Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Entwicklung der Mehrwertsteuer: EU-Kommission denkt „grüner“ – Neue Optionen für Second-Hand, Produktspenden und Bildungsleistungen

DStV begrüßt Reformüberlegungen und fordert Wahlrechte für Weiterbildungsträger

Die EU-Kommission arbeitet derzeit an möglichen Reformbausteinen für die Zukunft des europäischen Mehrwertsteuersystems. Nach Umsetzung von ViDA („VAT in the digital age“) im Jahr 2025, rücken nun Aspekte wie Nachhaltigkeit, der Second-Hand-Markt und die Mehrwertsteuerbefreiung für Bildungsleistungen in den Fokus. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) berichtet über die ersten Inhalte und bewertet zentrale Reformoptionen.


A. Die Zukunft der EU-Mehrwertsteuer nach ViDA

Die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) aus dem Jahr 2006 wird seit Jahren fortlaufend reformiert. Mit ViDA (2025/516/EU) wurden zuletzt große Veränderungen angestoßen – etwa zur digitalen Rechnungsstellung, zum Echtzeit-Datenaustausch und zu Plattformgeschäftsmodellen.

Jetzt richtet die EU-Kommission den Blick auf die Zeit nach ViDA und hat die Studie „The challenges of VAT beyond ViDA“ in Auftrag gegeben. Ziel:
👉 Die Mehrwertsteuer soll künftig stärker zu Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung beitragen.

Im Fokus stehen drei Themenbereiche:


1. „Grüne“ Mehrwertsteuer: Förderung nachhaltiger Märkte

Die EU prüft, wie das Mehrwertsteuersystem ökologischer gestaltet werden kann – u. a. durch:

  • Förderung nachhaltiger Konsummuster
  • Begünstigung reparierter oder wiederverwendeter Produkte
  • Vermeidung steuerlicher Fehlanreize bei Produktvernichtung

Konkrete Vorschläge liegen noch nicht vor, aber erste Ansätze werden in der VAT Expert Group diskutiert.


2. Second-Hand-Produkte: Zwei mögliche Reformmodelle

Der Gebrauchtwarenmarkt ist ein Kernbereich der Kreislaufwirtschaft. Aktuell gilt in Deutschland für viele Second-Hand-Geschäfte die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, wenn der Ankauf ohne Vorsteuerabzug erfolgt.

Die EU erwägt zwei Reformoptionen:

Option 1: Harmonisierung und Erweiterung des aktuellen Systems

  • Beibehaltung der Differenzbesteuerung
  • Erweiterung der Definition von „Gebrauchtgegenständen“
  • Bessere Integration in E-Rechnungssysteme
  • Ausweitung des One-Stop-Shop (OSS)
    → Umstieg zur zielbasierten Besteuerung, also Besteuerung im Land des Verbrauchs

Diese Option würde grenzüberschreitenden Handel erleichtern und könnte Second-Hand-Plattformen entlasten.

Option 2: Einführung eines fiktiven Vorsteuerabzugs

Anlehnung an Modelle wie in Neuseeland:

  • Der Händler gibt beim Ankauf einen „fiktiven Wert“ für das Produkt an
  • Darauf basiert ein fiktiver Vorsteuerabzug
  • Verkauf wird wie ein normaler Umsatz versteuert

Diese Option würde das System vereinheitlichen, birgt aber Bewertungs- und Missbrauchsrisiken.


3. Mehrwertsteuer und Produktvernichtung: Steuerbefreiung für Sachspenden?

Aktuell gilt:
Unentgeltliche Wertabgaben (z. B. Spenden) werden nach § 3 Abs. 1b UStG wie entgeltliche Lieferungen behandelt.

Folge:
➡️ Unternehmen zahlen Mehrwertsteuer auf gespendete, aber nicht verkaufte Waren.
➡️ Die Vernichtung ist oft steuerlich günstiger – ein offensichtlicher Nachhaltigkeitswiderspruch.

Die EU-Kommission prüft daher:

  • Mehrwertsteuerbefreiung für Sachspenden
  • Spezielle Regelungen zur Förderung der Abfallvermeidung

Das deutsche BMF sieht dagegen „keinen unmittelbaren Handlungsdruck“, räumt aber Interpretationsspielraum ein. Eine Klarstellung in der MwStSystRL könnte hier europaweit einheitliche Erleichterungen schaffen.


B. Mehrwertsteuer auf Bildungsleistungen – DStV fordert Wahlrecht

Gemäß Art. 132 MwStSystRL und § 4 UStG sind viele Bildungsleistungen steuerbefreit.
Problem:
👉 Gewerbliche Bildungsträger verlieren den Vorsteuerabzug und müssen höhere Kosten auf Teilnehmer umlegen.

Dies trifft besonders:

  • private Weiterbildungsanbieter
  • Sprachschulen
  • berufliche Fortbildungsinstitute
  • spezialisierte Lehrgangsanbieter

Die German Tax Advisers (DStV & BStBK, Brüssel) fordern daher ein:

→ echtes Optionsmodell zur Umsatzsteuerpflicht

Vorteile:

  • Vorsteuerabzug möglich
  • Netto-Kosten sinken
  • Preise werden transparenter
  • Fairer Wettbewerb gegenüber nicht gewerblichen Trägern

Die Reaktion der EU-Kommission („very useful“) zeigt Offenheit – konkrete Folgeinitiativen stehen jedoch noch aus.


Fazit: Mehrwertsteuer im Wandel – Nachhaltigkeit als neuer Leitgedanke

Die EU-Kommission denkt die Mehrwertsteuer zunehmend als Lenkungsinstrument für ökologische und gesellschaftliche Ziele. Die relevanten Trends:

  • Second-Hand-Märkte sollen attraktiver werden
  • Produktvernichtung soll eingedämmt werden
  • Bildungsträger sollen flexibilisiert werden
  • Nachhaltigkeit rückt stärker in den Fokus
  • Digitalisierung durch ViDA bleibt ein Dauerthema

Für Unternehmen, Händler, Bildungseinrichtungen und Steuerberater ergeben sich daraus potenziell erhebliche Änderungen, die in den nächsten Jahren die Mehrwertsteuersystematik neu ordnen könnten.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Mitteilung vom 12.11.2025

Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG: BMF setzt BFH-Urteil um und ändert UStAE umfassend

Neue Vorgaben zu „stehender Ernte“, landwirtschaftlichen Geräten und Vertrauensschutz bis Juni 2026

Mit Schreiben vom 12. November 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) – nach Abstimmung mit den Ländern – weitreichende Änderungen zur Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG veröffentlicht. Anlass ist das BFH-Urteil vom 17. August 2023 (V R 3/21), das zentrale Punkte der Durchschnittssatzbesteuerung neu bewertet hat. Das BMF übernimmt diese Rechtsprechung nun vollständig in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE).

