Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Mindestgewinnbesteuerung bleibt verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 23. Juli 2025 (Az. 2 BvL 19/14) entschieden, dass die Regelungen zur sogenannten Mindestgewinnbesteuerung rechtmäßig sind. Unternehmen dürfen Verluste somit weiterhin nicht unbegrenzt und sofort mit künftigen Gewinnen verrechnen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes liegt nach Ansicht der Richter nicht vor.


Der Hintergrund

Seit 2004 gilt:

  • Verluste können zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden.
  • Bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. Euro dürfen Gewinne vollständig mit Verlustvorträgen verrechnet werden.
  • Übersteigt der Gewinn diese Grenze, sind nur 60 % des übersteigenden Betrags mit Verlusten verrechenbar. Der Rest bleibt steuerpflichtig.

Diese Begrenzung wird als Mindestgewinnbesteuerung bezeichnet. Ziel ist, dass trotz hoher Verlustvorträge stets ein Mindestanteil des Gewinns der Besteuerung unterliegt.


Der konkrete Fall

Eine Kapitalgesellschaft hatte hohe Verluste aufgebaut. Durch sogenannte Umkehreffekte stieg der ausgewiesene Verlustvortrag zwar, ohne dass tatsächlich Liquidität zufloss. Da die Gesellschaft später insolvent wurde, konnten die Verluste nicht mehr genutzt werden.

Der Bundesfinanzhof sah hierin einen möglichen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und legte die Frage dem BVerfG vor.


Das Urteil des BVerfG

Die Verfassungsrichter erklärten die Regelungen für verfassungsgemäß:

  • Typisierung zulässig: Der Gesetzgeber darf aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung pauschale Regeln schaffen, auch wenn diese im Einzelfall nachteilig wirken.
  • Sockelbetrag + 60 %-Regel gerechtfertigt: Damit wird eine gleichmäßige und zeitnahe Besteuerung sichergestellt.
  • Härtefälle hinnehmbar: Selbst wenn Verlustvorträge – wie im Streitfall – endgültig verloren gehen, begründet dies keinen Verstoß gegen das Grundgesetz.
  • Kein Eingriff in Eigentumsrechte: Die Beschränkung der Verlustverrechnung ist verhältnismäßig und verfassungsgemäß.

Fazit für die Praxis

  • Die Mindestgewinnbesteuerung bleibt bestehen.
  • Verluste können zwar zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden, aber nicht in voller Höhe auf einmal verrechnet werden.
  • Unternehmen müssen in ihrer Steuerplanung und Liquiditätsvorschau berücksichtigen, dass stets ein Teil des Gewinns der Besteuerung unterliegt – auch wenn noch Verlustvorträge vorhanden sind.

👉 Hinweis für Mandanten: Gerade bei größeren Investitionen oder geplanten Restrukturierungen sollte frühzeitig geprüft werden, wie Verlustvorträge in den Folgejahren steuerlich genutzt werden können.

Bundesverfassungsgericht zum Fremdvergleich: Schriftformerfordernis ist nur ein Kriterium

Kernaussage des Urteil BVerfG 27.05.2025 2 BvR 172/24:

Behandelt ein Finanzgericht die Schriftform im Rahmen des Fremdvergleichs wie ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 4 EStG (Betriebsausgaben), verletzt das den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Entscheidend ist stets eine Gesamtwürdigung aller Umstände.

Einordnung des Falls:
Im Streit standen Anlaufverluste inkl. einer Schadensersatzzahlung (4 Mio. €) zwischen Schwester-Personengesellschaften. Finanzamt und FG versagten den Betriebsausgabenabzug im Wesentlichen mit der Begründung, es habe an schriftlichen Vereinbarungen gefehlt; Beweisanträge zu mündlichen/konkludenten Abreden ließ das FG unberücksichtigt. Das BVerfG hob auf: Die Verselbständigung der Schriftform ist willkürlich, weil sie die gebotene Gesamtwürdigung ersetzt.


Was bedeutet das für die Praxis?

