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Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen bringt kaum Entlastung

Neue WSI-Studie: Beschäftigte mit niedrigeren Einkommen gehen weitgehend leer aus

Hans-Böckler-Stiftung, Mitteilung vom 17.10.2025


Hintergrund

Nach den Plänen der schwarz-roten Koalition sollen künftig Überstundenzuschläge unter bestimmten Bedingungen steuerfrei gestellt werden. Ziel der Regelung ist es, Mehrarbeit steuerlich zu begünstigen und so Anreize für zusätzliche Arbeitsstunden zu schaffen.

Eine aktuelle Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt nun jedoch: Der Effekt der Steuerbefreiung ist äußerst gering – sowohl was die Zahl der Begünstigten als auch die finanzielle Entlastung betrifft.


Nur 1,4 % der Beschäftigten profitieren

Laut der auf Daten des Statistischen Bundesamtes basierenden Studie könnten nur etwa 1,4 % aller Beschäftigten von der geplanten Steuerbefreiung profitieren.
Im Durchschnitt ergibt sich damit eine monatliche Steuerersparnis von lediglich 0,87 Euro, die mittlere Entlastung liegt sogar nur bei 0,31 Euro pro Monat.

Besonders deutlich zeigt sich die ungleiche Verteilung:

  • Vollzeitbeschäftigte: profitieren mit 2,4 % am häufigsten,
  • Teilzeitkräfte: nur 0,2 %,
  • geringfügig Beschäftigte: gehen vollständig leer aus.

Frauen besonders benachteiligt

Frauen sind laut Studie überproportional von der Regelung ausgeschlossen, da sie häufiger in Teilzeit arbeiten.
Nur 0,5 % der Frauen könnten vom Steuerbonus profitieren – bei Männern sind es 2,2 %.

Auch die Entlastungshöhe unterscheidet sich deutlich:

  • Männer: Ø 1,46 € steuerfrei pro Monat,
  • Frauen: Ø 0,23 € steuerfrei pro Monat.

Studienautor Dr. Malte Lübker sieht darin einen klaren Hinweis auf eine mittelbare Benachteiligung von Frauen: Das Vollzeiterfordernis führe faktisch zu einer systematischen Ungleichbehandlung.


Ungleichheit in der Einkommensverteilung

Rund 95 % des Entlastungsvolumens kämen laut Studie Beschäftigten aus der oberen Hälfte der Einkommensverteilung zugute.
Für Arbeitnehmer:innen mit einem Bruttomonatsverdienst unter 3.041 € liegt die durchschnittliche Steuerersparnis bei gerade einmal 3 Cent pro Monat, während das oberste Zehntel der Einkommen durchschnittlich 1,18 € mehr im Monat hätte.

WSI-Direktorin Prof. Dr. Bettina Kohlrausch kritisiert die soziale Schieflage des Vorhabens deutlich:

„Statt eine breite Entlastung zu bewirken, würde von dem Steuerprivileg in erster Linie eine kleine Gruppe profitieren, die ohnehin überdurchschnittlich verdient. Das trägt weiter zur Ungleichheit in der Gesellschaft bei.“


Kritik von Expert:innen und Wissenschaftlichem Beirat

Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hatte die geplante Steuerbefreiung bereits kritisiert. Neben der geringen Entlastung warnten die Expert:innen vor zusätzlicher steuerlicher Komplexität und Bürokratiekosten für Arbeitgeber und Finanzverwaltung.

Die neue WSI-Studie zeigt zudem: Der tatsächliche Steuerbonus pro Überstunde dürfte mit durchschnittlich 1,35 Euro noch deutlich geringer ausfallen als bislang angenommen. Für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen liegt die Entlastung sogar nur bei 0,39 Euro pro steuerbegünstigter Überstunde.


Handlungsbedarf liegt woanders

Statt Steuerprivilegien für eine kleine Beschäftigtengruppe zu schaffen, sieht das WSI dringenden Reformbedarf bei der Arbeitszeiterfassung:
Mehr als die Hälfte aller geleisteten Überstunden wird derzeit weder bezahlt noch durch Freizeit ausgeglichen. Nach Berechnungen des Instituts haben sich inzwischen rund 500 Millionen Überstunden auf Arbeitszeitkonten angesammelt – im Gegenwert von rund 9,5 Milliarden Euro.

„Ob ein Überstundenzuschlag steuerfrei bleibt oder nicht, ist für viele Beschäftigte zweitrangig“, so Lübker. „Wichtiger ist, dass Überstunden überhaupt erfasst, vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden.“


Quelle

Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 17.10.2025
WSI Policy Brief Nr. 93, Oktober 2025: „Steuerliche Freistellung von Überstundenzuschlägen – Geringe Entlastung und problematische Verteilungswirkungen“

Besteuerung von Streubesitzdividenden bei Familienstiftungen

FG Hamburg bestätigt Beschränkung des Werbungskostenabzugs

FG Hamburg, Urteil vom 27.06.2025 – 5 K 9/25 (rechtskräftig), Mitteilung vom 17.10.2025


Hintergrund

Das Finanzgericht Hamburg hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine Familienstiftung, die Streubesitzdividenden erzielt, Werbungskosten in vollem Umfang oder nur in Höhe des Sparer-Pauschbetrags geltend machen kann.

