Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Leistungsbonus wird in die Berechnung des Mindestlohns einbezogen

Die Parteien streiten über die Frage, auf welche Gehaltsbestandteile der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) anwendbar ist.

Die Klägerin wurde bei der beklagten Arbeitgeberin zunächst mit einer Grundvergütung von 8,10 Euro pro Stunde vergütet. Daneben zahlte die Arbeitgeberin einen „freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 Euro, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung“ richtete. Anlässlich der Einführung des MiLoG teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiter 8,10 Euro brutto pro Stunde, der Brutto/Leistungsbonus max. 1,00 Euro pro Stunde. Vom Bonus würden allerdings 0,40 Euro pro Stunde fix gezahlt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Er sei zusätzlich zu einer Grundvergütung in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Zweck des MiLoG sei es, dem oder der Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Es komme – unabhängig von der Bezeichnung einzelner Leistungen – allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Mindestlohnwirksam seien daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt würden. Da ein Leistungsbonus, anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen, einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweise, handele es sich um „Lohn im eigentlichen Sinn“, der in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: ArbG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 02.06.2015 zum Urteil 5 Ca 1675/15 vom 20.04.2015 (nrkr.)

 

Arbeitslosenversicherung – kein Gründungszuschuss bei hoher Abfindung

Ein Arbeitsloser, der sich selbständig machen will, kann hierfür einen Gründungszuschuss der Arbeitsagentur erhalten. Dieser Zuschuss wird zunächst für 6 Monate in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes zuzüglich 300 Euro pro Monat gezahlt und kann für weitere 9 Monate verlängert werden. Er setzt u.a. voraus, dass der Arbeitslose die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist, dies durch eine fachkundige Stelle bestätigt wird und der Arbeitslose über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit verfügt.

Gründungszuschuss ist Ermessensleistung
Allerdings steht der Zuschuss im Ermessen der Arbeitsagentur, d.h. die Agentur kann, muss aber nicht leisten.

Hieran ist ein 59 Jahre alter Mann aus der Wetterau mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Gießen gescheitert.

Vor seiner Arbeitslosigkeit hatte der Mann mehr als 30 Jahre bei einem großen mittelhessischen Heiztechnikunternehmen gearbeitet. Aufgrund einer Verlagerung des Betriebes wurde das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von etwas mehr als 170 000 Euro brutto (rund 130 000 Euro netto) aufgelöst.

Er bezog zunächst Arbeitslosengeld und stellte dann einen Antrag auf einen Gründungszuschuss für die Errichtung einer GmbH & Co. KG zusammen mit einem Partner. Geschäftsidee war der Verkauf und die Reparatur heiztechnischer Austauschteile.

Das Gewerbe wurde dann auch angemeldet. Die Firma besteht noch.

Abfindung muss reichen
Die Agentur für Arbeit Gießen lehnte den Antrag ab und begründete dies damit, der zuvor Arbeitslose verfüge aufgrund seiner Abfindung über genügend finanzielle Ressourcen, um das Gründungsvorhaben selbst zu finanzieren.

Im Klageverfahren bezog der Kläger sich auf eine Aufstellung zur Vermögenslage, aus der u.a. hervorgeht, dass er mit der gezahlten Abfindung mehrere Kredite abgelöst hatte.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Überbrückungsgeld verfolge den Zweck, den Lebensunterhalt in der ersten Zeit nach der Existenzgründung zu sichern. Der Lebensunterhalt sei aber hier durch die gezahlte Abfindung gesichert gewesen. Der Gründungszuschuss diene nicht dazu, einem Antragsteller die Ablösung von Darlehen zu ermöglichen. Die Ermessenentscheidung der Agentur für Arbeit sei daher nicht zu beanstanden, zumal diese auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten habe.

Quelle: SG Gießen, Pressemitteilung vom 01.06.2015 zum Urteil S 14 AL 6/13 vom 29.04.2015 (nrkr.)

 

Abzug von Kinderbetreuungskosten für geringfügig beschäftigte Betreuungsperson nur bei Zahlung auf Empfängerkonto

Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 18. Dezember 2014 III R 63/13 entschieden, dass die Kosten für die Betreuung eines zum Haushalt der Eltern gehörenden Kindes nur dann steuerlich berücksichtigt werden können, wenn die Zahlungen nicht in bar, sondern auf ein Konto der Betreuungsperson erbracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn die Betreuungsperson im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses angestellt ist.

Die verheirateten Kläger waren in den Streitjahren 2009 und 2010 beide berufstätig. Zur Betreuung ihres dreijährigen Sohnes beschäftigten sie für ein monatliches Gehalt von 300 Euro eine Teilzeitkraft. Das Gehalt wurde jeweils in bar ausbezahlt. In ihren Einkommensteuererklärungen für 2009 und 2010 beantragten die Kläger den Abzug von jeweils 2/3 der Aufwendungen (3.600 Euro), mithin eines Betrages von 2.400 Euro für jedes Streitjahr. Das Finanzamt (FA) lehnte die Anerkennung dieser Aufwendungen mit der Begründung ab, dass der in den Streitjahren geltende § 9c Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Zahlung auf das Konto des Empfängers voraussetze.

