Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als außerordentliche Einkünfte

FG Münster, Urteil vom 13.11.2025 – 12 K 1853/23 E

Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 13. November 2025 (Az. 12 K 1853/23 E) entschieden, dass Abgeltungszahlungen für nicht genommenen Urlaub mehrerer Jahre, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellen. Die Zahlungen sind damit nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt zu besteuern.

Die Entscheidung ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung, da Urlaubsabgeltungen bislang häufig nicht in den Anwendungsbereich der sogenannten Fünftelregelung einbezogen wurden.

Sachverhalt

Die Klägerin erhielt aufgrund der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2020 – nach Abschluss eines Vergleichs vor dem Landesarbeitsgericht – mehrere Zahlungen von ihrem Arbeitgeber:

  • eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sowie
  • eine Abgeltungszahlung für offenen Erholungsurlaub aus den Jahren 2018, 2019 und 2020.

Für beide Zahlungen beantragte die Klägerin im Streitjahr 2020 die begünstigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG.

Das Finanzamt erkannte die Tarifermäßigung jedoch nur für die Abfindung an. Die Urlaubsabgeltung behandelte es als laufenden Arbeitslohn ohne Tarifermäßigung. Zur Begründung führte es aus, es liege weder eine Entschädigung im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG noch eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vor. Der Urlaubsanspruch sei jeweils in den einzelnen Vorjahren entstanden und lediglich im Streitjahr ausgezahlt worden.

Entscheidung des FG Münster

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Klage vollumfänglich statt.

Nach Auffassung des Gerichts stellt die Abgeltungszahlung für den Urlaubsanspruch eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar. Maßgeblich sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise.

Urlaubsabgeltung als Vergütung für mehrjährige Tätigkeit

Das Gericht stellte klar, dass der Umstand, dass sich die Zahlung rechnerisch aus einzelnen Urlaubsansprüchen mehrerer Jahre zusammensetzt, der Annahme einer mehrjährigen Tätigkeit nicht entgegensteht. Entscheidend sei vielmehr:

  • Der Urlaubsanspruch sei untrennbar mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis verbunden.
  • Die Abgeltung erfolge anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Wirtschaftlich betrachtet stelle die Urlaubsabgeltung ein (zusätzliches) Entgelt für die über mehrere Jahre erbrachte Arbeitsleistung dar.

Dies zeige sich auch daran, dass die Abgeltung auf Basis des durchschnittlichen Arbeitsentgelts berechnet werde. Die Zahlung gleiche damit einer zusammengeballten Vergütung für die in mehreren Jahren geleistete Arbeit.

Zusammenballung im Streitjahr

Ein weiteres wesentliches Kriterium für die Anwendung des § 34 EStG – die Zusammenballung der Einkünfte – sah das FG ebenfalls als erfüllt an. Die Urlaubsabgeltung floss der Klägerin vollständig im Streitjahr 2020 zu und führte damit zu einer außergewöhnlichen Progressionsbelastung.

Unerheblich sei zudem, dass die Klägerin im abgegoltenen Zeitraum teilweise von der Arbeit freigestellt gewesen sei und die Tätigkeit faktisch nicht ausgeübt habe. Maßgeblich sei nicht die tatsächliche Arbeitsleistung im Abgeltungszeitraum, sondern der Zusammenhang mit der mehrjährigen Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.

Revision zugelassen

Der 12. Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Eine höchstrichterliche Klärung bleibt daher abzuwarten.

Praxishinweis

Das Urteil ist für Arbeitnehmer und Berater äußerst praxisrelevant:

  • Urlaubsabgeltungen für mehrere Jahre können – bei Zusammenballung – der Tarifermäßigung nach § 34 EStG unterliegen.
  • Dies gilt insbesondere bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit Abfindungszahlungen.
  • Entsprechende Sachverhalte sollten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung sorgfältig geprüft und ggf. offen gehalten werden.

Bis zu einer Entscheidung des BFH bestehen gute Argumente, Urlaubsabgeltungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als außerordentliche Einkünfte geltend zu machen.

Quelle: Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.11.2025 – 12 K 1853/23 E, Newsletter Dezember 2025

Betrieblich genutzte Räume eines freiberuflichen Musikers können als häusliches Arbeitszimmer angesehen werden

FG Münster, Mitteilung vom 15.12.2025 zum Urteil 2 K 1243/20 E vom 28.08.2024

Mit Urteil vom 28. August 2024 (Az. 2 K 1243/20 E) hat der 2. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass mehrere freiberuflich genutzte Räume eines Musikers im ansonsten privat genutzten Haus als ein häusliches Arbeitszimmer angesehen werden können, sodass der Betriebsausgabenabzug auf 1.250 Euro pro Jahr zu begrenzen ist.

Sachverhalt:
Der Kläger war in den Streitjahren 2013 bis 2020 freiberuflich als Dirigent, Pianist, Vocal-Coach, musikalischer Leiter sowie Betreiber von zwei Musikschulen tätig. Seine Ehefrau arbeitete unentgeltlich in den Musikschulen mit. Im von beiden Eheleuten gemeinsam bewohnten Anwesen, das ein Hauptgebäude und eine hiermit durch Innentüren verbundene Einliegerwohnung umfasste, nutzte der Kläger verschiedene Räume für Arbeits-, Übungs-, Verwaltungs- und Lagertätigkeiten. Für diese Räume (je ein Arbeitszimmer der beiden Eheleute, Musikzimmer, Gästezimmer, Küche, Galerie, Garderobe, Lagerraum, drei WCs sowie zwei Flure), die insgesamt 226 m² und damit 45 % der insgesamt 500 m² umfassenden Gesamtwohnfläche des Anwesens umfassten, machte der Kläger einen Betriebsausgabenabzug von ca. 15.000 Euro bis 20.000 Euro jährlich geltend.