Im Streitfall erzielte die Klägerin – eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige, nicht steuerbefreite Familienstiftung – Einkünfte aus Kapitalvermögen, darunter Aktiendividenden, Zinserträge, Fondsausschüttungen und Veräußerungsgewinne. Die Stiftung machte Aufwendungen für Vermögensverwaltung, Büro, Personal und Beratung als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt ließ diese nur in Höhe des Sparer-Pauschbetrags (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG) zu.

Die Stiftung begehrte den vollständigen Abzug der Werbungskosten, soweit sie im Zusammenhang mit Streubesitzdividenden im Sinne des § 8b Abs. 4 KStG standen.


Entscheidung des FG Hamburg

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Nach Auffassung des Senats sind Werbungskosten einer Familienstiftung, die mit Streubesitzdividenden in Zusammenhang stehen, bei der Einkommensermittlung nur in Höhe des Sparer-Pauschbetrags zu berücksichtigen.

Kernaussagen des Urteils:

  1. Einkünfte aus Kapitalvermögen:
    Streubesitzdividenden führen bei Familienstiftungen zu Einkünften nach § 20 EStG. Die Gewerblichkeitsfiktion des § 8 Abs. 2 KStG greift nicht, da die Stiftung nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG, sondern unter Nr. 4 fällt.
  2. Abzugsbeschränkung:
    Nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 10 Satz 1 KStG i. V. m. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG können Werbungskosten nur im Umfang des Sparer-Pauschbetrags berücksichtigt werden. Eine teleologische Reduktion oder Ausnahme für Stiftungen ist nicht vorgesehen.
  3. Abgrenzung zu § 8b KStG:
    § 8b Abs. 5 KStG betrifft ausschließlich Betriebsausgaben, nicht aber Werbungskosten. Da § 8b Abs. 4 Satz 7 KStG Streubesitzdividenden von der Anwendung dieser Vorschrift ausnimmt, ergibt sich hieraus kein weitergehender Werbungskostenabzug.
  4. Verfassungsmäßigkeit:
    Das Gericht sieht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG auf Familienstiftungen.
    Es liege weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vor.

Das Urteil ist rechtskräftig.


Bewertung und Praxisfolgen

Mit dieser Entscheidung stellt das FG Hamburg klar:
Auch Familienstiftungen, die als Kapitalanleger auftreten, können Werbungskosten im Zusammenhang mit Streubesitzdividenden nur in Höhe des Sparer-Pauschbetrags (801 € bzw. 1.602 € bei Zusammenveranlagung) geltend machen.

Für Stiftungen bedeutet das:

  • Verwaltungskosten, Depotgebühren oder Beratungskosten, die mit solchen Dividenden in Zusammenhang stehen, können nicht voll abgesetzt werden.
  • Nur wenn eine Beteiligung von mehr als 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft besteht, greift die Regelung des § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG – dann wären die Dividenden zwar steuerfrei, aber auch 5 % der Erträge pauschal nicht abziehbar.

In der Praxis sollten Familienstiftungen ihre Kapitalanlage- und Beteiligungsstruktur regelmäßig steuerlich überprüfen, um die Zuordnung der Aufwendungen und die steuerliche Abzugsfähigkeit optimal zu gestalten.


Quelle:
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 27.06.2025 – 5 K 9/25 (rkr), Mitteilung vom 17.10.2025, FG Hamburg Newsletter 3/2025

Bundesrat warnt vor erheblichen Steuerausfällen

Mitteilung des Bundesrats vom 17. Oktober 2025


Steueränderungsgesetz 2025: Länder und Kommunen schlagen Alarm

Mit einer ausführlichen Stellungnahme hat sich der Bundesrat zum geplanten Steueränderungsgesetz 2025 positioniert.
Das umfangreiche Gesetzespaket der Bundesregierung sieht zahlreiche steuerliche Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger vor – darunter insbesondere die dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie.

Die Länderkammer warnt jedoch eindringlich vor den finanziellen Folgen für Länder und Gemeinden.


Länder befürchten Mindereinnahmen von über 12 Milliarden Euro

Nach Berechnungen des Bundesrats würde das Entlastungspaket zu erheblichen Steuerausfällen führen:

  • Länder: rund 11,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen
  • Gemeinden: etwa 1,4 Milliarden Euro weniger Einnahmen

Da Bund, Länder und Gemeinden sich die Steuereinnahmen teilen, müssten letztere die Hälfte der Mindereinnahmen tragen.

Der Bundesrat erinnert daran, dass Länder und Kommunen bereits durch steigende Ausgaben in Bereichen wie Bildung, Betreuung, Gesundheit, Digitalisierung, Integration, Klimaschutz und innere Sicherheit stark belastet sind. Das Einnahmenwachstum halte mit dem Ausgabenanstieg nicht Schritt – die geplanten Entlastungen würden die Finanzlage weiter verschärfen.


