gilt:

  • Der Betriebsausgabenabzug bleibt vollständig erhalten, auch wenn eigene Anteile statt Barlohn gewährt werden.
  • Die Ausgabe eigener Anteile wird nicht wie eine Entnahme behandelt.
  • Der geldwerte Vorteil beim Arbeitnehmer unterliegt weiterhin der Lohnsteuer und Sozialversicherung, sofern keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 oder § 19a EStG greift.

4. Praxistipp

Unternehmen sollten:

  1. Die Kosten für den Erwerb eigener Anteile genau dokumentieren, um den abzugsfähigen Aufwand nachweisen zu können.
  2. Verträge und Programme klar gestalten, damit die lohnsteuerliche Bewertung eindeutig nachvollziehbar ist.
  3. Prüfen, ob ggf. eine Steuervergünstigung nach § 19a EStG (steuerfreie Mitarbeiterbeteiligung bis 2.000 €) genutzt werden kann.

Fazit

Die Finanzverwaltung bestätigt:

Die Ausgabe eigener Anteile an Arbeitnehmer im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms bleibt betrieblich veranlasst.

Damit ist der Betriebsausgabenabzug zulässig, und es erfolgt keine steuerliche Kürzung.
Für Arbeitgeber eröffnet diese Klarstellung Planungssicherheit und vereinfacht die steuerliche Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen.

Steuerliche Absetzbarkeit von Ausgaben für Internetauftritt und Online-Shop

Immer mehr Unternehmen betreiben eine eigene Website oder einen Online-Shop. Dabei prüfen Finanzämter zunehmend genau, welche Aufwendungen steuerlich als Betriebsausgaben abzugsfähig sind und welche aktiviert werden müssen. Eine aktuelle interne Verfügung der Finanzverwaltung bringt hierzu Klarheit.


1. Domain – Immaterielles, nicht abnutzbares Wirtschaftsgut

Die Domain ist steuerlich als immaterielles Wirtschaftsgut einzustufen.
Da sie jedoch nicht abnutzbar ist, dürfen Anschaffungskosten beim Erwerb nicht sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Folge: Eine steuerliche Auswirkung tritt erst im Zeitpunkt eines Verkaufs oder einer Entnahme der Domain ein.


2. Homepage – Drei unterschiedliche Fallgruppen

Die steuerliche Behandlung der Aufwendungen hängt davon ab, wie die Homepage erstellt wurde.

a) Homepage I – Eigenerstellung oder Dienstleistungsvertrag

Wird die Website vom eigenen Personal oder durch externe Dienstleister im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags (z. B. Webdesign-Agentur auf Stundenbasis) erstellt, sind die dafür anfallenden Kosten sofort abziehbare Betriebsausgaben.

Diese Aufwendungen führen nicht zur Aktivierung eines Wirtschaftsguts, da keine greifbare Vermögensposition entsteht, sondern lediglich laufender Aufwand für die Außendarstellung des Unternehmens.


b) Homepage II – Erstellung im Rahmen eines Werkvertrags

Wird die Homepage durch ein anderes Unternehmen im Rahmen eines Werkvertrags erstellt (z. B. mit Übergabe eines fertigen, funktionsfähigen Internetauftritts), handelt es sich um die Herstellung eines Wirtschaftsguts.

In diesem Fall müssen die Aufwendungen aktiviert und über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden.


c) Homepage III – Abschreibung und Nutzungsdauer

Ist die Homepage zu aktivieren, stellt sich die Frage nach der Nutzungsdauer.
Das BMF-Schreiben vom 22. Februar 2022 zur einjährigen Nutzungsdauer digitaler Wirtschaftsgüter ist hier nicht anwendbar.

Die Finanzverwaltung akzeptiert stattdessen eine Nutzungsdauer von drei Jahren im Schätzungsweg.
Damit sind die Anschaffungskosten über drei Jahre linear abzuschreiben.


3. Shopsystem-Software – Einjährige Nutzungsdauer möglich

Für Software, die den Betrieb des Online-Shops ermöglicht (z. B. Shop-Systeme, Warenkorbfunktion, Datenverwaltung), gilt eine andere Regelung.

Hierbei handelt es sich um Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und -verarbeitung.
Damit greift das BMF-Schreiben vom 22.2.2022, wonach ein Wahlrecht zur einjährigen Nutzungsdauer besteht.

Das bedeutet:
Die Anschaffungskosten für die Shopsoftware können sofort im Jahr der Anschaffung vollständig abgeschrieben werden.


4. Laufende Pflegekosten sind immer sofort abziehbar

Wichtig für die Praxis:
Alle laufenden Kosten für die Pflege, Aktualisierung und technische Wartung der Homepage oder des Shopsystems sind sofort abzugsfähige Betriebsausgaben.

Dazu gehören insbesondere:

  • inhaltliche Anpassungen (z. B. neue Texte, Bilder, Preisänderungen)
  • technische Updates oder Sicherheitsanpassungen
  • kleinere Designänderungen, die das Grundkonzept nicht verändern

Diese Maßnahmen stellen keine Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts dar und führen somit nicht zu einer Aktivierung.


Fazit

Die steuerliche Behandlung von Internetauftritt und Online-Shop hängt stark von der Art der Aufwendungen und der vertraglichen Gestaltung ab:

FallSteuerliche Behandlung
Erwerb einer DomainKeine sofortigen Betriebsausgaben (nicht abnutzbar)
Homepage – DienstleistungsvertragSofort abzugsfähige Betriebsausgaben
Homepage – WerkvertragAktivierung, Abschreibung über 3 Jahre
Shopsystem-SoftwareSofortabschreibung möglich (1 Jahr Nutzungsdauer)
Laufende PflegeSofort abzugsfähig

Praxistipp

Unternehmen sollten Rechnungen und Verträge sorgfältig prüfen, um klar zwischen Dienstleistungs- und Werkleistungen zu unterscheiden. Eine saubere Dokumentation hilft, Diskussionen mit dem Finanzamt zu vermeiden.