Urteil des Finanzgerichts Münster:
Das Finanzamt erkannte lediglich das Arbeitszimmer des Klägers und das Musikzimmer als einheitliches Arbeitszimmer an und begrenzte den jährlichen Betriebsausgabenabzug auf 1.250 Euro.

Der 2. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Klage des Klägers jedoch nicht statt. Das Arbeitszimmer und das Musikzimmer stellten ein häusliches Arbeitszimmer dar, da beide Räume in die häusliche Sphäre eingebunden seien und vorwiegend der Erledigung gedanklicher und praktischer Arbeiten im Hinblick auf die freiberufliche Tätigkeit des Klägers dienten. Diese Räume seien nicht als betriebsstättenähnlich anzusehen, da sie nicht für den Publikumsverkehr bestimmt und zugänglich waren. Aufgrund der nahezu identischen Nutzung bildeten beide Räume eine funktionale Einheit, sodass lediglich von einem häuslichen Arbeitszimmer auszugehen sei.

Das von der Ehefrau genutzte Arbeitszimmer sei nicht als Arbeitszimmer des Klägers zu qualifizieren. Da die Ehefrau keine Einkünfte erzielt habe, könne ihre Nutzung nicht in die steuerliche Betrachtung des Klägers einbezogen werden.

Betriebsausgabenabzug:
Der Betriebsausgabenabzug für das häusliche Arbeitszimmer war nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung auf 1.250 Euro jährlich begrenzt. Dies gelte, da das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung des Klägers gebildet habe. Die wesentlichen Handlungen seiner Tätigkeiten habe der Kläger an den jeweiligen Auftrittsorten oder in den Musikschulen erbracht.

Revision beim Bundesfinanzhof:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Bundesfinanzhof die Revision zugelassen, die unter dem Az. VIII R 20/25 geführt wird. Es sei nicht ausgeschlossen, dass auch das von der Ehefrau genutzte Arbeitszimmer Bestandteil der funktionellen Einheit des Arbeitszimmers des Klägers sei. Zudem sei es möglich, dass der qualitative Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers im häuslichen Arbeitszimmer liege und die Begrenzung auf 1.250 Euro daher nicht greife.

Quelle:
Finanzgericht Münster, Newsletter Dezember 2025

§ 64 EStG nicht anwendbar bei bestandskräftig abgelehntem Kindergeldanspruch des anderen Elternteils

FG Münster, Urteil vom 28.11.2025 – 7 K 615/25 Kg, AO

Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 28. November 2025 (7 K 615/25 Kg, AO) entschieden, dass der Anwendungsbereich des § 64 EStG nicht eröffnet ist, wenn der Kindergeldanspruch des anderen Elternteils bestandskräftig abgelehnt wurde. Die Entscheidung stellt klar, dass § 64 EStG ausschließlich der Vermeidung von Doppelzahlungen dient und nicht dazu verwendet werden kann, einen bestehenden und bestandskräftigen Kindergeldanspruch nachträglich zu verdrängen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Mutter eines Kindes, das nach der Trennung der Eltern zunächst in ihrem Haushalt lebte. Im Zeitraum von Juli bis Dezember 2023 wechselte das Kind vorübergehend in den Haushalt des Vaters.

Der Vater beantragte für diesen Zeitraum Kindergeld. Die Familienkasse lehnte den Antrag im Jahr 2024 ab; der Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig. Im Jahr 2025 hob die Familienkasse daraufhin die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Mutter auf. Zur Begründung führte sie an, dass nach § 64 Abs. 1 EStG für jedes Kind nur einer Person Kindergeld zustehe. Da der Vater das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe, sei er vorrangig anspruchsberechtigt und schließe die Mutter von der Kindergeldzahlung aus.

Entscheidung des FG Münster

Das Finanzgericht gab der Klage der Mutter statt und erklärte die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für rechtswidrig.

Das Gericht stellte zunächst klar, dass bei leiblichen Kindern – anders als bei Stiefkindern oder Enkeln – die Haushaltsaufnahme keine Anspruchsvoraussetzung für den Kindergeldanspruch ist. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG greift nur dann ein, wenn mehrere Berechtigte tatsächlich nebeneinander anspruchsberechtigt sind. In diesem Fall soll die Haushaltsaufnahme lediglich bestimmen, wem das Kindergeld ausgezahlt wird, um eine Mehrfachzahlung zu verhindern (§ 64 Abs. 1 EStG).

Kein Anwendungsbereich des § 64 EStG bei bestandskräftiger Ablehnung

Nach Auffassung des Gerichts war der Anwendungsbereich des § 64 EStG im Streitfall jedoch nicht eröffnet, da der Kindesvater kein „Berechtigter“ im Sinne der Vorschrift war. Einem möglichen Kindergeldanspruch des Vaters stand die bestandskräftige Ablehnung seines Antrags durch die Familienkasse entgegen.

Entscheidend ist dabei, dass § 64 EStG ausschließlich der Vermeidung einer Doppelzahlung von Kindergeld dient. Besteht gegenüber einem Elternteil bereits eine bestandskräftige Ablehnung, fehlt es im Regelfall an der Gefahr einer Doppelzahlung. Damit fehlt zugleich die rechtliche Grundlage, den Kindergeldanspruch des anderen Elternteils auf § 64 EStG zu stützen oder aufzuheben.