Forderung nach Kompensation durch den Bund

Die Länder fordern daher, dass der Bund dauerhafte und umfassende Ausgleichsmaßnahmen bereitstellt. Nur so könne die Handlungsfähigkeit der Länder- und Gemeindehaushalte gewährleistet bleiben.

Ohne Kompensation drohe eine weitere Einschränkung öffentlicher Leistungen auf kommunaler Ebene.


Digitale Zahlungspflicht in der Gastronomie gefordert

Ein weiterer Vorschlag des Bundesrats betrifft die Gastronomie:
Restaurants und Cafés sollen künftig verpflichtend eine gängige digitale Zahlungsmöglichkeit (z. B. EC- oder Kreditkarte) anbieten müssen.

Dies könne, so die Argumentation, zur Steuerehrlichkeit beitragen und dabei helfen, Umsatzsteuerausfälle zu reduzieren.


Bundesregierung plant dauerhafte Senkung der „Gastrosteuer“

Die Bundesregierung plant, den Umsatzsteuersatz für Speisen in der Gastronomie ab dem 1. Januar 2026 dauerhaft von 19 % auf 7 % zu senken.
Davon ausgenommen bleiben Getränke.

Von der Reduzierung sollen auch profitieren:

  • Bäckereien und Metzgereien,
  • der Lebensmitteleinzelhandel,
  • Catering-Unternehmen sowie
  • Anbieter im Bereich der Kita-, Schul- und Krankenhausverpflegung.

Laut Bundesregierung führt die Maßnahme zu einer jährlichen Entlastung von rund 3,6 Mrd. Euro für Betriebe und Verbraucher.


Weitere Entlastungsmaßnahmen: Entfernungspauschale & Mobilitätsprämie

Ebenfalls zum 1. Januar 2026 sollen folgende Änderungen in Kraft treten:

  • Erhöhung der Entfernungspauschale auf 38 Cent pro Kilometer ab dem ersten Kilometer (bisher ab dem 21. Kilometer) → geschätzte Entlastung: 1,1 Mrd. Euro
  • Dauerhafte Verlängerung der Mobilitätsprämie für Geringverdiener

Damit will die Bundesregierung Pendlerinnen und Pendler gezielt entlasten und die Mobilität im ländlichen Raum fördern.


Stärkung des Ehrenamts: Erweiterte Haftungsprivilegien

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf Verbesserungen im Vereinsrecht.
Ehrenamtlich Tätige sollen künftig besser haftungsrechtlich abgesichert werden. Ziel ist es, mehr Menschen zu motivieren, sich in Vereinen zu engagieren, und die gesellschaftliche Anerkennung des Ehrenamts weiter zu stärken.


Nächste Schritte im Gesetzgebungsverfahren

Die Stellungnahme des Bundesrats wurde an die Bundesregierung weitergeleitet.
Als nächstes befasst sich der Bundestag mit dem Gesetzentwurf. Nach der parlamentarischen Beratung wird das Gesetz erneut dem Bundesrat vorgelegt, der abschließend über seine Zustimmung entscheidet.


Fazit

Der Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2025 zeigt:
Die Bundesregierung will Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen steuerlich entlasten – doch die finanzielle Lastverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bleibt umstritten.

Die Diskussion um Kompensation, Digitalisierung in der Gastronomie und steuerliche Gerechtigkeit dürfte die politische Agenda in den kommenden Monaten prägen.


Quelle: Bundesrat

Steuerliche Neuerungen in den Startlöchern

DStV-Mitteilung vom 16. Oktober 2025


Reformherbst 2025: Bewegung in der Steuerpolitik

Der Herbst 2025 markiert den Auftakt zu einer Reihe bedeutender steuerlicher und berufsrechtlicher Reformen. Wie der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) mitteilt, hat sich die Regierungskoalition auf mehrere zentrale Projekte verständigt, die sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Steuerberaterinnen und Steuerberater direkt betreffen werden.

DStV-Präsident StB Torsten Lüth nutzte die Gelegenheit, sich frühzeitig mit führenden Mitgliedern des Bundestages über die anstehenden Änderungen auszutauschen. Zu den Gesprächspartnern zählten unter anderem MdB WP/StB Fritz Güntzler (CDU/CSU), MdB Frauke Heiligenstadt (SPD) sowie MdB StB Prof. Dr. Matthias Hiller (CDU/CSU, Finanzausschuss).


Steueränderungsgesetz und Aktivrente: Neue Impulse für Arbeitnehmer

Der Regierungsentwurf des Steueränderungsgesetzes 2025 ist inzwischen im Bundestag eingegangen. Ein zentrales Element des angekündigten „Arbeitnehmerpakets“ ist die geplante Aktivrente, auf die sich die Koalition nach längeren Verhandlungen geeinigt hat.

Torsten Lüth begrüßte die zügige Umsetzung nach der Sommerpause, mahnte jedoch zugleich an, Freie Berufe und Gewerbetreibende stärker einzubeziehen. Viele Selbstständige hätten großes Interesse an steuerlich geförderten Modellen zur Altersvorsorge, betonte er.