  • Schriftform hilft – ist aber nicht zwingend. Sie ist ein Beweiserleichterungs- und kein Tatbestandsmerkmal.
  • Gesamtwürdigung ist Pflicht. Auch mündliche/konkludente Vereinbarungen, gelebte Praxis, Buchungsunterlagen, Korrespondenz, Lieferscheine, Abrechnungen, interne Beschlusslagen u. Ä. sind zu berücksichtigen.
  • Behörden & Gerichte dürfen den Abzug nicht allein wegen fehlender Schriftform versagen, ohne die übrigen Indizien zu würdigen.
  • Rechtsmittelchancen steigen, wenn Beweisanträge zu tatsächlichen Abreden bislang übergangen wurden.

Checkliste „Fremdvergleich mit Gesamtwürdigung“

Nutzen Sie diese Liste für Betriebsprüfung und Einspruch/Klage:

  1. Leistungsinhalt & Preisbildung
    • Marktkonforme Konditionen? Vergleich mit Drittangeboten/Benchmarks.
  2. Durchführung wie unter Fremden
    • Bestellung, Lieferung, Abnahme, Abrechnung, Zahlungsfluss (Timing/Skonto/Mahnwesen).
  3. Risikoverteilung
    • Trägt die wirtschaftlich passende Partei das Risiko (z. B. Planungs-/Leistungsrisiken)?
  4. Dokumentation (auch ohne Vertrag)
    • E-Mails, Protokolle, Pflichtenhefte, Auftrags-/Projektpläne, Rechnungen, Kostenstellen, Leistungsnachweise.
  5. Kontinuität & Plausibilität
    • Übereinstimmung zwischen Plan/Claim und Buchführung; keine abweichenden Cash-Flows über Dritte.
  6. Geschäftsgrund & Vorteilsausgleich
    • Wirtschaftliche Motivation (z. B. Schadensausgleich) nachvollziehbar?
  7. Verfahrensseite
    • Wurden Beweisanträge gestellt (Zeugen, Urkunden, Sachverständige)? Wurden sie übergangen?

Do’s & Don’ts

Do:

  • Frühzeitig Indizienmappe anlegen (Korrespondenz, Projektakten, Buchungsbelege).
  • Im Rechtsbehelf Gesamtwürdigung strukturieren (Checkliste als Gliederung).
  • Explizit rügen, wenn das Amt/FG ausschließlich auf Schriftform abstellt.

Don’t:

  • Schriftformfetischismus: Kein Abzug allein wegen fehlender Vertragsurkunde akzeptieren.
  • Unterlagen „nach Aktenlage“ stehen lassen – Beweisanträge aktiv stellen.

Praxistipp für Mandanten

  • Verträge schriftlich festhalten, wenn möglich – das spart Streit.
  • Wo das versäumt wurde: Dokumente nachziehen, gelebte Praxis belegen (E-Mails, Abnahmen, Zahlungsflüsse).
  • In gruppeninternen Konstellationen Drittvergleich durch Benchmarks dokumentieren.

Rechnung und Vorsteuerabzug in der Praxis

Ein Unternehmen muss sicherstellen, dass der Vorsteuerabzug nicht an formalen Fehlern scheitert. Gerade kleine Unachtsamkeiten in Rechnungen können nicht nur den Vorsteuerabzug gefährden, sondern auch zu hohen Zinsrisiken führen. Zwar lassen aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen unter bestimmten Voraussetzungen eine rückwirkende Rechnungsberichtigung zu – dennoch bleibt eine sorgfältige Rechnungseingangskontrolle unverzichtbar.

Dieser Beitrag zeigt die häufigsten Praxisprobleme auf und gibt Hinweise für sichere Gestaltungen.


Kernaussagen

  • Rückwirkende Rechnungsberichtigung schützt Leistungsempfänger vor Zinsschäden, setzt aber bestimmte Mindestangaben voraus.
  • Alltägliche Geschäftsvorfälle wie Reisekostenweiterbelastungen, Konzernabrechnungen oder Vermietungen bergen umsatzsteuerliche Fallstricke.
  • Systematische Rechnungseingangskontrolle ist Pflicht – nicht nur für den Vorsteuerabzug, sondern auch zum Schutz vor Betrugsfällen.

