Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Reform der privaten Altersvorsorge 2025: Riester-Aus, Altersvorsorgedepot & Frühstart-Rente

Was sich für Sparer, Familien und Gutverdiener ändert

Die Bundesregierung hat am 17.12.2025 die Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge sowie die Eckpunkte für die Einführung der Frühstart-Rente beschlossen. Ziel ist es, die private Altersvorsorge einfacher, renditestärker und gerechter zu machen – insbesondere für kleine und mittlere Einkommen sowie für junge Menschen.

Damit steht die größte Reform der dritten Säule seit Einführung der Riester-Rente bevor.


1. Überblick: Was ist das Ziel der Reform?

Die private Altersvorsorge soll künftig:

  • für alle Einkommen zugänglich sein,
  • bürokratiearm und verständlich funktionieren,
  • bessere Renditechancen bieten,
  • und frühzeitig beginnen – bereits im Kindesalter.

Die Riester-Rente wird abgelöst und durch ein neues, deutlich vereinfachtes System ersetzt.


2. Das neue Altersvorsorgedepot – Herzstück der Reform

✔ Neue Produktkategorie ohne Garantievorgaben

Künftig wird ein Altersvorsorgedepot ohne vollständige Beitragsgarantie eingeführt. Damit können Kapitalmarkterträge (z. B. ETFs) besser genutzt werden.

Gleichzeitig bleibt Wahlfreiheit bestehen:

  • Garantieprodukte mit 80 % oder 100 % Kapitalgarantie sind weiterhin zulässig.

➡️ Erstmals können Sparer zwischen Renditeorientierung und Sicherheit wählen.


3. Neue staatliche Förderung: Zuschüsse statt Riester-Grundzulage

Die bisherige starre Grundzulage von 175 Euro entfällt.

Neue Zulagenstruktur:

  • 30 Cent staatlicher Zuschuss pro 1 Euro Eigenbeitrag
    → für Einzahlungen bis 1.200 Euro
  • 20 Cent pro Euro
    → für weitere 600 Euro
  • Maximal geförderter Eigenbeitrag: 1.800 Euro/Jahr
  • Maximale Grundzulage: bis zu 480 Euro jährlich

📌 Ab 2029:

  • Zuschuss für die ersten 1.200 Euro steigt auf 35 Cent pro Euro

➡️ Besonders attraktiv für kleine und mittlere Einkommen.


4. Deutlich geringere Kosten & mehr Wettbewerb

Die Reform setzt klare Kostenvorgaben:

  • Abschluss- und Vertriebskosten werden auf die gesamte Laufzeit verteilt
  • Anbieter müssen ein Standardprodukt anbieten:
    • einfache Struktur
    • begrenzte Kosten
    • voreingestellte Anlagestrategie

➡️ Vergleichbar mit einem „Basis-ETF-Depot für die Altersvorsorge“.


5. Flexiblere Auszahlungsphase ab Rentenbeginn

Statt der bisherigen Pflicht zur lebenslangen Verrentung gibt es künftig mehr Optionen:

  • Lebenslange Leibrente (weiterhin möglich)
  • Langlaufender Auszahlungsplan
    • mindestens bis zum 85. Lebensjahr
    • ohne vollständige Restkapitalverrentung

➡️ Mehr Flexibilität und individuelle Gestaltung im Ruhestand.


6. Frühstart-Rente: Altersvorsorge beginnt im Kindesalter

Ein zentrales neues Element ist die Frühstart-Rente.

Wer profitiert?

  • Kinder und Jugendliche von 6 bis 18 Jahren

Förderung:

  • 10 Euro staatlicher Zuschuss pro Monat
  • Einzahlung in ein individuelles Altersvorsorgedepot

➡️ Bereits mit 18 Jahren entsteht ein solides Startkapital für die Altersvorsorge.

Auffanglösung:

  • Wenn Eltern kein Depot eröffnen, fließen die Zuschüsse in eine kollektive Anlagelösung
  • Bei späterer Depoteröffnung werden die Beträge übertragen

➡️ Der Anspruch ist nicht von der Entscheidung der Eltern abhängig.


7. Steuerliche Förderung bleibt erhalten – aber einfacher

  • Zulagenförderung bleibt bestehen
  • Sonderausgabenabzug bleibt erhalten
  • Wegfall:
    • einkommensabhängige Mindesteigenbeiträge
    • komplizierte Förderlogik

➡️ Deutlich weniger Bürokratie, mehr Transparenz.


8. Zeitplan der Reform

  • Start der neuen privaten Altersvorsorge:
    👉 01.01.2027
  • Frühstart-Rente:
    • für Geburtsjahrgang 2020 rückwirkend ab 01.01.2026
  • Ausweitung ab 2029 auf weitere Jahrgänge

9. Fazit: Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge

Die Reform bedeutet:

  • Ende der Riester-Rente
  • Mehr Renditechancen
  • Höhere Förderung für kleine und mittlere Einkommen
  • Früher Einstieg für Kinder
  • Mehr Flexibilität im Alter

Für viele Steuerpflichtige wird private Altersvorsorge damit erstmals wirklich attraktiv.


Praxishinweis

Die Reform wirft zahlreiche steuerliche und strategische Fragen auf, z. B.:

  • Welche Produkte sind künftig sinnvoll?
  • Wie fügt sich das Altersvorsorgedepot in die Gesamtvorsorge ein?
  • Welche Vorteile ergeben sich für Selbständige, Familien oder Gutverdiener?

👉 Eine individuelle steuerliche Beratung bleibt entscheidend.

BFH: Schadenersatz wegen Datenschutzverstößen durch das Finanzamt – hohe Hürden für Steuerpflichtige


BFH-Beschluss vom 15.09.2025 – IX R 11/23

Kurzüberblick

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erstmals entschieden, unter welchen Voraussetzungen Steuerpflichtige Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO gegen eine Finanzbehörde geltend machen können.
Die Kernaussage: Ohne vorherigen Antrag beim Finanzamt ist eine Klage unzulässig.


1. Ausgangslage: Datenschutzverstöße durch Finanzbehörden

Finanzämter verarbeiten in großem Umfang hochsensible personenbezogene Daten. Kommt es dabei zu Datenschutzverstößen, sieht Art. 82 DSGVO grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch vor – auch gegenüber staatlichen Stellen.

Bislang war jedoch unklar, wie dieser Anspruch prozessual korrekt durchzusetzen ist, insbesondere im Steuerrecht.


2. Der Streitfall

Die Steuerpflichtige war der Auffassung, dass das Finanzamt gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen habe.
Sie erhob direkt Klage beim Finanzgericht auf Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg wies die Klage ab:

  • Ein konkreter Schaden sei nicht erkennbar.

Der BFH bestätigte zwar das Ergebnis – aber aus einem anderen, für die Praxis entscheidenden Grund.


3. Entscheidung des BFH: Klage ohne Vorverfahren unzulässig

Der BFH stellt klar:

▶️ Zwingende Voraussetzung für eine Klage

Ein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO muss zunächst außergerichtlich bei der verantwortlichen Finanzbehörde geltend gemacht werden.