Auch bei der geplanten Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen sieht der DStV-Präsident noch Klärungsbedarf. Offene Fragen aus der Beratungspraxis müssten vor der Einführung sorgfältig geprüft werden, um Fehlanreize und Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. Eine wohlüberlegte Umsetzung sei wichtiger als ein schneller politischer Erfolg.


Änderungen im Steuerberatungsgesetz: Schutz der Unabhängigkeit des Berufsstands

Besonders im Fokus der Gespräche standen die geplanten Anpassungen des Berufsrechts der Steuerberaterinnen und Steuerberater. Der aktuelle BMF-Referentenentwurf zum Neunten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) wird vom DStV grundsätzlich positiv bewertet.

Lüth lobte das Ziel des BMF, der zunehmenden Marktdurchdringung durch Private-Equity-Investoren entgegenzuwirken. Diese drängen seit einiger Zeit – teils über Beteiligungsgesellschaften mit Sitz in Luxemburg – in den deutschen Steuerberatungsmarkt. Nach Einschätzung des DStV gefährden solche Kapitalbeteiligungen den Grundsatz der Unabhängigkeit der steuerlichen Beratung.

„Unternehmen und Verbraucher sind auf eine unabhängige, sachorientierte Steuerberatung angewiesen – nicht auf renditegetriebene Beteiligungsmodelle“, so Lüth. Er appellierte an die Bundestagsabgeordneten, die BMF-Initiative zum Schutz der Unabhängigkeit des Berufsstands aktiv zu unterstützen.


Fazit: Reformen mit Augenmaß gefragt

Die politischen Gespräche zeigen, dass die kommenden Monate entscheidend für die steuerliche und berufliche Weichenstellung in Deutschland sein werden. Während die Aktivrente und das Arbeitnehmerpaket neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen könnten, bleibt für die Steuerberaterbranche die Sicherung der beruflichen Unabhängigkeit von zentraler Bedeutung.

Der DStV wird den Gesetzgebungsprozess weiterhin eng begleiten – mit dem Ziel, praxisgerechte und rechtssichere Lösungen zu fördern.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V.

Weiterführung der Konsultationsvereinbarung zu Artikel 15 Absatz 4 DBA-Schweiz bis Ende 2027

BMF-Schreiben vom 16. Oktober 2025 – IV B 2 – S 1301-CHE/01452/001/074
Veröffentlicht im Bundessteuerblatt Teil I


Hintergrund: Grenzüberschreitende Arbeit zwischen Deutschland und der Schweiz

Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweiz vom 11. August 1971 regelt unter anderem die Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit. Nach Artikel 15 Absatz 4 DBA-Schweiz betrifft dies insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Rahmen von Homeoffice oder Telearbeit in einem der beiden Staaten tätig sind, während ihr Arbeitgeber im anderen Staat ansässig ist.

Um die praktische Anwendung dieser Regelung in Zeiten zunehmender grenzüberschreitender Telearbeit zu erleichtern, hatten die zuständigen Behörden beider Staaten im April 2023 eine Konsultationsvereinbarung geschlossen. Diese sollte ursprünglich vorübergehend gelten, um steuerliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Zuteilung des Besteuerungsrechts zu vermeiden.


Weiterführung bis zum 31. Dezember 2027

Mit dem neuen BMF-Schreiben vom 16. Oktober 2025 haben Deutschland und die Schweiz beschlossen, die bestehende Konsultationsvereinbarung vom 6. April 2023 bis zum 31. Dezember 2027 weiterzuführen.

Damit bleibt die bisherige Regelung zur Aufteilung des Besteuerungsrechts für grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverändert in Kraft. Eine weitere Verlängerung nach 2027 ist nicht ausgeschlossen, sofern sich die zuständigen Behörden beider Staaten darüber einigen.


Bedeutung für Grenzgänger und Arbeitgeber

Für Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie deren Arbeitgeber bedeutet die Verlängerung Planungssicherheit bis Ende 2027.
Konkret bleibt es bei folgenden Grundsätzen:

  • Homeoffice-Tage werden weiterhin so behandelt, dass sie – unter den in der Konsultationsvereinbarung definierten Bedingungen – keine abweichende Besteuerung im Ansässigkeitsstaat auslösen.
  • Unternehmen und Arbeitnehmer können somit eine konsistente steuerliche Behandlung ihrer grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnisse sicherstellen.
  • Gleichzeitig bleiben die Melde- und Nachweispflichten gegenüber den Finanzbehörden unverändert bestehen.

Veröffentlichung und weitere Informationen

Das BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Das vollständige Dokument finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums der Finanzen:


Fazit

Die Weiterführung der Konsultationsvereinbarung bringt Kontinuität und Rechtssicherheit für die nächsten Jahre.
Gerade in Zeiten zunehmender grenzüberschreitender Homeoffice-Arbeit ist dies ein wichtiger Schritt, um Doppelbesteuerungsrisiken zu vermeiden und bürokratische Hürden für Beschäftigte und Unternehmen zu reduzieren.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen, BMF-Schreiben vom 16.10.2025 – IV B 2 – S 1301-CHE/01452/001/074

BFH konkretisiert Grundsätze zur Vermietung von Ferienwohnungen

BFH, Urteil vom 12. August 2025 – IX R 23/24
Pressemitteilung Nr. 65/25 vom 16. Oktober 2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seine Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung der Vermietung von Ferienwohnungen weiter präzisiert. Das Urteil stärkt die Position von Eigentümer:innen, die ihre Ferienimmobilien ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieten und dabei Verluste erzielen.