1. Rückwirkende Rechnungsberichtigung – neue Chancen, klare Hürden

Seit der EuGH- und BFH-Rechtsprechung ist es möglich, eine fehlerhafte Rechnung mit Rückwirkung zu berichtigen. Voraussetzung: Die ursprüngliche Rechnung enthält mindestens Angaben zu

  • Leistungsempfänger,
  • leistendem Unternehmer,
  • Leistungsbeschreibung,
  • Nettoentgelt und
  • Umsatzsteuerausweis.

Fehlen diese Angaben oder sind sie völlig unbestimmt, ist eine rückwirkende Korrektur ausgeschlossen. Unternehmen sollten daher unverzüglich Rechnungsberichtigungen anfordern, wenn Fehler auffallen.

Praxis-Tipp:
Bereiten Sie standardisierte Textbausteine für Berichtigungsschreiben vor, damit Ihre Buchhaltung schnell reagieren kann.


2. Typische Praxisprobleme und Fallstricke

a) Weiterbelastung von Reisekosten

Reisekosten sind bei der Weiterberechnung regelmäßig Nebenleistungen zur Hauptleistung und daher mit deren Steuersatz zu versteuern. Ein bloßes „Durchreichen“ der Hotelrechnung führt hier zu falschen Abrechnungen.

b) Verwechslung von Konzerngesellschaften

Rechnungen dürfen nur an den tatsächlichen Leistungsempfänger adressiert sein. Falsch adressierte Rechnungen können den Vorsteuerabzug gefährden – auch wenn es sich nur um einen falschen Rechtsformzusatz handelt.

c) Vermietung durch ausländische Vermieter

Die Finanzverwaltung unterstellt ausländischen Vermietern eine inländische Betriebsstätte. Der EuGH sieht das anders – ein Risiko für gewerbliche Mieter, die auf den Vorsteuerabzug angewiesen sind.

d) Aufsichts- und Beiratsvergütungen

Ob ein Beirat umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, hängt von der Vergütungsstruktur ab. Wird Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 14c UStG).

e) Geschäftsveräußerung im Ganzen

Bei Asset-Deals droht die Gefahr, dass Umsatzsteuer unberechtigt ausgewiesen wird. In solchen Fällen ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

f) Verspäteter Vorsteuerabzug

Eingangsrechnungen, die verspätet gebucht werden, können den sofortigen Abzug gefährden. Neuere EuGH- und BFH-Rechtsprechung ermöglicht zwar ein „Nachholen“, dennoch ist eine zeitnahe Prüfung unverzichtbar.


3. Systematische Rechnungseingangskontrolle – Pflichtprogramm für Unternehmen

Eine funktionierende Rechnungseingangskontrolle schützt doppelt: Sie sichert den Vorsteuerabzug und verhindert Betrug durch Scheinrechnungen.

Empfohlene Maßnahmen:

  • 3-Way-Match (Abgleich von Bestellung, Lieferung und Rechnung)
  • Prüfung der IBAN und Stammdaten im ERP-System
  • Nutzung des SEPA-Lastschriftverfahrens für echte Geschäftspartner
  • Aufbau eines Umsatzsteuer-Handbuchs für die Einkaufsabteilung

4. Fazit

Der Vorsteuerabzug ist ein zentrales Liquiditätsinstrument. Formale Fehler auf Eingangsrechnungen sollten nicht dazu führen, dass Unternehmen bares Geld verlieren. Mit einem klaren Kontrollsystem, standardisierten Prozessen und enger Abstimmung zwischen Einkauf, Buchhaltung und Steuerabteilung lassen sich Risiken deutlich reduzieren.


👉 Praxisempfehlung: Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Steuerberater ein unternehmensinternes Umsatzsteuer-Handbuch, das typische Geschäftsvorfälle abbildet. So wird die Rechnungskontrolle auch für Nicht-Steuerexperten nachvollziehbar – und der Vorsteuerabzug bleibt gesichert.