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:


1. Lieferungen landwirtschaftlicher Geräte unterliegen der Regelbesteuerung

Der BFH hat klargestellt:

👉 Die Lieferung von Geräten, die ein Land- oder Forstwirt ausschließlich für Umsätze nach § 24 UStG verwendet hat, fällt nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung.

Damit bestätigt der BFH die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 24.2 Abs. 6 Satz 2 UStAE).

Folge:
Der Verkauf gebrauchter Maschinen, Traktoren, Erntetechnik usw. ist immer mit dem Regelsteuersatz zu versteuern – auch wenn der Betrieb insgesamt pauschal nach § 24 UStG besteuert wird.


2. „Stehende Ernte“ ist kein landwirtschaftliches Erzeugnis

Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils:

👉 Früchte auf dem Feld („stehende Ernte“) gelten vor der Ernte noch nicht als landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Daher gilt:

  • Die bloße Veräußerung der stehenden Ernte unterliegt nicht der Durchschnittssatzbesteuerung.
  • Sie verschafft dem Erwerber lediglich die Möglichkeit, selbst Erzeugnisse zu gewinnen.

Ausnahme:
Wird eine Erntevereinbarung abgeschlossen, sodass die Früchte im Zeitpunkt der Ernte automatisch dem Veräußerer zugerechnet werden,
kann das Ernteprodukt als landwirtschaftliches Erzeugnis gelten.
→ Dann ist die Durchschnittssatzbesteuerung anwendbar.


3. Verwaltungsvereinfachung mit 95 %-Grenze entfällt

Die alte Verwaltungsregel, nach der Umsätze mit Gegenständen des Unternehmensvermögens pauschal besteuert werden konnten, wenn sie mindestens zu 95 % für pauschalbesteuerte Umsätze genutzt wurden, erachtet der BFH als nicht vereinfachend.

👉 Diese Regelung entfällt vollständig.

Damit gilt ab sofort:
Jeder Verkauf eines Gegenstands des land- und forstwirtschaftlichen Unternehmensvermögens (z. B. Maschinen, Geräte, Fahrzeuge)
unterliegt immer der Regelbesteuerung.


4. Anpassungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)

Das BMF passt mehrere Abschnitte des UStAE an. Besonders relevant:

  • Abschnitt 24.2 Abs. 6 UStAE wird komplett neu gefasst.
  • Klarstellung zu stehender Ernte, Erntevereinbarungen und Regelbesteuerung bei Gerätelieferungen.
  • Anpassungen in 24.1 Abs. 4 und 24.3 Abs. 9 (u. a. Streichung bestimmter Vereinfachungen).
  • Ergänzung in 14c.1 Abs. 1 UStAE:
    Auch zivilrechtlich vollbeendete Personengesellschaften können Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulden.

5. Vertrauensschutz: Übergangsregelungen bis 30. Juni 2026

Zum Schutz land- und forstwirtschaftlicher Betriebe hat das BMF eine großzügige Übergangsregel geschaffen:

👉 Bis zum 30. Juni 2026 wird es nicht beanstandet, wenn Landwirte weiterhin die alte Rechtslage anwenden –
einschließlich der bisherigen Regelungen zu Gerätelieferungen und zur 95 %-Grenze.

Voraussetzung:

  • Die Rechnung muss entsprechend der alten Rechtslage ausgestellt werden.

Unternehmer können sich also frei entscheiden, ob sie bis Mitte 2026 die alten oder die neuen Vorgaben anwenden.


6. Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG möglich

Wenn ein Verkauf künftig der Regelbesteuerung unterliegt und zuvor ein reduzierter Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG vorgenommen wurde, gilt:

👉 Es kann eine zeitanteilige Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 8 und 9 UStG notwendig sein.

Dies betrifft z. B. Maschinen, Fahrzeuge oder langlebige Wirtschaftsgüter.


Fazit: Wichtige Weichenstellung für Land- und Forstwirte

Mit dem neuen Schreiben schafft das BMF Rechtssicherheit:

  • Verkäufe landwirtschaftlicher Geräte → immer Regelbesteuerung
  • „Stehende Ernte“ ohne Erntevereinbarung → nicht pauschal steuerbar
  • 95 %-Vereinfachungsregel entfällt
  • Übergangsregel bis Mitte 2026 gibt Planungssicherheit
  • Vorsteuerberichtigungen müssen geprüft werden

Das Schreiben hat erhebliche Bedeutung für Landwirte, Lohnunternehmer, Buchstellen und Steuerberater.


Quelle: BMF-Schreiben vom 12.11.2025 – III C 2 – S 7410/00029/033/051
BFH-Urteil vom 17.08.2023 – V R 3/21

Neue BMF-Regelungen zu § 3 Nr. 46 EStG und § 40 Abs. 2 Nr. 6 EStG

Wie selbst getragene Stromkosten bei E-Mobilität steuerlich zu behandeln sind

Mit dem neuen BMF-Schreiben vom 11. November 2025 (koordinierter Ländererlass) aktualisiert das Bundesministerium der Finanzen die steuerlichen Vorgaben zur Förderung der Elektromobilität. Es ersetzt das bisherige Schreiben vom 29. September 2020 und gilt für alle offenen Fälle sowie für den Zeitraum 2017 bis 2030 (unter Beachtung einzelner Ausnahmeregelungen).

Im Fokus stehen diesmal die Stromkosten, die ein Arbeitnehmer selbst trägt, wenn er ein Elektro- oder Hybridfahrzeug nutzt, das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird oder privat geladen wird.