1. Hintergrund des Falls

Die Klägerin besaß eine Ferienwohnung in einem bekannten Tourismusort und vermietete diese ab dem Jahr 2016 an Feriengäste. Trotz dauerhafter Vermietungsbereitschaft erzielte sie über mehrere Jahre Verluste.

Das Finanzamt (FA) erkannte die Verluste nur teilweise an. Es vertrat die Auffassung, dass die Klägerin die ortsübliche Vermietungszeit in einigen Jahren zu stark unterschritten habe, sodass keine Einkünfteerzielungsabsicht vorgelegen habe.

Das Finanzgericht (FG) bestätigte diese Sichtweise teilweise – der BFH hob das Urteil nun auf.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH hat die Grundsätze zur Anerkennung von Vermietungsverlusten bei Ferienwohnungen erneut bestätigt und zugleich konkretisiert:

Wird eine Ferienwohnung ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten, so sind Verluste grundsätzlich steuerlich anzuerkennen, ohne dass eine zusätzliche Überschussprognose erforderlich ist.

Voraussetzung bleibt jedoch, dass die ortsübliche Vermietungszeit nicht erheblich unterschritten wird – konkret:

  • Eine Abweichung um mehr als 25 % gilt als „erheblich“.
  • Maßgeblich ist dabei nicht das einzelne Jahr, sondern ein Zeitraum von drei bis fünf zusammenhängenden Jahren.

Damit hat der BFH klargestellt, dass kurzfristige Schwankungen in der Vermietung – etwa durch Renovierungen, Pandemien oder Marktschwächen – nicht automatisch zu einem steuerlichen Verlust der Anerkennung führen.


3. Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für Eigentümer:innen von Ferienwohnungen:

  • Eine jährliche Einzelbetrachtung der Vermietungsdauer ist nicht zulässig.
  • Entscheidend ist der mehrjährige Durchschnitt (3–5 Jahre).
  • Verluste aus der Vermietung sind steuerlich abzugsfähig, solange die ortsübliche Auslastung langfristig nur geringfügig unterschritten wird.
  • Nur bei einer dauerhaften Unterauslastung oder bei gemischter Nutzung (z. B. Eigennutzung) kann das Finanzamt eine private Veranlassung unterstellen.

Für die Finanzverwaltung bedeutet das Urteil zugleich eine Einschränkung der bisherigen Prüfungsweise, da sie Verluste nicht mehr auf Basis einzelner Jahre verwerfen darf.


4. Beispielhafte Anwendung

Vermietet ein Eigentümer seine Ferienwohnung in einer Region, in der die ortsübliche Vermietungszeit 120 Tage pro Jahr beträgt, so gilt:

  • Eine Vermietung von mindestens 90 Tagen (75 %) im Durchschnitt von drei bis fünf Jahren ist unschädlich.
  • Erst wenn die Vermietung dauerhaft unter 75 % der ortsüblichen Auslastung liegt, prüft das Finanzamt eine fehlende Einkünfteerzielungsabsicht.

5. Fazit

Mit dem Urteil IX R 23/24 hat der BFH erneut zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden und Rechtssicherheit für Ferienwohnungsbesitzer:innen geschaffen.
Die steuerliche Anerkennung von Verlusten bleibt möglich, wenn die Wohnung ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit zur Vermietung bereitgehalten wird.

Wesentlich ist die mehrjährige Betrachtung der Vermietungszeit – nicht die isolierte Jahresauswertung.

Damit stärkt der BFH die steuerliche Planbarkeit und Transparenz für Eigentümer:innen von Ferienimmobilien.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 12.08.2025 – IX R 23/24
Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung Nr. 65/25 vom 16.10.2025

BFH zur Umsatzsteuerbefreiung für Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer

BFH, Urteil vom 15. Mai 2025 – V R 23/24

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 15. Mai 2025 die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung von Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG konkretisiert.
Demnach sind Unterrichtsleistungen steuerfrei, wenn sie persönlich und unmittelbar gegenüber Schülern einer allgemein- oder berufsbildenden Einrichtung erbracht werden und ein vertragliches Verhältnis zum Einrichtungsträger besteht.


1. Hintergrund des Falls

Im Streitfall unterrichtete ein selbstständiger Dozent an einer berufsbildenden Einrichtung.
Er war nicht selbst Träger der Bildungseinrichtung, sondern wurde von dieser beauftragt, Unterrichtsstunden im Rahmen des Lehrplans durchzuführen.

Das Finanzamt unterwarf seine Umsätze der Umsatzsteuer mit der Begründung, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG greife nur, wenn der Lehrer selbst Träger einer anerkannten Bildungseinrichtung sei.

