Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Kein Investitionsabzugsbetrag für Photovoltaikanlagen bei mehr als geringfügiger privater Stromnutzung

FG Hessen, Urteil vom 22.10.2025 – 10 K 162/24 (Pressemitteilung vom 02.12.2025)
Revision beim BFH anhängig: III R 39/25

Der Betrieb einer Photovoltaikanlage kann steuerliche Vorteile bieten – unter anderem durch den Investitionsabzugsbetrag (IAB) nach § 7g EStG. Doch dieser Vorteil setzt voraus, dass die Photovoltaikanlage (fast) ausschließlich betrieblich genutzt wird. Das Hessische Finanzgericht hat nun entschieden: Wer den erzeugten Strom überwiegend privat verbraucht, kann keinen Investitionsabzugsbetrag geltend machen.


Der Fall: 90 % Eigenverbrauch statt „betrieblichen“ Stromverkaufs

Der Kläger wollte im Jahr 2021 einen Investitionsabzugsbetrag bilden – 50 % der geplanten Anschaffungskosten einer Photovoltaikanlage auf seinem Einfamilienhaus. Die Anlage ging 2022 in Betrieb. Allerdings:

  • Die Familie nutzte über 90 % des Stroms privat.
  • Eine Einspeisung ins Netz fand nur in geringem Umfang statt.
  • Weitere Investitionen oder betriebliche Aktivitäten gab es nicht.

Das Finanzamt lehnte den IAB ab:

  1. wegen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG
  2. wegen Zweifeln an der Gewinnerzielungsabsicht

Die Entscheidung: Keine fast ausschließlich betriebliche Nutzung → kein IAB

Der 10. Senat des FG Hessen bestätigte die Auffassung des Finanzamts:
Ein IAB setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut nahezu ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Für Photovoltaikanlagen bedeutet das konkret:

  • Die betriebliche Nutzung bemisst sich nach dem Stromverbrauch.
  • Wird der Strom nicht zu mindestens 90 % eingespeist oder verkauft,
    liegt keine begünstigte betriebliche Nutzung vor.

Da der Kläger 90 % des erzeugten Stroms privat verbrauchte, war die betriebliche Nutzung zu gering – und damit der Investitionsabzugsbetrag ausgeschlossen.


Warum ist die Entscheidung wichtig?

Der Fall hat große praktische Relevanz für alle Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen, besonders seit Einführung der steuerfreien Einspeisung nach § 3 Nr. 72 EStG ab 2023. Das Gericht zeigt klar:

👉 Private PV-Anlagen, die überwiegend der Eigenversorgung dienen, sind für Investitionsabzugsbeträge nicht geeignet.

Der IAB ist ein Instrument für „echte“ gewerbliche Tätigkeiten – nicht für private Energienutzung.


BFH-Revision anhängig

Der Fall wurde wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung dem Bundesfinanzhof vorgelegt. Dort ist er unter dem Aktenzeichen III R 39/25 anhängig.

Der BFH könnte insbesondere klären:

  • Welche Rolle der private Stromverbrauch für den IAB spielt
  • Ob die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG Einfluss auf bestehende IAB hat
  • Welche Anforderungen an die Gewinnerzielungsabsicht kleiner PV-Anlagen zu stellen sind

Hintergrund: Investitionsabzugsbetrag bei PV-Anlagen

Nach § 7g EStG können bis zu 50 % der geplanten Anschaffungskosten einer PV-Anlage vorab steuerlich geltend gemacht werden. Das lohnt sich nur, wenn:

  • die Anlage dem Betriebsvermögen zugeordnet ist,
  • sie nahezu ausschließlich betrieblich genutzt wird,
  • eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.

Gerade bei Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern ist dies regelmäßig problematisch, weil der private Eigenverbrauch häufig überwiegt.


Fazit für die Praxis

  • Wer den Strom überwiegend selbst nutzt, sollte keinen IAB geltend machen.
  • Für ein begünstigtes Wirtschaftsgut ist meist eine Einspeisung von mindestens 90 % erforderlich.
  • Die steuerliche Behandlung von PV-Anlagen ist komplex – insbesondere seit der Steuerbefreiung für kleinere Anlagen.
  • Eine fachkundige Prüfung lohnt sich, um spätere Steuerrisiken zu vermeiden.

