Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

BFH zur Restschuldbefreiung und Nachhaftung bei Umsatzsteuerschulden im Insolvenzverfahren

BFH, Urteil vom 14.05.2025 – XI R 23/22

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat wichtige Grundsätze zur Restschuldbefreiung (§ 301 InsO) und zur Nachhaftung des Schuldners für Umsatzsteuerschulden nach Einstellung eines Insolvenzverfahrens (§ 211 InsO) bestätigt und konkretisiert.


Hintergrund

  • Im Insolvenzverfahren entstehen häufig Umsatzsteuerschulden als Masseverbindlichkeiten durch Handlungen des Insolvenzverwalters (z. B. Verwertung von Vermögenswerten).
  • Strittig war, ob der Schuldner nach Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens für solche Schulden mit seinem insolvenzfreien Vermögen nachhaftet – insbesondere dann, wenn Restschuldbefreiung erteilt wurde.

Kernaussagen des BFH

  1. Keine Restschuldbefreiung für Masseverbindlichkeiten
    • Masseverbindlichkeiten fallen nicht unter die Restschuldbefreiung (§ 301 Abs. 1 InsO).
  2. Zahlung ohne Rechtsgrund möglich
    • Eine Steuerzahlung ist auch dann „ohne rechtlichen Grund“ geleistet, wenn sie unter Protest erfolgt und der Steuerforderung eine dauerhafte Einrede entgegensteht.
  3. Keine persönliche Haftung während des Verfahrens
    • Beruhen Umsatzsteuerschulden ausschließlich auf Handlungen des Insolvenzverwalters, haftet der Schuldner nicht mit seinem insolvenzfreien Vermögen.
  4. Fortgeltung der Haftungsbeschränkung nach § 211 InsO
    • Wird das Verfahren wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt (§ 211 InsO) und dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt, gilt die Haftungsbeschränkung fort.
    • Damit bleibt der Schuldner auch nach Einstellung des Verfahrens vor einer persönlichen Inanspruchnahme geschützt.

Bedeutung für die Praxis

  • Für Schuldner: Umsatzsteuerschulden, die allein auf Handlungen des Insolvenzverwalters beruhen, bleiben nach Restschuldbefreiung dauerhaft von der persönlichen Haftung ausgenommen.
  • Für Insolvenzverwalter: Die korrekte Behandlung von Umsatzsteuerforderungen als Masseverbindlichkeiten bleibt entscheidend.
  • Für die Finanzverwaltung: Grenzen für die Durchsetzung von Steuerforderungen gegen den Schuldner sind erneut bestätigt worden.

Fazit

Der BFH stärkt die Rechtssicherheit für Insolvenzschuldner: Auch nach Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit und erteilter Restschuldbefreiung besteht keine persönliche Haftung für Umsatzsteuerschulden, die auf Handlungen des Insolvenzverwalters beruhen. Damit bleibt der Zweck der Restschuldbefreiung – ein wirtschaftlicher Neuanfang – gewahrt.


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BFH zur Besteuerung von Erträgen aus ausländischen Investmentfonds

BFH, Beschluss vom 01.07.2025 – VIII R 18/22

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt: Für die Anwendung des Investmentsteuergesetzes 2004 (InvStG 2004) ist kein vollständiges „Fremdverwaltungsgebot“ erforderlich. Zudem gilt die Besteuerung nach dem Investmentsteuergesetz bei Privatanlegern abschließend und vorrangig gegenüber den allgemeinen steuerlichen Vorschriften.


Hintergrund

  • Im Streitfall ging es um die Besteuerung von Erträgen eines ausländischen Investmentfonds, an dem ein deutscher Privatanleger beteiligt war.
  • Das Finanzamt hatte versucht, die Kapitalanlagen des Fonds unmittelbar dem Anleger zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO).
  • Fraglich war auch, ob die Fondsverwaltung völlig unabhängig von den Anlegern erfolgen muss, damit das InvStG 2004 Anwendung findet.

Die Kernaussagen des BFH

  1. Kein Fremdverwaltungsgebot
    • Für die Anwendbarkeit des InvStG 2004 ist es nicht erforderlich, dass der Fondsverwalter vollständig frei von jeder Einflussnahme der Anleger ist.
    • Das Gesetz stellt nicht auf ein absolutes Fremdverwaltungsprinzip ab.
  2. Vorrang der Investmentbesteuerung
    • Die Besteuerung nach dem InvStG 2004 ist bei Privatanlegern abschließend.
    • Eine zusätzliche oder alternative Besteuerung nach allgemeinen Vorschriften ist ausgeschlossen.
  3. Keine Zurechnung zum Anteilseigner
    • Die Kapitalanlagen des Fonds können nicht direkt dem Anleger zugerechnet werden.
    • Damit bleibt der Fonds steuerlich eigenständig – eine „Durchgriffsbesteuerung“ ist ausgeschlossen.