Der BFH folgte dieser engen Auslegung nicht.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

Ein selbstständiger Lehrer erbringt eine steuerfreie Unterrichtsleistung, wenn er im Auftrag einer berufsbildenden Einrichtung tätig ist, persönlich die Schüler unterrichtet und ein Rechtsverhältnis zum Einrichtungsträger besteht.

Damit erweitert der BFH den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung zugunsten freier Lehrkräfte, die im Auftrag von Schulen, Akademien oder Fortbildungsinstituten tätig sind.


3. Rechtliche Grundlage

Die Entscheidung beruht auf der Auslegung von

  • § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG sowie
  • Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie).

Nach diesen Vorschriften sind steuerfrei:

„Unterrichtsleistungen, die von Privatlehrern erteilt werden, sofern sie dem Schul- oder Bildungszweck unmittelbar dienen.“

Der BFH betont, dass die Steuerbefreiung nicht vom Status des Lehrers als Einrichtungsträger abhängt, sondern von der inhaltlichen Ausrichtung und der unmittelbaren Bildungswirkung der Tätigkeit.

Damit folgt das Gericht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der wiederholt auf die Zweckbezogenheit der Bildungsleistung abgestellt hat.


4. Abgrenzung: Wann keine Steuerbefreiung gilt

Die Umsatzsteuerbefreiung greift nicht, wenn

  • der Lehrer keine unmittelbare Unterrichtstätigkeit ausübt (z. B. nur Konzeptarbeit oder Organisation),
  • kein Vertragsverhältnis zum Einrichtungsträger besteht (z. B. Unterbeauftragung durch Dritte), oder
  • der Unterricht nicht unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dient (z. B. Freizeit- oder Hobbykurse).

In diesen Fällen liegt eine steuerpflichtige sonstige Leistung vor.


5. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil schafft Rechtssicherheit für freiberufliche Dozentinnen und Dozenten, insbesondere in der Erwachsenenbildung und der beruflichen Weiterbildung:

  • Steuerfreie Unterrichtsleistungen sind möglich, wenn die Tätigkeit inhaltlich dem Bildungszweck dient und vertraglich direkt mit dem Bildungsträger verbunden ist.
  • Eine eigene Anerkennung als Bildungseinrichtung ist nicht erforderlich.
  • Lehrkräfte sollten ihre Vertragsverhältnisse, Unterrichtsinhalte und Zielgruppen dokumentieren, um die Voraussetzungen der Befreiung im Prüfungsfall nachweisen zu können.

Damit erweitert der BFH den Handlungsspielraum vieler freier Lehrkräfte und Bildungsträger erheblich.


6. Fazit

Der BFH stärkt die steuerliche Stellung selbstständiger Lehrkräfte:

Unterrichtsleistungen an allgemein- oder berufsbildenden Einrichtungen sind umsatzsteuerfrei, wenn sie persönlich erbracht und vertraglich dem Bildungsträger zugeordnet sind.

Das Urteil sorgt für mehr Klarheit bei der Abgrenzung zwischen steuerfreien Bildungsleistungen und steuerpflichtigen Dienstleistungen – und bestätigt eine praxisnahe, europarechtskonforme Auslegung des Umsatzsteuerrechts.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 15.05.2025 – V R 23/24
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Keine Gewerbesteuerfreiheit für selbstständig, an einer Einrichtung unterrichtende Lehrer

BFH, Urteil vom 15. Mai 2025 – V R 33/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine GmbH, die über ihren alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer Unterrichtstätigkeiten an einer fremden Bildungseinrichtung erbringt, nicht als berufsbildende Einrichtung im Sinne von § 3 Nr. 13 GewStG gilt.
Damit sind die erzielten Umsätze gewerbesteuerpflichtig – auch wenn der Unterricht selbst berufsbildenden Zwecken dient.


1. Hintergrund des Falls

Im Streitfall unterrichtete der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als freier Dozent an einem Fortbildungsinstitut.
Die GmbH fakturierte die Unterrichtsleistungen an die Bildungseinrichtung.
Das Unternehmen beantragte eine Befreiung von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 13 GewStG, da die Leistungen der Berufsbildung dienten.

Das Finanzamt lehnte die Steuerbefreiung ab – zu Recht, wie der BFH nun bestätigte.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

Eine GmbH, die Unterrichtsleistungen im Auftrag einer anderen Bildungseinrichtung erbringt, ist selbst keine berufsbildende Einrichtung im Sinne des § 3 Nr. 13 GewStG.

Die Befreiungsvorschrift des Gewerbesteuergesetzes gilt nur für Einrichtungen, die

  • eigene Unterrichts- oder Ausbildungsgänge anbieten,
  • eigene organisatorische und inhaltliche Verantwortung für die Durchführung des Unterrichts tragen,
  • und eigene Teilnehmerverträge mit den Lernenden schließen.

Erbringt eine GmbH die Unterrichtsleistungen lediglich im Auftrag einer anderen Institution (z. B. eines Fortbildungsinstituts oder einer Berufsschule), fehlt es an dieser institutionellen Eigenverantwortung.