Unerheblich ist nach Auffassung des Gerichts, ob die Ablehnung des Kindergeldantrags des Vaters möglicherweise aus formalen Gründen erfolgt ist oder ob dem Grunde nach ein Anspruch bestanden hätte. Die Bestandskraft der Ablehnung ist maßgeblich.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des FG Münster hat erhebliche praktische Relevanz für Trennungs- und Wechselhaushaltsfälle:

  • § 64 EStG greift nur bei konkurrierenden, rechtlich bestehenden Ansprüchen.
  • Eine bloß theoretische Anspruchsmöglichkeit reicht nicht aus.
  • Ist der Antrag eines Elternteils bestandskräftig abgelehnt, kann die Familienkasse nicht nachträglich unter Berufung auf § 64 EStG den Anspruch des anderen Elternteils aufheben.
  • Die Bestandskraft eines Ablehnungsbescheids schützt den verbleibenden Kindergeldanspruch.

Für betroffene Elternteile bedeutet dies eine wichtige Klarstellung und eine deutliche Stärkung der Rechtssicherheit im Kindergeldrecht.

Ausblick

Ob die Familienkasse gegen das Urteil Rechtsmittel einlegt, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung fügt sich jedoch systematisch überzeugend in Zweck und Funktion des § 64 EStG ein und dürfte auch über den Einzelfall hinaus Beachtung finden.

Quelle: Finanzgericht Münster, Urteil vom 28.11.2025 – 7 K 615/25 Kg, AO, Newsletter Dezember 2025

Neuer Vordruck zur Anwendung der Wegzugsbesteuerung

BMF-Schreiben vom 12.12.2025 – IV B 5 – S 1369/00008/002/085

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 12. Dezember 2025 ein überarbeitetes amtliches Vordruckmuster zur Anwendung der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) bekannt gegeben. Der neue Vordruck trägt der fortschreitenden Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens sowie den gesetzlichen Neuerungen durch das Jahressteuergesetz 2024 Rechnung.

Betroffen sind insbesondere auch Wegzugsfälle im Zusammenhang mit Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds.

Hintergrund: Mitteilungspflichten bei der Wegzugsbesteuerung

Nach § 6 AStG besteht bei Wegzug oder vergleichbaren Tatbeständen eine Mitteilungspflicht gegenüber der Finanzverwaltung. Diese dient der Erfassung und Durchsetzung der Wegzugsbesteuerung auf stille Reserven in bestimmten Beteiligungen.

Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde der Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung erweitert:

  • auf Anteile an Investmentfonds (§ 19 Abs. 3 InvStG) sowie
  • auf Anteile an Spezial-Investmentfonds (§ 49 Abs. 5 InvStG).

Diese Erweiterung machte eine Anpassung der bisherigen Vordrucke erforderlich.

Neuer amtlicher Vordruck und Anleitung

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder hat das BMF nun folgende Unterlagen neu bekannt gegeben:

  • ASt – Mitteilung nach § 6 AStG,
    ggf. in Verbindung mit
    • § 19 Abs. 3 InvStG (Investmentfonds) oder
    • § 49 Abs. 5 InvStG (Spezial-Investmentfonds)
  • Anleitung zur ASt – Mitteilung nach § 6 AStG
    ggf. i. V. m. § 19 Abs. 3 oder § 49 Abs. 5 InvStG

Die bislang mit BMF-Schreiben vom 15. Juli 2024 veröffentlichten Vordrucke zur Wegzugsbesteuerung (alte und neue Fassung) wurden vollständig überarbeitet.

Anlass der Überarbeitung: Elektronische Übermittlung

Die Überarbeitung erfolgte insbesondere vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung.

Da die technischen Voraussetzungen für die elektronische Abgabe der Mitteilungen über die amtlich bestimmte Schnittstelle derzeit noch nicht vollständig umgesetzt sind, gilt eine Übergangslösung:

  • Zur Erfüllung der Mitteilungspflichten nach
    • § 6 AStG (alte und neue Fassung),
    • § 19 Abs. 3 InvStG und
    • § 49 Abs. 5 InvStG
    ist spätestens mit Veröffentlichung dieses Schreibens im Bundessteuerblatt Teil I das neu bekanntgegebene Vordruckmuster nebst Anleitung zu verwenden.

Bereitstellung im Formular-Management-System

Der neue Vordruck wird auf Grundlage des unveränderten amtlichen Musters erstellt und soll voraussichtlich ab dem 1. Januar 2026 im Formular-Management-System (FMS) der Bundesfinanzverwaltung als ausfüllbares Formular zur Verfügung stehen.

Bis dahin ist das vom BMF veröffentlichte Vordruckmuster zu verwenden.

Praxishinweis

Das Schreiben ist für die Beratungspraxis von erheblicher Bedeutung:

  • Bei Wegzugsfällen ist zwingend zu prüfen, ob Mitteilungspflichten nach § 6 AStG oder den neuen Vorschriften des InvStG bestehen.
  • Auch Investmentfondsanteile, die bislang häufig nicht im Fokus standen, sind nun ausdrücklich in die Wegzugsbesteuerung einbezogen.
  • Die Verwendung veralteter Vordrucke kann zu formellen Mängeln und Verzögerungen führen.
  • Steuerpflichtige und Berater sollten ihre internen Checklisten und Wegzugsprozesse zeitnah an die neuen Vordrucke anpassen.