Bedeutung für die Praxis

  • Rechtssicherheit für Privatanleger: Erträge aus ausländischen Fonds unterliegen der Sonderbesteuerung nach dem InvStG – unabhängig von möglichen Einflussmöglichkeiten auf den Fonds.
  • Keine Doppelbesteuerung: Eine zusätzliche Anwendung allgemeiner Vorschriften ist ausgeschlossen.
  • Gestaltungssicherheit: Anleger müssen nicht befürchten, dass das Finanzamt die Vermögenswerte des Fonds unmittelbar ihnen zurechnet.

Fazit

Mit dieser Entscheidung stärkt der BFH die Klarheit und Systematik der Investmentbesteuerung. Für Privatanleger bedeutet das: Die Regeln des Investmentsteuergesetzes sind vorrangig und abschließend. Das Finanzamt kann Fondsanlagen nicht zusätzlich nach allgemeinen Vorschriften erfassen.


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BFH: Rückwirkende Anwendung von § 6e EStG verfassungsgemäß

BFH, Urteil vom 15.07.2025 – IX R 13/24

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die rückwirkende Anwendung des § 6e Einkommensteuergesetz (EStG) auf Wirtschaftsjahre, die vor dem 18. Dezember 2019 enden, nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.


Hintergrund

Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht wurde § 6e EStG eingeführt. Die Vorschrift enthält Sonderregelungen zur steuerlichen Behandlung bestimmter Aufwendungen und Abzüge.

In § 52 Abs. 14a EStG wurde zugleich geregelt, dass die Vorschrift rückwirkend auch für bereits abgelaufene Wirtschaftsjahre gilt, die vor dem 18.12.2019 endeten. Daran knüpfte sich die Frage, ob dies mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot vereinbar ist.


Die Entscheidung des BFH

  • Der BFH stellte klar: Die Rückwirkung des § 6e EStG ist zulässig.
  • Begründung: Steuerpflichtige mussten bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes mit einer gesetzgeberischen Klarstellung rechnen.
  • Es liegt daher keine echte unzulässige Rückwirkung vor, sondern lediglich eine unechte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich erlaubt ist.

Bedeutung für die Praxis

  • Steuerpflichtige können sich nicht auf das Rückwirkungsverbot berufen, um die Anwendung von § 6e EStG auszuschließen.
  • Gestaltungen, die in Wirtschaftsjahren vor dem 18.12.2019 umgesetzt wurden, fallen ebenfalls unter die neue Regelung.
  • Für die steuerliche Beratung bedeutet das: Bei der Anwendung von § 6e EStG ist stets die rückwirkende Geltung zu berücksichtigen.

Fazit

Mit dem Urteil schafft der BFH Rechtssicherheit: Die rückwirkende Anwendung von § 6e EStG ist verfassungsgemäß. Steuerpflichtige können sich hiergegen nicht erfolgreich mit dem Argument des Rückwirkungsverbots wehren.


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BFH bestätigt Bankenprivileg für Konzernfinanzierungsgesellschaften

BFH, Beschluss vom 21.05.2025 – III R 6/24

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Auch Konzernfinanzierungsgesellschaften können vom sogenannten Bankenprivileg profitieren. Damit bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung und konkretisiert die Voraussetzungen für die Anwendung in der Praxis.


Hintergrund: Das Bankenprivileg

Nach § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV sind bestimmte Zinsaufwendungen von Kreditinstituten von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ausgenommen. Dieses Bankenprivileg soll verhindern, dass Banken und vergleichbare Institute durch die Hinzurechnungsvorschriften nach § 8 Nr. 1 GewStG unangemessen belastet werden.

Strittig war bislang, ob auch Finanzierungsgesellschaften innerhalb von Konzernen, die typischerweise konzerninterne Bankgeschäfte betreiben, begünstigt sein können.


Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellt klar:

  • Eine Konzernfinanzierungsgesellschaft kann unter das Bankenprivileg fallen, wenn sie Bankgeschäfte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG betreibt.
  • Maßgeblich ist dabei das zivil- und aufsichtsrechtliche Verständnis des Begriffs „gewerbsmäßig“.
  • Es genügt, dass die Finanzierungsgesellschaft ihre Geschäfte auf Dauer und gegen Entgelt betreibt.
  • Entscheidend ist nicht das steuerliche Merkmal der „Gewinnerzielungsabsicht“ nach § 15 Abs. 2 EStG, sondern die bankaufsichtsrechtliche Sicht.

Damit hat der BFH die Tür für eine weitergehende Anwendung des Bankenprivilegs auch im Konzernkontext geöffnet.


Bedeutung für die Praxis

  • Konzernfinanzierungsgesellschaften können sich künftig leichter auf das Bankenprivileg berufen.
  • Voraussetzung ist, dass die konzerninternen Finanzierungsleistungen die Merkmale eines gewerbsmäßigen Bankbetriebs im Sinne des KWG erfüllen.
  • Damit können betroffene Gesellschaften erhebliche gewerbesteuerliche Entlastungen erzielen, weil Zinsaufwendungen ganz oder teilweise nicht hinzugerechnet werden.
  • Für die steuerliche Gestaltung bedeutet dies: Eine sorgfältige Dokumentation der Entgeltlichkeit und des dauerhaften Geschäftsbetriebs ist entscheidend.

Fazit

Das BFH-Urteil stärkt die Position von Konzernfinanzierungsgesellschaften: Das Bankenprivileg kann ihnen auch dann offenstehen, wenn sie primär konzerninterne Bankgeschäfte betreiben. Entscheidend ist, dass diese Geschäfte aufsichtsrechtlich als gewerbsmäßig einzustufen sind – unabhängig vom steuerrechtlichen Gewinnermittlungsbegriff.


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BFH zur Hinzurechnung von Zinsen auf Depotverbindlichkeiten im Retrozessionsgeschäft

BFH, Urteil vom 21.05.2025 – III R 32/22
Pressemitteilung Nr. 54/25 vom 28.08.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Zinsen auf Depotverbindlichkeiten im Zusammenhang mit Retrozessionsgeschäften der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG unterliegen. Rückversicherungsunternehmen können sich dabei nicht auf Sonderregelungen berufen, die für bestimmte Erstversicherungsunternehmen oder Banken gelten.


Hintergrund des Falls

  • Die Klägerin war ein Rückversicherer, der Risiken teilweise in Retrozession weitergab.
  • Im Rahmen dieser Rückversicherungsverträge wurden Depotverbindlichkeiten gebildet, auf die die Klägerin Zinsen an die Retrozessionäre zahlte.
  • Das Finanzamt behandelte die Zinsen als Entgelte für Schulden und rechnete sie gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG zu einem Viertel dem Gewinn hinzu.

Die Klage blieb erfolglos – ebenso wie die Revision der Klägerin.


Kernaussagen des BFH

  • Keine Ausnahme für Rückversicherer
    Rückversicherungsunternehmen sind nicht verpflichtet, ein Sondervermögen zu bilden. Daher können sie sich auch nicht auf die damit verbundene Ausnahme von der Hinzurechnung berufen.
  • Kein Bankenprivileg
    Eine vergleichbare Ausnahme wie das Bankenprivileg (§ 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG i. V. m. § 19 GewStDV) existiert für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen nicht.
  • Keine allgemeine Doppelbelastungsregel
    Der BFH stellte klar: Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass steuerliche Doppelbelastungen im Gewerbesteuerrecht zu vermeiden seien.
  • Keine Saldierung
    Eine Verrechnung der gezahlten Zinsen mit Zinserträgen aus Depotforderungen ist unzulässig. Auch ein Vergleich mit Cash-Pooling, Bewertungseinheiten oder Swap-Geschäften greift nicht.

Bedeutung für die Praxis

  • Rückversicherungsunternehmen müssen Zinsen auf Depotverbindlichkeiten grundsätzlich als hinzurechnungspflichtige Aufwendungen behandeln.
  • Ausnahmen, wie sie für bestimmte Erstversicherer oder Banken bestehen, lassen sich nicht übertragen.
  • Die Entscheidung verdeutlicht die strikte Anwendung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften – auch in komplexen Finanz- und Versicherungsstrukturen.

Fazit

Mit dem Urteil stellt der BFH klar, dass die Hinzurechnungsvorschriften nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG eng auszulegen sind. Rückversicherungsunternehmen können sich weder auf ein Sondervermögen noch auf das Bankenprivileg berufen. Damit steigt die steuerliche Belastung bei Retrozessionsgeschäften – Gestaltungsansätze sind hier nur sehr eingeschränkt möglich.