Der Unterrichtsinhalt oder die Qualifikation der Lehrkraft sind für die Gewerbesteuerbefreiung daher nicht entscheidend.


3. Abgrenzung zu natürlichen Personen

Während natürliche Personen, die selbstständig unterrichten, unter Umständen als freiberuflich tätige Lehrer (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gelten und keine Gewerbesteuer zahlen, gilt dies nicht für Kapitalgesellschaften.

Eine GmbH ist gewerblich geprägt (§ 2 Abs. 2 GewStG) – unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit.
Die persönliche Lehrtätigkeit ihres Geschäftsführers ändert daran nichts.

Damit unterliegen auch pädagogisch oder wissenschaftlich ausgerichtete GmbHs der Gewerbesteuer, wenn sie keine eigene Bildungseinrichtung im organisatorischen Sinn betreiben.


4. Praktische Konsequenzen

Das Urteil betrifft viele Bildungsdienstleister, Coaching-GmbHs und Schulungsgesellschaften, die Unterrichtsleistungen für Dritte erbringen.

Folgen in der Praxis:

  • Auch unterrichtende GmbHs müssen Gewerbesteuer zahlen, wenn sie nur als Auftragnehmer tätig sind.
  • Eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG setzt voraus, dass die Gesellschaft selbst Trägerin einer Bildungseinrichtung ist.
  • Für die steuerliche Entlastung kann ggf. eine Umstrukturierung oder Kooperation mit anerkannten Bildungsträgern sinnvoll sein.

5. Fazit

Der BFH zieht eine klare Linie:

Unterricht allein genügt nicht – entscheidend ist die Trägerschaft.

Nur Einrichtungen, die eigenständig und verantwortlich Unterricht anbieten, gelten als berufsbildende Einrichtungen im Sinne von § 3 Nr. 13 GewStG.
Eine GmbH, die ihre Dozenten lediglich an andere Bildungsträger vermittelt oder entsendet, bleibt gewerbesteuerpflichtig.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 15.05.2025 – V R 33/23
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Keine Gewerbesteuerfreiheit für Gewinne aus der Veräußerung von Lehrinstituten

BFH, Urteil vom 22. Mai 2025 – V R 32/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Veräußerung eines Lehrinstituts nicht als unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistung im Sinne von § 3 Nr. 13 GewStG gilt.
Damit unterliegen Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Lehrbetrieben der Gewerbesteuerpflicht.


1. Hintergrund des Falls

Die Klägerin betrieb mehrere Lehr- und Fortbildungsinstitute im Bereich der Erwachsenenbildung. Nach dem Verkauf ihrer Lehrbetriebe erklärte sie den daraus erzielten Gewinn als steuerfrei nach § 3 Nr. 13 GewStG.

Zur Begründung führte sie an, die Tätigkeit und auch die Veräußerung stünden unmittelbar im Zusammenhang mit dem Bildungszweck und seien daher von der Gewerbesteuer befreit.

Das Finanzamt folgte dieser Auffassung nicht und setzte Gewerbesteuer fest. Das Finanzgericht bestätigte diese Entscheidung – und der BFH wies die Revision der Klägerin zurück.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

Die Veräußerung eines Lehrinstituts ist keine dem Schul- oder Bildungszweck dienende Leistung im Sinne des § 3 Nr. 13 GewStG.

Die Vorschrift befreit nur solche Tätigkeiten von der Gewerbesteuer, die unmittelbar der Erziehung, dem Unterricht oder der Aus- und Fortbildung dienen.
Dazu zählen etwa:

  • der laufende Unterrichtsbetrieb,
  • Prüfungsleistungen oder
  • Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit dem Lehrbetrieb.

Der Verkauf des gesamten Unternehmens ist jedoch ein Vermögensumschichtungsakt – und damit nicht Teil der begünstigten Bildungsleistung.

Entscheidend ist also, dass die Veräußerung nicht mehr dem Bildungszweck selbst dient, sondern lediglich den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens realisiert.


3. Steuerliche Konsequenzen

Die Entscheidung des BFH hat weitreichende Folgen für Träger privater Bildungseinrichtungen und gemeinnützige Gesellschaften, die wirtschaftlich tätig sind:

  • Gewinne aus der Veräußerung von Lehrinstituten unterliegen der Gewerbesteuerpflicht,
  • eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG kommt nicht in Betracht,
  • selbst dann nicht, wenn der laufende Lehrbetrieb steuerbegünstigt war oder die Mittel später wieder Bildungszwecken zufließen.

Damit bestätigt der BFH seine enge Auslegung der gewerbesteuerlichen Befreiungsvorschrift:
Nur die unmittelbare Bildungsleistung, nicht aber der wirtschaftliche Vorgang ihrer Veräußerung, ist begünstigt.