Gerade bei der Erstellung oder Überarbeitung von Webseiten empfiehlt es sich, frühzeitig steuerlichen Rat einzuholen, um die optimale Abschreibungsstrategie zu wählen.

Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit der Forschungszulage

In jüngerer Zeit kommt es bei Betriebsprüfungen immer wieder zu Diskussionen, wenn Unternehmen die Kosten im Zusammenhang mit der Beantragung oder Gewährung der Forschungszulage als Betriebsausgaben geltend machen. Einige Finanzämter stellen diese Abzugsfähigkeit in Frage – doch ist das tatsächlich rechtens?


Hintergrund: Forschungszulage als steuerliche Förderung

Die Forschungszulage gemäß dem Forschungszulagengesetz (FZulG) ist eine steuerliche Förderung für Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben.
Gefördert werden insbesondere Eigenforschung, Auftragsforschung und experimentelle Entwicklung, die zu neuen oder verbesserten Produkten oder Verfahren führen.

Bei der praktischen Umsetzung entstehen regelmäßig Kosten für Gutachten, Beratungen oder die Antragstellung. Hier stellt sich die Frage, ob diese Aufwendungen steuerlich abzugsfähig sind.


Auffassung der Finanzverwaltung

Nach einer Verwaltungsauskunft können Kosten, die im Zusammenhang mit der Antragstellung oder Gewährung der Forschungszulage stehen, grundsätzlich als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Die Begründung:

Aufgrund der Zielsetzung des Forschungszulagengesetzes ist von einer betrieblichen Veranlassung auszugehen.

Damit folgt die Finanzverwaltung der Linie, die bereits im Zusammenhang mit der Investitionszulage vertreten wurde (vgl. BMF-Schreiben vom 21.12.2007 zu Steuerberatungskosten).


Keine Anwendung des § 12 Nr. 3 EStG

Ein häufiger Irrtum: Manche Prüfer stützen ihre ablehnende Haltung auf § 12 Nr. 3 EStG in Verbindung mit § 3 Abs. 4 AO, wonach bestimmte Nebenleistungen steuerlich nicht abzugsfähig sind.

Doch die Finanzverwaltung stellt klar:

Aufwendungen, die mit der Beantragung der Forschungszulage zusammenhängen, gehören nicht zu den in § 12 Nr. 3 EStG genannten Nebenleistungen.

Damit steht § 12 Nr. 3 EStG einem Betriebsausgabenabzug nicht entgegen.


§ 3c Abs. 1 EStG ebenfalls nicht einschlägig

Ebenfalls ausgeschlossen ist die Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG, da diese Vorschrift nur greift, wenn Aufwendungen mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
Die Forschungszulage ist aber keine steuerfreie Einnahme im klassischen Sinne, sondern eine steuerliche Fördermaßnahme, die das Unternehmen für betriebliche Aufwendungen erhält.

Folglich kann der Abzug der damit verbundenen Kosten nicht verweigert werden.


Praxishinweis

Unternehmen, die externe Beratung für die Antragstellung oder die Dokumentation der Forschungsprojekte in Anspruch nehmen, sollten:

  1. Rechnungen und Leistungsbeschreibungen sorgfältig dokumentieren,
  2. die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen klar erkennbar machen (z. B. durch Verweis auf konkrete Forschungsprojekte),
  3. sich im Fall von Einwänden durch den Betriebsprüfer auf die Verwaltungsauffassung und das BMF-Schreiben vom 21.12.2007 berufen.

Fazit

Die Rechtslage ist eindeutig:
Kosten im Zusammenhang mit der Beantragung oder Gewährung der Forschungszulage sind betrieblich veranlasst und als Betriebsausgaben abziehbar.
Weder § 12 Nr. 3 EStG noch § 3c Abs. 1 EStG stehen dem entgegen.

Unternehmen, die Forschungszulagen beantragen, sollten diese steuerlichen Vorteile konsequent nutzen – und im Prüfungsfall mit klarer Argumentation verteidigen.

Aktuelle Steuerinfos kurz zusammengefasst

Nachfolgend finden Sie eine Auswahl interessanter steuerlicher Kurznachrichten aus Gesetzgebung, Verwaltung und Praxis – übersichtlich und auf den Punkt gebracht.


1. Höhere Übungsleiterpauschale und Ehrenamtspauschale ab 2026

Die Bundesregierung und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) haben in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 10. September 2025 angekündigt, dass ab dem 1. Januar 2026 folgende Steuerfreibeträge angehoben werden:

  • Übungsleiterpauschale: Anstieg von derzeit 3.000 EUR auf 3.300 EUR jährlich
  • Ehrenamtspauschale: Erhöhung von 840 EUR auf 960 EUR jährlich

Diese Anpassungen würdigen das ehrenamtliche Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger und sollen insbesondere Vereine und gemeinnützige Organisationen entlasten.


2. Anpassung von Folgebescheiden an Grundlagenbescheide

Das Bayerische Landesamt für Steuern hat am 5. August 2025 (Az. S 0353.1.1-2/7 St 43) detailliert erläutert, welche verfahrensrechtlichen Besonderheiten bei der Anpassung von Folgebescheiden an Grundlagenbescheide zu beachten sind. Für die Praxis bedeutet dies: Wird ein Grundlagenbescheid geändert, muss die Finanzverwaltung den entsprechenden Folgebescheid automatisch und rechtzeitig anpassen – ein wichtiger Punkt insbesondere für Steuerberater und betroffene Steuerpflichtige.