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BFH zur erweiterten Kürzung und Drei-Objekt-Grenze bei En-bloc-Veräußerung

BFH, Urteil vom 03.06.2025 – III R 12/22

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Veräußert eine Kapitalgesellschaft mehrere Immobilien innerhalb kurzer Zeit, kann dies auch bei einer En-bloc-Veräußerung (Verkauf in einem einzigen Vorgang) einen gewerblichen Grundstückshandel begründen – mit erheblichen Folgen für die gewerbesteuerliche Kürzung.


Hintergrund

Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ermöglicht es Grundstücksunternehmen, Mieteinnahmen weitgehend von der Gewerbesteuer freizustellen. Voraussetzung: Das Unternehmen beschränkt sich auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes.

Ein gewerblicher Grundstückshandel schließt die erweiterte Kürzung jedoch aus. Maßgeblich ist hier die sogenannte Drei-Objekt-Grenze: Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als drei Objekte angeschafft und wieder veräußert, indiziert dies eine gewerbliche Tätigkeit.


Die Entscheidung des BFH

  • Eine Kapitalgesellschaft hatte im dritten Jahr nach Erwerb fünf Mehrfamilienhäuser in einem einzigen Verkaufsakt („en bloc“) an einen Erwerber veräußert.
  • Der BFH entschied:
    • Schon die Anzahl der Objekte löst die Drei-Objekt-Grenze aus – unabhängig davon, dass es sich um einen einzigen Verkaufsakt handelt.
    • Damit liegt ein gewerblicher Grundstückshandel vor.
    • Für die Abgrenzung kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit nachhaltig im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG ist.

Bedeutung für die Praxis

  • Immobiliengesellschaften müssen besonders vorsichtig sein: Auch eine gebündelte Veräußerung mehrerer Objekte in einem Vertrag kann die erweiterte Kürzung gefährden.
  • Die Drei-Objekt-Grenze bleibt das entscheidende Kriterium. Nachhaltigkeitsüberlegungen spielen hierbei keine Rolle.
  • Folge: Der Gewinn aus der Veräußerung unterliegt der Gewerbesteuer – ein erheblicher Steuerbelastungsfaktor.

Fazit

Das Urteil bestätigt die strenge Anwendung der Drei-Objekt-Grenze auch bei Kapitalgesellschaften. Für die steuerliche Gestaltung gilt: Wer Immobilien steueroptimiert veräußern möchte, sollte vorab prüfen, ob die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG noch gewahrt sind.


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Feststellungsklage bei vorläufiger Einstellung der Kindergeldzahlung zulässig

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.06.2025 – 10 K 10002/25 (Revision beim BFH anhängig, Az. III R 21/25)

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden: Wird die Kindergeldzahlung nach § 71 EStG vorläufig eingestellt, ist eine Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO zulässig. Damit stärkt das Gericht die Rechte von Eltern im Kindergeldverfahren.


Der Fall

  • Die Kinder lebten nach der Trennung beim Kläger.
  • Die Kindesmutter stellte im Oktober 2024 einen konkurrierenden Kindergeldantrag.
  • Daraufhin setzte die Familienkasse die Zahlungen an den Kläger ab November 2024 vorläufig aus.
  • Nachdem der Kläger nachwies, dass die Kinder weiterhin bei ihm lebten, nahm die Kasse die Zahlungen noch im November wieder auf.

Obwohl kein finanzieller Schaden entstand, erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zahlungseinstellung.


Die Entscheidung des FG

Das Finanzgericht stellte fest:

  • Auch ohne wirtschaftliche Beeinträchtigung kann ein Feststellungsinteresse bestehen.
  • Dieses ergibt sich aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG).
  • Da es sich bei der Zahlungseinstellung um einen Realakt und nicht um einen Verwaltungsakt handelt, bestand für den Kläger keine andere Rechtsschutzmöglichkeit.
  • Die Maßnahme sei zudem rechtswidrig gewesen:
    • Die Familienkasse hatte die Gründe nicht ordnungsgemäß mitgeteilt (§ 71 Abs. 2 EStG).
    • Erforderliche Ermessensentscheidungen (§ 71 Abs. 1 EStG) waren nicht erkennbar.

Das Gericht stellte daher die Rechtswidrigkeit fest.