1. Hintergrund: Steuerbefreiung und Pauschalbesteuerung

Die einschlägigen Vorschriften:

  • § 3 Nr. 46 EStG
    → Steuerbefreiung für bestimmte Vorteile im Zusammenhang mit E-Mobilität, insbesondere das unentgeltliche oder verbilligte Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeugs beim Arbeitgeber.
  • § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG
    → Möglichkeit der pauschalen Lohnsteuer (25 %) für Zuschüsse des Arbeitgebers zu Stromkosten oder zur Nutzung von Ladeeinrichtungen beim Arbeitnehmer.

Das neue BMF-Schreiben konkretisiert, wie vom Arbeitnehmer selbst getragene Stromkosten steuerlich zu behandeln sind – und wie sie in die bestehenden Fördertatbestände einzuordnen sind.


2. Wichtigste Änderungen mit Wirkung ab 2026

Das BMF-Schreiben regelt eine entscheidende Zäsur:

➡️ Pauschalen aus dem Schreiben von 2020 gelten nur noch bis Ende 2025

Die bekannten monatlichen Pauschalen aus Rn. 23 und Rn. 24 des alten Schreibens
(z. B. für das private Laden eines betrieblichen E-Fahrzeugs) dürfen letztmalig angewendet werden für:

  • laufenden Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2026 enden, sowie
  • sonstige Bezüge, die vor dem 1. Januar 2026 zufließen.

Ab 2026 gelten die neuen Grundsätze aus dem aktuellen Schreiben.


3. Steuerliche Behandlung selbst getragener Stromkosten: Die Kernaussagen

Das BMF stellt klar:

3.1. Selbst getragene Stromkosten sind kein steuerfreier Vorteil

Trägt der Arbeitnehmer den Strom selbst (z. B. Laden des Dienstwagens zuhause auf eigene Kosten),
liegen keine steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 46 EStG vor.

Eine Steuerbefreiung setzt immer eine Leistung des Arbeitgebers voraus.


3.2. Arbeitgeberzuschüsse können steuerfrei sein – oder pauschal versteuert werden

Leistet der Arbeitgeber einen Zuschuss zu den privat getragenen Stromkosten, gilt:

  • steuerfrei (§ 3 Nr. 46 EStG), wenn der Arbeitgeber den Vorteil unentgeltlich oder verbilligt gewährt (z. B. durch Bereitstellung einer Ladeeinrichtung oder durch „Tankkarten“ für Strom),
  • pauschal lohnsteuerpflichtig (25 %, § 40 Abs. 2 Nr. 6 EStG), wenn der Arbeitgeber
    – pauschale Zuschüsse zahlt oder
    – Ladeinfrastruktur beim Arbeitnehmer fördert (z. B. Wallbox-Zuschuss).

Die Details hierzu werden in den aktualisierten Randnummern des BMF-Schreibens ausgeführt.


3.3. Keine doppelte Begünstigung

Bedeutsam ist der Grundsatz:

👉 Leistungen dürfen nicht gleichzeitig steuerfrei und pauschalbesteuert werden.

Bei Wahl des § 40 Abs. 2 Nr. 6 EStG (Pauschalversteuerung) scheidet eine Steuerbefreiung aus.


3.4. Abgrenzung zum geldwerten Vorteil bei Dienstwagen

Selbst getragene Stromkosten können den geldwerten Vorteil verringern,
wenn das Fahrzeug nach der 1-%-Regelung bewertet wird.

Dies bleibt möglich, sofern

  • Ladekosten eindeutig dokumentiert werden,
  • eine individuelle Ermittlung der Stromkosten erfolgt (z. B. über Zähler, Wallbox-App, Energieversorger).

Das neue BMF-Schreiben präzisiert die Dokumentationsanforderungen.


4. Zeitliche Anwendung

  • Schreiben gilt für alle offenen Fälle.
  • Grundsätzlich für 2017 bis 2030 anwendbar.
  • Ausnahme: bestimmte Randnummern (11 und 30) gelten abweichend.
  • Pauschalen des alten BMF-Schreibens nur bis Ende 2025 anwendbar.

Damit schafft das BMF klare Übergangsregelungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.


5. Bedeutung für die Praxis

Für Arbeitgeber:

  • Prüfung laufender Pauschalregelungen bis Dezember 2025
  • Anpassung der Lohnabrechnung ab Januar 2026
  • Dokumentationspflichten für Lade- und Stromkosten beachten
  • Entscheidung treffen: Steuerfrei oder pauschale Lohnsteuer?
  • Gestaltungsmöglichkeiten bei Dienstwagen neu bewerten

Für Arbeitnehmer:

  • Klarheit darüber, wann selbst getragene Stromkosten anerkannt werden
  • Möglichkeiten zur Reduzierung des geldwerten Vorteils
  • Transparente Dokumentation wird ab 2026 noch wichtiger

Für Steuerberater:

  • Mandanten aktiv auf die Änderungen ab 2026 hinweisen
  • Dienstwagen- und Lohnsteuerkonzepte neu strukturieren
  • Abgrenzung Steuerfreiheit ↔ Pauschalversteuerung prüfen
  • Altfälle 2017–2025 gezielt überprüfen

Fazit

Das neue BMF-Schreiben führt zu einer vereinheitlichten und modernisierten steuerlichen Behandlung von Stromkosten im Rahmen der Elektromobilitätsförderung. Die Übergangsfrist bis Ende 2025 ermöglicht Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bestehende Modelle anzupassen. Ab 2026 gelten jedoch klarere – und teils strengere – Regeln.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 11.11.2025 (IV C 5 – S 2334/00087/014/013)

Unzulässige Richtervorlage zum Treaty Override in § 50d Abs. 9 EStG

BVerfG: Bundesfinanzhof begründet Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend

Mit Beschluss vom 21. Oktober 2025 (2 BvL 21/14), veröffentlicht am 12. November 2025, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Richtervorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Verfassungsmäßigkeit des sogenannten Treaty Override in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG als unzulässig verworfen.