3. Photovoltaikanlagen: Unternehmereigenschaft und Umsatzsteuer

Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe hat mit Verfügung vom 14. August 2025 (S 7104) klargestellt, wann der Betrieb einer Photovoltaikanlage zur Unternehmereigenschaft im umsatzsteuerlichen Sinne führt.
Die Verfügung erläutert praxisnah, in welchen Fällen der Betreiber einer Anlage umsatzsteuerpflichtig wird und Vorsteuerabzug geltend machen kann. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Abgrenzung zwischen privater Nutzung und unternehmerischer Tätigkeit – ein häufiges Thema in der Beratungspraxis.


4. Verlängerte Aufbewahrungspflichten für Finanzinstitute

Um Steuerhinterziehung und Steuerbetrug besser aufdecken zu können, hat das Bundeskabinett am 6. August 2025 beschlossen, die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege bei Banken, Versicherungen und Wertpapierinstituten von bisher acht auf zehn Jahre zu verlängern (BMF, Onlinemeldung 13/2025).
Diese Maßnahme stärkt die Transparenz im Finanzsektor und erhöht die Nachvollziehbarkeit von Transaktionen für steuerliche Prüfungen.


5. Umsatzsteuerbefreiung bei Anlagegold

Nach § 25c Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 UStG sind die Lieferung, Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Anlagegold von der Umsatzsteuer befreit. Die OFD Baden-Württemberg hat am 27. März 2025 (S 7423) eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht, in der der Begriff des Anlagegolds näher definiert wird. Dies betrifft insbesondere Banken, Edelmetallhändler und Investoren, die mit Anlagegold handeln oder es importieren. Die Verfügung schafft mehr Rechtssicherheit in der Praxis und konkretisiert die Anforderungen an die Umsatzsteuerbefreiung.


Fazit

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung weiterhin an zahlreichen Stellen nachjustieren – von der Förderung des Ehrenamts über die steuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen bis hin zur Verschärfung von Dokumentationspflichten im Finanzsektor.
Für Steuerpflichtige und Berater lohnt es sich, diese Änderungen frühzeitig im Blick zu behalten, um rechtzeitig zu reagieren und Gestaltungsspielräume zu nutzen.

Zweifel am „Goldfinger“-Modell: Wann greift § 15b EStG wirklich?

Kernthese: Ob eine Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b Abs. 1, 2 EStG gilt, muss immer anlegerbezogen und durch eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Das Label der Gestaltung ist dabei weniger wichtig als die tatsächlichen Motive und die operative Substanz.


1. Hintergrund: Was sind „Goldfinger“-Gestaltungen?

„Goldfinger“-Modelle sind komplexe Strukturen (oft über ausländische Personengesellschaften mit Einnahmen-Überschuss-Rechnung), deren primäres Ziel die kurzfristige Erzeugung hoher negativer Einkünfte ist.

Diese Verluste sollen im Inland mit anderen Einkünften verrechnet werden, während der spätere wirtschaftliche Gewinn häufig durch spezielle Konstruktionen (z. B. Auslandssachverhalt) steuerfrei bleibt, aber den Steuersatz über den Progressionsvorbehalt anhebt.

Das Risiko: Greift die Vorschrift des § 15b EStG (Steuerstundungsmodell), werden diese Verluste gesperrt und sind nur mit künftigen Gewinnen aus derselben Quelle verrechenbar. Die gewünschte Steuerwirkung entfällt komplett.


2. Der rechtliche Rahmen: § 15b EStG

Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn der Erwerb oder die Beteiligung nach einem Gesamtkonzept auf die Erzielung von Steuervorteilen (insbesondere Verluste) ausgerichtet ist.

Typische Indizien für ein Steuerstundungsmodell sind:

  • Der Vertrieb fokussiert auf den Steuereffekt statt auf die Wirtschaftlichkeit.
  • Es liegt ein vorgefertigtes, standardisiertes Konzept vor, oft mit kurzer Haltedauer.
  • Das Timing um den Jahreswechsel dient als Ertragsmotor.
  • Prognoserechnungen, in denen der Steuervorteil die Rendite trägt.

3. Die BFH-Perspektive: Vorrang des Einzelfalls

Das Finanzgericht (FG) hat in einem aktuellen Fall zur gewerblichen Goldhandels-Gestaltung die Annahme eines Steuerstundungsmodells abgelehnt und die Klage des Steuerpflichtigen bejaht.

Kernaussagen des FG:

  • Anlegerbezogene Prüfung: Entscheidend ist, ob das Steuersparen das prägende Ziel für die konkrete Mandantin/den Gesellschafter war.
  • Gesamtwürdigung: Nur wenn die steuerliche Stundung das überwiegende Motiv im Gesamtkonzept ist, greift § 15b EStG.
  • Entlastende Indizien: Selbst Indizien wie negatives Einkommen oder Jahreswechsel-Timing sprechen nicht zwingend für ein Steuerstundungsmodell, wenn operative Substanz, echtes Marktrisiko und eine individuelle Ausgestaltung vorliegen.

Ergebnis: Das Gericht erkannte die wirtschaftlichen Motive und die operative Substanz an. Die Verluste konnten steuerlich geltend gemacht werden.


4. Praxisfolgen & Checkliste zur Verteidigung

Unternehmer und Investoren in komplexen Modellen müssen beweisen, dass die wirtschaftliche Zielsetzung dominant ist.

Verteidigungsansätze:

  1. Wirtschaftliche Dokumentation: Halten Sie die wirtschaftlichen Motive (Handelsstrategie, Margenmodelle) nachweisbar fest. Verträge müssen individuell und ökonomisch begründet sein.
  2. Substanz und Risiko: Dokumentieren Sie die echte operative Tätigkeit (Handel, Logistik) sowie die tatsächliche Risikotragung und den Entscheidungsprozess (z. B. Investmentkomitees).
  3. Vorsicht bei Vertrieb: Werbematerialien dürfen den Steuervorteil nicht primär herausstellen. Das Ertragsmodell muss wirtschaftlich belastbar sein.
  4. Transparenz: Die Einhaltung von Meldepflichten wie AIA (automatischer Informationsaustausch) sowie eine ordnungsgemäße Erklärung mindern Straf- und Zinsrisiken.