Erst wenn:

  • das Finanzamt den Anspruch ablehnt oder
  • nicht innerhalb angemessener Zeit entscheidet,

liegt eine sogenannte Beschwer vor, die Voraussetzung für eine Klage ist.

➡️ Ohne vorherige Ablehnung ist die Klage unzulässig.


4. Keine „stille Klageerweiterung“ im laufenden Verfahren

Besonders praxisrelevant ist ein weiterer Punkt:

Der BFH stellt klar, dass ein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO nicht einfach in ein bereits laufendes finanzgerichtliches Verfahren „hineingezogen“ werden kann, z. B.:

  • Einspruchs- oder Klageverfahren zu Steuerbescheiden
  • Verfahren wegen Auskunfts- oder Akteneinsichtsrechten

➡️ Eine solche nachträgliche Geltendmachung ist eine unzulässige Klageerweiterung.


5. Was bedeutet das für Steuerpflichtige?

✅ Was erforderlich ist:

  1. Konkreter Datenschutzverstoß
  2. Nachweisbarer materieller oder immaterieller Schaden
  3. Vorherige außergerichtliche Geltendmachung beim Finanzamt
  4. Erst danach: Klage beim Finanzgericht

❌ Was nicht funktioniert:

  • Sofortige Klage ohne Antrag beim Finanzamt
  • „Automatischer“ Schadenersatz bei Datenschutzverstoß
  • Klageerweiterung in laufenden Steuerverfahren

6. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt:

  • Schadenersatz gegen Finanzbehörden ist rechtlich möglich,
  • aber prozessual streng begrenzt.

Der BFH schützt damit:

  • die Selbstkontrollmöglichkeit der Verwaltung,
  • und verhindert vorschnelle Gerichtsverfahren ohne Vorbefassung der Behörde.

7. Fazit

Datenschutzverstöße des Finanzamts führen nicht automatisch zu Schadenersatz.
Wer Ansprüche nach Art. 82 DSGVO geltend machen will, muss strukturiert und formal korrekt vorgehen.

👉 Erst Antrag beim Finanzamt, dann Klage.

Eine frühzeitige rechtliche Prüfung ist dringend zu empfehlen – insbesondere, um:

  • Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen
  • und formale Fehler zu vermeiden.

BFH: Keine Grunderwerbsteuerbefreiung bei Einbringung in neu gegründete Kapitalgesellschaft


Urteil vom 08.10.2025 – II R 33/23

Kurzfassung für die Praxis

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt:
Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel (§ 6a GrEStG) greift nicht, wenn Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft in eine erst kurz zuvor gegründete Kapitalgesellschaft eingebracht werden und die fünfjährige Vorbehaltensfrist nicht eingehalten ist.

➡️ Die Folge ist volle Grunderwerbsteuer, obwohl wirtschaftlich keine neue Person „hinzukommt“.


1. Worum ging es im Streitfall?

Im entschiedenen Fall wurden sämtliche Anteile an einer mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft, die wiederum an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt war, in eine neu gegründete Kapitalgesellschaft eingebracht.

Dadurch kam es zu einem steuerbaren Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG (Übergang von mindestens 90 % der Anteile innerhalb von zehn Jahren).

Der Steuerpflichtige argumentierte, der Vorgang sei aufgrund der Konzernklausel des § 6a GrEStG grunderwerbsteuerfrei.


2. Entscheidung des BFH

Der BFH verneinte die Steuerbefreiung eindeutig.

Kernaussage des Urteils:

Eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG scheidet aus, wenn der Einbringende nicht innerhalb von fünf Jahren vor der Einbringung zu mindestens 95 % an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft beteiligt war.

Da die Kapitalgesellschaft erst kurz vor dem Einbringungsvorgang gegründet wurde, war die Vorbehaltensfrist zwangsläufig nicht erfüllt.

➡️ Grunderwerbsteuer fällt an.


3. Warum hilft § 6a GrEStG hier nicht?

Die Konzernklausel des § 6a GrEStG setzt voraus:

  • ein herrschendes Unternehmen,
  • ein oder mehrere abhängige Gesellschaften,
  • eine ununterbrochene Mindestbeteiligung von 95 %,
  • und zwar fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Umwandlungsvorgang.

Der BFH stellt erneut klar:

  • Die Fristen sind materielle Tatbestandsvoraussetzungen,
  • keine bloßen Förmlichkeiten,
  • und nicht aus Billigkeitsgründen verkürzbar, wenn die Struktur erst neu geschaffen wurde.

4. Bedeutung für die Gestaltungspraxis

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz, insbesondere bei:

  • Holding-Neugründungen
  • Einbringungsvorgängen nach dem UmwStG
  • Umstrukturierungen von Familiengesellschaften
  • Share Deals mit grundbesitzenden Personengesellschaften

Typische Fehlannahme:

„Die Gesellschaft gehört mir doch wirtschaftlich weiterhin.“

➡️ Grunderwerbsteuerlich unbeachtlich.
Maßgeblich sind zivilrechtliche Beteiligungsverhältnisse und gesetzliche Fristen, nicht die wirtschaftliche Identität.


5. Abgrenzung zu anderen Fällen

KonstellationSteuerbefreiung
Einbringung in langjährig bestehende 95%-Tochtermöglich
Ausgliederung zur Neugründungkritisch
Vorbehaltensfrist objektiv nicht erfüllbarkeine Befreiung
Personengesellschaft → Kapitalgesellschaftbesonders risikobehaftet

6. Handlungsempfehlung

Vor jeder Umstrukturierung mit Grundbesitz gilt:

  1. Frühzeitige grunderwerbsteuerliche Prüfung
  2. Analyse der Beteiligungsketten (direkt & mittelbar)
  3. Prüfung der Vor- und Nachbehaltensfristen
  4. Alternativgestaltungen erwägen (Zeitachse, Stufenmodell, Asset Deal)

➡️ Eine „zu schnelle“ Holdingstruktur kann teuer werden.


7. Fazit

Der BFH bestätigt seine strenge Linie bei § 6a GrEStG:

  • Keine Steuerbefreiung ohne Einhaltung der Fristen
  • Neugründungen sind grunderwerbsteuerlich gefährlich
  • Wirtschaftliche Betrachtungsweisen helfen nicht

Für Unternehmer bedeutet das:
Grunderwerbsteuer ist ein zentrales Strukturierungsrisiko, das zwingend vor Umsetzung geprüft werden muss.

BFH: Besteuerung von Auszahlungen aus einem US-amerikanischen 401(k)-Pension-Plan


BFH, Urteil vom 25.06.2025 – X R 23/22

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 25. Juni 2025 eine für international tätige Arbeitnehmer und Rückkehrer aus den USA äußerst relevante Frage entschieden:
Wie sind Auszahlungen aus einem US-amerikanischen 401(k)-Pensionsplan einkommensteuerlich in Deutschland zu behandeln?

Das Urteil schafft Klarheit für Auszahlungen bis einschließlich 31.12.2024 und beendet eine lange Phase der Rechtsunsicherheit.