Der BFH wollte klären lassen, ob die Vorschrift – die unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) ausschließt – gegen Grundrechte und das Gebot der Völkerrechtsfreundlichkeit verstößt. Das BVerfG kam jedoch zu dem Ergebnis: Die Vorlage genügt den Begründungsanforderungen nicht.


Worum ging es?

Die Vorlage betraf insbesondere:

  • § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG
    → regelt den Ausschluss eines DBA, wenn ausländische Einkünfte nur deshalb steuerfrei bleiben, weil im anderen Staat keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht.
  • § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG
    → definiert das Verhältnis zu anderen Regelungen, die ebenfalls den Anwendungsvorrang von DBAs einschränken, und enthält eine rückwirkende Anwendungsbestimmung (Neufassung 2013).

Der BFH bezweifelte sowohl die Vereinbarkeit mit der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes als auch die Zulässigkeit der Rückwirkung.


Hintergrund des Ausgangsverfahrens

Der Kläger war Pilot einer irischen Fluggesellschaft, lebte jedoch in Deutschland (2007–2010).
Zunächst einbehaltene irische Lohnsteuer wurde ihm vollständig erstattet.
Das deutsche Finanzamt besteuerte die Einkünfte vollständig – gestützt auf § 50d Abs. 9 EStG.

Der BFH sah europäische und verfassungsrechtliche Fragen berührt und legte dem BVerfG den Streitfall vor.


Warum wurde die Vorlage als unzulässig verworfen?

Das BVerfG stellte klar:
Die Richtervorlage scheitert an unzureichender Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

1. Unvollständige Prüfung des DBA Deutschland–Irland (1962)

Der BFH erläuterte nicht vollständig,

  • unter welchen Voraussetzungen das DBA die Einkünfte tatsächlich freistellt,
  • ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt waren.

Damit fehlte eine zwingende Grundlage dafür, dass § 50d Abs. 9 überhaupt angewendet werden musste.


2. Keine ausreichende Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG

Das BVerfG kritisiert zwei wesentliche Lücken:

a) Keine Begründung des „nur deshalb“-Kriteriums

Der BFH legte nicht dar, ob die irische Nichtbesteuerung tatsächlich ausschließlich darauf beruhte,
dass der Pilot dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig war.

b) Unklarheit über die irische Steuerpflicht insgesamt

Der BFH übernahm die Feststellung des Finanzgerichts, die Einkünfte seien in Irland „insgesamt nicht steuerpflichtig“, ohne diese Rechtslage überzeugend zu begründen.

Das BVerfG bemängelte:

  • Es seien keine verwertbaren Feststellungen zur irischen Rechtslage vorhanden.
  • Das Finanzgericht habe lediglich „kursorisch“ ausgeführt, Irland verzichte auf die Besteuerung.
  • Dies reiche nicht aus, um § 50d Abs. 9 tragfähig anzuwenden oder dessen Verfassungsmäßigkeit entscheidenserheblich zu machen.

Konsequenz: Keine inhaltliche Aussage zum Treaty Override

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht darüber entschieden,
ob § 50d Abs. 9 EStG verfassungskonform oder verfassungswidrig ist.

Grund:
👉 Der BFH konnte nicht nachvollziehbar darlegen, dass der Ausgangsfall überhaupt vom streitigen Treaty Override abhängt.

Damit bleibt die viel diskutierte Frage zur Verfassungsmäßigkeit von Treaty Overrides weiterhin ungeklärt.


Praktische Bedeutung für Steuerpflichtige und Berater

  • Der Beschluss enthält keine materiell-rechtliche Klärung zum Treaty Override.
  • § 50d Abs. 9 EStG bleibt unverändert anwendbar.
  • In internationalen Fällen mit möglicher Doppelbesteuerung oder DBA-Freistellungen bleibt eine saubere Prüfung der ausländischen Steuerpflicht essenziell.
  • Bei Auslandseinkünften sollten Feststellungen zum ausländischen Steuerrecht sorgfältig dokumentiert werden – ein Punkt, der im Ausgangsfall fehlte.

Fazit

Das BVerfG weist den BFH zurück – nicht wegen des Inhalts der Norm, sondern aufgrund formeller Defizite der Vorlage.
Für die Praxis bedeutet dies:

  • Treaty Overrides bleiben zunächst bestehen.
  • Die Diskussion über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Regelungen bleibt offen.
  • Eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung ist möglich – aber nur bei präziser Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung vom 12.11.2025 zum Beschluss 2 BvL 21/14

Konstruktiv und offen: DStV-Präsident diskutiert zentrale Steuerfragen mit dem BMF

Fremdbesitzverbot, Aktivrente und Registrierkassenpflicht im Fokus

Am 11. November 2025 fand ein intensiver und konstruktiver Austausch zwischen DStV-Präsident StB Torsten Lüth und Michael Schrodi (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen (BMF), statt. Das Treffen knüpfte an frühere Gespräche an und konzentrierte sich auf aktuelle steuerpolitische Weichenstellungen, die sowohl die Steuerberatungspraxis als auch Unternehmen unmittelbar betreffen.


DStV stärkt Position zum Fremdbesitzverbot

Ein Schwerpunkt des Gesprächs war das Fremdbesitzverbot, das im Referentenentwurf zum 9. Steuerberatungsänderungsgesetz enthalten ist. Lüth machte deutlich:

  • Der DStV unterstützt das Fremdbesitzverbot uneingeschränkt.
  • Argumente für die Beteiligung von Private-Equity im Steuerberatungsmarkt hält der Verband für nicht überzeugend.
  • Lüth räumte gezielt mit entsprechenden Scheinargumenten auf.

Schrodi zeigte Verständnis und nahm die Einschätzungen des DStV zustimmend auf.
Mit dieser klaren Haltung setzt der Verband ein wichtiges Zeichen für die Unabhängigkeit und Integrität des Berufsstands.


Aktivrente: Verbesserungsbedarf erkannt

Ein weiteres Thema war der Gesetzentwurf zur Aktivrente.
Lüth betonte:

  • Zusätzliche Anreize seien wichtig, um Selbstständige und Unternehmer in der aktiven Phase zu unterstützen.
  • Dies könne helfen, Betriebsnachfolge, Arbeitsplätze und Know-how langfristig zu sichern.
  • Gleichzeitig gebe es praktische Auslegungsfragen, die im Gesetzgebungsverfahren noch präzisiert werden müssen.