Checkliste: Die wichtigsten Resilienzfaktoren

  • Geschäftskonzept: Plausible Marktlogik, Preissetzung, Rentabilitätsprognose (ohne Steuer als Haupttreiber).
  • Vertragswerk: Keine Standard-Baukästen, sondern individuelle Vereinbarungen.
  • Risikomanagement: Dokumentation der Risikotragung (Preis- und Währungsrisiken).
  • Rechtsgutachten: Bei Borderline-Fällen kann ein steuerliches Kurz-Memo oder die Beantragung einer verbindlichen Auskunft ratsam sein.

Fazit

Der BFH stärkt die Rechte der Steuerpflichtigen, indem er eine unkritische und automatische Anwendung des § 15b EStG ablehnt. Wer belegen kann, dass die operative Substanz und die echte Marktteilnahme das dominierende Motiv waren, kann den Verlustabzug auch bei komplexen Auslandsgestaltungen sichern.

✅ Wo gilt § 15b EStG weiterhin

  • § 15b Abs. 1 EStG verbietet den sofortigen oder querverrechnenden Ausgleich von Verlusten aus einer Einkunftsquelle, wenn diese Einkunftsquelle ein „Steuerstundungsmodell im Sinne von § 15b Abs. 2 EStG“ darstellt — Verluste dürfen nur mit künftigen positiven Einkünften derselben Quelle verrechnet werden.
  • Es gibt nach wie vor Rechtsprechung, die solche Modelle als steuerlich zulässig (oder zumindest nicht per se verboten) behandelt — aber nur unter sehr strengen Voraussetzungen.
  • Die Vorschrift wurde nicht abgeschafft oder grundlegend geändert — sie ist weiter anwendbar.

⚠️ Warum die klassische Verlust-Gestaltung kaum noch wie früher funktioniert

  • Der Gesetzgeber hat mit § 15b EStG (erstmals eingeführt 2005) genau das Verrechnungskonzept für sogenannte „Steuerstundungsmodelle“ eingeschränkt: Verluste dürfen nicht mehr beliebig mit anderen Einkünften verrechnet werden.
  • Die Finanzverwaltung legt in Anwendungsschreiben nahe, dass Anlaufverluste von Existenzgründern nicht unter § 15b fallen.
  • Die Rechtsprechung (z. B. Bundesfinanzhof) betont, dass nicht jedes Konzept mit Verlustzuweisungen automatisch als Steuerstundungsmodell gilt — zentral ist eine modellhafte Gestaltung, also ein Konzept mit vorrangig steuerlichem Ziel.
  • Damit ist die Gefahr groß, dass – wenn Sie heute ein Konzept mit Verlustzuweisung planen – das Finanzamt bzw. Gericht sehr genau prüft, ob es sich tatsächlich um ein legitimes Geschäftsmodell handelt oder um eine Gestaltung mit vorrangigem Steuerziel. In letzterem Fall greift § 15b.

🔍 Kann man also noch „gestalten“ — und wenn ja wie?

Ja — aber nur mit höherer Planungssicherheit, höherer Dokumentationslast und realistischem Geschäftsmodell. Entscheidend sind dabei:

  • Es darf nicht vorrangig um Steuerersparnis durch Verluste gehen, sondern um eine echte wirtschaftliche Aktivität mit Gewinnerzielungsabsicht.
  • Das Konzept muss nicht ausschließlich auf Verlustzuweisung ausgelegt sein — das allein reicht nicht zur Annahme eines Steuerstundungsmodells.
  • Die Verluste-Verrechnung ist nur noch mit Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle möglich — also horizontale/vertikale Verrechnung mit anderen Einkunftsarten ist ausgeschlossen.
  • In vielen Fällen lohnt sich eine verbindliche Auskunft oder ein Gutachten zur Bewertung, ob ein vorgedachtes Modell unter § 15b fällt oder nicht.

🧮 Fazit

  • Ein Modell mit primär steuerlichem Verlustziel ist heute hoch riskant – das Finanzamt könnte § 15b anwenden und damit die Verlustverrechnung stark einschränken.
  • Wenn Sie ein Konzept mit echtem Geschäftszweck, ausreichender Substanz, realistischem Gewinn-/Verlustprofil, und nicht primär auf Steuerersparnis planen, ist Gestaltung möglich — aber mit klaren Bedingungen.
  • Man kann nicht mehr einfach „Verluste generieren und sofort mit allem verrechnen“ – dies ist durch Gesetz und Rechtsprechung deutlich erschwert worden.

Wegzugsbesteuerung: Gestaltungsmöglichkeiten

Der Wegzug von vermögenden Privatpersonen ins Ausland kann die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) auslösen. Diese Regelung zielt darauf ab, die in Deutschland entstandenen stillen Reserven in privaten Unternehmensbeteiligungen zu besteuern, bevor das Besteuerungsrecht Deutschlands aufgrund des Wegzugs entfällt oder beschränkt wird.

Ziel einer vorausschauenden Planung ist es, Liquiditätsbelastungen zu vermeiden und eine Doppelbesteuerung zu verhindern.


Rechtsgrundlagen: Wann greift die Wegzugsbesteuerung?

Die Wegzugsbesteuerung betrifft Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen. Sie wird ausgelöst, wenn:

  • Eine natürliche Person in den letzten 10 Jahren mindestens 5 Jahre unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig war.
  • Die Person zum Zeitpunkt des Wegzugs (Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts) mindestens 1 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält.