Quelle: Hessisches Finanzgericht Kassel

Keine Einwände gegen Steuerfreiheit für Elektroautos

Deutscher Bundestag – Mitteilung vom 02.12.2025

Der Bundesrat hat keine Einwände gegen den Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes erhoben. Dies geht aus einer aktuellen Unterrichtung der Bundesregierung (Drs. 21/2966) hervor. Damit kann das Gesetzgebungsverfahren ohne Verzögerungen weitergehen.


Was sieht der Gesetzentwurf vor?

Der Gesetzentwurf (21/2672) verlängert die Kfz-Steuerbefreiung für neu zugelassene Elektrofahrzeuge deutlich:

  • E-Autos, die bis zum Jahr 2030 neu zugelassen werden, bleiben
    für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit.
  • Die Steuerbefreiung gilt jedoch spätestens bis 2035, auch wenn der 10-Jahres-Zeitraum darüber hinausreichen würde.

Ohne diese Gesetzesänderung wäre die Steuerbefreiung nur noch für Fahrzeuge möglich gewesen, die vor dem 1. Januar 2026 zugelassen werden.


Bedeutung für Käufer und Halter von Elektroautos

Die Entscheidung sorgt für Planungssicherheit:

  • Wer zwischen 2026 und 2030 auf ein Elektroauto umsteigt, profitiert weiterhin von einer langfristigen Steuerentlastung.
  • Die Befreiung kann über die Gesamtlebensdauer des Fahrzeugs eine spürbare Kosteneinsparung bewirken.
  • Auch für Dienstwagenflotten und Gewerbekunden bleibt die steuerliche Förderung attraktiv.

Hintergrund: Förderung der Elektromobilität

Die Kfz-Steuerbefreiung ist ein zentraler steuerlicher Anreiz, um den Umstieg auf klimafreundliche Fahrzeuge zu unterstützen.
Sie ergänzt andere Förderinstrumente wie:

  • die reduzierte Dienstwagenbesteuerung für E-Fahrzeuge (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG),
  • regionale Förderprogramme,
  • und das THG-Quote-System.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 657/2025

Grundsteuerbewertung: Typische Fehler der Finanzämter

Viele Grundsteuerwertbescheide enthalten systematische und bekannte Fehler. Die wichtigsten:


1. Bodenrichtwerte falsch oder unpassend übernommen

  • Durchschnittswerte passen oft nicht zum Einzelfall.
  • Zone wurde falsch zugeordnet.
  • Bebaubarkeit nicht berücksichtigt.

2. Nicht bebaubare Grundstücksteile wurden wie Bauland bewertet

z. B.:

  • private Grünflächen
  • Ausgleichsflächen
  • Leitungsrechte
  • Natur- und Landschaftsschutzflächen

Diese Teile dürfen nicht mit dem vollen Bodenrichtwert angesetzt werden.


3. Gebäudedaten fehlerhaft

  • falsches Baujahr
  • falsche Gebäudeklasse
  • falsche Wohn- oder Nutzflächen
  • An- oder Umbauten nicht berücksichtigt

4. Denkmalschutz oder Nutzungseinschränkungen ignoriert

Dies hat häufig eine wertmindernde Wirkung.


5. Fehlerhafte Berücksichtigung von Lagefaktoren

z. B. Lärm, schlechte Erschließung, ungünstige Form oder Hanglage.


6. Falsche Einordnung der Grundstücksart

  • Einfamilienhaus statt gemischt genutztes Grundstück
  • Wohngebäude statt landwirtschaftliches Grundstück (oder umgekehrt)

7. Rechenfehler im Bewertungsmodell

Nicht selten werden:

  • falsche Flächen angesetzt
  • Werte falsch multipliziert
  • Rundungsregeln nicht korrekt angewendet

Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid

Viele Bescheide zur neuen Grundsteuer enthalten Fehler. So gehen Sie richtig vor:


Schritt 1: Bescheid prüfen

Achten Sie insbesondere auf:

  • richtige Grundstücksfläche
  • richtige Grundstücksart
  • Bodenrichtwert
  • Baujahr / Gebäudefaktoren
  • Wohn- oder Nutzflächen

Schritt 2: Einspruchsfrist einhalten

Sie haben einen Monat ab Bekanntgabe Zeit.
Frist niemals verstreichen lassen!