Hessen testet KI-Assistenten in der Finanzverwaltung

Die Digitalisierung macht auch vor den Finanzämtern nicht halt: Die Hessische Finanzverwaltung startet ein Pilotprojekt, bei dem Beschäftigte künftig mit einem eigenen KI-Assistenten arbeiten können. Darauf weist das Hessische Ministerium der Finanzen in einer aktuellen Mitteilung hin.

Welcher KI-Assistent kommt zum Einsatz?

Für das Pilotprojekt wurden 400 Lizenzen des KI-Assistenten „Le Chat“ der Firma Mistral AI für ein Jahr erworben. Dieser bietet ein breites Anwendungsspektrum:

  • Bildgenerierung
  • Programmierunterstützung
  • KI-gestützte Websuche
  • Möglichkeit, eigene KI-Agenten für spezifische Tätigkeiten einzurichten

Die Beschäftigten können die Funktionen individuell je nach Arbeitsbereich einsetzen.

Warum eine eigene Lösung für die Finanzverwaltung?

In der Steuerverwaltung wird mit hochsensiblen Daten gearbeitet. Daher gelten besonders hohe Anforderungen an Datenschutz und Informationssicherheit. Eine maßgeschneiderte Lösung soll gewährleisten, dass der Einsatz von KI den rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen entspricht.

Nächste Schritte

Das Pilotprojekt läuft in der gesamten Finanzverwaltung (Steuer-, Bau- und Beteiligungsverwaltung). Ziel ist es, umfassende Erkenntnisse über den praktischen Nutzen zu sammeln. Fällt die Erprobung positiv aus, soll der KI-Assistent flächendeckend eingeführt werden.

Bisherige KI-Projekte in Hessen

Hessen zählt zu den Vorreitern beim Einsatz künstlicher Intelligenz in der Steuerverwaltung:

  • 2019: Gründung der Forschungsstelle KI im Finanzamt Kassel zur Entwicklung von IT- und KI-Lösungen.
  • Einsatz bei der Aufklärung von Steuerkriminalität, z. B. durch Auswertung der Panama Papers oder bei Cum-Cum-Geschäften.
  • Grundsteuerreform: Unterstützung durch KI bei der Einspruchsbearbeitung.
  • Seit September 2025: eigener KI-Chatbot „Maxi“ zur Beschleunigung der Steuerfallbearbeitung.

Steuer- vs. Finanzverwaltung: Wo liegt der Unterschied?

  • Steuerverwaltung: Vollzug der Steuergesetze, v. a. durch Finanzämter und Oberfinanzdirektion.
  • Finanzverwaltung: umfasst zusätzlich weitere Behörden im Geschäftsbereich des Finanzministeriums, z. B. den Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen.

Fazit

Mit dem KI-Pilotprojekt geht Hessen einen weiteren Schritt in Richtung digitale Finanzverwaltung. Der Einsatz von KI soll nicht nur die Arbeit der Finanzbeamten effizienter machen, sondern auch langfristig zu einer schnelleren Bearbeitung für Steuerpflichtige beitragen.

Thüringen baut digitale Kommunikation der Finanzämter aus

Ab Ende September 2025 können Steuerpflichtige und ihre steuerlichen Vertreter in Thüringen nicht mehr nur Steuerbescheide, sondern auch weitere Schreiben der Finanzämter digital über „Mein ELSTER“ empfangen. Damit geht die Finanzverwaltung einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung.

Welche Dokumente werden digital übermittelt?

Neben Steuerbescheiden können künftig auch folgende Schreiben elektronisch zugestellt werden:

  • Nachforderungen von Unterlagen
  • Rückfragen zu steuerlichen Sachverhalten
  • weitere Mitteilungen der Finanzämter

Für jedes neue Dokument im ELSTER-Konto wird eine gesonderte Benachrichtigungs-E-Mail verschickt.

