Archiv der Kategorie: Privatbereich

„Syndikusanwälte“: Keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht

„Syndikusanwälte“: Keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht

Kernaussage
Abhängig beschäftigten „Syndikusanwälten“ steht kein Befreiungsanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung zu. Für diejenigen, die bereits von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zugunsten der berufsständischen Versorgungswerke befreit sind, soll sich aus Gründen des Vertrauensschutzes nichts ändern.

Sachverhalt
Die Kläger der 3 Ausgangsverfahren hatten bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund die Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt. Die Anträge wurden abgelehnt, weil die Kläger in ihren jeweiligen Beschäftigungen keine anwaltliche Tätigkeit ausübten. Die Entscheidungen der Landessozialgerichte differierten: Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen vertrat die Auffassung, dass eine Befreiung im Falle eines Arbeitsverhältnisses mit einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber generell nicht möglich sei. Unterschiedlich urteilten die Senate des LSG Baden-Württemberg, wonach die Befreiung möglich sein sollte, sofern die Beschäftigung weder die Versagung oder Rücknahme der Anwaltszulassung noch ihren Widerruf rechtfertige oder aber bezüglich der zu beurteilenden Tätigkeit die kumulative Erfüllung der Merkmale Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung vorliegen müssen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat alle 3 Klagen abgewiesen.

Entscheidung
Die Regelungen des SGB VI verlangen für die Möglichkeit der Befreiung, dass der Betroffene durch ein und dieselbe Tätigkeit gesetzlich zur Mitgliedschaft in 2 verschiedenen Versorgungseinrichtungen gezwungen ist. Die Beschäftigung also die Versicherungspflicht in beiden Systemen auslöst. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Tätigkeit als angestellter Mitarbeiter eines Unternehmens ist wesensverschieden von der Tätigkeit des Rechtsanwalts. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwälte sind die Unternehmensjuristen somit nur in ihrer freiberuflichen, versicherungsfreien Tätigkeit außerhalb ihres Dienstverhältnisses.

Konsequenz
Wer bereits eine Befreiung erlangt hat, muss voraussichtlich nicht mit einer Aufhebung eben dieser rechnen. Allerdings besteht der Vertrauensschutz nur, soweit es zu keiner Änderung des Beschäftigungsverhältnisses kommt. Bei Änderungen von Anstellungsverträgen ist dies zu bedenken.

Steuer-CDs: Zur Verwertbarkeit im Strafverfahren

Steuer-CDs: Zur Verwertbarkeit im Strafverfahren

Kernaussage
Da sich die Vorschriften zur Beweisverwertung ausschließlich an die staatlichen Strafverfolgungsorgane richten, ist die rechtswidrige oder strafbare Erlangung eines Beweismittels (Steuer-CD) durch einen Privaten, grundsätzlich verwertbar. Die Gerichte müssen allerdings das Ausmaß und den Grad der staatlichen Beteiligung an der Erlangung der Daten überprüfen.

Sachverhalt
Das Land Rheinland-Pfalz hat im Jahr 2012 von einer Privatperson eine Steuerdaten-CD angekauft, die zahlreiche Datensätze von Kunden einer Schweizer Bank enthielt, so auch von dem Beschwerdeführer. Dieser wendet sich gegen die Verwertung der angekauften Steuerdaten-CD im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Gestützt auf die CD erließ das Amtsgericht Koblenz gegen den Beschwerdeführer einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und ordnete die Beschlagnahme verschiedener Unterlagen an. Die gegen diese Beschlüsse erhobenen Beschwerden blieben erfolglos. Gegen diese gerichtlichen Entscheidungen erhob der Beschwerdeführer sodann Verfassungsbeschwerde und machte geltend, die Verwertung der CD verletze ihn in seinem Recht auf ein faires Verfahren, in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie seinem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.