Schrodi zeigte sich offen für die Hinweise aus der Praxis.


Registrierkassenpflicht ab 2027: Klarstellungsbedarf dringend nötig

Ab dem 01.01.2027 sieht der Koalitionsvertrag eine neue Registrierkassenpflicht vor – für Geschäfte mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 100.000 Euro.

Lüth stellte im Gespräch zentrale Praxisfragen:

  • Bezieht sich die Grenze auf Barumsatz oder Gesamtumsatz?
  • Welche Branchen sollen konkret betroffen sein?
  • Soll die Pflicht stärker auf bargeldintensive Geschäftsmodelle ausgerichtet werden, um Betrug gezielt zu bekämpfen?

Beide Gesprächspartner stimmten darin überein, dass frühzeitige und klare Regeln nötig sind, um Unternehmen und Steuerberater rechtzeitig auf die neue Pflicht vorzubereiten.


Fazit

Das Treffen zwischen DStV und BMF zeigt:
Die Bundesregierung arbeitet an mehreren steuerpolitisch bedeutenden Vorhaben – und der steuerberatende Berufsstand bringt seine Expertise aktiv ein.

Die wichtigsten Punkte:

  • Fremdbesitzverbot bleibt ein zentrales Anliegen des Berufsstands.
  • Die Aktivrente benötigt praxisgerechte Nachbesserungen.
  • Zur Registrierkassenpflicht ab 2027 sind klare Definitionen und frühzeitige Leitlinien erforderlich.

Die konstruktive Gesprächskultur zwischen Verband und Ministerium ist dabei ein positives Signal für eine praxisnahe Weiterentwicklung des Steuerrechts.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e. V., Mitteilung vom 11.11.2025

Vorsteuerabzug beim Wechsel zwischen Kleinunternehmer- und Regelbesteuerung: Neues BMF-Schreiben schafft Klarheit

Was Unternehmer jetzt über Vorsteuer, Übergangszeitpunkte und § 15a UStG wissen müssen

Mit einem neuen Schreiben vom 10.11.2025 (koordinierter Ländererlass) konkretisiert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Regeln zum Vorsteuerabzug bei einem Wechsel zwischen Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) und Regelbesteuerung. Die Klarstellung betrifft zahlreiche Praxisfälle – insbesondere dann, wenn Unternehmer schon vor dem Wechsel Leistungen einkaufen, die sie erst nach dem Übergang für steuerpflichtige Umsätze nutzen möchten.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:


1. Kein Vorsteuerabzug vor dem tatsächlichen Übergang zur Regelbesteuerung

Der wesentliche Grundsatz des BMF lautet:

👉 Ein Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, solange der Unternehmer noch Kleinunternehmer ist – selbst wenn er die Leistungen später für steuerpflichtige Umsätze verwenden will.

Das gilt ausdrücklich auch dann,

  • wenn der Übergang zur Regelbesteuerung bereits absehbar oder zwingend ist (z. B. aufgrund von Umsatzsteigerungen), oder
  • wenn es sich um Voraus- oder Anzahlungsrechnungen handelt.

Damit stellt das BMF klar:
Die Absicht zukünftiger Regelbesteuerung genügt nicht. Entscheidend ist ausschließlich der tatsächliche Übergangszeitpunkt.


2. Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG möglich – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen

Wechselt der Unternehmer tatsächlich zur Regelbesteuerung, liegt steuerlich eine Änderung der Verhältnisse vor. Für die zuvor bezogenen Leistungen kann dann eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zugunsten des Unternehmers in Betracht kommen.

Wichtig dabei:

  • es gelten die Berichtigungszeiträume und Jahreseinheiten nach § 15a,
  • die Bagatellgrenzen nach § 44 UStDV müssen beachtet werden,
  • nur bestimmte Wirtschaftsgüter sind berichtigungsfähig (insb. Anlagevermögen über mehrere Jahre).

Für einmalige Leistungen im Umlaufvermögen gibt es dagegen keine rückwirkende Erstattung der Vorsteuer.


3. Umgekehrter Fall: Wechsel von Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung

Auch hier spricht das BMF von einer Änderung der Verhältnisse.

Folge:

👉 Vorsteuer, die während der Regelbesteuerung rechtmäßig gezogen wurde, muss nach dem Übergang gegebenenfalls berichtigt werden – und zwar ebenfalls nach den Regeln des § 15a UStG.

Dies betrifft vor allem:

  • Investitionen mit mehrjähriger Nutzungsdauer,
  • insbesondere Fahrzeuge, Maschinen, Büroeinrichtung,
  • aber auch immaterielle Wirtschaftsgüter mit Berichtigungszeitraum.

4. Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)

Das BMF aktualisiert den Abschnitt 15.3 Abs. 2 UStAE, und ersetzt damit die bisherige – teils großzügigere – Auslegung. Die Details folgen im veröffentlichten BStBl I.


5. Anwendungsregel: Übergangsfristen für Unternehmer

Das Schreiben gilt für alle offenen Fälle.
Allerdings gibt es eine Erleichterung:

👉 Unternehmer dürfen sich in Umsatzsteuererklärungen, die bis zum 10.11.2025 abgegeben wurden, noch auf die alte Verwaltungsauffassung berufen.

Erst in Folgejahren sind die Vorsteuerbeträge dann nach der neuen Rechtslage zutreffend zu berücksichtigen.

Für die Praxis bedeutet das:

  • Kein unmittelbarer Zwang zur rückwirkenden Korrektur,
  • aber ab 2026 klare Anwendung der neuen Grundsätze.

Fazit: Mehr Rechtssicherheit – aber weniger Spielraum für künftige Investitionsplanung

Mit dem neuen BMF-Schreiben schafft die Finanzverwaltung klare Verhältnisse:
Der Vorsteuerabzug ist strikt an den tatsächlichen Besteuerungsstatus gekoppelt – nicht an zukünftige Absichten oder geplante Umsätze.