Rechtsfolge: Der Wegzug wird als „fiktiver Verkauf“ der Anteile zum gemeinen Wert (Marktwert) betrachtet. Der Gewinn – die bis dahin entstandenen stillen Reserven – wird nach dem Teileinkünfteverfahren (60 % steuerpflichtig) besteuert.

Wichtig: Anteile an Personengesellschaften oder Betriebsvermögen unterliegen anderen Entstrickungsnormen. Bleibt hier eine inländische Betriebsstätte bestehen, greift die Wegzugsbesteuerung für diese Anteile i. d. R. nicht.


Bewertung und Liquiditätsprobleme

Die Wegzugsteuer führt zu einem Liquiditätsproblem, da die Steuer fällig wird, ohne dass tatsächlich Geld aus einem Verkauf fließt.

  • Bemessungsgrundlage: Der gemeine Wert (Marktwert) der Anteile abzüglich der ursprünglichen Anschaffungskosten.
  • Praxis-Tipp: Die Bewertung sollte frühzeitig gestaltet werden. Ein substanziertes Gutachten (z. B. auf Basis von DCF-Verfahren oder Multiples) und die Dokumentation von wertmindernden Faktoren kann die Bemessungsgrundlage reduzieren.

Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Liquiditätsschocks

1. EU-Stundung und Rückkehrregelung

Ein Wegzug in einen Staat der EU/EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) ermöglicht einen Steueraufschub (Stundung).

  • Bedingung: Der Aufschub erfolgt heute grundsätzlich ohne Sicherheitsleistung, erfordert aber die fortlaufende Erfüllung von Überwachungstatbeständen. Es dürfen keine schädlichen Ereignisse eintreten (z. B. Veräußerung, schädliche Ausschüttungen von mehr als 25 % des Wegzugsgewinns).
  • Rückkehr: Eine Rückkehr nach Deutschland binnen sieben Jahren (verlängerbar auf zwölf Jahre) führt zum Erlass der Wegzugsteuer, sofern kein schädliches Ereignis eingetreten ist.
  • Nachteil: Der Prozess ist administrativ anspruchsvoll (Monitoring, Compliance-Kalender).

2. Einbringung in eine inländische Personengesellschaft (GmbH & Co. KG)

Dies ist eine wirksame Gestaltung, um den fiktiven Verkauf zu verhindern.

  • Ziel: Die privaten GmbH-Anteile werden vor dem Wegzug in das Betriebsvermögen einer neu gegründeten GmbH & Co. KG eingebracht. Da die Anteile dann nicht mehr im Privatvermögen liegen, greift § 6 AStG nicht mehr.
  • Knackpunkt (Substanz): Die KG muss eine echte inländische Betriebsstätte besitzen und eine funktionale Verknüpfung zu den eingebrachten GmbH-Anteilen nachweisen (z. B. Managementleistungen, eigene Räume, Personal).
  • Wirkung: Die Besteuerung der stillen Reserven bleibt in Deutschland steuerverhaftet, wird aber auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung aus der KG verschoben.

Der 10-Punkte-Plan vor dem Wegzug

Eine sorgfältige Planung ist essenziell, um die Wegzugsbesteuerung beherrschbar zu machen.

  1. Beteiligungsinventar: Quoten und Anschaffungskosten der Kapitalgesellschaftsanteile erfassen.
  2. Wertgutachten: Marktwert der Anteile dokumentieren.
  3. DBA-Analyse: Prüfen, ob das Zielland (im Beispiel Spanien) einen „Step-up“ (Anhebung der Anschaffungskosten auf den Einwanderungswert) gewährt, um eine Doppelbesteuerung der Alt-Reserven zu vermeiden.
  4. Gestaltungspfad wählen: Zwischen EU-Stundung und KG-Einbringung entscheiden.
  5. Substanzaufbau: Bei Wahl der KG-Route: Echte Betriebsstätte (Räume, Personal) schaffen.
  6. Governance & Dokumentation: Geschäftsleitung und Verträge in Deutschland für die KG sicherstellen.
  7. Ausschüttungspolitik: Bei EU-Stundung schädliche Ausschüttungen vermeiden.
  8. Liquiditätsplanung: Finanzierung vorbereiten, falls die Steuer droht.
  9. Registrierung im Zielland: Ansässigkeit und lokale Melde-/Anzeigepflichten klären.
  10. Verbindliche Auskunft: Bei komplexen und unsicheren Strukturen eine Klärung beim Finanzamt suchen.

Die Wegzugsbesteuerung ist beherrschbar, wenn die Planung 6 bis 12 Monate vor dem Umzug beginnt und die Bewertung, die DBA-Koordination und die Substanz der gewählten Struktur stimmen.

Kapitalerträge aus dem Ausland vergessen?

Der internationale Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden sorgt zunehmend dafür, dass im Ausland erzielte Kapitalerträge auch den deutschen Finanzämtern bekannt werden.
Doch was passiert, wenn solche Einkünfte versehentlich nicht angegeben werden?
Droht eine Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung, oder kann eine nachträgliche Berichtigung straffrei erfolgen?

Ein aktueller Praxisfall zeigt, worauf es ankommt.


1. Ausgangslage: Vergessene Kapitalerträge aus China

Eine Steuerpflichtige mit Wohnsitz in Deutschland hatte Kapitalanlagen in Hongkong.
Das Finanzamt erhielt im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs (AIA) Daten zu dortigen Zinserträgen und forderte die Steuerpflichtige auf, ihre Einkommensteuererklärungen für 2020 und 2021 zu überprüfen.

Nach anwaltlicher Beratung wurden:

  • für 2022 Zinsen i. H. v. 75.000 € per ELSTER nachträglich erklärt,
  • und für 2020 nachträglich 6.200 € Zinseinnahmen offengelegt.

Für 2021 bestand kein Nachmeldungserfordernis.
Trotz dieser freiwilligen Nachmeldung leitete das Finanzamt ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ein.