Bedeutung für die Praxis

  • Eltern können sich auch dann erfolgreich gerichtlich wehren, wenn eine Kindergeldzahlung nur vorübergehend ausgesetzt wird.
  • Ein Feststellungsinteresse liegt bereits vor, wenn Grundrechte berührt sind und es keine andere Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung gibt.
  • Für Familienkassen bedeutet das Urteil: Die Anforderungen an die Begründung und Ermessensausübung bei Zahlungseinstellungen werden verschärft.

Ausblick

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim Bundesfinanzhof (Az. III R 21/25) anhängig. Dort wird nun höchstrichterlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Feststellungsklage im Kindergeldrecht zulässig ist.


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Förderung energetischer Maßnahmen an Wohngebäuden – Aktualisierte Einzelfragen zu § 35c EStG

BMF, Schreiben vom 21.08.2025 (koordinierter Ländererlass)

Mit § 35c Einkommensteuergesetz (EStG) können Eigentümerinnen und Eigentümer steuerliche Vorteile für energetische Sanierungsmaßnahmen an selbstgenutzten Wohngebäuden erhalten. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat dazu nun eine aktualisierte Fassung seines Anwendungsschreibens veröffentlicht, die das bisherige Schreiben vom 14. Januar 2021 ersetzt.


Hintergrund

Die Steuerermäßigung nach § 35c EStG soll private Investitionen in Energieeffizienz und Klimaschutz fördern. Begünstigt sind Maßnahmen, die den technischen Mindestanforderungen der Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung (ESanMV) entsprechen.

Das neue BMF-Schreiben konkretisiert zahlreiche Anwendungsfragen und erleichtert die Umsetzung in der Praxis – sowohl für Finanzämter als auch für Bürgerinnen und Bürger.


Wichtige Punkte der Neufassung

  • Anwendungsbereich erweitert und präzisiert
    Die Neufassung enthält eine aktualisierte Übersicht typischer vorbereitender Arbeiten und Umfeldmaßnahmen, die im Zusammenhang mit begünstigten energetischen Maßnahmen stehen können.
  • Abgrenzung und Nachweise
    Auch weiterhin gilt: Maßnahmen sind nur dann begünstigt, wenn sie die technischen Mindestanforderungen der ESanMV erfüllen.
  • Zusammenhang mit Musterbescheinigung
    Das Schreiben tritt ergänzend neben das BMF-Schreiben vom 23. Dezember 2024, das die Musterbescheinigung für die Steuererklärung regelt. Diese Bescheinigung ist zwingend mit der Steuererklärung einzureichen, um die Förderung nach § 35c EStG geltend zu machen.
  • Rechtsklarheit für die Praxis
    Die Finanzämter erhalten präzisere Vorgaben, um die einheitliche Behandlung von Anträgen sicherzustellen.

Was bedeutet das für Eigentümer?

  • Mehr Klarheit bei der Frage, welche Arbeiten als „Umfeldmaßnahmen“ anerkannt werden.
  • Sicherheit bei der steuerlichen Absetzbarkeit von Sanierungskosten.
  • Notwendigkeit einer fachgerechten Bescheinigung der Maßnahmen – ohne diese keine Steuerermäßigung.

Fazit

Die Überarbeitung des BMF-Schreibens stärkt die Rechts- und Planungssicherheit für alle, die energetische Sanierungen an selbstgenutzten Wohngebäuden durchführen. Wer Förderungen nach § 35c EStG nutzen möchte, sollte frühzeitig die Bescheinigungspflicht im Blick behalten und die Maßnahmen technisch sowie steuerlich korrekt dokumentieren.


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Neues Muster der Umsatzsteuererklärung für die Fahrzeugeinzelbesteuerung

BMF, Schreiben vom 25.08.2025 (koordinierter Ländererlass)

Mit Wirkung zum 25. August 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein neues Muster der Umsatzsteuererklärung für die Fahrzeugeinzelbesteuerung veröffentlicht. Hintergrund ist die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sowie die Anpassung an das Jahressteuergesetz 2022, das die elektronische Übermittlung solcher Erklärungen ermöglicht (§ 18 Abs. 5a UStG).


Worum geht es?

Die Fahrzeugeinzelbesteuerung betrifft insbesondere den innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge (§ 1b UStG). Ab sofort gelten neue Vordruckmuster und eine überarbeitete Anleitung, die eine standardisierte und elektronische Abgabe der Erklärung sicherstellen sollen.