Schritt 3: Einspruch einlegen

Ein formloses Schreiben genügt:

  • Aktenzeichen
  • Datum des Bescheids
  • kurze Begründung („Wert zu hoch“, „Bodenrichtwert unzutreffend“, etc.)
  • Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei deutlichen Zweifeln

Schritt 4: Belege und Daten zusammentragen

z. B.:

  • Lagepläne
  • Fotos
  • Auszüge aus dem Bebauungsplan
  • Bodenrichtwertkarten
  • Angaben zur eingeschränkten Bebaubarkeit
  • Vergleichswerte

Schritt 5: Fachliche Bewertung einholen

Wenn der Wert erheblich von der Realität abweicht:

  • Gutachten des Gutachterausschusses
  • Fachliches Stellungnahme eines Immobilienbewerters

Je nach Landkreis gibt es auch vereinfachte und kostengünstigere Kurzgutachten.


Schritt 6: Antwort des Finanzamts abwarten

Das Finanzamt prüft:

  • die Unterlagen
  • die Bodenrichtwerte
  • ggf. die Abweichungen zum Bebauungsplan

Eventuell wird ein korrigierter Bescheid erlassen.


Schritt 7: Weitere Schritte bei Ablehnung

Wenn das Finanzamt den Einspruch zurückweist, können Sie:

  • Klage beim Finanzgericht einreichen
  • auf ein weiteres Gutachten verweisen
  • auf offenkundige Bewertungsfehler argumentieren

Grundsteuer: Wer trägt die Kosten eines Verkehrswertgutachtens?

FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.10.2025 – 8 K 626/24 (Pressemitteilung vom 02.12.2025)

Bei Streitigkeiten rund um die neue Grundsteuer spielt häufig die Frage eine Rolle, wie Grundstücke korrekt bewertet werden – insbesondere dann, wenn Teile eines Grundstücks nicht oder nur eingeschränkt bebaubar sind. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat nun in einem wichtigen Beschluss entschieden, wer in solchen Fällen die Kosten für ein Verkehrswertgutachten zu tragen hat.


Hintergrund des Streitfalls

Der Kläger ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Ein großer Teil seiner Fläche ist baurechtlich als private Grünfläche ausgewiesen und damit nicht bebaubar.
Trotz dieser Einschränkung hatte das Finanzamt die vollständige Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert der zugeordneten Bodenrichtwertzone bewertet – ohne Abzüge wegen der fehlenden Bebaubarkeit. Dadurch ergab sich ein deutlich überhöhter Grundsteuerwert.

Während des laufenden Klageverfahrens beauftragte der Eigentümer den zuständigen Gutachterausschuss mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens. Das Ergebnis war eindeutig:

👉 Die neu bewertete Grünfläche führte zu einer Wertminderung des Grund und Bodens um 41 %.

Das Finanzamt änderte daraufhin den Grundsteuerwertbescheid zugunsten des Klägers. Beide Seiten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt – offen blieb jedoch die Kostenfrage.


Die Entscheidung: Finanzamt muss Kosten tragen

Der 8. Senat entschied, dass das Finanzamt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Sachverständigenkosten zu übernehmen hat.

Zur Begründung führte das Gericht aus:

  • Die ursprüngliche Bewertung des Finanzamts war offensichtlich fehlerhaft, weil die eingeschränkte Bebaubarkeit des Grundstücks bekannt und offenkundig war.
  • Die erheblich zu hohe Bewertung hätte das Finanzamt selbst korrigieren müssen – ein Gutachten wäre gar nicht erforderlich gewesen.
  • Der Kläger spart künftig 606,63 Euro Grundsteuer pro Jahr, musste jedoch 1.514,28 Euro für das Gutachten zahlen.