Vorteile für Steuerpflichtige und Kanzleien

  • Zeitersparnis: Postlaufzeiten entfallen, Dokumente stehen sofort digital bereit.
  • Effizientere Abläufe: Besonders für Steuerberaterkanzleien wird die Kommunikation schneller und strukturierter.
  • Einfachere Rückmeldungen: Nachgeforderte Unterlagen können ebenfalls direkt elektronisch über ELSTER eingereicht werden.

Voraussetzung: Elektronische Einwilligung

Damit die neue digitale Zustellung genutzt werden kann, ist eine aktive Zustimmung im Online-Portal „Mein ELSTER“ erforderlich.

  • Die Einwilligung gilt steuerartenübergreifend, bis sie widerrufen oder angepasst wird.
  • Eine Änderung ist jederzeit möglich.

Fazit

Mit der erweiterten digitalen Kommunikation modernisieren die Thüringer Finanzämter ihre Abläufe und bieten Steuerpflichtigen wie auch Kanzleien einen echten Mehrwert. Wer die Vorteile nutzen möchte, sollte jetzt prüfen, ob die elektronische Einwilligung im ELSTER-Portal bereits erteilt wurde.

Einspruchsstatistik 2024: Deutlich weniger Einsprüche, Filterwirkung bestätigt

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die aktuelle Statistik zur Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern veröffentlicht. Die Zahlen für 2024 zeigen: Das Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung bleibt ein wirksames Korrektiv, bevor es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt.

Rechtsweg in Steuersachen – Einspruch als Pflichtschritt

Bevor Steuerpflichtige das Finanzgericht anrufen können, ist in den meisten Fällen ein Einspruch beim Finanzamt erforderlich. Dieses Verfahren gibt der Verwaltung die Chance, die Entscheidung noch einmal zu prüfen. In der Praxis führt das dazu, dass viele Streitigkeiten schon im Einspruchsverfahren erledigt werden – ein Effekt, den man als Filterwirkung bezeichnet.

Weniger Einsprüche im Jahr 2024

  • Rückgang um 40,4 % bei den eingelegten Einsprüchen im Vergleich zu 2023.
  • Grund: 2023 war die Zahl der Einsprüche aufgrund der Grundsteuerreform stark gestiegen.
  • Ende 2024 waren jedoch noch über 10,4 Mio. Einsprüche unerledigt – ein Rekordstand, der überwiegend auf ausgesetzte Verfahren im Zusammenhang mit Musterprozessen zurückzuführen ist.

Wie wurden die Einsprüche erledigt?

Im Jahr 2024 wurden rund 4,1 Mio. Einsprüche abgeschlossen. Die Verteilung zeigt, dass die meisten Verfahren ohne formelle Entscheidung geklärt werden:

  • 68,0 % Abhilfe (z. B. weil Steuererklärungen nachgereicht oder Aufwendungen belegt wurden)
  • 17,6 % Rücknahme durch Steuerpflichtige
  • 12,7 % förmliche Einspruchsentscheidung
  • 0,4 % Teil-Einspruchsentscheidungen
  • 1,3 % auf andere Weise (z. B. Erledigung durch Änderungsbescheid oder Ablauf einer Außenprüfung)

Klagen weiterhin selten

Nur 1,1 % der erledigten Einsprüche führten im Jahr 2024 zu einer Klage beim Finanzgericht. Die Zahl der Klagen ging weiter zurück:

  • 2020: 59.774 Klagen
  • 2024: 46.120 Klagen (–2,5 % gegenüber 2023)

Das zeigt, dass der überwiegende Teil der Streitigkeiten bereits außergerichtlich gelöst werden kann.

Fazit

Die Statistik belegt:

  • Der Einspruch bleibt ein effektives und schnelles Mittel, um fehlerhafte Bescheide zu korrigieren.
  • Nur ein kleiner Bruchteil der Fälle muss vor Gericht geklärt werden.
  • Die weiterhin hohe Zahl unerledigter Einsprüche ist vor allem ein Nachhall der Grundsteuerreform.

👉 Tipp für Steuerpflichtige: Wer Zweifel an seinem Steuerbescheid hat, sollte die Einspruchsfrist von einem Monat ernst nehmen und rechtzeitig handeln. Oft lassen sich Fehler im außergerichtlichen Verfahren schnell und ohne Klage beheben.