Für Unternehmer heißt das:

  • Anschaffungen sollten strategisch geplant werden,
  • insbesondere bei anstehendem Wechsel der Besteuerungsart,
  • Investitionen vor dem Wechsel verlieren ihren Vorsteuerabzug,
  • Berichtigungsmöglichkeiten nach § 15a UStG müssen geprüft werden.

Steuerberater sollten Mandanten frühzeitig auf diese Verschärfung hinweisen, insbesondere bei Existenzgründungen, Umsatzsprung-Szenarien und Investitionen ins Anlagevermögen.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 10.11.2025 (III C 2 – S 7300/00080/004/019)

EU-Strategie „KI-anwenden“: Neue Chancen für KMU und öffentliche Verwaltung

DStV begrüßt stärkere Nutzung von KI in Behörden

Mit der neuen Strategie „KI-anwenden“ will die EU-Kommission den Einsatz von künstlicher Intelligenz in Europa beschleunigen und damit den Rückstand gegenüber global führenden KI-Standorten verringern. Eine aktuelle Mitteilung des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV) vom 03.11.2025 zeigt: Viele Forderungen der steuerberatenden Berufspraxis wurden berücksichtigt – insbesondere die Stärkung der digitalen Infrastruktur in der öffentlichen Verwaltung.


Europa will zum Zentrum vertrauenswürdiger KI werden

Obwohl Europa über eine starke Industrie und innovative Start-ups verfügt, bleibt der praktische Einsatz von KI im internationalen Vergleich bislang zurück. Mit der Strategie „KI-anwenden“ verfolgt die EU-Kommission das Ziel, Europa zu einem führenden Standort für vertrauenswürdige und sichere KI zu entwickeln und zugleich die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Drittstaaten zu stärken.

Die Strategie umfasst elf sektorale Leitinitiativen, die zentrale europäische Schlüsselbranchen adressieren. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei sowohl auf wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit als auch auf staatlicher Leistungsfähigkeit.


Öffentlicher Sektor im Fokus: KI-Toolbox für Verwaltungen geplant

Ein zentraler Baustein der Strategie ist die Unterstützung der öffentlichen Verwaltung. Vorgesehen sind u. a.:

  • eine KI-Toolbox als gemeinsamer europäischer Aufbewahrungsort mit
    – praxisnahen,
    – quelloffenen und
    – wiederverwendbaren Tools zur Sicherung der KI-Integrität,
  • der beschleunigte Einsatz skalierbarer und vertrauenswürdiger generativer KI-Lösungen für Verwaltungsprozesse.

Der DStV hatte in seiner Stellungnahme betont, dass insbesondere die Finanz- und Steuerverwaltung erheblichen Nachholbedarf in der Digitalisierung habe. Moderne IT-Strukturen und KI-Assistenzsysteme seien notwendig, um Verwaltungsabläufe effizienter zu gestalten und gleichzeitig den steuerberatenden Berufsstand zu entlasten.

Viele dieser Forderungen wurden nun in der Strategie berücksichtigt – ein wichtiger Schritt für mehr digitale Leistungsfähigkeit in Behörden.


Starke Impulse für KMU: Zugang zu KI soll erleichtert werden

Neben der Verwaltung stehen auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Mittelpunkt der EU-Pläne. Da viele KMU über begrenzte Ressourcen verfügen, begegnen sie der Implementierung von KI oft mit Zurückhaltung.

Die EU-Kommission will dies ändern und plant unter anderem:

  • die Umwandlung europäischer Innovationszentren in KI-Experience Centers,
  • niedrigschwelligen Zugang zu Technologie, Know-how und Beratung,
  • stärkere Förderung praxisbewährter, sofort einsetzbarer KI-Lösungen.

Gerade letztere seien laut DStV entscheidend, um Bürokratie abzubauen und gesetzliche Berichtspflichten effizienter zu erfüllen. Für KMU könnte dieser Ansatz ein echter Produktivitätshebel werden.


Geplanter KI-Dialog: Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik

Um Innovationen koordiniert voranzutreiben, soll ein strukturiertes Beteiligungsformat eingeführt werden:

  • Einrichtung eines „KI-Büros“ als zentrale Plattform,
  • jährliche Treffen zum Austausch von Erfahrungen und Strategien,
  • Einrichtung sektoraler Gremien zur Begleitung und Überwachung der Umsetzung.

Dieses Dialogformat soll sicherstellen, dass Feedback aus Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft direkt in die Weiterentwicklung der europäischen KI-Strategien einfließt.


Einordnung: Ergänzung zum Aktionsplan „KI-Kontinent“

Bereits im April stellte die EU-Kommission den Aktionsplan „KI-Kontinent“ vor, der Europa eine führende Rolle im Bereich künstlicher Intelligenz sichern soll.
Die Strategien „KI-anwenden“ und „KI der Wissenschaft“ ergänzen diesen Rahmen und bilden gemeinsam die Grundlage für eine gezielte Weiterentwicklung des europäischen KI-Ökosystems.


Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V. (DStV)

Globale Mindeststeuer: Sind EU-Unternehmen im Nachteil?

Neue ZEW-Studie zeigt enorme Bürokratiekosten für Pillar Two

Die globale Mindeststeuer („Pillar Two“) sollte eigentlich für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Doch eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim in Zusammenarbeit mit der Tax Foundation wirft ein kritisches Licht auf die praktischen Folgen der OECD-Reform – vor allem für europäische Unternehmen.
Laut der Analyse sehen sich EU-Konzerne mit erheblichen Implementierungs- und Bürokratiekosten konfrontiert, während wichtige internationale Wettbewerber die Regelungen bislang nicht umgesetzt haben.


Hohe Kostenbelastung: Milliardenaufwand für EU-Konzerne

Erstmals quantifiziert die Studie die konkreten Verwaltungskosten der globalen Mindeststeuer für EU-Unternehmen:

  • Bis zu 2 Milliarden Euro einmalige Implementierungskosten
  • Bis zu 865 Millionen Euro jährliche Folgekosten
  • Besonders stark betroffen: große, multinationale Unternehmensgruppen, die in mehreren EU-Staaten tätig sind

Dieser Aufwand entsteht durch neue Meldepflichten, komplexe Berechnungen der effektiven Steuersätze und umfangreiche Datenanforderungen. Die zusätzlichen Kosten wirken wie eine neue Form regulatorischer Belastung – und verschlechtern den finanziellen Spielraum europäischer Konzerne.