Das Gericht stellte klar:
Unterliegt der Steuerpflichtige in solchen Fällen dem Kostenrisiko, könnte ihn das davon abhalten, sein Recht auf Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts nach § 198 BewG wahrzunehmen. Das wäre unvereinbar mit:

  • Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (Gleichbehandlung)
  • dem Recht auf effektiven Rechtsschutz

Hinweis des Gerichts: Gutachterausschüsse könnten einfacher und günstiger arbeiten

Der Senat wies zudem darauf hin, dass viele Gutachterausschüsse:

  • deutlich kostengünstigere und vereinfachte Gutachten anbieten könnten,
  • oftmals präzisere Bodenrichtwerte ausweisen sollten.

Dies würde Rechtsstreitigkeiten vermeiden und die Immobilienbewertung transparenter machen.


Fazit für Grundstückseigentümer

Der Beschluss stärkt die Rechte von Eigentümern im Verfahren zur Feststellung des Grundsteuerwerts.
Wesentliche Punkte:

  • Bei offensichtlichen Fehlern in der Bewertung muss das Finanzamt die Kosten eines notwendigen Gutachtens übernehmen.
  • Verkehrswertgutachten können entscheidend sein, um zu hohe Grundsteuerbelastungen zu korrigieren.
  • Eigentümer sollten im Zweifel prüfen lassen, ob Bodenrichtwert und Bebaubarkeit korrekt berücksichtigt wurden.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg

Wann lohnt sich ein Verkehrswertgutachten?

Ein Verkehrswertgutachten kann bei der neuen Grundsteuer schnell mehrere hundert bis über tausend Euro kosten. Es lohnt sich daher vor allem dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Überbewertung Ihres Grundstücks vorliegen. Typische Fälle:

✔ Große Teile des Grundstücks sind nicht oder nur eingeschränkt bebaubar

z. B. private Grünflächen, Böschungen, Leitungsrechte, Abstandsflächen, Natur- oder Landschaftsschutz.

✔ Der Bodenrichtwert passt nicht zu Ihrem Grundstück

Bodenrichtwerte sind Durchschnittswerte – trifft die Vergleichszone nicht zu, kann der individuelle Wert deutlich abweichen.

✔ Ihr Grundstück hat besondere wertmindernde Merkmale

z. B. Lärm, Altlasten, ungünstige Zuschnitte, Hanglage, schlechte Erschließung, Denkmalschutzauflagen.

✔ Das Finanzamt akzeptiert keine niedrigeren Werte ohne Nachweis

Gerade wenn die Abweichung erheblich ist, kann ein Gutachten die einzige Möglichkeit sein, eine Korrektur zu erreichen.

✔ Die voraussichtliche Steuerersparnis übersteigt langfristig den Gutachtenpreis

Als Faustregel:
Wenn das Gutachten sich innerhalb von 3–5 Jahren durch geringere Grundsteuer „amortisiert“, lohnt es sich.

Artikel 344 und 345 MwStSystRL – Sonderregelung für Anlagegold

Verzeichnis der mehrwertsteuerbefreiten Goldmünzen 2026

BMF-Schreiben vom 27.11.2025 – Az.: III C 1 – S 7068/00017/009/012

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Hintergrund: Mehrwertsteuerbefreiung für Anlagegold

Die Artikel 344 und 345 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) regeln die steuerliche Behandlung von Anlagegold innerhalb der Europäischen Union. Unter diese Sonderregelung fallen insbesondere:

  • Anlagegold in Barren- oder Plattenform von hoher Feinheit sowie
  • bestimmte Goldmünzen, die von der Europäischen Kommission jährlich in einem Verzeichnis bestätigt werden.

Nur Münzen, die die gesetzlich festgelegten Kriterien erfüllen, gelten als Anlagegold und sind damit von der Mehrwertsteuer befreit.


EU-Verzeichnis der befreiten Goldmünzen 2026 veröffentlicht

Die Europäische Kommission hat am 14. November 2025 das offizielle Verzeichnis der Goldmünzen für das Jahr 2026 veröffentlicht, die die Voraussetzungen des Artikels 344 Absatz 1 Nummer 2 MwStSystRL erfüllen.