Entscheidung
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Selbst eine rechtswidrige Beweiserhebung führt nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Allerdings gibt es auch im Strafverfahren keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis. Die verfassungsrechtliche Grenze ist zumindest dann überschritten, wenn staatliche Stellen die Beweiserhebung allein an den engen Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbots ausrichten. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass Informationen in rechtswidriger oder strafbarer Weise gewonnen worden sind, so ist erforderlich, dass der Sachverhalt der Informationserhebung hinreichend aufgeklärt wird. Die Gerichte haben die Strafbarkeit deutscher Beamter zu prüfen. Die strafbare Erlangung eines Beweismittels durch eine Privatperson führt nur in Ausnahmefällen zur Unverwertbarkeit des Beweismittels im Strafverfahren, denn das Handeln des Privaten ist nicht der staatlichen Sphäre zuzurechnen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt auch die Grenzen für die Ermittler auf. Vorliegend war der Informant nicht als verlängerter Arm der Ermittlungsbehörden anzusehen, denn es gab keine behördliche Anstiftung. In der Zukunft könnte aber eine solche Situation entstehen, bei der dann unter Umständen das Handeln des Privaten der staatlichen Sphäre zuzurechnen wäre.

Kindergeld: Sind eigene Einkünfte des verheirateten Kindes relevant?

Kindergeld: Sind eigene Einkünfte des verheirateten Kindes relevant?

Kernproblem
Für volljährige Kinder steht den Eltern Kindergeld zu, wenn sich die Kinder in Berufsausbildung befinden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erlosch der Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind grundsätzlich mit dessen Eheschließung, weil die Unterhaltsverpflichtung der Eltern infolge der Heirat und der zivilrechtlich vorrangigen Verpflichtung des Ehegatten regelmäßig entfiel. Ein Anspruch auf Kindergeld blieb nur erhalten, wenn die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des Kindes nicht ausreichten und das Kind auch nicht über ausreichende eigene Mittel verfügte (sogenannter Mangelfall). Seit dem Jahr 2012 ist Kindergeld stets unabhängig von den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes zu gewähren, soweit sich das Kind in Erstausbildung oder einem Erststudium befindet. An der Rechtsauffassung der Familienkassen hat sich aber in Bezug auf verheiratete Kinder nichts geändert. Diesmal klagte eine Mutter, deren verheiratete Tochter über ausreichendes Einkommen verfügte.

Sachverhalt
Für ihre 24-jährige Tochter beantragte eine Mutter im Jahr 2013 Kindergeld. Die Tochter war seit dem Jahr 2010 verheiratet und absolvierte ein Erststudium der Rechtswissenschaften. Ihr Ehemann befand sich in Ausbildung und erhielt ein geringes Schulgeld von jährlich ca. 3.000 EUR. Durch ein Stipendium und eine Beschäftigung als Wissenschaftliche Hilfskraft standen der Tochter mehr als 10.000 EUR im Jahr zur Verfügung. Die Familienkasse lehnte die Auszahlung von Kindergeld ab, weil sich die Tochter selbst unterhalten könne und ein Mangelfall nicht vorliege. Dagegen klagte die Mutter vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (FG), weil der grundsätzlich unterhaltsverpflichtete Ehemann der Tochter nur über geringes Einkommen verfüge und damit ein Mangelfall vorläge. Eigene Einkünfte und Bezüge der Tochter im Erststudium seien seit dem Jahr 2012 unerheblich.

Entscheidung
Das FG hat der Mutter das Kindergeld zugesprochen, aber die (bereits anhängige) Revision beim BFH zugelassen. Da sich das Kind in Erstausbildung beziehungsweise dem Erststudium befinde, sei eine Überprüfung der Einkünfte und Bezüge nach der Neufassung der Kindergeldregelung nicht mehr erforderlich. Das müsse auch gelten, wenn das Kind bereits verheiratet sei, denn aus dem Wortlaut der Regelung sei nicht zu entnehmen, dass der Familienstand zu berücksichtigen ist. Dem stehe auch die Rechtsprechung des BFH zum „Mangelfall“ nicht mehr entgegen, nachdem der Gesetzgeber in Kauf genommen habe, dass auch für Kinder mit hohem eigenem Einkommen Kindergeld gezahlt werde. Die einschlägigen Verwaltungsanweisungen der Familienkassen binden dagegen nur die Verwaltung, nicht die Gerichte.