Gerade bei geplanten Wohnsitzverlagerungen ins Ausland unterstreicht das Schreiben einmal mehr die Notwendigkeit einer frühzeitigen steuerlichen Planung und einer sauberen Dokumentation gegenüber der Finanzverwaltung.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 12.12.2025 – IV B 5 – S 1369/00008/002/085
(inkl. Vordruckmuster und Anleitung, Veröffentlichung im BStBl I)

Neue amtliche Vollmachtsmuster nach § 80a AO nun verbindlich bei elektronischer Übermittlung

BMF-Schreiben vom 12.12.2025 – IV D 1 – S 0202/00038/003/105

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 12. Dezember 2025 bekannt gegeben, dass die automationstechnischen Anpassungen der Datensätze nach § 80a AO abgeschlossen sind. Damit ist ein zentraler Zwischenschritt in der Umsetzung der bereits im März 2025 neu gefassten amtlichen Vollmachtsmuster abgeschlossen.

Ab sofort sind bei der elektronischen Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzverwaltung zwingend die neu gefassten amtlichen Muster für Vollmachten zur Vertretung in Steuersachen zu verwenden.

Hintergrund: Neufassung der Vollmachtsmuster im März 2025

Bereits mit BMF-Schreiben vom 27. März 2025 (BStBl I S. 954) hatte das BMF die amtlichen Muster für Vollmachten zur Vertretung in Steuersachen sowie das dazugehörige Merkblatt mit sofortiger Wirkung neu gefasst. Ziel war insbesondere eine bessere Standardisierung und Automatisierung der Vollmachtsverwaltung gegenüber der Finanzverwaltung.

Da die hierfür erforderlichen programmtechnischen Anpassungen der Datensätze nach § 80a AO jedoch noch nicht abgeschlossen waren, ließ das BMF mit weiterem Schreiben vom 24. April 2025 (BStBl I S. 986) zunächst eine Übergangsregelung zu. Danach durften für die elektronische Übermittlung weiterhin die bis zum 26. März 2025 geltenden Muster und Datensätze verwendet werden.

Abschluss der technischen Umsetzung

Diese Übergangsphase ist nun beendet. Nach Mitteilung des BMF sind die automationstechnischen Anpassungen der amtlichen Datensätze zur Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Landesfinanzbehörden mittlerweile vollständig umgesetzt.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher nunmehr Folgendes:

Neue Rechtslage ab sofort

  • Elektronische Vollmachtsübermittlung (§ 80a AO):
    Ab sofort sind bei der elektronischen Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzverwaltung ausschließlich die neu gefassten amtlichen Vollmachtsmuster gemäß BMF-Schreiben vom 27. März 2025 zugrunde zu legen.
  • Nicht-elektronische Übermittlung:
    Werden Vollmachtsdaten nicht gemäß § 80a AO elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelt, bleibt die Verwendung der amtlichen Vollmachtsmuster weiterhin freigestellt. In diesen Fällen besteht also keine zwingende Bindung an die neuen Muster.

Bereitstellung im Formular-Management-System

Wie bereits im BMF-Schreiben vom 27. März 2025 angekündigt, sollen die neu gefassten amtlichen Vollmachtsmuster sowie das Merkblatt zu deren Verwendung in Kürze auch im Formular-Management-System der Bundesfinanzverwaltung bereitgestellt werden. Damit wird der Zugriff für Kanzleien, Unternehmen und sonstige Bevollmächtigte weiter erleichtert.

Praxishinweis

Für die Beratungspraxis und Kanzleiorganisation ergeben sich daraus klare Handlungsnotwendigkeiten:

  • Kanzleisoftware und Vollmachtsmanagement sollten zeitnah überprüft und auf die neuen Datensatzstrukturen umgestellt werden.
  • Bei elektronischer Vollmachtsübermittlung nach § 80a AO ist die Verwendung alter Muster nicht mehr zulässig.
  • Bestehende interne Prozesse (Onboarding neuer Mandate, Vollmachtsaktualisierungen, ELSTER-Vollmachten) sollten an die neue Rechtslage angepasst werden, um Ablehnungen oder Verzögerungen durch die Finanzverwaltung zu vermeiden.

Die Entscheidung markiert damit den endgültigen Übergang auf das neue Vollmachtsregime und unterstreicht den zunehmenden Stellenwert standardisierter, digitaler Verfahrensabläufe im Besteuerungsverfahren.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 12.12.2025 – IV D 1 – S 0202/00038/003/105

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG für Umsätze eines Wohlfahrtsverbands

BMF-Schreiben vom 11.12.2025 – III C 3 – S 7175/00036/001/054

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) zu § 4 Nr. 18 UStG ergänzt und damit wichtige Klarstellungen zur Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen von Wohlfahrtsverbänden vorgenommen. Insbesondere werden Umsätze aus dem Betrieb von Second-Hand-Läden oder Fahrradreparaturwerkstätten ausdrücklich als steuerfreie Leistungen anerkannt, sofern sie an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen zu marktunüblich niedrigen Entgelten erbracht werden.

Hintergrund: § 4 Nr. 18 UStG

Nach § 4 Nr. 18 UStG sind Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Mitglieder steuerfrei, soweit sie unmittelbar dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis zugutekommen und eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind.

In der Praxis bestand bislang Unsicherheit, inwieweit auch niedrigschwellige wirtschaftliche Angebote – etwa Second-Hand-Verkäufe oder Reparaturleistungen – unter diese Steuerbefreiung fallen können.