Steuerliche Gestaltungsideen aus Social Media – Chancen und Risiken im Faktencheck

Immer mehr Mandanten kommen heute mit vermeintlich „fixen“ Steuertricks aus sozialen Medien in die Kanzlei. Die Darstellungen dort sind selten komplett falsch – sie blenden jedoch entscheidende Aspekte, Risiken und Rahmenbedingungen aus. Genau hier setzt unsere Beratung an: Wir prüfen, was wirklich funktioniert, welche Gestaltungsspielräume bestehen und wo Vorsicht geboten ist.

Nachfolgend beleuchten wir einige der derzeit am häufigsten diskutierten Steuerideen und geben Ihnen einen realistischen Überblick.

Private Pkw-Nutzung: Ohne 1 %-Regelung und ohne Fahrtenbuch?

Auf Plattformen kursieren Tipps, wie sich die private Pkw-Nutzung steuerfrei gestalten lässt. Vorgeschlagen werden Modelle ohne 1 %-Regelung, ohne Fahrtenbuch oder sogar durch ein „Nutzungsverbot“.
Fakt ist: Finanzämter prüfen diese Themen sehr genau. Schon kleinste Nachlässigkeiten können zu erheblichen Steuernachzahlungen führen. Es braucht daher klare Nachweise und eine rechtssichere Gestaltung.

„Doppelstock“-Holding

Die sogenannte Doppelstock-Holding gilt in Social Media fast schon als Wundermittel zur Steuerersparnis. Tatsächlich kann die Struktur Vorteile bei der Thesaurierung und beim Exit bieten. Allerdings entstehen zusätzliche Kosten, laufender Verwaltungsaufwand und rechtliche Risiken. Nur wenn die wirtschaftliche Situation passt, ist dieses Modell sinnvoll.

Steuern sparen bei Investments – GmbH als „Sparbüchse“

Immer beliebter ist die Idee, eine GmbH als Investmentvehikel zu nutzen, um Kapitalerträge günstiger zu versteuern. Das klingt attraktiv – doch es gibt erhebliche Unterschiede zwischen privater Kapitalanlage und GmbH-Investments. Themen wie Verlustverrechnung, Ausschüttungen, Doppelbesteuerung und Verwaltungskosten dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden.

Gestaltungen mit Versicherungen

Auch Versicherungen werden gerne als steueroptimierende Instrumente dargestellt:

  • Kranken-/Pflegeversicherung: Absetzbarkeit ist nur im Rahmen der Basisabsicherung voll gegeben.
  • Rentenversicherungen: Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, aber Steuerfreiheit oder vollumfängliche Abziehbarkeit sind längst nicht immer realistisch.
  • Sterbegeldversicherung: Oft werden hier steuerliche Effekte überbetont – in Wahrheit sind die Vorteile sehr begrenzt.

Fazit

Steuern lassen sich optimieren – aber nicht mit pauschalen „Wundermitteln“ aus Social Media. Jede Gestaltung braucht eine fundierte Prüfung, die Ihre persönliche Situation berücksichtigt.

Unser Tipp: Fragen Sie einen Steuerberater, um sich seriös und praxisnah über Chancen und Risiken zu informieren. Denn was auf TikTok oder YouTube nach einer simplen Lösung aussieht, kann in der Realität schnell zum Steuerproblem werden.

BFH zur Tarifierung von Fischöl – Mindestgehalt an Triglyceriden

BFH, Beschluss vom 19.05.2025 – VII R 18/22 (EuGH-Vorlage)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Frage zur zolltariflichen Einreihung von Fischöl vorgelegt. Im Mittelpunkt steht die Abgrenzung der Ware in der Kombinierten Nomenklatur (KN).