Neue Vordruckmuster

Folgende Formulare wurden eingeführt:

  • USt 1 B – Umsatzsteuererklärung für die Fahrzeugeinzelbesteuerung
  • Anlage USt 1 B – Ergänzungsbogen, insbesondere für Steuerbefreiungen
  • Anleitung USt 1 B – Ausfüllhilfe

Wer muss den Vordruck nutzen?

Die Erklärung ist abzugeben von:

  • Privatpersonen,
  • nichtunternehmerisch tätigen Personenvereinigungen,
  • Unternehmern, die das Fahrzeug für ihren nichtunternehmerischen Bereich erwerben.

➡️ Für jedes neue Fahrzeug muss eine eigene Erklärung eingereicht werden.

Nicht zu verwenden ist das Formular bei:

  • Erwerb durch Unternehmer für den unternehmerischen Bereich,
  • Erwerb durch juristische Personen, die nicht Unternehmer sind.
    In diesen Fällen erfolgt die Meldung wie bisher über die Umsatzsteuer-Voranmeldung (USt 1 A) und die Umsatzsteuer-Jahreserklärung (USt 2 A).

Sonderfälle

  • Ausländische Missionen und Konsulate: Seit dem 01.01.2022 ist das BZSt zuständig; hierfür gibt es eigene Formulare.
  • Steuerbefreiung (§ 4b Nr. 3 UStG): Diese wird über die Anlage USt 1 B beantragt. Notwendig ist eine Bestätigung der internationalen Organisation (Dienststempel + Kontingentnachweis).

Elektronische Übermittlung

Die Abgabe erfolgt grundsätzlich elektronisch über die amtliche Schnittstelle (Elster, § 18 Abs. 5a UStG i. V. m. § 87a AO). Weitere Informationen: www.elster.de.


Fazit für die Praxis

  • Neue, einheitliche Vordrucke für die Fahrzeugeinzelbesteuerung ab sofort verbindlich.
  • Pflicht zur Einzelabgabe je Fahrzeug.
  • Elektronische Übermittlung über Elster erforderlich.
  • Sonderregelungen für internationale Organisationen und Steuerbefreiungen bleiben bestehen.

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Entwurf Standortfördergesetz (StoFöG) – Förderung privater Investitionen und Stärkung des Finanzplatzes Deutschland

BMF, Mitteilung vom 22.08.2025

Der Koalitionsvertrag der 21. Legislaturperiode sieht eine Investitionsoffensive sowie Strukturreformen vor, um das Wirtschaftswachstum in Deutschland zu fördern. Ein zentraler Baustein ist das neue Standortfördergesetz (StoFöG), das am 28. Mai 2025 im Rahmen eines Sofortprogramms beschlossen und nun als Referentenentwurf veröffentlicht wurde.

Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu verbessern und zugleich den Finanzplatz Deutschland zu stärken.


Kernelemente des Gesetzentwurfs

Das StoFöG konzentriert sich auf steuerliche Impulse und bessere Finanzierungsbedingungen. Wichtige Maßnahmen sind:

  • Bessere Finanzierung für kleine Unternehmen und Start-ups
    Zugang zu Kapital soll erleichtert werden, insbesondere durch Anreize für Risikokapital und Beteiligungsfinanzierungen.
  • Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien und Infrastruktur
    Fonds sollen verstärkt in nachhaltige Projekte investieren können – ein Beitrag zur Energiewende und Modernisierung der Infrastruktur.
  • Bürokratieabbau im Finanzmarktbereich
    Aufsichtliche Prozesse bei der BaFin sollen verschlankt werden – ohne Abstriche beim Verbraucherschutz.
  • Umsetzung europäischer Kapitalmarktreformen
    Standortfreundliche Einführung von EU-Rechtsakten wie dem Listing Act, ESAP und der MIFIR-Überarbeitung zur Stärkung des Kapitalmarktes.

Was bedeutet das für Unternehmen und Investoren?

  • Start-ups und KMU: Bessere Chancen auf Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung.
  • Investoren: Neue steuerliche Anreize und vereinfachte Rahmenbedingungen für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien.
  • Finanzmarktteilnehmer: Weniger bürokratische Hürden, schnellere Genehmigungs- und Prüfprozesse.

Fazit

Das StoFöG verfolgt das Ziel, Wachstum und Investitionen in Deutschland zu stärken. Besonders spannend ist die geplante Förderung von Venture Capital und der Ausbau nachhaltiger Investitionen. Unternehmen, Gründer und Investoren sollten die weitere Entwicklung im Blick behalten – konkrete steuerliche Anreize könnten zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen.