BFH zur Steuerbarkeit von Geschäftsführungsleistungen einer Praxisgemeinschaft

Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 04.09.2024, Az. XI R 37/21

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Beschluss vom 4. September 2024 zur Steuerbefreiung von Geschäftsführungsleistungen einer Praxisgemeinschaft Stellung genommen. Dabei ging es um die Reichweite der Steuerbefreiung gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) für Besteuerungszeiträume vor Inkrafttreten des § 4 Nr. 29 UStG.


Leitsätze des BFH

  1. Praxisgemeinschaft als Unternehmerin:
    Eine Praxisgemeinschaft, die zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks nach außen auftritt, ist als eigenständige Unternehmerin anzusehen.
  2. Abgrenzung von Geschäftsführungsleistungen:
    Bezieht eine Praxisgemeinschaft Leistungen für die Führung ihrer eigenen Geschäfte, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie Geschäftsführungsleistungen an ihre Mitglieder erbringt.
  3. Steuerbefreiung bei Weiterleitung von Leistungen:
    Eine Praxisgemeinschaft aus Ärzten kann sich auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
    • Die Weiterleitung bezogener Leistungen (z. B. Reinigungsdienste oder andere Subunternehmerleistungen) erfolgt ausschließlich zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit der Mitglieder.
    • Es wird lediglich der exakte Anteil an den gemeinsamen Kosten erstattet.
    • Durch die Gewährung der Steuerbefreiung entstehen keine Wettbewerbsverzerrungen.

Die Steuerbefreiung gilt jedoch nur für Zeiträume vor Einführung des § 4 Nr. 29 UStG, da diese Vorschrift die Regelungen der MwStSystRL in nationales Recht umgesetzt hat.


Hintergrund

Praxisgemeinschaften sind häufig Zusammenschlüsse von Ärzten, die gemeinsam bestimmte Ressourcen wie Räumlichkeiten, Personal oder Dienstleistungen nutzen. Ziel ist die Kosteneffizienz, ohne dass eine gemeinsame Berufsausübung erfolgt. Dabei stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang Leistungen, die die Praxisgemeinschaft an ihre Mitglieder weitergibt, umsatzsteuerpflichtig sind.

Der BFH hat in diesem Beschluss klargestellt, dass Praxisgemeinschaften zwar Unternehmer sind, jedoch nicht automatisch jede Leistung steuerbar ist. Entscheidend ist die Art der Leistung und die Art der Weiterleitung an die Mitglieder.


Bedeutung für die Praxis

  1. Praxisgemeinschaften können steuerfrei abrechnen:
    Für Besteuerungszeiträume vor Einführung des § 4 Nr. 29 UStG können sich Praxisgemeinschaften auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen.
  2. Genaue Ermittlung der Kosten erforderlich:
    Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass die Mitglieder der Praxisgemeinschaft lediglich ihren genauen Kostenanteil erstatten. Eine Gewinnerzielungsabsicht oder eine Kalkulation über den reinen Kostenanteil hinaus würde die Steuerbefreiung ausschließen.
  3. Wettbewerbsverzerrung ausschließen:
    Die Steuerbefreiung darf keine Wettbewerbsverzerrungen verursachen. Beispielsweise könnten Reinigungsleistungen oder andere Dienstleistungen von externen Anbietern teurer werden, wenn diese nicht steuerfrei arbeiten können.

Fazit

Das Urteil des BFH bietet Praxisgemeinschaften eine klare Grundlage, um für zurückliegende Besteuerungszeiträume Steuerbefreiungen geltend zu machen. Für aktuelle Zeiträume gilt jedoch die Neuregelung nach § 4 Nr. 29 UStG. Praxisgemeinschaften sollten ihre steuerliche Behandlung regelmäßig prüfen, um eine korrekte Abrechnung sicherzustellen.

Haben Sie Fragen zur steuerlichen Behandlung von Praxisgemeinschaften oder zur Anwendung der Steuerbefreiung? Wir stehen Ihnen gerne beratend zur Seite!