Johannes Gaul, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“, warnt:

„Ohne eine internationale Abstimmung droht die Mindeststeuer zu scheitern. Wenn große Volkswirtschaften die Umsetzung verzögern oder gar nicht erst durchführen, funktioniert das System nicht wie ursprünglich beabsichtigt.“


Wettbewerbsrisiko durch verzögerte oder fehlende Umsetzung weltweit

Während die EU bereits umfangreiche Maßnahmen verabschiedet hat, bleibt die globale Umsetzung lückenhaft:

  • USA: bislang unklar, ob und wann sie sich an Pillar Two beteiligen
  • China und Indien: ebenfalls zurückhaltend
  • Andere Wirtschaftsräume: noch ohne konkrete Implementierungspläne

Diese Asymmetrie führt zu einem strukturellen Wettbewerbsnachteil für EU-Unternehmen:

  • EU-Konzerne tragen zusätzliche Compliance-Kosten
  • Konkurrenzunternehmen in Nicht-Umsetzungsländern haben weiterhin einfachere Regelungen
  • Investitionsentscheidungen könnten sich zu Ungunsten europäischer Standorte verschieben
  • Langfristig sind Standortverlagerungen möglich

Die Studie empfiehlt daher dringend:

  • bessere internationale Koordination
  • Übergangsregelungen oder Ausnahmen für EU-Unternehmen, falls wichtige Handelspartner nicht mitziehen

Komplexität der OECD-Regeln erhöht den internen Aufwand massiv

Die Berechnung der globalen Mindeststeuer nach OECD-Vorgaben ist nicht trivial. Unternehmen benötigen für jede betroffene Konzerngesellschaft detaillierte Finanzdaten und müssen u. a.:

  • handelsrechtliche und steuerliche Bilanzdaten miteinander abgleichen
  • zusätzliche Datenpunkte erfassen (z. B. für temporäre Differenzen)
  • Verlustvorträge neu bewerten
  • effektive Steuersätze je Land detailliert ermitteln
  • umfangreiche Dokumentationspflichten erfüllen

Dafür sind meist notwendig:

  • IT-Systemanpassungen
  • neue Reporting-Prozesse
  • interne Schulungen
  • personelle Verstärkung im Steuerbereich

Gerade mittelgroße Gruppen mit internationaler Struktur sehen sich dadurch mit erheblichen zusätzlichen Aufwänden konfrontiert.


Fazit: Gute Idee – schlecht umgesetzt?

Die globale Mindeststeuer sollte aggressive Steuergestaltung eindämmen. Doch die ZEW-Studie zeigt:
Ohne konsequente Umsetzung durch die wichtigsten Weltwirtschaften drohen europäische Unternehmen zu den Hauptlastträgern einer Reform zu werden, die global funktionieren sollte – aber derzeit einseitig wirkt.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

  • Compliance-Anforderungen analysieren
  • IT- und Reporting-Strukturen frühzeitig anpassen
  • steuerliche und organisatorische Prozesse auf Pillar-Two-Tauglichkeit prüfen
  • mögliche Entlastungsmaßnahmen und Übergangsregeln beobachten
  • Standortentscheidungen unter den neuen Rahmenbedingungen neu bewerten

Quelle:
ZEW Mannheim, Pressemitteilung vom 06.11.2025
ZEW Discussion Paper „OECD Pillar Two Compliance Costs: A Quantitative Assessment for EU-Headquartered Groups“

Was Sie jetzt noch tun können, um für 2025 möglichst wenig Steuern zu zahlen

Es ist eine Freude zu hören, wenn das Jahr 2025 für Sie erfolgreich verläuft. Ihre Sorge bezüglich der Steuerlast ist verständlich, besonders wenn die Vorauszahlungen niedrig waren. Es gibt jedoch einige effektive Strategien, mit denen Sie Ihre Steuerbelastung für 2025 aktiv senken können. Hier sind fünf praxiserprobte Möglichkeiten, wie Sie eine mögliche Nachzahlung abfedern und entspannter ins neue Jahr starten können.


1. Sinnvolle Anschaffungen vorziehen

Wenn ohnehin Investitionen anstehen, ist es klug, diese noch 2025 zu tätigen. Besonders nützlich sind geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG):

  • bis 250 € netto: Diese können Sie sofort abschreiben und müssen dafür kein Verzeichnis führen.
  • 250 € bis 800 € netto: Sie können sich zwischen einer Sofortabschreibung und einem Sammelposten über 5 Jahre entscheiden.
  • 800 € bis 1.000 € netto: Diese fallen in der Regel in einen Sammelposten oder werden regulär abgeschrieben.

Tipp: Indem Sie Arbeitsmittel im Wert von bis zu 800 € netto kaufen, können Sie den vollen Betrag noch im Jahr 2025 als Betriebsausgabe geltend machen.


2. Vorräte anlegen

Auch der Kauf von Materialien oder Waren, die Sie erst 2026 benötigen, kann steuerlich sinnvoll sein. Wichtig ist, dass die Einkäufe betrieblich veranlasst sind und die Zahlung noch bis zum 31.12.2025 erfolgt. So mindern sie Ihren Gewinn für das laufende Jahr.


3. Neue Computer anschaffen

Seit 2021 dürfen Computer, Peripheriegeräte und Software mit einer Nutzungsdauer von einem Jahr sofort abgeschrieben werden. Diese Regelung ist ideal, um kurzfristig Betriebsausgaben zu schaffen. Achtung: Finanzämter prüfen hier genau. Stellen Sie sicher, dass die Geräte zu mindestens 90 % betrieblich genutzt werden und Sie dies im Zweifel belegen können.