Vorlagefrage des BFH

Der BFH möchte vom EuGH geklärt wissen:

  • Welcher Mindestgehalt an Triglyceriden ist erforderlich, damit eine Ware als „Fette und Öle“ im Sinne der KN-Position 1516 einzustufen ist,
  • wenn sie im Übrigen überwiegend aus Mono- und Diglyceriden besteht, die als Nebenprodukte einer Wiederveresterung entstanden sind.

Hintergrund

  • Die Kombinierte Nomenklatur (KN) ist die Grundlage für die zolltarifliche Einreihung von Waren in der EU.
  • Fischöle können sowohl in Lebensmittel- und Futtermittelindustrien als auch in der chemischen Industrie Verwendung finden.
  • Für die zollrechtliche Behandlung ist entscheidend, ob ein Erzeugnis als „Fette und Öle“ (Kapitel 15 KN) oder unter einer anderen Position einzureihen ist.
  • Der Anteil an Triglyceriden spielt dabei eine zentrale Rolle, da diese den Hauptbestandteil natürlicher Fette und Öle ausmachen.

Bedeutung der Vorlage

  • Die Antwort des EuGH wird Klarheit darüber schaffen, welcher Mindestgehalt an Triglyceriden für die Einreihung maßgeblich ist.
  • Dies hat direkte Auswirkungen auf die Zolltarifierung und Zollhöhe bei der Einfuhr entsprechender Produkte.
  • Betroffen sind insbesondere Unternehmen, die mit Fischölprodukten oder ähnlichen Erzeugnissen handeln, die im Herstellungsprozess durch Wiederveresterung verändert wurden.

Praxis-Hinweis

  • Unternehmen im Import/Export sollten die weitere Entwicklung genau beobachten, da eine abweichende Tarifierung zu Nachforderungen oder Erstattungen von Zöllen führen kann.
  • Bis zur Entscheidung des EuGH bleibt eine Rechtsunsicherheit bestehen. Unternehmen sollten daher ihre Zollanmeldungen dokumentieren und mögliche Risiken einkalkulieren.
  • Steuerberater und Zolldeklaranten sollten prüfen, ob in laufenden Verfahren ein Ruhen des Verfahrens bis zur EuGH-Entscheidung sinnvoll ist.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH zur Nacherhebung einer Zollschuld im Nachgang einer Erstattung

BFH, Urteil vom 24.06.2025 – VII R 22/22

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zur Nacherhebung von Zöllen nach einer zuvor gewährten Erstattung entschieden und dabei die unionsrechtlichen Vorgaben des Zollkodex der Union (UZK) präzisiert.


Leitsatz des BFH

  • Ein Einfuhrabgabenbescheid, mit dem Zoll erstattet wird, ist eine begünstigende Entscheidung i. S. d. Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 UZK.
  • Will die Zollbehörde nach einer solchen Erstattung eine Nacherhebung derselben Zollschuld gemäß Art. 105 Abs. 4 UZK vornehmen, muss sie die begünstigende Entscheidung zuvor zurücknehmen (Art. 27 UZK) oder widerrufen (Art. 28 UZK).
  • Art. 116 Abs. 7 Unterabs. 1 UZK, der unter bestimmten Voraussetzungen ein Wiederaufleben der Zollschuld vorsieht, verdrängt die Art. 27 und 28 UZK nicht.

Hintergrund

  • Unternehmen beantragen häufig die Erstattung von Zöllen, wenn diese nachträglich als zu hoch oder unrechtmäßig erhoben erscheinen.
  • Kommt die Zollbehörde dem Antrag nach, ergeht ein begünstigender Bescheid.
  • Später kann die Behörde zu der Auffassung gelangen, dass die Erstattung zu Unrecht erfolgte und eine Nacherhebung notwendig ist.
  • Streitpunkt: Darf die Behörde die Zollschuld ohne Rücknahme oder Widerruf des Erstattungsbescheids erneut geltend machen?

Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

  • Die Rechtswirkungen eines begünstigenden Bescheids bleiben bestehen, solange er nicht wirksam aufgehoben wird.
  • Eine Nacherhebung nach Art. 105 Abs. 4 UZK ist nur möglich, wenn die Zollbehörde zuvor den Erstattungsbescheid nach den Vorschriften des UZK aufhebt oder widerruft.
  • Art. 116 Abs. 7 UZK, der ein Wiederaufleben von Zollschulden kennt, ist kein Ersatz für die erforderliche Entscheidung nach Art. 27 oder 28 UZK.