1. Was ist ein 401(k)-Plan?

Der 401(k)-Plan ist eine in den USA weit verbreitete Form der betrieblichen Altersversorgung. Arbeitnehmer zahlen während ihrer Erwerbstätigkeit Beiträge ein, häufig ergänzt durch Arbeitgeberbeiträge. Die Besteuerung erfolgt in den USA regelmäßig nachgelagert, also erst bei Auszahlung.

Für in Deutschland steuerpflichtige Personen stellte sich bislang die Frage:

Handelt es sich um steuerpflichtige Einkünfte – und wenn ja, nach welchen Vorschriften?


2. Entscheidung des BFH: Einordnung als betriebliche Altersversorgung

Der BFH stellt in seinem Leitsatz klar:

Zahlungen aus einem 401(k)-Pensionsplan sind – soweit sie vor dem 01.01.2025 erfolgt sind – nach § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG zu versteuern.

Grundlage ist die Anerkennung der strukturellen Vergleichbarkeit durch die Bundesrepublik Deutschland.

Vergleichbare deutsche Durchführungswege

Der BFH ordnet den 401(k)-Plan den in:

  • § 1 Abs. 1 BetrAVG und
  • § 1b Abs. 2 und 3 BetrAVG

genannten Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung zu (z. B. Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse).

➡️ Damit liegt keine private Kapitalanlage, sondern betriebliche Altersversorgung vor.


3. Steuerliche Folge: Besteuerung nach § 22 Nr. 5 EStG

Für Auszahlungen bis 31.12.2024 gilt:

  • Die Leistungen sind sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 5 EStG).
  • Die Besteuerung erfolgt nachgelagert im Zeitpunkt der Auszahlung.
  • Eine Besteuerung als Kapitalertrag (§ 20 EStG) scheidet aus.

Je nach Auszahlungsform kann zur Anwendung kommen:

  • volle Besteuerung der Rentenleistungen oder
  • Besteuerung von Kapitalauszahlungen nach den für die betriebliche Altersversorgung geltenden Grundsätzen.

4. Bedeutung der zeitlichen Einschränkung („vor dem 01.01.2025“)

Der BFH stellt ausdrücklich auf Auszahlungen vor dem 01.01.2025 ab. Hintergrund ist die Neuregelung der steuerlichen Behandlung ausländischer Altersvorsorgeprodukte, die ab 2025 differenzierter ausgestaltet ist.

➡️ Für Auszahlungen ab 2025 ist daher eine gesonderte Prüfung erforderlich, insbesondere unter Berücksichtigung:

  • neuer Verwaltungsauffassungen,
  • möglicher DBA-Auswirkungen (DBA USA),
  • der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen 401(k)-Plans.

5. Abgrenzung zu anderen US-Altersvorsorgeprodukten

Das Urteil betrifft ausschließlich 401(k)-Pension-Pläne.
Nicht automatisch erfasst sind z. B.:

  • IRA (Individual Retirement Accounts),
  • Roth-401(k),
  • andere US-Pensions- oder Investmentmodelle.

Hier kann die steuerliche Einordnung abweichen.


6. Praktische Bedeutung für Mandanten

Das Urteil ist besonders relevant für:

  • Rückkehrer aus den USA,
  • Grenzgänger,
  • Expatriates mit US-Altersvorsorge,
  • Arbeitnehmer mit früherer US-Tätigkeit.

Typische Praxisfragen:

  • Muss die Auszahlung in Deutschland versteuert werden? → Ja
  • Handelt es sich um Kapitaleinkünfte? → Nein
  • Welche Einkunftsart? → § 22 Nr. 5 EStG
  • Gibt es Doppelbesteuerung? → DBA-Prüfung erforderlich

7. Fazit

Der BFH sorgt mit dem Urteil X R 23/22 für dringend benötigte Rechtssicherheit:

✔ 401(k)-Auszahlungen bis Ende 2024 sind betriebliche Altersversorgung
✔ Besteuerung erfolgt nachgelagert nach § 22 Nr. 5 EStG
✔ Keine Einordnung als private Kapitalanlage
✔ Ab 2025: neue Prüfung erforderlich


Hinweis: Die steuerliche Behandlung hängt stark vom Auszahlungszeitpunkt, der Vertragsgestaltung und der persönlichen Steuerpflicht ab. Eine individuelle Beratung ist dringend zu empfehlen – insbesondere bei größeren Kapitalauszahlungen.


✅ Checkliste für 401(k)-Plan aus den USA

Steuern & Altersvorsorge (401(k), IRA & Co.)

Diese Checkliste hilft Ihnen, steuerliche Risiken bei der Rückkehr nach Deutschland frühzeitig zu erkennen und korrekt zu handeln.


1. Steuerliche Ansässigkeit klären

☐ Ab wann besteht wieder unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland (§ 1 EStG)?
☐ Wurde der US-Wohnsitz vollständig aufgegeben?
☐ Gibt es Übergangszeiträume mit möglicher Doppelansässigkeit (DBA USA)?


2. US-Altersvorsorge erfassen

☐ Bestehen Ansprüche aus einem 401(k)-Plan?
☐ Gibt es weitere Vorsorgeprodukte (IRA, Roth-IRA, Pension Plan, Employer Plan)?
☐ Handelt es sich um:

  • laufende Rentenzahlungen oder
  • einmalige Kapitalauszahlungen?

3. Zeitpunkt der Auszahlung prüfen (entscheidend!)

☐ Auszahlung vor dem 01.01.2025
→ regelmäßig Besteuerung nach § 22 Nr. 5 EStG (BFH X R 23/22)

☐ Auszahlung ab dem 01.01.2025
Einzelfallprüfung erforderlich (neue Verwaltungsauffassung, DBA-Fragen)


4. Doppelbesteuerung vermeiden

☐ Wurde in den USA bereits Steuer einbehalten?
☐ Prüfung des DBA USA:

  • Anrechnungsmethode oder
  • Freistellung mit Progressionsvorbehalt?

☐ Nachweise über US-Besteuerung vorhanden (Form 1099-R, IRS-Bescheide)?


5. Deutsche Steuererklärung vorbereiten

☐ Eintragung der Leistungen in der Anlage SO oder ggf. Anlage R
☐ Richtige Einkunftsart (keine Kapitaleinkünfte!)
☐ Umrechnung in Euro zum maßgeblichen Wechselkurs


6. Typische Gestaltungsfragen

☐ Ist eine zeitliche Streckung der Auszahlung möglich?
☐ Kann eine Progressionsmilderung erreicht werden?
☐ Lohnt sich eine steuerliche Simulation vor Auszahlung?


7. Empfehlung

➡️ Vor Auszahlung immer steuerlich beraten lassen.
Gerade größere 401(k)-Auszahlungen können sonst zu unerwartet hohen Steuerbelastungen führen.


❓ FAQ: 401(k) & deutsche Steuererklärung

Was ist ein 401(k)-Plan aus deutscher Sicht?

Ein 401(k)-Plan ist eine Form der betrieblichen Altersversorgung. Der BFH erkennt ihn für Auszahlungen bis 31.12.2024 als strukturell vergleichbar mit deutschen bAV-Durchführungswegen an.