4. Bedeutung für die Praxis

Für Betreiber:innen von Lehrinstituten, Sprachschulen und anderen Bildungsträgern bedeutet das Urteil:

  • Bei einem Verkauf oder einer Umstrukturierung sind die erzielten Gewinne gewerbesteuerpflichtig.
  • Eine Befreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG ist nur für die laufende Lehrtätigkeit möglich.
  • Vor geplanten Veräußerungen sollte die steuerliche Struktur sorgfältig geprüft und ggf. eine Gestaltungsberatung (z. B. über gemeinnützige Trägerstrukturen oder Holdinglösungen) in Betracht gezogen werden.

5. Fazit

Der BFH stellt klar:
Die Bildungstätigkeit ist steuerbegünstigt – nicht aber deren Veräußerung.

Wer ein Lehrinstitut verkauft, erzielt steuerpflichtige gewerbliche Einkünfte, selbst wenn die Einrichtung zuvor gemeinnützig oder bildungsorientiert tätig war.
Das Urteil schafft damit Rechtssicherheit, schränkt aber den Anwendungsbereich der Gewerbesteuerbefreiung deutlich ein.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 22.05.2025 – V R 32/23
Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Sicherheitsleistung in Steuerhöhe nicht konstitutiv für die Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens

BFH, Urteil vom 24. Juni 2025 – VII R 33/22
Pressemitteilung Nr. 66/25 vom 16. Oktober 2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Sicherheitsleistung in voller Steuerhöhe nicht zwingend erforderlich ist, um ein Steueraussetzungsverfahren wirksam zu eröffnen. Damit stellt der BFH klar, dass die bloße Unterschreitung der Sicherheitshöhe nicht zur Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Steueraussetzungsverfahrens führt.


1. Hintergrund: Steueraussetzung bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren

Im entschiedenen Fall beförderte eine Klägerin Schaumwein aus ihrem Steuerlager in Deutschland in ein anderes Steuerlager innerhalb der EU.
Für diese grenzüberschreitende Beförderung unterlag sie dem Verfahren der Steueraussetzung – ein Verfahren, bei dem verbrauchsteuerpflichtige Waren steuerfrei bewegt werden dürfen, solange sie sich unter amtlicher Aufsicht befinden.

Zur Absicherung möglicher Risiken hatte das Hauptzollamt (HZA) eine Sicherheitsleistung verlangt. Diese leistete die Klägerin in Form einer fortgesetzten Barsicherheit, die jedoch nicht die volle Höhe der potenziell entstehenden Schaumweinsteuer abdeckte.

Das HZA vertrat die Auffassung, die Sicherheit müsse die gesamte Steuerhöhe absichern, um ein Steueraussetzungsverfahren überhaupt wirksam eröffnen zu können. Da dies nicht der Fall gewesen sei, setzte es Schaumweinsteuer in Höhe der Differenz fest.

Das Finanzgericht gab der Klage statt – und der BFH bestätigte diese Entscheidung.


2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

„Die Leistung einer Sicherheit in voller Steuerhöhe ist nicht konstitutiv für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens.“

Damit wies der BFH die Revision des Hauptzollamts zurück.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Steueraussetzungsverfahren nicht davon abhängt, ob die Sicherheitsleistung exakt die mögliche Steuerlast abdeckt.
Entscheidend ist allein, dass die Verfahrenseröffnung ordnungsgemäß angezeigt und bewilligt wurde und eine Sicherheit tatsächlich geleistet wurde.

Die Regelungen zur Sicherheitsleistung (§ 24 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Alkoholsteuerverordnung i. V. m. Art. 18 EMCS-Durchführungsverordnung) stellen demnach keine Gültigkeitsvoraussetzung, sondern eine Verfahrensvorschrift dar.


3. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für Unternehmen, die mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren – etwa Alkohol, Tabak oder Energieerzeugnissen – handeln oder diese grenzüberschreitend befördern.

Wesentliche Konsequenzen:

  • Eine unvollständige Sicherheitsleistung führt nicht automatisch zur Steuerentstehung.
  • Solange das Verfahren ordnungsgemäß eröffnet und überwacht wird, bleibt der Steueraussetzungsstatus erhalten.
  • Die Finanzverwaltung darf keine Steuerfestsetzung allein wegen einer vermeintlich zu niedrigen Sicherheitsleistung vornehmen.

Damit stärkt der BFH die Rechtssicherheit für Wirtschaftsbeteiligte und grenzt die Anforderungen an Sicherheitsleistungen klar von den materiellen Voraussetzungen der Steuerentstehung ab.


4. Fazit

Der BFH schafft Klarheit im Bereich der Verbrauchsteuerverfahren:
Eine Sicherheitsleistung in voller Steuerhöhe ist nicht Voraussetzung für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens.

Entscheidend bleibt die ordnungsgemäße Anzeige und Durchführung des Verfahrens, nicht die exakte Höhe der gestellten Sicherheit.
Das Urteil stärkt damit die unternehmerische Praxis und verhindert eine überschießende Verwaltungspraxis bei der Steueraufsicht.


Aktenzeichen: BFH, Urteil vom 24.06.2025 – VII R 33/22
Pressemitteilung Nr. 66/25 vom 16.10.2025
Quelle: Bundesfinanzhof