2. Steuerlich: Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO

Sobald ein Steuerpflichtiger erkennt, dass eine abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig war, ist er nach § 153 Abs. 1 AO verpflichtet, unverzüglich eine Berichtigungserklärung einzureichen.

Wichtig:

  • Diese Pflicht gilt unabhängig vom Verschulden.
  • Die Berichtigung muss aktiv erfolgen, nicht erst auf Nachfrage.
  • Eine rechtzeitige Selbstberichtigung kann strafbefreiend wirken, wenn noch kein Strafverfahren eingeleitet wurde.

Im vorliegenden Fall war die Aufforderung des Finanzamts jedoch bereits auf ausländische Kapitalerträge gestützt – also ein Hinweis, dass der Sachverhalt dem Amt bereits bekannt war. Damit war der Weg zu einer straffreien Selbstanzeige weitgehend versperrt.


3. Strafrechtlich: Vorsatz als entscheidender Faktor (§ 370 AO)

Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung setzt Vorsatz voraus – also das Wissen und Wollen einer unrichtigen Steuererklärung.

Das bedeutet:

  • Wer Zinseinkünfte bewusst verschweigt, handelt vorsätzlich.
  • Wer sie versehentlich vergisst, nicht.

Die bloße Unkenntnis oder Nachlässigkeit begründet höchstens leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) – ein Ordnungswidrigkeitstatbestand, keine Straftat.

Entscheidend ist, ob das Finanzamt oder die Staatsanwaltschaft den Nachweis führen kann, dass der Steuerpflichtige die Zinseinnahmen bewusst verschwiegen hat.

Im vorliegenden Fall spricht die zeitnahe Nachmeldung nach Bekanntwerden und die nachvollziehbare Begründung („vergessen“) gegen einen Hinterziehungsvorsatz. Allerdings kann eine leichtfertige Steuerverkürzung mit einer Geldbuße bis 50.000 € geahndet werden.


4. Automatischer Informationsaustausch (AIA): Kein „sicherer Hafen“ mehr

Seit 2017 tauschen über 100 Staaten – darunter auch China (bzw. Hongkong) – Finanzdaten von Konten und Kapitalerträgen automatisch aus.
Das bedeutet:

  • Ausländische Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne werden jährlich an das deutsche Finanzamt gemeldet.
  • Spätestens beim Datenabgleich fällt eine Nichtdeklaration auf.

Damit entfällt das Argument, man habe „nicht gewusst“, dass auch ausländische Kapitalerträge steuerpflichtig sind.


5. Was ist jetzt zu tun, wenn Kapitalerträge vergessen wurden?

Schritt 1 – Sofortige Selbstberichtigung

Reichen Sie umgehend eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO ein.
Das kann über ELSTER oder über Ihren Steuerberater erfolgen.
Wichtig ist, dass die Erklärung vor Einleitung eines Strafverfahrens eingeht.

Schritt 2 – Offenlegung aller betroffenen Jahre

Prüfen Sie, ob auch weitere Steuerjahre betroffen sind.
Eine Teilselbstanzeige (nur für ein Jahr) kann die Straffreiheit gefährden.

Schritt 3 – Offenlegung vollständiger Angaben

Legen Sie Kontoauszüge, Zinsabrechnungen und Nachweise über Kapitalanlagen vollständig vor – insbesondere bei ausländischen Banken.

Schritt 4 – Nachzahlung und Zinsen

Nachversteuern Sie die Einkünfte einschließlich Hinterziehungszinsen (§ 235 AO).
Die Zinsen betragen 6 % p. a., gerechnet ab dem 15. Monat nach Ablauf des Steuerjahres.

Schritt 5 – Verteidigungsstrategie bei eingeleitetem Verfahren

Ist bereits ein Strafverfahren eröffnet, sollte keine eigenständige Stellungnahme erfolgen.
Dann gilt: Schweigen und sofortige Beauftragung eines Steuerstrafverteidigers.
In vielen Fällen lässt sich durch frühzeitige Kooperation und Zahlung eine Verfahrenseinstellung gegen Auflage (§ 153a StPO) erreichen.


6. Fazit

Das Vergessen von ausländischen Kapitalerträgen kann steuerstrafrechtlich erhebliche Folgen haben – insbesondere seit dem weltweiten Informationsaustausch.
Gleichzeitig gilt: Nicht jeder Fehler ist eine Steuerhinterziehung.

Wenn die Einnahmen versehentlich nicht angegeben, aber nachträglich berichtigt werden, bestehen gute Chancen auf Straffreiheit oder zumindest eine milde Behandlung.

Unser Tipp:
Prüfen Sie regelmäßig alle Auslandskonten, Fonds und Depots.
Bei Unsicherheiten sollten Sie frühzeitig mit Ihrer Steuerberatung über eine vorsorgliche Berichtigung oder Selbstanzeige sprechen – bevor das Finanzamt Sie darauf aufmerksam macht.


Rechtliche Grundlagen:

  • § 153 AO – Berichtigung von Erklärungen
  • § 370 AO – Steuerhinterziehung
  • § 378 AO – Leichtfertige Steuerverkürzung
  • OECD Common Reporting Standard (CRS) – automatischer Informationsaustausch

Nicht umsatzsteuerbare Entnahme und Veräußerung von Ausstellungsstücken

FG Niedersachsen, Urteil vom 03.04.2025 – 5 K 15/24 (rechtskräftig)

Kernaussage:
Die Veräußerung eines zuvor ohne Vorsteuerabzug eingelegten Gegenstands (hier: Fahrzeuge) ist nur dann dem Unternehmensbereich zuzuordnen und damit umsatzsteuerbar, wenn der Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet war und nicht vorher nach außen erkennbar entnommen wurde.
Eine bloße Buchungsnotiz am Verkaufstag reicht nicht. Erforderlich sind objektive Entnahmeindizien vor der ersten Verkaufsbemühung (z. B. erstes Inserat) und eine gewisse Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf.