Sind 401(k)-Auszahlungen in Deutschland steuerpflichtig?

Ja.
Bei unbeschränkter Steuerpflicht unterliegen die Auszahlungen grundsätzlich der deutschen Einkommensteuer.


Welche Einkunftsart liegt vor?

Für Auszahlungen bis 31.12.2024:
➡️ Sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG
Keine Kapitaleinkünfte (§ 20 EStG).


Muss ich die Auszahlung auch versteuern, wenn in den USA schon Steuer gezahlt wurde?

Ja, grundsätzlich schon.
Aber:

  • US-Steuern können ggf. angerechnet werden oder
  • es greift eine Freistellung nach DBA USA.

➡️ Das hängt vom konkreten Fall ab.


Wo trage ich die Auszahlung in der Steuererklärung ein?

In der Regel:

  • Anlage SO (sonstige Einkünfte)
    oder bei Renten:
  • Anlage R

Eine falsche Zuordnung (z. B. Anlage KAP) führt häufig zu Rückfragen oder Fehlern.


Gilt das BFH-Urteil auch für Auszahlungen ab 2025?

Nein eindeutig.
Der BFH stellt ausdrücklich auf Auszahlungen vor dem 01.01.2025 ab.

➡️ Für spätere Auszahlungen ist eine neue steuerliche Prüfung zwingend erforderlich.


Betrifft das auch IRAs oder Roth-401(k)?

Nein automatisch.
Diese Produkte können steuerlich anders einzuordnen sein.
Eine pauschale Gleichbehandlung ist nicht zulässig.


Was passiert, wenn ich die Auszahlung nicht erkläre?

➡️ Risiko von:

  • Steuernachzahlungen
  • Zinsen
  • ggf. Steuerstrafverfahren

Gerade bei internationalen Sachverhalten tauschen Finanzverwaltungen zunehmend Informationen aus.


Wann sollte ich spätestens zum Steuerberater?

👉 Vor der Auszahlung, nicht erst danach.
So lassen sich:

  • Progressionsspitzen vermeiden,
  • Fehler bei der Erklärung verhindern und
  • Doppelbesteuerung reduzieren.

🎯 Kurzfazit für Mandanten

  • 401(k) ist keine Kapitalanlage, sondern Altersversorgung
  • Auszahlungen bis 2024: § 22 Nr. 5 EStG
  • Ab 2025: neue Rechtslage – prüfen lassen
  • Ohne Beratung drohen hohe Steuerbelastungen

BFH: Unrichtiger Steuerausweis – Wann und wie Rechnungen wirksam berichtigt werden können


BFH, Urteil vom 09.07.2025 – XI R 25/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 9. Juli 2025 zentrale Fragen zur Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises nach § 14c UStG geklärt. Besonders praxisrelevant:
Der BFH konkretisiert, wann keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, zu welchem Zeitpunkt eine Berichtigung wirkt und wer eine Rechnung wirksam berichtigen darf.


1. Ausgangspunkt: Unrichtiger Steuerausweis in Rechnungen

Ein unrichtiger Steuerausweis liegt vor, wenn in einer Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen wird, obwohl:

  • der Umsatz nicht steuerbar oder steuerfrei ist oder
  • der ausgewiesene Steuerbetrag zu hoch ist.

Grundsätzlich schuldet der Rechnungsaussteller die ausgewiesene Steuer nach § 14c UStG, um das Steueraufkommen zu schützen. Diese Haftung greift jedoch nicht schrankenlos.


2. Keine Anwendung von § 14c UStG ohne Gefährdung des Steueraufkommens

Der BFH stellt klar:

Ist eine Gefährdung des Steueraufkommens vollständig ausgeschlossen, finden § 14c UStG und Art. 203 MwStSystRL keine Anwendung.

Wann liegt keine Gefährdung vor?

Eine Gefährdung des Steueraufkommens ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn:

  • der Rechnungsempfänger keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat oder
  • ein unberechtigter Vorsteuerabzug rückgängig gemacht wurde und
  • eine doppelte Steuerbelastung des Fiskus sicher ausgeschlossen ist.

➡️ Folge: Der Rechnungsaussteller schuldet die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht allein wegen des fehlerhaften Steuerausweises.


3. Zeitpunkt der Berichtigung: Wann wirkt sie steuerlich?

Ein zentraler Punkt des Urteils betrifft den Zeitpunkt der Berichtigung.

Der BFH entscheidet:

Die Berichtigung wirkt zu dem Zeitpunkt, zu dem eine zuvor bestehende Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist.

Das bedeutet:

  • Die Berichtigung wirkt nicht zwingend rückwirkend auf den ursprünglichen Rechnungszeitpunkt.
  • Maßgeblich ist der Moment, in dem keine Gefahr mehr besteht, dass dem Fiskus Umsatzsteuer entgeht.

Dies ist insbesondere relevant für:

  • Zinsfragen (§ 233a AO),
  • Berichtigungen in laufenden Betriebsprüfungen,
  • Abgrenzung der Voranmeldungszeiträume.

4. Entgeltminderung (§ 17 UStG) und Rechnungsberichtigung sind unabhängig

Der BFH stellt ausdrücklich klar:

Die Berichtigung wegen einer Änderung der Bemessungsgrundlage (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG) ist nicht zwingend von einer formellen Rechnungsberichtigung abhängig.

Praktische Bedeutung:

  • Eine Entgeltminderung (z.B. Rabatt, Rückzahlung, Vergleich) kann umsatzsteuerlich wirksam sein,
    auch wenn die Rechnung formal noch nicht berichtigt wurde.
  • Die umsatzsteuerliche Korrektur folgt der wirtschaftlichen Änderung, nicht zwingend der formellen Rechnung.

5. Rechnungsberichtigung durch Dritte – BFH erweitert die Praxis

Besonders praxisfreundlich ist die Klarstellung zur Berichtigung durch Dritte.

Der BFH entscheidet:

Eine Rechnung kann auch durch Dritte berichtigt werden,
wenn diese mit der Prüfung beauftragt sind und
Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger die Berichtigung akzeptieren.

Typische Fälle:

  • Steuerberater im Rahmen einer Betriebsprüfung,
  • Wirtschaftsprüfer,
  • interne Prüfstellen großer Unternehmen.

➡️ Entscheidend ist nicht, wer die Berichtigung technisch vornimmt, sondern:

  • dass sie inhaltlich korrekt ist und
  • von beiden Vertragsparteien anerkannt wird.

6. Verfahrensrechtlicher Hinweis: Revision schon vor Zustellung möglich

Der BFH bestätigt außerdem:

Eine Revision kann bereits nach Verkündung des finanzgerichtlichen Urteils eingelegt werden – auch vor Zustellung.

Das ist relevant für:

  • Fristenkontrolle,
  • strategische Verfahrensführung in komplexen Steuerstreitigkeiten.

7. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil bringt mehr Rechtssicherheit und Flexibilität:

✔ Keine automatische Steuerhaftung bei rein formalen Fehlern
✔ Klare Abgrenzung zwischen § 14c UStG und § 17 UStG
✔ Erleichterung bei Betriebsprüfungen
✔ Anerkennung moderner Prüf- und Berichtigungsprozesse


8. Fazit

Der BFH stärkt mit dem Urteil XI R 25/23 die materielle Betrachtungsweise im Umsatzsteuerrecht:

  • Schutz des Steueraufkommens bleibt zentral,
  • aber rein formale Risiken werden begrenzt,
  • Berichtigungen sind praxisnah und flexibel möglich.

Für Unternehmer bedeutet das:

Fehlerhafte Rechnungen sind kein Automatismus mehr für Steuerschulden – entscheidend ist, ob dem Fiskus tatsächlich ein Schaden droht.


Hinweis: Die Anwendung der Grundsätze hängt stets vom Einzelfall ab. Eine frühzeitige steuerliche Prüfung ist insbesondere bei Betriebsprüfungen dringend zu empfehlen.

Grunderwerbsteuer bei Verlängerung der Beteiligungskette


FG Baden-Württemberg: Auch reine Strukturverlängerungen sind steuerpflichtig

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.04.2024 – 5 K 1696/23
Mitteilung vom 18.12.2025 – Revision anhängig (BFH II R 16/24)

Die grunderwerbsteuerlichen Verschärfungen seit dem 1. Juli 2021 beschäftigen die Praxis weiterhin intensiv. Mit Urteil vom 26. April 2024 hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass auch eine bloße Verlängerung der Beteiligungskette einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG auslösen kann – selbst dann, wenn die wirtschaftliche Person hinter der Struktur unverändert bleibt.


1. Kernaussagen der Entscheidung auf einen Blick

  • § 1 Abs. 2b GrEStG greift auch bei Verlängerung der Beteiligungskette, nicht nur bei Verkürzung.
  • Maßgeblich ist allein die unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft.
  • Steuerbefreiungen nach §§ 5 und 6a GrEStG sind im entschiedenen Fall nicht anwendbar.
  • Wirtschaftliche Betrachtungen (personelle Identität) sind bei unmittelbaren Gesellschafterwechseln unbeachtlich.

2. Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)

  • Eine grundbesitzende GmbH hielt inländischen Grundbesitz.
  • Alleiniger Gesellschafter war zunächst ein Einzelunternehmer (A).
  • A gründete eine personenidentische GmbH & Co. KG (C-KG).
  • Anschließend gliederte A sein gesamtes Einzelunternehmen – einschließlich der GmbH-Anteile – auf die C-KG aus (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG).
  • Die Eintragung der Ausgliederung erfolgte im Jahr 2022.

Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer fest, da die C-KG neue Alleingesellschafterin der grundbesitzenden GmbH geworden sei.


3. Entscheidung des FG Baden-Württemberg

3.1 Steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG

Nach Auffassung des Gerichts liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang vor, wenn sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft unmittelbar zu mindestens 90 % ändert – unabhängig davon, ob die wirtschaftliche Beherrschung gleich bleibt.

Die Eintragung der Ausgliederung im Handelsregister führte dazu, dass:

  • der Einzelunternehmer A als Altgesellschafter ausschied und
  • die C-KG als neue unmittelbare Gesellschafterin eintrat.

➡️ Damit war der Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG erfüllt.


3.2 Verlängerung der Beteiligungskette ist unerheblich

Das Gericht stellt ausdrücklich klar:

Es ist unerheblich, dass der letztlich beteiligte Rechtsträger (A) identisch geblieben ist.

Bei unmittelbaren Gesellschafterwechseln kommt es ausschließlich auf den zivilrechtlich wirksamen Übergang der Anteile an.
Wirtschaftliche oder beherrschende Gesichtspunkte spielen keine Rolle.


4. Keine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG

Eine (auch analoge) Anwendung von § 5 Abs. 2 GrEStG lehnte das FG ab:

  • § 1 Abs. 2b GrEStG fingiert einen Grundstücksübergang zwischen zwei Kapitalgesellschaften.
  • An diesem fiktiven Vorgang ist keine Gesamthand beteiligt.
  • Die personenbezogenen Steuerbefreiungen des § 5 GrEStG sind gesetzlich bewusst auf Personengesellschaften beschränkt.

Eine planwidrige Regelungslücke liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor.


5. Keine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG (Konzernklausel)

Auch § 6a GrEStG half der Klägerin nicht weiter:

  • Zwar lag eine Ausgliederung nach dem UmwG vor,
  • jedoch waren die Vorbehaltensfristen nicht erfüllt.

Die übernehmende C-KG war:

  • erst drei Wochen vor der Ausgliederung gegründet worden,
  • daher kein seit mindestens fünf Jahren abhängiges Unternehmen.

➡️ Die Voraussetzungen des § 6a GrEStG waren somit nicht erfüllt.


6. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz:

  • Konzerninterne Umstrukturierungen,
  • Ausgliederungen aus Einzelunternehmen,
  • Holding- und Nachfolgegestaltungen

können auch dann Grunderwerbsteuer auslösen, wenn sie lediglich der Strukturierung oder Haftungsabschirmung dienen.

Praxishinweis:

Die Verlängerung einer Beteiligungskette ist keine steuerneutrale Maßnahme, wenn sie zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel führt.


7. Revision beim BFH – Handlungsempfehlung

Die Revision ist beim BFH unter dem Az. II R 16/24 anhängig.

Bis zur höchstrichterlichen Entscheidung gilt:

  • Gestaltungen sorgfältig vorab prüfen,
  • mögliche Alternativstrukturen erwägen,
  • in laufenden Fällen ggf. Ruhen des Verfahrens beantragen.

8. Fazit

Das FG Baden-Württemberg bestätigt die strenge Linie der Finanzverwaltung:

  • § 1 Abs. 2b GrEStG erfasst auch reine Beteiligungsverschiebungen,
  • wirtschaftliche Identität schützt nicht vor Grunderwerbsteuer,
  • Steuerbefreiungen sind eng auszulegen.

Grunderwerbsteuerliche Risiken bestehen daher auch dort, wo wirtschaftlich „nichts passiert“.


Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle steuerliche Beratung. Die steuerliche Beurteilung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Grunderwerbsteuer bei Verkürzung der Beteiligungskette


FG Baden-Württemberg: Unmittelbarer Gesellschafterwechsel löst Steuer aus

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.04.2024 – 5 K 2022/23
(Mitteilung vom 18.12.2025, Revision anhängig: BFH II R 24/24)

Die Reform der grunderwerbsteuerlichen Anteilseignerwechsel zum 1. Juli 2021 sorgt weiterhin für erhebliche Unsicherheiten in der Gestaltungspraxis. Mit Urteil vom 26. April 2024 hat das FG Baden-Württemberg nun klargestellt, dass auch die bloße Verkürzung einer Beteiligungskette einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG darstellen kann – selbst dann, wenn sich die wirtschaftliche Beteiligung an dem Grundstück nicht verändert.