Inhalt der Neuregelung im UStAE

Das BMF hat Abschnitt 4.18.1 Absatz 2 UStAE vollständig neu gefasst und dabei den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung konkretisiert und erweitert.

Danach sind insbesondere steuerfrei:

  • Leistungen an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen zur Überwindung der wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit, z. B.
    • Schuldnerberatung im außergerichtlichen Insolvenzverfahren,
    • Leistungen der „Tafeln“,
    • Frauenhäuser nach § 36a SGB II,
    • Bahnhofs- und Mitternachtsmissionen,
    • Beratung und Hilfe für Obdach- und Wohnungslose.

Neu und besonders praxisrelevant ist die ausdrückliche Klarstellung, dass auch eng mit der Sozialfürsorge verbundene Leistungen steuerfrei sind, die an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen zu einem marktunüblich niedrigen Entgelt erbracht werden, etwa:

  • im Rahmen eines Second-Hand-Ladens,
  • im Rahmen einer Fahrradreparaturwerkstatt.

Damit erkennt die Finanzverwaltung an, dass solche Angebote nicht primär marktwirtschaftlich, sondern sozial-integrativ und unterstützend ausgerichtet sind.

Weitere ausdrücklich begünstigte Leistungen

Der neu gefasste Absatz 2 stellt zudem klar, dass ebenfalls als eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbunden gelten:

  • Beratungsleistungen für Angehörige drogen- oder alkoholabhängiger Menschen,
  • Beratungen zu Mütter-, Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Kuren,
  • Leistungen von Beratungsstellen für Ehe- und Lebensfragen,
  • Beratung und Hilfe für Haftentlassene und Prostituierte,
  • Leistungen im Zusammenhang mit Migration, etwa Beratung und Hilfe für Migranten, Asylbewerber, Aussiedler oder Flüchtlinge,
  • Leistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Flüchtlingsunterkünften, einschließlich
    • Unterbringung und Betreuung sowie
    • in Erstaufnahmeeinrichtungen auch die Verpflegung der Flüchtlinge
      (unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 24.03.2021 – V R 1/19).

Anwendungsregelung und Übergangsregelung

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind auf alle offenen Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 erbracht wurden oder werden.

Für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2026 erbracht wurden oder werden, gilt jedoch eine Nichtbeanstandungsregelung: Es wird nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend – also als umsatzsteuerpflichtig – behandelt hat.

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben bringt für Wohlfahrtsverbände und gemeinnützige Organisationen erhebliche Rechtssicherheit:

  • Niedrigpreisige Angebote wie Second-Hand-Verkäufe oder Reparaturleistungen können steuerfrei sein, wenn sie gezielt wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen zugutekommen.
  • Entscheidend ist der soziale Zweck und das marktunüblich niedrige Entgelt, nicht allein die äußere Form als „Verkaufs-“ oder „Werkstattbetrieb“.
  • Für die Vergangenheit besteht Vertrauensschutz, für die Zukunft sollte die umsatzsteuerliche Behandlung überprüft und ggf. angepasst werden.

Gerade für Organisationen mit mehreren Tätigkeitsbereichen empfiehlt sich eine klare Abgrenzung steuerfreier sozialer Leistungen von steuerpflichtigen wirtschaftlichen Aktivitäten, um Risiken bei Betriebsprüfungen zu vermeiden.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 11.12.2025 – III C 3 – S 7175/00036/001/054, BStBl I (Veröffentlichung angekündigt)

Mülheim durfte Grundsteuer-Hebesatz von 640 % auf 890 % erhöhen

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2025 – 14 A 4745/19

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit Urteil vom 11. Dezember 2025 (14 A 4745/19) entschieden, dass die Stadt Mülheim an der Ruhr den Hebesatz der Grundsteuer B für das Veranlagungsjahr 2019 rechtmäßig von 640 % auf 890 % anheben durfte. Die erhebliche Erhöhung verstößt nach Auffassung des Gerichts weder gegen formelle Vorgaben des Kommunalrechts noch gegen verfassungsrechtliche oder haushaltsrechtliche Grundsätze.

Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer eines in Mülheim an der Ruhr gelegenen Grundstücks. Aufgrund der Hebesatzerhöhung stieg seine Grundsteuer B für das Jahr 2019 um 432,22 Euro – von 1.106,50 Euro auf 1.538,72 Euro.

Gegen die Erhöhung wandte sich der Kläger mit mehreren Argumenten. Er machte im Wesentlichen geltend:

  • der Oberbürgermeister habe Zeit, Ort und Tagesordnung der maßgeblichen Ratssitzung nicht rechtzeitig bekannt gemacht,
  • während der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist zur Neuregelung der Einheitsbewertung hätten Gemeinden die Hebesätze nicht erhöhen dürfen,
  • die Haushaltswirtschaft der Stadt Mülheim habe gegen das kommunalrechtliche Gebot der Sparsamkeit verstoßen.

Entscheidung des OVG NRW

Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Hebesatzerhöhung.

Ordnungsgemäße Bekanntmachung der Ratssitzung

Nach Auffassung des Gerichts war die Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der Ratssitzung unter den gegebenen Umständen noch rechtzeitig. Maßgeblich sei gewesen, dass sich die Stadt Mülheim in einer auch zeitlich dringenden Haushaltssanierung befunden habe. Vor diesem Hintergrund genügten die getroffenen Bekanntmachungsmaßnahmen den kommunalrechtlichen Anforderungen.