Konsequenz
Alle hiervon betroffenen Eltern sollten das Kindergeld rückwirkend ab Januar 2012 beantragen, soweit das verfahrensrechtlich möglich ist. In einem ähnlichen Fall hat der BFH bereits entschieden, dass der Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen sei.

Unzureichender Behindertenschutz durch Pflichtteilsstrafklausel

Unzureichender Behindertenschutz durch Pflichtteilsstrafklausel

Rechtslage
Der Schutz des Vermögens, das ein Erblasser einem behinderten Erben, der Sozialleistungen bezieht, zukommen lassen will, um dessen Lebensstellung über die reinen Sozialleistungen hinaus zu verbessern, ist inzwischen anerkannt. Er wird sichergestellt durch sogenannte Behinderten-Testamente. Allerdings gibt es, insbesondere dann, wenn Eltern zugunsten behinderter Kinder nicht rechtzeitig handeln, Fallstricke, die dazu führen, dass Behinderten-Testamente ins Leere laufen. Einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden.

Sachverhalt
Ein Ehepaar hatte in den 70er Jahren ein erstes Ehegatten-Testament errichtet, in dem sie sich zu wechselseitigen Erben im ersten Todesfall und die Kinder zu Schlusserben für den zweiten Todesfall eingesetzt hatten. Zugleich hatten sie eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel vereinbart, wonach ein Kind, das im ersten Todesfall seinen Pflichtteil geltend machte, auch im zweiten Todesfall auf den Pflichtteil beschränkt war. Eines der Kinder war behindert und bezog Sozialleistungen. Nach dem Tode des ersten Elternteils errichtete der zweite Elternteil ein sogenanntes Behindertentestament, ohne dazu im ersten Testament ausdrücklich berechtigt gewesen zu sein. Nach dem Tode des zweiten Elternteils machte der Sozialleistungsträger, der bereits nach dem ersten Todesfall den Pflichtteilsanspruch für das behinderte Kind geltend gemacht hatte, erneut den Pflichtteil geltend.

Entscheidung
Das Gericht ließ die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tode des zweiten Elternteils zu. Da das Behinderten-Testament ohne ausdrückliche Ermächtigung im ersten Testament aus den 70er Jahren errichtet worden sei, habe das Ehegattentestament nach dem Todesfall des ersten Elternteils Bindungswirkung erlangt. Das Behinderten-Testament konnte also gar nicht wirksam errichtet werden, so dass der Sozialleistungsträger den zweiten Pflichtteilsanspruch auf sich überleiten und geltend machen konnte.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass Nachfolgeplanung zu einem frühen Zeitpunkt einsetzen muss. In der Beratung muss zur Vermeidung von Haftungsrisiken geklärt sein, welche erbrechtlichen Grundvoraussetzungen bestehen.

Rückverkauf von Genussrechten: Überschuss kann Arbeitslohn sein

Rückverkauf von Genussrechten: Überschuss kann Arbeitslohn sein

Kernproblem
Genussrechte sind schuldrechtliche Kapitalüberlassungsrechte ohne Mitgliedschaftsrechte an einer Gesellschaft, die einkommensteuerrechtlich je nach der Intensität der Ausstattung mit Vermögensrechten zwischen qualifizierten und einfachen Genussrechten unterschieden werden. Qualifizierte Genussrechte sind steuerlich Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gleichzustellen, wenn diese mit einem Recht am Gewinn als auch am Liquidationserlös verbunden sind. Dagegen war die Veräußerung von einfachen Genussrechten vor Einführung der Abgeltungssteuer nach Ablauf der Spekulationsfrist steuerfrei, wie der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2012 entschieden hat. Werden jedoch einem Arbeitnehmer Genussrechte eingeräumt, kann bei Veräußerung steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegen. Wann das der Fall ist, hat der BFH jetzt entschieden.