Die Veröffentlichung erfolgte im:

Amtsblatt der Europäischen Union – ABl. C/2025/5923

Das Bundesministerium der Finanzen macht dieses Verzeichnis mit Schreiben vom 27. November 2025 ergänzend in Deutschland bekannt.


Bedeutung für Edelmetallhändler, Sammler und Anleger

Die jährliche Liste ist für die Praxis von hoher Relevanz:

  • Sie definiert, welche Münzen als Anlagegold gelten.
  • Nur diese Münzen können mehrwertsteuerfrei geliefert oder erworben werden.
  • Sie ist Grundlage für die korrekte Umsatzsteuerbehandlung im Edelmetallhandel.
  • Händler und Investoren erhalten Rechtssicherheit über die steuerliche Einstufung der jeweiligen Münzausgaben.

Die Klassifikation gilt EU-weit und wird jährlich aktualisiert.


Wo finde ich die vollständige Liste der Goldmünzen 2026?

Das vollständige Verzeichnis kann eingesehen werden:

  • im Amtsblatt der EU (ABl. C/2025/5923)
  • sowie im BMF-Schreiben vom 27.11.2025

Das BMF stellt das Schreiben auf seiner Internetseite zum Download bereit.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Anwendung der Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 EStG nach dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) – Rückwirkende Korrektur der Pflegeversicherungsbeiträge für 2023 bis 2025 im Lohnsteuerverfahren

BMF-Schreiben vom 28.11.2025 (koordinierter Ländererlass), Az.: IV C 5 – S 2379/00005/001/018

Hintergrund: Neue Beitragsdifferenzierung nach dem PUEG

Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) vom 8. Juni 2023 wurde § 55 Absatz 3 SGB XI umfassend überarbeitet. Seit dem 1. Juli 2023 gilt eine neue Beitragsdifferenzierung in der sozialen Pflegeversicherung. Eltern erhalten ab dem zweiten Kind einen Beitragsabschlag von 0,25 Prozentpunkten je Kind, maximal jedoch 1,0 Prozentpunkt.

Um diese Regelung auch steuerlich zu berücksichtigen, wurde § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe c EStG zum 1. Januar 2024 angepasst. Dadurch kann der korrekte – gegebenenfalls niedrigere – Beitragssatz bei der Ermittlung der Vorsorgepauschale berücksichtigt werden.

DaBPV: Neues digitales Verfahren seit Juli 2025

Seit dem 1. Juli 2025 steht mit § 55 Absatz 3c SGB XI das neue digitale Datenaustauschverfahren DaBPV zur Verfügung. Dieses Verfahren stellt sicher, dass die Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder automatisiert ermittelt und der korrekte Beitragssatz in der Pflegeversicherung angewendet wird.

Arbeitgeber müssen den dazugehörigen Initialabruf spätestens bis zum 31. Dezember 2025 für alle Beschäftigten durchführen, die bereits vor dem 1. Juli 2025 im Unternehmen waren.

Rückwirkende Beitragskorrekturen ab 2023

Hat ein Arbeitgeber bislang eine fehlerhafte Kinderzahl berücksichtigt, kann der Sozialversicherungsträger eine rückwirkende Korrektur der Pflegeversicherungsbeiträge ab dem Jahr 2023 verlangen.

Keine lohnsteuerlichen Korrekturen für 2023 und 2024

Das BMF stellt klar:

  • Für die Jahre 2023 und 2024 sind keine Änderungen im Lohnsteuerabzugsverfahren vorzunehmen.
  • Eine Anzeigepflicht nach § 41c Absatz 4 EStG besteht nicht.

Regelung für 2025

Gleiches gilt für das Jahr 2025, wenn aufgrund einer bereits übermittelten Lohnsteuerbescheinigung eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht mehr zulässig ist.

Auswirkungen auf die Lohnsteuerbescheinigung

Werden im Zuge der rückwirkenden Korrektur Beiträge verrechnet oder erstattet, gilt Folgendes:

  • Die korrigierten Werte sind im Kalenderjahr der Verrechnung bzw. Erstattung zu berücksichtigen.
  • Sie sind von den in Zeile 26 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung abzuziehen.
  • Dies gilt ebenso für die Besondere Lohnsteuerbescheinigung.