Merke: Die maßgebliche Schwelle ist der Zeitpunkt des ersten Verkaufsangebots bzw. der ersten Verkaufsbemühung. Davor muss die Entnahme nach außen sichtbar erfolgt sein – andernfalls gilt die Veräußerung als unternehmerisch und ist umsatzsteuerpflichtig.


1. Sachverhalt in Kürze

  • Unternehmer mit Handel/Vermietung von Kfz/Wohnmobilen; EÜR nach § 4 Abs. 3 EStG.
  • Zwei Fahrzeuge (VW Multivan, Fiat Ducato Womo) aus Privatvermögen ohne Vorsteuerabzug ins Unternehmen eingelegt.
  • Laufende Vorsteuer aus Reparaturen/Betriebskosten geltend gemacht.
  • Späterer Verkauf mit privatem ADAC-Kaufvertrag und ohne USt-Ausweis; interne Buchung „Entnahme ohne USt“ am Tag des Kaufs/Übergabe.
  • FA: kein Nachweis einer vorherigen Entnahme; Verkäufe umsatzsteuerpflichtig.
  • FG: Klage abgewiesen – keine nach außen erkennbare, rechtzeitige Entnahme.

2. Rechtliche Leitplanken

  • Unternehmenszuordnung: Ein Gegenstand wird nur dann unternehmerisch veräußert, wenn er dem Unternehmen zugeordnet war und bis zum Verkauf nicht entnommen wurde.
  • Entnahme (§ 3 Abs. 1b UStG):
    • Bei ohne Vorsteuerabzug eingelegten Gegenständen kann die Entnahme nicht umsatzsteuerbar sein.
    • Aber: Die Entnahme muss objektiv erkennbar und zeitlich vor der Verkaufsbemühung liegen.
  • Beweislast/Indizien:
    • Inserate, Exposés, mobile.de-Anzeigen = Beginn der Verkaufsbemühung.
    • Interne Buchung am Verkaufstag genügt nicht.
    • Fortgeführter Vorsteuerabzug (z. B. Reparaturkosten) spricht gegen eine Entnahme.

3. Was das Gericht konkret verlangt

  1. Zeitliche Trennung: Zwischen Entnahme und Verkauf muss eine gewisse Zeitspanne liegen.
  2. Externe Sichtbarkeit: Entnahme muss nach außen erkennbar sein (z. B. Nutzungsänderung, Dokumentation, Kennzeichnung als Privatvermögen).
  3. Dokumentationssubstanz statt Etikett:
    • „Privater Kaufvertrag“ oder der Wille, keine Rechnung mit USt ausstellen zu wollen, ersetzt keine Entnahme.
  4. Kohärentes Verhalten:
    • Wer nach angeblicher Entnahme weiter Vorsteuer für das Objekt zieht, widerlegt die Entnahme faktisch.
  5. Außenvergleich: Gehört der Handel mit derartigen Gegenständen zum Unternehmensgegenstand, spricht dies für eine Veräußerung aus dem Unternehmen.

4. Praxisfolgen für Unternehmer:innen

  • Verkäufe aus dem Unternehmensvermögen sind regelmäßig umsatzsteuerpflichtig (Regelsteuersatz), auch wenn bei Einlage kein Vorsteuerabzug stattfand.
  • Eine nicht steuerbare Entnahme setzt vorherige, nachweisbare und extern erkennbare Entnahmehandlungen voraus – vor dem ersten Inserat/Angebot.
  • Buchung am Verkaufstag, privater Kaufvertrag oder kein USt-Ausweis genügen nicht als Entnahmenachweis.

5. Checkliste „Saubere Entnahme vor Verkauf“

Setzen Sie – vor dem ersten Verkaufsangebot – folgende Schritte:

  1. Entnahmebeschluss (intern, datiert, unterschrieben):
    • Begründung (z. B. künftig private Nutzung, Entnahme zum Zeitwert).
  2. Belegnachweis Entnahmezeitpunkt:
    • Anlagenverzeichnis: Umbuchung „Betriebsvermögen → Privatvermögen“ mit Zeitwert.
    • Inventar-/Nutzungsnachweis (z. B. Kilometerstand, Standortwechsel, Versicherungs-/Kennzeichenwechsel, Privatgaragenvertrag).
  3. Vorsteuer-Stoppschild:
    • Ab Entnahme keine Vorsteuer mehr aus laufenden Kosten ziehen.
  4. Beweis der Privatnutzung:
    • z. B. Privat-Haftpflicht/Versicherung umstellen, Privatkosten buchen.
  5. Erst danach:
    • Inserat/Angebot auf mobile.de & Co.
    • Wenn späterer Verkauf, dann privater Kaufvertrag ohne USt ist folgerichtig.

Tipp: Dokumentieren Sie den Entnahmezeitwert nachvollziehbar (Marktpreisgutachten, Vergleichsangebote). So vermeiden Sie Diskussionen zum Ertragsteuerteil (Entnahmegewinn).


6. Häufige Fehler (und wie Sie sie vermeiden)

  • Fehler: Entnahme am Verkaufstag buchen.
    Besser: Entnahme vor dem ersten Inserat, mit externen Nachweisen.
  • Fehler: Weiterhin Vorsteuer aus Reparaturen nach angeblicher Entnahme.
    Besser: Nach Entnahme konsequent keine Vorsteuer mehr; Kosten privat führen.
  • Fehler: Nur „privater Kaufvertrag“ als Beleg.
    Besser: Vollständige Entnahmedokumentation + zeitlicher Abstand zum Angebot.
  • Fehler: Unternehmensgegenstand umfasst Handel mit diesen Gütern, aber Verkauf wird als „privat“ deklariert.
    Besser: Prüfen, ob Überführung ins Privatvermögen tatsächlich gerechtfertigt und dokumentiert ist.