Sachverhalt
Dem Geschäftsführer einer GmbH wurde im Jahr 2000 ein Genussrecht mit Nennwert gleich Ausgabepreis von 20.000 DM eingeräumt. Das Recht gewährte keine Gesellschafterrechte und konnte grundsätzlich nur an die GmbH veräußert oder übertragen werden. Gut 2 Jahre später wurde das Ende des Genussrechtsverhältnisses auf den 31.12.2003 und ein Rückkaufswert von 1,6 Mio. EUR vereinbart, der mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers, spätestens am 14.1.2004, fällig werden sollte. Der geänderte Vertrag sah im Fall der Kündigung des Anstellungsverhältnisses wegen schuldhaften Verhaltens des Geschäftsführers die vorzeitige Beendigung und Rückzahlung des eingesetzten Kapitals unter Wegfall sämtlicher Zahlungsansprüche vor. Die Zahlung erfolgte im Januar 2004, der Geschäftsführer schied im Juni aus. Das Finanzamt sah zunächst 1,6 Mio. EUR als Arbeitslohn an, zog sodann jedoch den selbst ermittelten Wert des Genussrechts von über 1,1 Mio. EUR ab. Den verbleibenden Betrag von 0,5 Mio. EUR wollte der ausgeschiedene Geschäftsführer im Klageverfahren als steuerfreien Vermögenszuwachs durchfechten, was das Finanzgericht ablehnte.

Entscheidung
Der BFH beließ es bei dem Ergebnis des Finanzamts. Nach dessen Auffassung war der erzielte Überschuss durch das Dienstverhältnis bei der GmbH veranlasst, weil sich der Wert des Genussrechts nach der Übertragung nicht selbständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis entwickeln konnte. Eine Verwertung war nur durch Veräußerung an die Arbeitgeberin möglich und die Höhe des Rückkaufswerts hing vom Ende des Anstellungsverhältnisses ab. Der Vorteil des Rückkaufs war nicht durch eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Sonderrechtsbeziehung veranlasst, sondern die Höhe war vom Verhalten als Arbeitnehmer der GmbH abhängig und somit Belohnung für die Leistung als Arbeitnehmer.

Konsequenz
Der geldwerte Vorteil ist als sonstiger Bezug nicht beim Versprechen der GmbH, sondern bei Auszahlung im Jahr 2004 zugeflossen.

Zur Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Zur Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Kernproblem
Im Jahr 2011 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entgegen seiner bis dahin geltenden Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (agB) zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Finanzverwaltung hat danach eingeräumt, für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses beziehungsweise der Motive der Verfahrensbeteiligten keine Instrumente zur Verfügung stellen zu können. Folglich hat sie das Urteil des BFH mit einem Nichtanwendungserlass belegt und bis heute nichts an ihrer Haltung verändert, so dass weiterhin Verfahren bei den Finanzgerichten (FG) anhängig werden – jetzt beim FG Düsseldorf.

Sachverhalt
Eheleute hatten nach Erwerb ihres selbstgenutzten Einfamilienhauses ein selbständiges Beweisverfahren beim Amtsgericht angestrengt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige stellte eine nicht fachgerechte Abdichtung zur Nachbarwand durch den Bauträger fest. Die Schadensersatzklage gegen den Bauträger blieb jedoch ohne Erfolg, da das Landgericht dem Ergebnis eines weiteren Gutachtens folgte, das konstruktive Mängel des Gebäudes verneinte. Die Eheleute machten Rechtsanwalts- und Gerichtskosten von über 15.000 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend, deren Abzug das Finanzamt mangels existenziell notwendiger Aufwendungen mit Verweis auf den Nichtanwendungserlass ablehnte.

Entscheidung
In diesem Fall schlug sich das FG auf die Seite der Steuerpflichtigen, ließ aber die Revision wegen der Anhängigkeit zahlreicher ähnlicher Verfahren zu. Die Richter folgten den Argumenten des BFH und kamen zu dem Ergebnis, dass die Zivilklage bereits deshalb hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe, weil ein unabhängiger Gutachter im selbständigen Beweisverfahren zu dem Ergebnis gelangt sei, dass das Gebäude vom Bauträger verursachte Mängel aufweise. Die Eheleute hätten nicht voraussehen können, dass die Klage aufgrund des abweichenden Gutachtens letztlich keinen Erfolg habe. Zudem sei die Finanzverwaltung durchaus in der Lage, die Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses summarisch zu prüfen. Dafür brauche der Erfolg nur ebenso wahrscheinlich wie der Misserfolg zu sein. Zur Prüfung könne sie sich ihrer juristisch ausgebildeten Mitarbeiter oder externer Sachverständiger bedienen.

Konsequenz
Die Revision beim BFH ist bereits eingelegt worden. Zurzeit kann nur empfohlen werden, jegliche Zivilprozesskosten in der Steuererklärung geltend zu machen und das Verfahren offenzuhalten. Wie das FG bestätigt hat, mindert die zumutbare Eigenbelastung den Abzug.

Zur Änderung einer Anrechnungsverfügung

Zur Änderung einer Anrechnungsverfügung

Kernaussage
Werden durch einen die Festsetzung der Einkommensteuer ändernden Steuerbescheid die Einkünfte in abweichender Weise erfasst und führt diese Änderung zu einer entsprechenden Änderung der gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuer anzurechnenden Beträge, ist die erforderliche Berichtigung einer früheren Anrechnungsverfügung durch eine neue mit dem Steueränderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung oder einen Abrechnungsbescheid innerhalb der 5-jährigen Zahlungsverjährungsfrist vorzunehmen, die insoweit durch die Bekanntgabe des Steueränderungsbescheids in Lauf gesetzt wird.

Sachverhalt
Nach einem im Jahr 2002 von dem für die X-GmbH & Co KG (KG) zuständigen (Feststellungs-)Finanzamt (Feststellungs-FA) erlassenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen hatte die Klägerin im Veranlagungszeitraum 2001 aus einer Beteiligung an der KG gewerbliche Einkünfte erzielt; zugleich wurden auf die festzusetzende Steuer anzurechnende Steuerabzugsbeträge (Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag) sowie anrechenbare Körperschaftsteuer festgestellt. In der mit dem Steuerbescheid für 2001 verbundenen Anrechnungsverfügung berücksichtigte das Finanzamt (FA) u. a. diese Beträge. In 2006 erhielt das FA eine geänderte Mitteilung über die Besteuerungsgrundlagen 2001 vom Feststellungs-FA. Nach Berücksichtigung dieser Änderungen im Steuerbescheid der Klägerin stellte sich heraus, dass irrtümlich die Steuerabzugsbeträge und die Körperschaftssteuer nicht berücksichtigt worden waren. Daraufhin änderte das FA die Anrechnungsverfügung. Hiergegen klagte die Klägerin erfolglos vor dem Finanzgericht und ging in Revision.

Entscheidung
Die Revision vor dem Bundesfinanzhof blieb erfolglos. Zutreffend hat das FA die Anrechnungsverfügung geändert. Der Änderung der Anrechnungsverfügung steht keine Zahlungsverjährung entgegen. Die dem FA mitgeteilte Änderung der Besteuerungsgrundlagen durch das Feststellungs-FA hat das FA innerhalb der Festsetzungsfrist umgesetzt. Auf die danach erforderliche Änderung auch der mit dem Steuerbescheid verbundenen Anrechnungsverfügung findet die Festsetzungs-Verjährungsvorschrift keine Anwendung, weil die Anrechnungsverfügung ein Verwaltungsakt im Steuererhebungsverfahren ist, in dem es nur die 5-jährige Frist der Zahlungsverjährung gibt. Diese Verjährungsfrist war nicht abgelaufen, als das FA die berichtigte Anrechnungsverfügung erließ.

Konsequenz
Zutreffend konnte hier noch eine Änderung erfolgen, da dem Steuerbescheid eine dem Grundlagenbescheid vergleichbare Wirkung für Anrechnungsverfügungen zukommt und für diese die 5-jährige Zahlungsverjährungsfrist gilt.