1. Hintergrund: § 1 Abs. 2b GrEStG

Nach § 1 Abs. 2b GrEStG unterliegt ein Vorgang der Grunderwerbsteuer, wenn:

  • eine Kapitalgesellschaft inländischen Grundbesitz hält und
  • sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert,
  • dass mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen.

Die Vorschrift wurde eingeführt, um Umgehungsgestaltungen über Anteilstransaktionen bei grundbesitzenden Gesellschaften zu verhindern.


2. Der entschiedene Sachverhalt (vereinfacht)

  • Eine grundbesitzende GmbH (Enkel-GmbH) war zu 100 % im Eigentum einer Mutter-GmbH.
  • Alleinige Gesellschafterin der Mutter-GmbH war eine Großmutter-GmbH.
  • Bereits 2019 hatte die Großmutter-GmbH mittelbar 100 % der Anteile gehalten.
  • Zum 01.01.2022 übertrug die Mutter-GmbH sämtliche Anteile an der grundbesitzenden GmbH direkt auf die Großmutter-GmbH.

Das Finanzamt setzte gegenüber der grundbesitzenden GmbH Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG fest.

Die Klägerin argumentierte:

  • Es liege lediglich eine Verkürzung der Beteiligungskette vor.
  • Die Großmutter-GmbH sei bereits Altgesellschafterin gewesen.
  • Ein steuerbarer Gesellschafterwechsel liege daher nicht vor.

3. Entscheidung des FG Baden-Württemberg

Das Finanzgericht wies die Klage ab und stellte klar:

3.1 Unmittelbarer Gesellschafterwechsel ist entscheidend

Der direkte Erwerb von 100 % der Anteile an der grundbesitzenden GmbH stellt einen unmittelbaren Gesellschafterwechsel dar.
➡️ Damit ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG erfüllt.

Ob der Erwerber zuvor bereits mittelbar beteiligt war, ist in diesem Fall unerheblich.


3.2 Mittelbare Beteiligungen spielen keine Rolle

Das Gericht betont:

  • Liegt eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands vor,
  • sind mittelbare Beteiligungsverhältnisse nicht mehr zu prüfen.

Maßgeblich ist allein der zivilrechtlich wirksame Übergang der Geschäftsanteile.
Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise greift hier nicht.


3.3 Keine einschränkende Auslegung zugunsten der Steuerpflichtigen

Eine Auslegung, wonach ein bereits mittelbar beteiligter Erwerber als „Altgesellschafter“ zu behandeln sei, lehnte das Gericht ausdrücklich ab.

Nach Auffassung des FG entspricht die Besteuerung:

  • dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2b GrEStG,
  • dem gesetzgeberischen Willen zur Missbrauchsverhinderung,
  • und führt nicht zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung.

4. Praktische Konsequenzen für die Beratungspraxis

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für:

  • Konzerninterne Umstrukturierungen
  • Holding- und Stiftungsstrukturen
  • Share-Deals mit grundbesitzenden Kapitalgesellschaften
  • Nachfolgeregelungen innerhalb von Unternehmensgruppen

Wichtiger Praxishinweis:

Auch rein konzerninterne Umhängungen von Anteilen können Grunderwerbsteuer auslösen, selbst wenn sich die wirtschaftliche Eigentümerstellung am Grundstück nicht ändert.


5. Abgrenzung zu § 1 Abs. 3 GrEStG

Das FG stellt zudem klar:

  • § 1 Abs. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG erfassen unterschiedliche Steuerzugriffe.
  • § 1 Abs. 3 GrEStG knüpft an die Vereinigung von Anteilen an,
  • § 1 Abs. 2b GrEStG an den Gesellschafterwechsel auf Gesellschaftsebene.

Eine unzulässige Doppelbelastung liegt daher nicht vor.


6. Revision beim BFH – was sollten Steuerpflichtige tun?

Die Revision ist beim BFH unter dem Az. II R 24/24 anhängig. Bis zur Entscheidung gilt:

  • Gestaltungen sollten vor Umsetzung grunderwerbsteuerlich geprüft werden, auch bei konzerninternen Vorgängen.
  • In laufenden Verfahren kann ein Ruhen des Verfahrens sinnvoll sein.
  • Bei geplanten Strukturmaßnahmen empfiehlt sich eine vorausschauende Alternativenprüfung (z. B. zeitliche Staffelung, andere Transaktionswege).

7. Fazit

Das FG Baden-Württemberg bestätigt eine strenge Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG:
Die Verkürzung einer Beteiligungskette ist kein steuerneutraler Vorgang, wenn sie zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel führt.

Für die Praxis bedeutet dies:

Grunderwerbsteuerliche Risiken bestehen auch dort, wo wirtschaftlich „nichts passiert“.

Eine frühzeitige steuerliche Begleitung ist daher unerlässlich.


Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle steuerliche Beratung. Die Beurteilung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung auch bei nicht ordnungsgemäß angezeigtem Erwerb möglich


FG Baden-Württemberg stärkt Steuerpflichtige – Revision beim BFH anhängig

Mit aktueller Mitteilung vom 18.12.2025 hat das FG Baden-Württemberg ein für die Praxis äußerst relevantes Urteil veröffentlicht (Urteil vom 19.07.2024 – 5 K 1668/22, Revision anhängig unter BFH II R 30/24).

Im Kern geht es um die Frage, wann eine Grunderwerbsteuerfestsetzung bei Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs aufgehoben werden kann, insbesondere wenn der ursprüngliche Vorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde.

Die Entscheidung bringt wichtige Klarstellungen zu § 16 GrEStG und kann für viele gesellschaftsrechtliche Gestaltungen erhebliche finanzielle Auswirkungen haben.


1. Ausgangspunkt: Rückgängigmachung nach § 16 GrEStG

§ 16 GrEStG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Nichtfestsetzung oder Aufhebung der Grunderwerbsteuer, wenn ein Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht wird.

In der Praxis scheitert die Anwendung dieser Vorschrift häufig an formalen Fehlern, insbesondere:

  • verspätete oder unvollständige Anzeige des ursprünglichen Erwerbsvorgangs,
  • komplexe Anteilsübertragungen bei grundstücksbesitzenden Gesellschaften.

Genau an dieser Schnittstelle setzt das Urteil an.


2. Der entschiedene Sachverhalt (vereinfacht)

  • Eine gemeinnützige Stiftung war Alleingesellschafterin einer grundstücksbesitzenden GmbH.
  • 16 % der Anteile wurden veräußert, verbunden mit einer Rückerwerbsoption.
  • Die Stiftung übte diese Option aus → Anteilsvereinigung von 100 %.
  • Dadurch wurde erst der Rückerwerb grunderwerbsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
  • Der ursprüngliche Erwerbsvorgang war nicht ordnungsgemäß angezeigt worden.

Das Finanzamt lehnte die Aufhebung der Grunderwerbsteuer ab und berief sich auf § 16 Abs. 5 GrEStG.