7. Fazit

Eine nicht umsatzsteuerbare Entnahme erfordert mehr als eine Buchungszeile:
Sie braucht vorverlagerte, nach außen erkennbare Schritte und einen zeitlichen Abstand zum Verkauf.
Fehlt es daran – oder fließen nach der Entnahme weiterhin Vorsteuerbeträge – wird die Veräußerung dem Unternehmen zugerechnet und ist umsatzsteuerpflichtig.


8. Handlungsempfehlung für die Praxis

  • Planen Sie den Verkauf von Ausstellungsstücken/Fuhrpark?
    Entnahmeprozess rechtzeitig starten, sauber dokumentieren, vor dem ersten Inserat.
  • Stimmen Sie Entnahme, Ertragsteuerfolgen (Entnahmegewinn) und USt-Thematik mit Ihrer Steuerberatung ab.
  • Für wiederkehrende Fälle (z. B. Fahrzeugwechsel) lohnt sich ein kanzleiweiter SOP/Leitfaden mit Mustern (Entnahmebeschluss, Checkliste, Nachweisvorlagen).

Fundstelle: FG Niedersachsen, Urteil vom 03.04.2025 – 5 K 15/24 (rechtskräftig)

DStV-Präsident Lüth appelliert an Gesetzgeber: „Praxistauglichkeit statt Tempo um jeden Preis“

48. Deutscher Steuerberatertag in Den Haag: Unabhängigkeit, Bürokratieabbau und faire Gesetzgebungsverfahren im Fokus

DStV, Mitteilung vom 20.10.2025


Unabhängigkeit des Berufsstands als unverrückbarer Grundpfeiler

Mit klaren Worten eröffnete DStV-Präsident StB Torsten Lüth den 48. Deutschen Steuerberatertag in Den Haag. In seiner Eröffnungsrede forderte er die Wahrung der Unabhängigkeit des Berufsstands, praxistaugliche Gesetzgebung und einen spürbaren Abbau von Bürokratie.

Lüth betonte, dass das Fremdbesitzverbot nicht aufgeweicht werden dürfe. Die Verantwortung der Steuerberater:innen gelte dem Mandantenwohl, nicht den Renditeerwartungen externer Investoren:

„Die für den Mandanten beste steuerliche Lösung darf nicht von kurzfristigen Renditeerwartungen eines Investors diktiert werden.“

Auch im digitalen Wandel sieht Lüth den Berufsstand gut aufgestellt – ganz ohne Private-Equity-Beteiligung:

„Wir stehen für Transparenz, Unabhängigkeit – und einen starken Berufsstand. Mischen Sie sich ein – zeigen Sie Haltung!“


Modernisierung der Steuerberaterprüfung gefordert

Ein weiteres zentrales Thema seiner Rede war die Reform der Steuerberaterprüfung. Lüth forderte eine Modernisierung des Prüfungsverfahrens, ohne die hohe fachliche Qualität zu gefährden.

Seine Vorschläge:

  • Modulprüfungen statt Blockprüfung,
  • mehr Flexibilität für Berufseinsteiger:innen,
  • Lockerung des Fakultätsvorbehalts und
  • mehr Wiederholungsmöglichkeiten.

„Das Prüfungsverfahren gehört auf den Prüfstand. Die Qualität steht nicht zur Disposition“, so Lüth.


Kritik an Express-Gesetzgebung

Deutliche Kritik übte der DStV-Präsident an der aktuellen Gesetzgebungspraxis. Gesetzgebungsverfahren liefen zunehmend unter zeitlich unrealistischen Bedingungen, wodurch eine seriöse Beteiligung der Fachverbände kaum möglich sei.

„Wir brauchen faire Fristen – sonst zahlen Qualität und Praxis den Preis!“

Die Folge der „Express-Gesetze“: mangelhafte Qualität, Rechtsunsicherheit und zusätzlicher Bürokratieaufwand. Lüth forderte daher eine Rückkehr zu sorgfältiger und praxisnaher Gesetzgebung.


Bürokratieabbau bleibt dringend notwendig

Trotz politischer Zusagen sieht der DStV bislang kaum Fortschritte beim Bürokratieabbau. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene müssten Verfahren vereinfacht und Verwaltungsaufwand reduziert werden.

Lüth nannte als Beispiele:

  • konsequente Umsetzung des Once-Only-Prinzips,
  • Einführung einer Rentenabzugsteuer,
  • und mehr steuerliche Pauschalierungen.

„Bürokratieabbau darf kein Lippenbekenntnis bleiben – die Entlastung muss endlich in der Praxis ankommen.“


Europa braucht Kooperation – ohne Preisgabe von Grundwerten

Der DStV engagiert sich auch auf europäischer Ebene aktiv für die Interessen des Berufsstands. Als Mitglied der Dachverbände ETAF und EFAA arbeitet der Verband an der frühzeitigen Mitgestaltung europäischer Gesetzgebung.

Für Lüth steht fest:

„Europa ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Kooperation ja – aber ohne Preisgabe berufsständischer Grundwerte.“

Einen besonderen Höhepunkt der Veranstaltung bildete die Keynote von Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister a. D., der mahnte:

„Die Demokratie ist kein Perpetuum mobile. Wir müssen um sie kämpfen!“


Ausblick: Steuerberatertag 2026 in Bonn

Nach einem abwechslungsreichen Fachprogramm und intensiven Diskussionen blickt der Berufsstand bereits voraus: Vom 4. bis 6. Oktober 2026 findet der 49. Deutsche Steuerberatertag in Bonn statt.


Quelle:
Deutscher Steuerberaterverband e. V. (DStV), Mitteilung vom 20.10.2025