Teilnahme an Schiffskreuzfahrt: Bewertung des geldwerten Vorteils

Teilnahme an Schiffskreuzfahrt: Bewertung des geldwerten Vorteils

Kernproblem
Erhält ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber Einnahmen in Form von Sachbezügen, sind diese mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen. Viele Sachbezüge werden pauschal bewertet und bereits vom Gesetz vorgegeben (zum Beispiel PKW mit der 1 %-Regel oder Mahlzeitengewährung), andere wiederum sind individuell zu ermitteln und streitbefangen. So auch bei dem Mitarbeiter einer Reederei, der vergünstigte Kreuzfahrten unternahm und mit dem Finanzamt nicht auf einen Nenner kam.

Sachverhalt
Der Angestellte einer Reederei erhielt kostenlose beziehungsweise stark verbilligte Reisen auf den zur Unternehmensgruppe gehörigen oder bereederten Schiffen. Das Finanzamt ermittelte in einem Steuerstrafverfahren insgesamt Sachbezüge von 56.375 EUR für 5 Kreuzfahrten, die der Angestellte und seine Lebenspartnerin unternahmen. Die Bewertung erfolgte mit 96 % des Katalogpreises. Im Einspruchsverfahren konnte der Angestellte einen Abschlag von 30 % erstreiten, weil die Reisen seiner Auffassung nach beruflich mit veranlasst waren und im Übrigen nur unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit nach Verwertung der Restplätze als Last-Minute-Kontingent zur Verfügung standen. Darüber hinaus waren weitere Einschränkungen in Kauf zu nehmen, zum Beispiel bezüglich der Auswahl des Bordrestaurants und der Teilnahme an Ausflügen und Fitnessprogrammen. Der beantragte Rabattfreibetrag von 1.080 EUR wurde verwehrt, weil der Arbeitgeber nicht der Reiseveranstalter war. Der Reedereimitarbeiter zog vor das Finanzgericht (FG) in Schleswig-Holstein.

Entscheidung
Das FG ist den Argumenten des Klägers zum Teil gefolgt und hat im Ergebnis einen Abschlag von 60 % des Katalogpreises gewährt. Entscheidend für den Bewertungszeitpunkt war nach Auffassung des Gerichts der Zeitpunkt kurz vor oder zum Reiseantritt, denn bis dahin habe die tatsächliche Unsicherheit der kurzfristigen Absage bestanden. Der Wert der Reiseleistung sei zu schätzen, da sie nicht den Katalogleistungen entsprochen habe. Neben den bewertungsbeeinflussenden Faktoren im Vergleich zu den normal zahlenden Gästen sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Mitarbeiterreisen als Teil einer Restplatzverwertung gesehen werden müssten. Den Rabattfreibetrag gewährte aber auch das FG nicht, weil die Reiseleistung vom Reiseveranstalter und nicht der Reederei erbracht wurde.

Konsequenz
Die Revision wurde nicht zugelassen. Der Fall zeigt die mögliche Bandbreite eines Sachbezugs auf. Schätzungen des Finanzamts sollten nicht ohne weiteres hingenommen werden. Das gilt erst recht, wenn es sich – wie hier – um ein Strafverfahren handelt. Das Finanzamt konnte wegen leichtfertiger Steuerverkürzung 5 Jahre zurückgehen.

Haftung eines Wirtschaftsprüfers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Anlegern

Haftung eines Wirtschaftsprüfers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Anlegern

Kernaussage
Experten (hier: Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer) haften für unrichtige Gutachten und Testate bei besonders schwerwiegender Verletzung der den Experten treffenden Sorgfaltspflichten. Ebenso kann eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Anlegern durch irreführende Äußerungen über die Werthaltigkeit von Beteiligungen bei Vorträgen und Veranstaltungen mit Vertriebsmitarbeitern begründet sein.

Sachverhalt
Eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft wurde gemeinsam mit ihrem Geschäftsführer, einem Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer, wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Anlegern in Anspruch genommen. Die Kläger hatten sich als atypisch stille Gesellschafter an 2 Aktiengesellschaften beteiligt, die zu einer Unternehmensgruppe gehörten, für die die Beklagten die Jahresabschlüsse prüften. Im Jahr 2005 gerieten die Gesellschaften in Insolvenz. Die Kläger stützen ihre Schadensersatzforderungen auf inhaltlich falsche Behauptungen des Rechtsanwalts auf Seminarveranstaltungen vor Vertriebsmitarbeitern, wonach die Unternehmensgruppe über eine exzellente Eigenkapitalausstattung verfüge und ihre Aktien als „Blue Chips“ einzuordnen seien.