3. Zentrale Kernaussagen des FG Baden-Württemberg

3.1 § 16 Abs. 2 GrEStG setzt keine Steuerbarkeit des Ersterwerbs voraus

Das Gericht stellt klar:

Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist es nicht erforderlich, dass der rückgängig gemachte Erwerbsvorgang steuerbar war.

Entscheidend ist allein, dass:

  • der frühere Zustand vollständig wiederhergestellt wird und
  • dies innerhalb der Zweijahresfrist geschieht.

Diese Grundsätze gelten auch bei Anteilsvereinigungen nach § 1 Abs. 3 GrEStG.


3.2 § 16 Abs. 5 GrEStG greift nur bei steuerbaren Ersterwerben

Besonders praxisrelevant ist die Abgrenzung zu § 16 Abs. 5 GrEStG:

  • § 16 Abs. 5 GrEStG sperrt die Begünstigung nur, wenn ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde.
  • War der ursprüngliche Erwerb nicht steuerbar, ist § 16 Abs. 5 GrEStG bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar.

👉 Dass der steuerpflichtige Vorgang erst durch die Rückgängigmachung ausgelöst wird, ist unschädlich.


3.3 Keine analoge Anwendung der Sperrvorschrift

Auch eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 5 GrEStG lehnt das Gericht ab:

  • Der Zweck der Norm (Missbrauchsvermeidung durch bewusste Nichtanzeige) greife hier nicht.
  • Es bestehe keine Umgehungsgefahr, da der Steuerpflichtige die Steuer auch ohne Pflichtverletzung hätte vermeiden können.

4. Praktische Bedeutung für die Beratungspraxis

Die Entscheidung ist insbesondere relevant für:

  • Anteilsübertragungen mit Rückerwerbsoptionen
  • Stiftungs- und Holdingstrukturen
  • 95-%-/90-%-Schwellen bei § 1 Abs. 2a, 3 GrEStG
  • Fälle mit formalen Anzeigeproblemen

Merksatz für die Praxis:

Eine fehlerhafte Anzeige schließt die Aufhebung der Grunderwerbsteuer nicht aus, wenn der rückgängig gemachte Erwerbsvorgang selbst nicht steuerbar war.


5. Revision beim BFH – Handlungsbedarf?

Die Revision ist beim BFH anhängig (II R 30/24). Bis zur endgültigen Entscheidung gilt:

  • Anträge nach § 16 Abs. 2 GrEStG sollten gestellt werden, auch wenn das Finanzamt sich auf § 16 Abs. 5 GrEStG beruft.
  • In vergleichbaren Fällen empfiehlt sich offenes Ruhenlassen des Verfahrens.
  • Bei geplanten Rückabwicklungen sollte die steuerliche Einordnung frühzeitig geprüft werden.

6. Fazit

Das FG Baden-Württemberg stärkt mit dieser Entscheidung die materielle Betrachtung gegenüber formalen Anzeigeverstößen. Für Steuerpflichtige eröffnet sich damit in vielen Fällen die Möglichkeit, zu Unrecht festgesetzte Grunderwerbsteuer erfolgreich aufheben zu lassen.

Ob der BFH diese Linie bestätigt, bleibt abzuwarten – die Argumentation des FG ist jedoch dogmatisch überzeugend und praxisnah.


Hinweis: Der Beitrag stellt keine individuelle Steuerberatung dar. Die steuerliche Beurteilung hängt stets vom konkreten Einzelfall ab.

Unentgeltliche Übertragung von Mitunternehmeranteilen auf Stiftungen oder Kapitalgesellschaften: FG Baden-Württemberg verschärft Gestaltungsspielräume


FG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.06.2025 – 5 K 397/24 (Revision anhängig, BFH IV R 13/25)

Die unentgeltliche Übertragung von Mitunternehmeranteilen ist ein klassisches Gestaltungsinstrument in der Nachfolge- und Vermögensplanung. Insbesondere § 6 Abs. 3 EStG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine Buchwertfortführung und damit die Vermeidung der sofortigen Besteuerung stiller Reserven.

Mit Urteil vom 6. Juni 2025 hat das FG Baden-Württemberg diese Gestaltung jedoch deutlich eingeschränkt, wenn der Erwerber keine natürliche Person, sondern eine juristische Person (z. B. Stiftung oder Kapitalgesellschaft) ist.

Der Beitrag erläutert die Entscheidung, ordnet sie ein und zeigt die praktischen Konsequenzen für die Beratungspraxis auf.


1. Der Streitfall in Kürze

Im entschiedenen Fall übertrug ein Kommanditist unentgeltlich einen Teil seines Mitunternehmeranteils auf eine nicht gemeinnützige Stiftung. Die Beteiligten gingen davon aus, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG erfüllt seien und behandelten die Übertragung buchwertneutral.

Das Finanzamt sah dies anders:

  • § 6 Abs. 3 EStG sei bei Teil-Mitunternehmeranteilen nur anwendbar, wenn der Erwerber eine natürliche Person sei.
  • Bei Übertragung auf eine Stiftung seien die stillen Reserven aufzudecken.

Das FG Baden-Württemberg folgte dieser Auffassung.


2. Kernaussage des Gerichts

Nach Ansicht des FG gilt:

Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG bei unentgeltlicher Übertragung eines Teil-Mitunternehmeranteils ist auf natürliche Personen als Erwerber beschränkt.

Konsequenzen laut FG:

  • Übertragung eines Teil-Mitunternehmeranteils
  • unentgeltlich
  • Erwerber = juristische Person (z. B. Stiftung, GmbH)

➡️ keine Buchwertfortführung
➡️ Aufdeckung der stillen Reserven
➡️ steuerpflichtiger Übertragungsgewinn, regelmäßig als laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb
➡️ ggf. Gewerbesteuerbelastung

Die Revision ist beim BFH anhängig (IV R 13/25). Bis zu einer Entscheidung besteht jedoch erhebliche Rechtsunsicherheit.


3. Abgrenzung: Teil- vs. vollständiger Mitunternehmeranteil

Besonders praxisrelevant ist die Differenzierung zwischen Teil- und Gesamtanteil:

FallkonstellationBuchwertübertragung nach FG
Unentgeltliche Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils auf juristische Personweiterhin umstritten
Unentgeltliche Übertragung eines Teil-Mitunternehmeranteils auf juristische Personnicht zulässig
Teil-Mitunternehmeranteil → natürliche Persongrundsätzlich möglich

Gerade in stufenweisen Nachfolge- oder Stiftungsmodellen stellt dies ein erhebliches Risiko dar.


4. Bedeutung für die Gestaltungspraxis

Die Entscheidung betrifft insbesondere:

  • Stiftungsmodelle (Familienstiftungen, unternehmensverbundene Stiftungen)
  • Holding- und Beteiligungsstrukturen
  • vorweggenommene Erbfolge mit Teilübertragungen
  • Asset-Protection-Strukturen

Kritisch sind insbesondere:

  • „Salamitaktik“ bei Anteilsübertragungen
  • Zwischenschaltung von Stiftungen oder Kapitalgesellschaften
  • vermeintlich steuerneutrale Ausgliederungen von Teilbeteiligungen

Was bislang vielfach als „routinefähige Buchwertübertragung“ angesehen wurde, kann nun zu unerwarteten Steuerbelastungen führen.


5. Handlungsempfehlung für Unternehmer und Gesellschafter

Vor jeder geplanten Übertragung sollte geprüft werden:

  1. Was wird übertragen?
    – Teil- oder Gesamt-Mitunternehmeranteil?
  2. Wer ist Erwerber?
    – natürliche Person oder juristische Person?
  3. Welche stillen Reserven sind betroffen?
    – insbesondere Grundstücke, Beteiligungen, immaterielle Werte
  4. Gibt es Alternativen?
    – vorgelagerte Übertragung auf natürliche Personen
    – entgeltliche oder teilentgeltliche Gestaltungen
    – gesellschaftsvertragliche Anpassungen
    – zeitlich gestreckte Umstrukturierungen

6. Fazit

Das Urteil des FG Baden-Württemberg markiert eine deutliche Verschärfung für unentgeltliche Teilübertragungen von Mitunternehmeranteilen auf Stiftungen oder Kapitalgesellschaften. Bis zur Entscheidung des BFH ist besondere Vorsicht geboten.

Gestaltungen, die bisher als steuerneutral galten, können heute zu sofortiger Besteuerung führen.

Eine frühzeitige steuerliche Strukturprüfung ist daher unerlässlich.


Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Beratung. Die Beurteilung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Neues BMF-Schreiben zur E-Rechnung: DStV sieht Licht und Schatten

DStV-Mitteilung vom 15.12.2025

Rund ein Jahr nach der ersten Verwaltungsanweisung zur E-Rechnung hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) seine Auffassung erneut konkretisiert. Das zweite BMF-Schreiben enthält zusätzliche Hinweise zur praktischen Umsetzung sowie Anpassungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE). Der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) begrüßt zwar einzelne Klarstellungen und die Übernahme wichtiger Anregungen, sieht jedoch weiterhin erhebliche offene Fragen und praxisrelevante Unsicherheiten.

Hintergrund: Zweites BMF-Schreiben zur E-Rechnung

Mit dem neuen Schreiben greift das BMF zahlreiche Praxisfragen auf, die sich seit Einführung der verpflichtenden E-Rechnung ergeben haben. Der DStV hatte hierzu im Vorfeld in seiner Stellungnahme S 06/25 Vorschläge zur Erhöhung der Rechtssicherheit eingebracht, insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen.

Nach Einschätzung des DStV tragen die neuen Vorgaben zwar dazu bei, die Ordnungsmäßigkeit einer E-Rechnung besser beurteilen zu können. Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass die technische und rechtliche Komplexität in der Praxis deutlich zunimmt.

Prüfungsanforderungen werden differenziert

Positiv hervorzuheben ist, dass das BMF die Prüfungsanforderungen nun klarer strukturiert. Es unterscheidet künftig zwischen:

  • Formatfehlern
    Diese führen dazu, dass eine Datei technisch ungeeignet ist und nicht als E-Rechnung gilt.
  • Geschäftsregelfehlern
    Hierzu zählen logische Widersprüche oder fehlende Pflichtangaben. Sie können – ebenso wie Inhaltsfehler – dazu führen, dass keine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.
  • Inhaltsfehlern
    Darunter fallen etwa falsche Steuersätze oder unzutreffende Leistungsangaben.

Zur technischen Prüfung empfiehlt das BMF ausdrücklich den Einsatz von Validierungstools.

Kritik des DStV: Validierung ersetzt keine inhaltliche Prüfung

Der DStV weist jedoch darauf hin, dass Validierungstools lediglich Format- und Geschäftsregelfehler erkennen können. Eine steuerliche Inhaltsprüfung ersetzen sie nicht. Zudem ist aus Sicht des Verbandes problematisch, dass nicht jeder Geschäftsregelfehler auch steuerlich relevant ist.

Für die Praxis bedeutet dies ein erhebliches Abgrenzungsproblem. Der DStV empfiehlt daher Rechnungsempfängern, festgestellte Fehlermeldungen anhand des Validierungsberichts gemeinsam mit dem Rechnungsaussteller zu prüfen, zu bewerten und ggf. zu korrigieren.

Vertrauensschutz bei erfolgreicher Validierung

Positiv bewertet der DStV, dass das BMF – auch auf Anregung des Verbandes – einen Vertrauensschutz gewährt:
Wurde eine E-Rechnung erfolgreich validiert und beachtet der Unternehmer die kaufmännische Sorgfalt, darf er sich hinsichtlich Format und Geschäftsregeln grundsätzlich auf das Validierungsergebnis verlassen.

Wichtig für die Praxis: Der Validierungsbericht sollte in jedem Fall aufbewahrt werden, um den Vertrauensschutz im Zweifel nachweisen zu können.

Klarstellungen zu Rechnungskorrekturen

Das BMF konkretisiert zudem die Anforderungen an Rechnungsberichtigungen:

  • Keine Berichtigung erforderlich ist bei einer Minderung der Bemessungsgrundlage, etwa durch
    • Skonti,
    • Preisnachlässe oder
    • rückgängig gemachte Leistungen.
  • Berichtigung erforderlich ist hingegen bei Änderungen des Leistungsumfangs, beispielsweise durch Aufmaßänderungen. In diesen Fällen muss die Rechnung angepasst oder durch den Leistungsempfänger im Wege einer Gutschrift berichtigt werden.

Diese Differenzierung sorgt für zusätzliche Klarheit, dürfte in der praktischen Umsetzung aber weiterhin Abgrenzungsfragen aufwerfen.

Positiv: Erleichterung für Kleinunternehmer

Besonders erfreulich aus Sicht des DStV ist eine weitere Klarstellung:
Kleinunternehmer dürfen E-Rechnungen gegenüber inländischen Unternehmern künftig ohne Zustimmung des Rechnungsempfängers ausstellen.

Damit greift das BMF eine zentrale Forderung des DStV auf (vgl. DStV-Info vom 10.04.2025) und beseitigt eine wesentliche Unsicherheit für kleinere Betriebe.

Fazit und Praxishinweis

Das neue BMF-Schreiben bringt spürbare Fortschritte und mehr Struktur in die Prüfung von E-Rechnungen. Gleichzeitig bleibt die Umsetzung für Unternehmen und Berater anspruchsvoll:

  • Die technische Validierung ist wichtig, ersetzt aber keine steuerliche Prüfung.
  • Geschäftsregelfehler müssen im Einzelfall steuerlich eingeordnet werden.
  • Dokumentation, insbesondere der Validierungsberichte, gewinnt weiter an Bedeutung.
  • Positiv hervorzuheben sind die Klarstellungen zu Rechnungskorrekturen und die Erleichterungen für Kleinunternehmer.

Aus Sicht der Beratungspraxis bleibt festzuhalten: Die E-Rechnung ist endgültig im steuerlichen Alltag angekommen – ihre rechtssichere Handhabung erfordert jedoch weiterhin sorgfältige Prozesse und klare Verantwortlichkeiten.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e. V., Mitteilung vom 15.12.2025