Hebesatzerhöhung trotz Übergangsfrist zur Grundsteuerreform

Das OVG stellte klar, dass sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14 u. a.) kein Verbot von Hebesatzerhöhungen während der Übergangsfrist zur Neuregelung der Einheitsbewertung ergibt. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist zur Reform der Grundsteuer eingeräumt, zugleich aber deutlich gemacht, dass die Gemeinden weiterhin handlungsfähig bleiben sollten. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, Hebesätze anzupassen.

Keine Überprüfung der Haushaltswirtschaft im Grundsteuerverfahren

Schließlich wies das OVG darauf hin, dass die Frage, ob die Haushaltsführung der Kommune den Geboten der Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Sparsamkeit entsprochen hat, nicht Gegenstand eines Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Grundsteuererhebung ist. Diese Aspekte seien ggf. in anderen kommunalaufsichtlichen oder haushaltsrechtlichen Verfahren zu klären, nicht jedoch im Rahmen einer Anfechtung der Grundsteuerfestsetzung.

Keine Revision zugelassen

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dem Kläger bleibt lediglich die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung für Grundstückseigentümer und Kommunen:

  • Auch sehr deutliche Hebesatzerhöhungen können rechtmäßig sein, wenn formelle Anforderungen eingehalten werden.
  • Die Übergangsphase zur Grundsteuerreform schränkt die Hebesatzautonomie der Gemeinden nicht ein.
  • Einwendungen gegen die kommunale Haushaltsführung sind im Grundsteuerverfahren grundsätzlich unbeachtlich.

Für Eigentümer bedeutet dies, dass rechtliche Angriffsmöglichkeiten gegen hohe Grundsteuer-Hebesätze stark begrenzt sind. Für Kommunen bestätigt das Urteil den weiten Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Hebesätze.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2025 – 14 A 4745/19, Pressemitteilung vom 11.12.2025

Anwendung der 10-jährigen Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 GrEStG

FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 08.10.2025 – 11 K 1987/25 GE (nrkr), Revision anhängig beim BFH: II R 44/25

Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2025 (11 K 1987/25 GE) entschieden, dass die auf zehn Jahre verlängerte Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG n. F. nicht auf Erwerbsvorgänge vor dem 1. Juli 2021 anzuwenden ist – selbst dann nicht, wenn die frühere fünfjährige Nachbehaltensfrist bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch nicht abgelaufen war.

Die Entscheidung widerspricht ausdrücklich der Auffassung der Finanzverwaltung und ist von erheblicher Bedeutung für Umstrukturierungen im Bereich von Personengesellschaften.

Hintergrund: Verlängerung der Nachbehaltensfrist

Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes im Jahr 2021 wurde die Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG von fünf auf zehn Jahre verlängert. Die Neuregelung gilt grundsätzlich für Erwerbsvorgänge nach dem 30.06.2021. Umstritten war jedoch, ob sie auch auf „Altfälle“ anzuwenden ist, bei denen der Erwerbsvorgang zwar vor dem Stichtag verwirklicht wurde, die damalige fünfjährige Nachbehaltensfrist aber noch lief.

Die Finanzverwaltung bejahte dies unter Hinweis auf § 23 Abs. 18 und Abs. 24 GrEStG und ging von einer faktischen Verlängerung laufender Nachbehaltensfristen aus.

Sachverhalt

Klägerin war eine offene Handelsgesellschaft (oHG), die im Jahr 2018 von einer Kommanditgesellschaft (KG) zwei Grundstücke im Wege der Einbringung erworben hatte. An beiden Personengesellschaften waren identische Gesellschafter beteiligt. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer zunächst zutreffend nach § 6 Abs. 3 GrEStG mit 0 Euro fest.

Im Jahr 2023 – und damit mehr als fünf Jahre nach dem Erwerbsvorgang – wurde die Klägerin formwechselnd in eine GmbH umgewandelt. Daraufhin änderte das Finanzamt den Grunderwerbsteuerbescheid und setzte Grunderwerbsteuer fest. Zur Begründung führte es an, dass die mittlerweile geltende zehnjährige Nachbehaltensfrist anzuwenden sei, da die frühere fünfjährige Frist am 01.07.2021 noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Entscheidung des FG Düsseldorf

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt. Maßgeblich sei weiterhin die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a. F., die zum Zeitpunkt des Formwechsels im Jahr 2023 bereits abgelaufen war.

Nach Auffassung des Senats folgt aus § 23 Abs. 18 GrEStG eindeutig, dass die Neufassung des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht wurden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, da der Grundstückserwerb bereits im Jahr 2018 abgeschlossen war.

Auch aus § 23 Abs. 24 GrEStG ergibt sich nach Ansicht des Gerichts nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung handele es sich hierbei nicht um eine verschärfende Sonderregelung zu Abs. 18. Vielmehr entspreche es der Systematik des § 23 GrEStG, für die Anwendung neuen Rechts stets an den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs anzuknüpfen. Sinn und Zweck der Neuregelung seien nicht darauf gerichtet, bereits vor dem 01.07.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge nachträglich der verlängerten Nachbehaltensfrist zu unterwerfen.

Abweichung von der Verwaltungsauffassung

Bemerkenswert ist, dass das FG Düsseldorf ausdrücklich der gegenteiligen Verwaltungsauffassung widerspricht, wie sie in den gleichlautenden Ländererlassen vom 5. März 2024 zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG vertreten wird. Der Senat sieht keine gesetzliche Grundlage für eine rückwirkende Verlängerung der Nachbehaltensfrist bei Altfällen.