Eine rückwirkende Änderung bereits ausgestellter Lohnsteuerbescheinigungen ist nicht erforderlich.

Anwendungsregelung

Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden und wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

EuGH: Steuerfreibetrag für EU-Beamte endet spätestens mit dem 26. Lebensjahr des Kindes

Urteil vom 27.11.2025 – C-137/24 P

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat klargestellt:
EU-Beamte können den Steuerfreibetrag für ein in Ausbildung befindliches Kind nur bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres des Kindes erhalten.
Auch wenn das Kind danach weiterstudiert, besteht kein Anspruch auf eine Verlängerung.

Das Urteil betrifft zahlreiche Haushalte von EU-Beamtinnen und -Beamten und schafft Rechtssicherheit für die Verwaltungs- und Finanzstellen der EU-Institutionen.


1. Hintergrund: Kinderzulage und Steuerfreibetrag für EU-Beamte

EU-Beamte erhalten:

  • eine monatliche Kinderzulage für unterhaltsberechtigte Kinder
  • zusätzlich einen Steuerfreibetrag, der dem doppelten Betrag dieser Zulage entspricht und die Steuerbemessungsgrundlage mindert

Die Kinderzulage wird automatisch gezahlt:

  • bis zum 18. Lebensjahr,
  • auf Antrag bis zum 26. Lebensjahr, wenn das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet,
  • ohne Altersgrenze bei schwerer Krankheit oder dauerhafter Gebrechlichkeit.

Der Steuerfreibetrag ist unmittelbar an die Kinderzulage gekoppelt.


2. Der Fall: Fortsetzung des Studiums über den 26. Geburtstag hinaus

Ein EU-Beamter hatte beantragt, den Steuerfreibetrag auch nach dem 26. Geburtstag seiner studierenden Kinder weiter zu erhalten.

Die Europäische Kommission lehnte dies ab – mit der Begründung:

➡️ Kein Anspruch auf Kinderzulage = kein Anspruch auf Steuerfreibetrag

Der Beamte klagte vor dem Gericht der EU – erfolglos – und legte anschließend Rechtsmittel beim EuGH ein.


3. Entscheidung des EuGH: Ende des Steuerfreibetrags mit Vollendung des 26. Lebensjahres

Der EuGH bestätigte die Entscheidung der Kommission und stellte klar:

✔ Der Steuerfreibetrag ist systematisch an den Anspruch auf die Kinderzulage gebunden.

✔ Beide Leistungen enden spätestens mit Vollendung des 26. Lebensjahres.

✔ Eine Verlängerung über dieses Alter hinaus ist rechtlich ausgeschlossen, auch wenn das Studium weitergeführt wird.

Damit bleibt kein Raum für eine erweiternde Auslegung.


4. Keine Anwendung interner Kommissionsrichtlinien

Die Kommission hatte früher interne Hinweise, die eine Weitergewährung des Steuerfreibetrags auch ohne Kinderzulage ermöglichten.

Der EuGH stellt klar:

➡️ Solche internen Dokumente dürfen nicht angewendet werden, wenn sie gegen das Beamtenstatut oder die maßgeblichen EU-Verordnungen verstoßen.


5. Verfahrensrechtlicher Hinweis: Beginn der Dreimonatsfrist

Der EuGH korrigiert außerdem die Praxis der Kommission:

  • Eine E-Mail, in der der Anspruch auf den Freibetrag abgelehnt wird, ist eine Entscheidung – auch wenn sie als „bloße Information“ bezeichnet wird.
  • Die dreimonatige Beschwerdefrist beginnt mit Zugang dieser E-Mail.

Dies stärkt die Rechtssicherheit der Betroffenen im Verwaltungsverfahren.


6. Fazit

Das Urteil schafft klare Verhältnisse:

  • Steuerfreibetrag und Kinderzulage sind untrennbar verbunden.
  • Beide enden – außer in Sonderfällen schwerer Krankheit – spätestens mit 26.
  • Interne Verwaltungshinweise können das Beamtenstatut nicht aushebeln.
  • Für EU-Beamte gilt: Ansprüche müssen frühzeitig geprüft und rechtzeitig beantragt werden.

Für die Verwaltung bedeutet das Urteil eine konsistente, einheitliche Anwendung der Altershöchstgrenze innerhalb der EU-Institutionen.

BFH: Umsatzsteuerbefreiung für nicht zugelassene private Krankenhäuser – nur bei sozial vergleichbaren Bedingungen

Urteil vom 08.07.2025 – XI R 36/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erneut zur Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhausleistungen privater Einrichtungen Stellung genommen – diesmal mit Fokus auf Krankenhäuser, die nicht nach § 108 SGB V zugelassen sind.

Das Urteil ist für private Klinikbetreiber, medizinische Versorgungszentren und Investoren besonders relevant.


1. Kernaussagen des BFH

Der BFH stellt zwei wesentliche Punkte klar:

1.1. Berufung auf EU-Recht möglich – aber nur bis 31.12.2019

Ein nicht zugelassenes privates Krankenhaus konnte sich bis Ende 2019 unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen.

➡️ Folge: Krankenhausleistungen konnten unter Umständen umsatzsteuerfrei sein, auch wenn keine Zulassung nach § 108 SGB V vorlag.

(Ab 2020 gelten neue gesetzliche Anforderungen, die eine solche Berufung faktisch ausschließen.)


1.2. Umsatzsteuerfreiheit setzt „soziale Vergleichbarkeit“ voraus

Die Steuerbefreiung gilt nicht automatisch.

Sie setzt voraus, dass das Krankenhaus Leistungen unter Bedingungen erbringt, die mit den gesetzlichen Krankenhäusern sozial vergleichbar sind.

Der BFH verlangt insbesondere:

  • leistungsfähige medizinische Versorgung,
  • wirtschaftlicher Betrieb,
  • Vergleichbarkeit der Patientengewährleistung mit § 108 SGB V-Krankenhäusern,
  • keine reine „Luxus- oder Wahlleistungsmedizin“ ohne sozialen Charakter.

➡️ Fehlt diese Vergleichbarkeit, besteht keine USt-Befreiung.


2. Hintergrund der Entscheidung

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL sind „Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen“ steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder „anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art“ erbracht werden.

Deutschland knüpft diese Anerkennung grundsätzlich an die Zulassung nach § 108 SGB V.

Private Krankenhäuser, die nicht zugelassen waren, beriefen sich lange erfolgreich auf das EU-Recht – allerdings nur unter engen Voraussetzungen.

Mit der Neuregelung ab 2020 wurde die Möglichkeit der direkten Berufung eingeschränkt.


3. Bedeutung des Urteils für die Praxis

Nachforderungen möglich?

Für Zeiträume bis 2019 kann das Urteil zu Streitigkeiten führen, wenn private Kliniken Steuerbefreiungen geltend gemacht haben, ohne die sozialen Voraussetzungen nachweisbar zu erfüllen.

Für aktuelle und zukünftige Jahre

Ab 2020 ist der Spielraum deutlich kleiner – die Steuerbefreiung setzt höhere nationale Anforderungen voraus.

Wirtschaftliche Risiken

Nicht anerkannte Kliniken müssen bei fehlender Vergleichbarkeit Umsatzsteuer auf Behandlungen erheben – mit Auswirkungen auf:

  • Preisgestaltung
  • Wettbewerbsfähigkeit
  • Margen

Dokumentationspflichten

Private Krankenhausträger sollten sorgfältig dokumentieren:

  • medizinische Standards
  • Personalstruktur
  • Patientenmix (z. B. gesetzlich/privat)
  • Kooperationen mit GKV-System

4. Fazit

Der BFH bleibt seiner Linie treu:

➡️ Keine Umsatzsteuerbefreiung für private Krankenhäuser ohne Zulassung nach § 108 SGB V, wenn diese nicht unter sozial vergleichbaren Bedingungen arbeiten.
➡️ Berufung auf EU-Recht war bis Ende 2019 möglich, schützt aber nur Einrichtungen, die ähnliche soziale Aufgaben erfüllen wie öffentliche oder zugelassene Krankenhäuser.

Für die Branche bedeutet das:
Die Anforderungen an die Steuerbefreiung bleiben hoch – und die Nachweispflichten steigen.

BFH-Urteil: Steuerberatungskosten für die Ermittlung des § 17-Gewinns sind keine Veräußerungskosten

Aktuelles Urteil vom 9. September 2025 (IX R 12/24)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erneut klargestellt, welche Kosten im Rahmen des § 17 EStG als Veräußerungskosten abzugsfähig sind – und welche nicht. Das aktuelle Urteil betrifft einen in der Praxis häufigen Streitpunkt: Steuerberatungskosten, die im Zuge der Erstellung der Einkommensteuererklärung entstehen.


1. Kernaussage des BFH

Laut Urteil IX R 12/24 vom 09.09.2025 gilt:

➡️ Steuerberatungskosten, die anfallen, um den Veräußerungsgewinn einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung zu ermitteln, gehören nicht zu den Veräußerungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Sie dürfen also nicht den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn mindern.


2. Was sind Veräußerungskosten nach § 17 EStG überhaupt?

Veräußerungskosten sind alle Aufwendungen, die unmittelbar auf den Abschluss des Kaufvertrags oder die Vorbereitung und Durchführung der Veräußerung gerichtet sind, z. B.:

  • Rechtsanwaltskosten für Vertragsverhandlungen
  • Notar- und Registergebühren
  • Maklerkosten
  • Kosten der Due Diligence (bei direktem Veranlassungszusammenhang)

Nicht darunter fallen hingegen:

  • Kosten der allgemeinen steuerlichen Beratung
  • Kosten der Erstellung der Einkommensteuererklärung
  • Kosten für die Ermittlung des § 17-Gewinns nach erfolgter Veräußerung

Genau diese Abgrenzung bekräftigt der BFH jetzt erneut.


3. Warum sind Steuerberatungskosten nicht abzugsfähig?

Der BFH argumentiert:

  • Die Kosten entstehen erst nach der Veräußerung,
  • und zwar nicht zur Durchführung der Veräußerung, sondern um die steuerlichen Folgen festzustellen.
  • Damit fehlt der „unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang“ mit dem Verkauf selbst.

➡️ Folge: Die Kosten sind nachträgliche Steuerberatungskosten und keine Veräußerungskosten.


4. Wie sind diese Kosten steuerlich einzuordnen?

Steuerberatungskosten für die Gewinnermittlung oder die Einkommensteuererklärung sind:

  • Nicht als Betriebsausgabe oder Werbungskosten abzugsfähig
    (wegen des Abzugsverbots für private Steuerberatungskosten, § 12 Nr. 3 EStG)
  • Auch nicht als Veräußerungskosten abziehbar

➡️ Sie sind steuerlich überhaupt nicht abzugsfähig.


5. Bedeutung für die Beratungspraxis

Das Urteil hat erhebliche Relevanz:

Typische Fehlerquelle beim Anteilsverkauf

Mandanten gehen häufig davon aus, dass sämtliche Kosten rund um den Veräußerungsprozess abzugsfähig sind. Das ist falsch.

Für Berater wichtig: Klare Kostentrennung

  • Kosten der Transaktionsberatung (Deal-Struktur, Vertragsprüfung, DD) → abzugsfähig
  • Steuererklärungsbezogene Kosten → nicht abzugsfähig

Hier lohnt es sich, Rechnungen korrekt aufzuteilen, um Abzugspotential zu sichern.

Gestaltungshinweis

Wenn steuerliche Beratung vor Abschluss des Kaufvertrags unmittelbar der Veräußerung dient (z. B. steueroptimierte Vertragsgestaltung), kann sie abzugsfähig sein.
Entscheidend ist der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang.


6. Fazit

Der BFH schafft klare Linien:

Steuerberatungskosten für die Erstellung der Steuererklärung bzw. die Berechnung des § 17-Gewinns gehören nicht zu den Veräußerungskosten.
✔ Sie mindern den Veräußerungsgewinn nicht.
✔ Eine saubere Dokumentation und Abgrenzung bleibt für Verkäufer und Berater entscheidend.