Entscheidung
Die Beklagten haften den Klägern aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Das Verhalten des Rechtsanwalts und Wirtschaftsprüfers, der durch seinen Beruf ein besonderes Vertrauen beanspruchte, ist als leichtfertig und gewissenlos einzustufen. Er stellte sich mit seinem Expertenstatus in den Dienst der von ihm geprüften kapitalsuchenden Unternehmensgruppe und lieferte den Vertriebsmitarbeitern irreführende Verkaufsargumente. Dadurch setzte er sich rücksichtslos über die potentiellen Anlegerinteressen hinweg. In den Fällen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung muss sich der Anleger von einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können.

Konsequenz
Das Urteil stärkt den Schutz der Anleger, die sich auf ein hohes Maß an zutreffender und vollständiger Information im Vorfeld einer Anlageentscheidung verlassen dürfen. Für den Fall, dass ein Experte nachlässig oder gar durch Angaben ins Blaue hinein Auskünfte erteilt, sind wirkungsvolle Sanktionen gegeben.

Immobilienfonds: Zur Anrechnung von Steuervorteilen auf den Schadensersatzanspruch eines Anlegers

Immobilienfonds: Zur Anrechnung von Steuervorteilen auf den Schadensersatzanspruch eines Anlegers

Kernaussage
Auf einen Schadensersatzanspruch eines Anlegers gegen die Gründungsgesellschafter eines Immobilienfonds sind Steuervorteile des Anlegers, die sich aus der Berücksichtigung von Werbungskosten ergeben, grundsätzlich nicht schadensmindernd anzurechnen, weil die Ersatzleistung im Umfang der zuvor geltend gemachten Werbungskosten zu versteuern ist. Das gilt auch für Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz.

Sachverhalt
Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Prospekthaftung. Er beteiligte sich im Jahr 1997 an dem geschlossenen Immobilienfonds D-GmbH & Co. KG. Vor dem Landgericht gewann der Kläger mit seiner Schadensersatzklage wegen Prospektmängeln, ihm wurden 34.000 EUR zugesprochen. In der Berufung erhöhte das Oberlandesgericht den Schadensersatz auf 40.000 EUR, da es mit der Beteiligung verbundene Steuervorteile nach dem Fördergebietsgesetz nicht schadensmindernd anrechnete. Hiergegen ging die Beklagte in Revision zum Bundesgerichtshof (BGH).

Entscheidung
Die Revision blieb erfolglos. Im Rahmen der Schadensberechnung sind vorteilhafte Umstände, die mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, zu berücksichtigen, soweit ihre Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder den Geschädigten unzumutbar belastet noch den Schädiger unbillig entlastet. Nach der Rechtsprechung des BGH scheidet aber im Rahmen der Schätzung des Schadens eine Vorteilsanrechnung bezogen auf Steuervorteile grundsätzlich dann aus, wenn die entsprechende Schadensersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist. Hierauf beruft sich die Revision aber nicht. Sie meint vielmehr, dass der Kläger die Schadensersatzleistung der Beklagten im Umfang der hier streitigen Werbungskosten bereits grundsätzlich nicht zu versteuern habe, weshalb sie anzurechnen sei. Dies stimmt jedoch nicht, da hier die die Werbungskosten beziehungsweise Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz ersetzenden Erstattungsbeiträge im Zuflussjahr zu versteuern sind, nämlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt 2 Dinge: Zum einen sind auch Schadensersatzleistungen für Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz zu versteuern und dürfen deshalb nicht schadensmindernd berücksichtigt werden. Zum anderen gilt allgemein der Grundsatz, dass nur dann Steuervorteile auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden dürfen, wenn sie tatsächlich eintreten und mit dem Zweck des Ersatzanspruchs deckungsgleich sind.