4. Einnahmen verschieben

Als Einnahmen-Überschuss-Rechner können Sie Einnahmen ins Jahr 2026 verlagern. Halten Sie Rechnungen im Dezember 2025 zurück und versenden Sie diese erst zum Jahreswechsel. Steuerlich zählen die Einnahmen dann erst im Folgejahr. Beachten Sie jedoch, dass Sie Leistungen grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten abrechnen müssen und die Geschäftsbeziehung nicht darunter leiden sollte.


5. Vorauszahlungen auf Betriebsausgaben nutzen

Regelmäßig anfallende Kosten können Sie durch Vorauszahlungen noch in 2025 steuerlich geltend machen. Beispiele hierfür sind:

  • Miete für Büro-, Lager- oder Praxisräume
  • Versicherungen (Berufshaftpflicht, Rechtsschutz, etc.)
  • Marketingkosten (z. B. für Online-Werbung)
  • Wartungsverträge, Software-Abos, Cloud-Services
  • Dienstleistungen von Agenturen oder Freiberuflern

Wenn Sie beispielsweise die Miete für Januar 2026 bereits im Dezember 2025 überweisen, wirkt sich dies sofort in Ihrer Steuererklärung für 2025 aus.


Fazit

Ein erfolgreiches Jahr muss nicht zwingend eine hohe Steuernachzahlung bedeuten. Durch vorausschauende Planung und gezielte Maßnahmen können Sie Ihre Steuerlast spürbar senken. Nehmen Sie sich jetzt die Zeit zu prüfen, welche der genannten Möglichkeiten für Ihr Unternehmen am sinnvollsten sind.

Benötigen Sie Unterstützung bei der steuerlichen Optimierung für 2025? Wir helfen Ihnen gerne, die richtigen Entscheidungen zu treffen und Ihre Steuervorteile optimal zu nutzen.

BFH: Kostenloser Erstzugang zum E-Abo war 2009–2012 wirklich kostenlos – keine Umsatzsteuer auf „Null-Euro“-Zuweisung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 9. Juli 2025 (XI R 29/23) entschieden, dass Verlage in den Jahren 2009 bis 2012 den erstmaligen Zugang zum E-Paper umsatzsteuerlich mit 0 Euro bewerten durften, wenn Print-Abonnenten das digitale Angebot ohne Mehrkosten zusätzlich nutzen konnten.

Die Entscheidung betrifft zwar einen zurückliegenden Zeitraum, hat aber Signalwirkung für Geschäftsmodelle, in denen Leistungen scheinbar „kostenlos“ angeboten werden – etwa gegen Daten oder freiwillige Zahlungen.


✅ Kernaussage des Urteils

  • Print-Zeitung und E-Paper sind zwei selbständige Hauptleistungen.
    • Nicht untrennbar miteinander verbunden
    • Beide haben eigenen Zweck
    • E-Paper dient nicht nur als „bessere Papierzeitung“
  • Trotzdem: In den Streitjahren durfte der E-Paper-Zugang mit 0 Euro bewertet werden, da:
    • der Preis des Print-Abos unverändert blieb
    • nur ca. 15 % der Abonnenten den digitalen Zugang nutzten
    • nach Einführung eines Aufpreises (0,99 €) 95 % der Nutzer absprangen
    • der Verlag somit keinen wirtschaftlichen Mehrwert aus der digitalen Zusatzleistung zog

➡️ Folge: Es lag aus damaliger Sicht kein gesondert entgeltlicher Leistungsteil vor – daher keine Umsatzsteuer auf einen hypothetischen Entgeltanteil.


🔎 Hintergrund des Falls

  • Zwei Zeitungen wurden zunächst ausschließlich als Print-Abo angeboten
  • Ab 2010 zusätzlich ein reines E-Abo (13,99 € pro Monat)
  • Print-Abonnenten konnten sich ohne Zuzahlung online registrieren
  • Erst 2012 wurden Zuschläge für Print-Kunden eingeführt, woraufhin die Nachfrage fast vollständig einbrach

Finanzamt und Finanzgericht wollten rückwirkend den digitalen Anteil schätzen (1,99 € pro Monat, Regelsteuersatz 19 %).
➡️ Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.


💡 Warum durfte der Wert „0 Euro“ angesetzt werden?

Der BFH stellt klar:

  • Ein Leistungsbündel ist grundsätzlich aufzuteilen
  • „0 Euro“ ist nur ausnahmsweise zulässig
  • Im Zeitraum 2009–2012 hatte das E-Paper:
    • kaum wirtschaftlichen Wert
    • geringen Nutzungsgrad
    • keine Auswirkung auf den Abo-Preis
    • geringe Produktions- und Bereitstellungskosten

Der BFH folgt damit der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs zu einer vergleichbaren Sachlage.


✅ Heute anders: E-Paper ebenfalls ermäßigt besteuert

Seit § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG gilt auch für digitale Presseprodukte der ermäßigte Steuersatz.
→ Dadurch ist die steuerliche Problematik bei Zeitungen praktisch entfallen.


🚩 Aber: Urteil relevant für andere Geschäftsmodelle

Besonders spannend ist der Hinweis des BFH am Ende:

  • Viele Geschäftsmodelle bieten „kostenlose“ Leistungen gegen:
    • Nutzerdaten
    • freiwillige Zahlungen
    • Werbeeinwilligungen
  • Der BFH sagt ausdrücklich:
    Dieses Urteil legt NICHT fest, dass solche Modelle steuerfrei sind.
    Die Bewertung bleibt künftigen Entscheidungen vorbehalten.

Für digitale Plattformen, Apps oder Medienunternehmen ist das ein deutliches Warnsignal:
„kostenlos“ könnte steuerlich trotzdem ein entgeltlicher Leistungsaustausch sein.


📌 Fazit

PunktBFH-Ergebnis
Print-Abo + E-Paperzwei eigenständige Hauptleistungen
Aufteilung des Gesamtentgelts?grundsätzlich ja
Streitjahre 2009–20120-Euro-Bewertung zulässig
Heutekeine Relevanz, da E-Paper ermäßigt besteuert wird
Bedeutung für andere Geschäftsmodellehoch – weitere Urteile zu erwarten

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 75/25 vom 06.11.2025 zum Urteil XI R 29/23 vom 09.07.2025