Ausblick und Praxishinweis

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zugelassen und inzwischen eingelegt (BFH-Az. II R 44/25). Eine höchstrichterliche Klärung steht somit noch aus.

Für die Beratungspraxis ist die Entscheidung dennoch hochrelevant:

  • Bei Erwerbsvorgängen vor dem 01.07.2021 bestehen gute Argumente, weiterhin von der fünfjährigen Nachbehaltensfrist auszugehen.
  • Strukturmaßnahmen nach Ablauf von fünf Jahren können – jedenfalls nach Auffassung des FG Düsseldorf – grunderwerbsteuerneutral bleiben.
  • In laufenden oder geplanten Umstrukturierungen sollte die Frage der Nachbehaltensfrist ausdrücklich geprüft und dokumentiert werden, insbesondere im Hinblick auf das anhängige BFH-Verfahren.

Quelle: Finanzgericht Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 08.10.2025 – 11 K 1987/25 GE; Newsletter Dezember 2025
Revision anhängig beim BFH: II R 44/25

Keine Einziehung und Verwertung eines havarierten Öltankers und seiner Ladung in der Ostsee

BFH bestätigt Vorinstanz im vorläufigen Rechtsschutz
BFH, Beschlüsse vom 26.11.2025 – VII B 81/25 (AdV) und VII B 80/25 (AdV), Pressemitteilung Nr. 79/25 vom 11.12.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei sachlich zusammenhängenden Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz entschieden, dass ein von der Zollverwaltung sichergestellter Öltanker sowie dessen Ladung vorerst weder eingezogen noch verwertet werden dürfen. Hintergrund sind Maßnahmen der Zollverwaltung im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen der Europäischen Union (EU). Der BFH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanz und bejahte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einziehungs- und Verwertungsverfügungen.

Sachverhalt

Der betroffene Öltanker war auf dem Weg von Russland nach Indien und erlitt in der Ostsee eine Havarie. Das Schiff wurde manövrierunfähig, trieb in deutsche Hoheitsgewässer und wurde schließlich auf die Reede vor Sassnitz (Insel Rügen) geschleppt.

Die geladene Ölmenge galt bereits zu diesem Zeitpunkt als sanktioniertes Gut im Sinne von Art. 3i Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014. Das Schiff selbst wurde jedoch erst nach der Havarie durch die Verordnung (EU) 2025/395 in den Anhang XLII zu Art. 3s der Sanktionsverordnung aufgenommen. In diesem Anhang sind Schiffe aufgeführt, die – häufig als sogenannte „Schattenflotte“ bezeichnet – im Verdacht stehen, zur Umgehung der Russland-Sanktionen eingesetzt zu werden.

Vor diesem Hintergrund ordnete das zuständige Hauptzollamt (HZA) zunächst die Sicherstellung von Schiff und Ladung an. In einem weiteren Schritt verfügte es die Einziehung und Verwertung auf Grundlage von Art. 198 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv des Zollkodex der Union in Verbindung mit § 13 Abs. 1 ZollVG. Die Eigentümer bzw. Charterer wandten sich hiergegen mit Erfolg an das Finanzgericht, das die Vollziehung der Maßnahmen im Wege der Aussetzung der Vollziehung (AdV) stoppte.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Beschwerden des Hauptzollamts zurück und bestätigte die AdV-Entscheidungen der Vorinstanz. Maßgeblich war, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einziehungsmaßnahmen bestehen.

Zweifel hinsichtlich des Tankers

Bezogen auf das Schiff selbst sieht der BFH mehrere ungeklärte Rechtsfragen:

  • Es ist rechtlich offen, ob ein nach der EU-Sanktionsverordnung verbotenes „Verbringen in die Union“ auch dann vorliegt, wenn ein Schiff manövrierunfähig ist und ohne eigenen Willensentschluss in EU-Gewässer driftet.
  • Ebenso zweifelhaft ist, ob die einschlägigen Sanktionsregelungen auch ein „Verbringen aus der Union“ erfassen, obwohl der betreffende Tatbestand – anders als andere Embargobestimmungen – eine Ausfuhr nicht ausdrücklich erwähnt.

Darüber hinaus hebt der BFH die Bedeutung völkerrechtlicher Aspekte hervor. Zu berücksichtigen seien insbesondere das völkerrechtlich anerkannte Nothafenrecht sowie das Recht auf friedliche Durchfahrt nach Art. 17 und 18 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ).

Zweifel hinsichtlich der Ladung

Auch hinsichtlich der Ölladung sieht der BFH offene Rechtsfragen. Insbesondere ist bislang ungeklärt, ob die in Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 vorgesehene Ausnahme, die gelisteten Schiffen in Notsituationen das Anlaufen eines sicheren Hafens erlaubt, nach Sinn und Zweck der Regelung auch das Wieder-Auslaufen eines zuvor havarierten und erst danach gelisteten Schiffs einschließlich seiner Ladung umfassen kann.

Diese ungeklärten Fragen rechtfertigen es nach Auffassung des BFH, die Einziehung und Verwertung im vorläufigen Rechtsschutz auszusetzen.

Bedeutung der Entscheidung

Die Beschlüsse verdeutlichen, dass auch im Kontext weitreichender EU-Sanktionen eine sorgfältige rechtliche Prüfung erforderlich ist. Insbesondere bei Notlagen auf See treffen Sanktionsrecht, Zollrecht und Völkerrecht unmittelbar aufeinander. Der BFH stellt klar, dass Sanktionen nicht schematisch angewendet werden dürfen, wenn gewichtige rechtliche Zweifel bestehen.

Gleichzeitig handelt es sich um Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz. Eine abschließende Klärung der aufgeworfenen unions-, zoll- und völkerrechtlichen Fragen bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Praxishinweis

Für die Praxis zeigt die Entscheidung:

  • Einziehungen nach dem Zollkodex der Union im Sanktionskontext unterliegen strengen rechtlichen Anforderungen.
  • Unionsrechtliche Sanktionsnormen sind unter Berücksichtigung ihres Wortlauts, ihres Zwecks und völkerrechtlicher Rahmenbedingungen auszulegen.
  • In komplexen Grenzfällen kann der vorläufige Rechtsschutz ein wirksames Instrument sein, um irreversible Maßnahmen wie Verwertung zu verhindern.

Quelle: Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom 26.11.2025 – VII B 80/25 (AdV), VII B 81/25 (AdV); Pressemitteilung Nr. 79/25 vom 11.12.2025

BFH: Verlustabzugssperre zur Verhinderung einer doppelten Nutzung von Organschaftsverlusten im In- und Ausland

BFH, Urteil vom 16.07.2025 – I R 20/22

Mit Urteil vom 16. Juli 2025 (I R 20/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zentrale Fragen zur Verlustabzugssperre nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG geklärt. Im Mittelpunkt steht die Zielsetzung der Norm, eine doppelte Nutzung von Organschaftsverlusten im Inland und Ausland zu verhindern. Der BFH bestätigt dabei sowohl die rückwirkende Anwendbarkeit der Regelung als auch ihren weiten persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich.

Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für grenzüberschreitende Konzernstrukturen mit ertragsteuerlicher Organschaft.

Hintergrund: Verlustabzugssperre bei Organschaften

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG wurde durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 eingeführt. Die Vorschrift soll verhindern, dass Verluste einer Organgesellschaft oder des Organträgers sowohl in Deutschland als auch im Ausland steuerlich berücksichtigt werden.

Die zeitliche Anwendungsregelung findet sich in § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG. Danach ist die Verlustabzugssperre rückwirkend auf alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle anzuwenden. Diese Rückwirkung war im Streitfall Gegenstand verfassungsrechtlicher und systematischer Bedenken.

Entscheidung des BFH

Der BFH weist die Revision zurück und bestätigt die Anwendung der Verlustabzugssperre in vollem Umfang.

Keine Regelungslücke bei der zeitlichen Anwendung

Zunächst stellt der BFH klar, dass die zeitliche Anwendungsregelung des § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG keine verdeckte Regelungslücke enthält. Der Gesetzgeber habe die rückwirkende Geltung der Verlustabzugssperre ausdrücklich angeordnet. Eine einschränkende Auslegung oder eine verfassungskonforme Reduktion des Anwendungsbereichs komme daher nicht in Betracht.

Damit bestätigt der BFH die umfassende Rückwirkung der Vorschrift auf alle offenen Veranlagungszeiträume.

Persönlicher Anwendungsbereich: Kein Auslandsbezug erforderlich

Weiter stellt der BFH klar, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG persönlich auf jeden Organträger anzuwenden ist. Die Norm beschränkt sich nicht auf Organträger, die sowohl im Inland als auch im Ausland ansässig sind.

Entscheidend ist allein, ob negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft im Ausland steuerlich berücksichtigt werden. Ein eigener Wohnsitz oder Sitz des Organträgers im Ausland ist nicht erforderlich.

Bedeutung für die Gewerbesteuer

Von erheblicher praktischer Relevanz ist zudem die Aussage des BFH zur Gewerbesteuer. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gehört nach Auffassung des Gerichts zu den Gewinnermittlungsvorschriften, auf die § 7 Satz 1 GewStG verweist.

Die Verlustabzugssperre ist daher auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass sich die Sperrwirkung nicht nur auf die Körperschaftsteuer, sondern auch auf die Gewerbesteuer auswirkt.

Maßstab für eine ausländische Verlustberücksichtigung

Schließlich konkretisiert der BFH, wann eine relevante Berücksichtigung negativer Einkünfte im Ausland vorliegt. Eine solche ist nur insoweit gegeben, als eine am Ertrag orientierte ausländische Steuer unter Einbeziehung sämtlicher Einkünfte aus derselben Quelle bei periodenübergreifender Betrachtung endgültig niedriger festgesetzt wurde, als dies ohne Berücksichtigung dieser Einkunftsquelle der Fall gewesen wäre.

Damit grenzt der BFH rein temporäre Effekte von einer endgültigen steuerlichen Doppelverwertung ab und stellt auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung ab.

Praxishinweis

Das Urteil stärkt die Rechtsposition der Finanzverwaltung und unterstreicht die weitreichende Bedeutung der Verlustabzugssperre bei Organschaften:

  • Die rückwirkende Anwendung der Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
  • Die Sperre gilt unabhängig von der Ansässigkeit des Organträgers.
  • Sie wirkt sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer.
  • Maßgeblich ist eine endgültige steuerliche Entlastung im Ausland, nicht nur eine vorübergehende Verlustverrechnung.

Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass grenzüberschreitende Organschaftsstrukturen und ausländische Verlustnutzungen sorgfältig auf eine mögliche Sperrwirkung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG zu überprüfen sind. Insbesondere bei internationalen Konzernen ist eine abgestimmte Steuerplanung im In- und Ausland unerlässlich, um ungewollte steuerliche Mehrbelastungen zu vermeiden.

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.07.2025 – I R 20/22