Bedeutung für die Praxis

  • Rechtssicherheit für Unternehmen: Erstattungsbescheide genießen Vertrauensschutz. Eine nachträgliche Nacherhebung setzt ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Aufhebung des Bescheids voraus.
  • Vorgehen der Zollbehörden: Diese müssen künftig strikt prüfen, ob eine Rücknahme oder ein Widerruf erforderlich ist, bevor sie eine Nacherhebung vornehmen.
  • Compliance-Pflicht der Unternehmen: Für Importeure und Exporteure bedeutet das Urteil, dass sie sich auf die Bestandskraft von Erstattungen berufen können – es sei denn, die Behörde hebt diese ausdrücklich auf.

Praxis-Hinweis

Unternehmen sollten:

  • Erstattungsbescheide sorgfältig aufbewahren und prüfen, ob die Behörde im Nachgang eine formgerechte Aufhebung vorgenommen hat.
  • Bei Nacherhebungen ohne Widerruf oder Rücknahme sofort rechtliche Schritte prüfen, da solche Forderungen nach der BFH-Rechtsprechung angreifbar sind.
  • Das Urteil stärkt den Rechtsschutz gegenüber Zollbehörden und sorgt für mehr Planungssicherheit im internationalen Handel.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG bei fehlender Steuerbarkeit des vorausgegangenen Erwerbs

BFH, Urteil vom 07.05.2025 – II R 16/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch dann Anwendung findet, wenn der vorausgegangene Erwerb der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht steuerbar war.


Leitsatz des BFH

  • Auf eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung kann die Rückgängigmachungsvorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG angewendet werden.
  • Es ist unschädlich, dass der vorausgegangene Erwerb der Anteile nicht der Grunderwerbsteuer unterlag.

Hintergrund

  • Nach § 1 Abs. 3 GrEStG unterliegt die Vereinigung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften der Grunderwerbsteuer, sobald mindestens 95 % (seit 2021: 90 %) der Anteile in einer Hand zusammengeführt werden.
  • § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG eröffnet die Möglichkeit, eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn ein steuerbarer Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird.
  • Streitpunkt war, ob diese Begünstigung auch dann greift, wenn der ursprüngliche Erwerb nicht steuerbar war.

Entscheidung des BFH

Der BFH bejaht die Anwendbarkeit:

  • Maßgeblich ist allein, dass der aktuelle Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar ist.
  • Dass ein vorheriger Anteilserwerb nicht steuerbar war, steht der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen.
  • Damit wird die Steuerbefreiung in der Praxis erleichtert und erweitert.

Bedeutung für die Praxis

  • Rechtssicherheit: Die Entscheidung schafft Klarheit für Fälle, in denen Beteiligungen in der Vergangenheit außerhalb der Steuerpflicht erworben wurden.
  • Entlastung für Unternehmen: Bei konzerninternen Umstrukturierungen oder Anteilstransaktionen kann die Befreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch dann greifen, wenn einzelne Vorvorgänge nicht steuerbar waren.
  • Gestaltungsspielraum: Unternehmen erhalten mehr Flexibilität, steuerliche Risiken zu reduzieren, wenn Anteilsvereinigungen rückgängig gemacht werden.

Praxis-Hinweis

  • Gesellschaften mit grundbesitzenden Beteiligungen sollten prüfen, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG erfüllt sind, wenn eine steuerbare Anteilsvereinigung rückgängig gemacht wird.
  • Die BFH-Rechtsprechung erleichtert die Argumentation gegenüber der Finanzverwaltung, insbesondere bei komplexen Beteiligungsstrukturen.
  • Wichtig bleibt eine saubere Dokumentation aller Erwerbsvorgänge, um die Anwendung der Steuerbefreiung nachweisen zu können.

Quelle: Bundesfinanzhof