Anders als zuvor das Finanzgericht folgte der BFH der Auffassung des FA. Der BFH hatte sich hierbei noch mit der bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2011 geltenden Norm des § 9c Abs. 3 Satz 3 EStG auseinanderzusetzen. Danach ist Voraussetzung für den Abzug von Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erbracht worden ist. Nach der Entscheidung des BFH beschränkt diese Vorschrift die Nachweisanforderungen nicht auf bestimmte Arten von Dienstleistungen, etwa Dienstleistungen von Unternehmern, die Rechnungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts ausstellen. Anders als bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse (z.B. Kochen, Raum- und Wäschepflege) unterscheidet das Gesetz für den Nachweis von Kinderbetreuungskosten auch nicht danach, ob diese im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses oder auf einer anderen Basis erbracht werden. Der BFH betont darüber hinaus, dass die Nachweiserfordernisse (Rechnung und Zahlung über das Konto der Betreuungsperson) Missbrauch und Schwarzarbeit vorbeugen sollen. Dies rechtfertige es, den Zahlungsfluss nur durch Kontobelege und nicht z.B. auch durch Barzahlungsquittungen oder Zeugenaussagen nachzuweisen.

Ab dem Veranlagungszeitraum 2012 richtet sich der Abzug von Kinderbetreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Diese Vorschrift setzt für den Abzug der Aufwendungen ebenfalls voraus, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 38/15 vom 03.06.2015 zum Urteil III R 63/13 vom 18.12.2014

 

Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren

Unternehmer können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Vorsteuerabzug auch aus den von Insolvenzverwaltern erbrachten Leistungen in Anspruch nehmen. Dies hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 15. April 2015 V R 44/14 entschieden.

Im Streitfall ging es um eine Einzelunternehmerin, die Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug ausgeführt hatte. Über ihr Vermögen wurde das Insolvenzverfahren zur Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Insolvenzforderungen eröffnet. Sie hatte ihre unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt. Der Insolvenzverwalter übernahm Abwicklungstätigkeiten. Für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter erteilte er eine Rechnung mit Steuerausweis an die Einzelunternehmerin und nahm für die Unternehmerin den Vorsteuerabzug zugunsten der Insolvenzmasse in Anspruch.

Dies ist grundsätzlich möglich. Dient das Insolvenzverfahren allerdings der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Insolvenzforderungen, besteht ein nur anteiliges Recht auf Vorsteuerabzug. Die Vorsteuerbeträge sind nach dem Verhältnis der zur Tabelle angemeldeten unternehmerisch begründeten Verbindlichkeiten zu den Privatverbindlichkeiten aufzuteilen. Ob die einzelnen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist ohne Bedeutung. Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, wie zu entscheiden wäre, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen fortgeführt hätte.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 39/15 vom 03.06.2015 zum Urteil V R 44/14 vom 15.04.2015

 

Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des ErbStG an die Rechtsprechung des BVerfG

A. Problem und Ziel

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – (BGBl. 2015 I Seite 4) die Verschonungsregelungen nach §§ 13a und 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zwar grundsätzlich für geeignet und erforderlich gehalten. Die bestehenden Verschonungsregelungen verstoßen angesichts ihres Übermaßes aber gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gleichheitsverstöße erfassen wichtige Bausteine der Gesamtregelung und damit des gesamten Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die §§ 13a und 13b in Verbindung mit der Steuertarifnorm des § 19 Absatz 1 ErbStG und damit die Erhebung der derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuer insgesamt für mit der Verfassung unvereinbar erklärt. Die geltenden Regelungen sind jedoch bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber Frist für eine Neuregelung bis zum 30. Juni 2016 gesetzt.

Der Gesetzentwurf zielt auf eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Verschonung betrieblichen Vermögens und damit auf eine verfassungskonforme Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Sicherung der vorhandenen Beschäftigung in den übergehenden Betrieben und die Bewahrung der ausgewogenen deutschen Unternehmenslandschaft machen es erforderlich, die Unternehmensnachfolge bei Erwerben von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden in den vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – aufgezeigten Grenzen weiterhin zu erleichtern. Die deutsche Unternehmenslandschaft, insbesondere charakterisiert durch einen breiten Mittelstand, steht für eine bestimmte Unternehmenskultur. Die Unternehmen sind teils in dünn besiedelten Regionen gewachsen, stärken dort die Wirtschaft entscheidend und wirken einer Abwanderung aus diesen Gebieten entgegen. Traditionelle Unternehmen werden vielfach seit Generationen fortgeführt und sichern über Jahrzehnte zahlreiche Arbeitsplätze. Durch ihr Engagement auch im sozialen und kulturellen Bereich sorgen sie für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt in der jeweiligen Region. Die deutschen Unternehmensstrukturen, insbesondere die mittelständischen und inhabergeführten Unternehmen haben sich in Krisenzeiten als stabilisierend für die Beschäftigung und damit für den Wohlstand der deutschen Gesellschaft insgesamt erwiesen.

B. Lösung

Die §§ 13a, 13b ErbStG bleiben in ihrer Grundstruktur erhalten, soweit aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – kein Änderungsbedarf besteht. Um einen verfassungsgemäßen Zustand zu schaffen, werden die beanstandeten Regelungen angepasst:

  • die Freistellung von Kleinstbetrieben von den Lohnsummenregelungen
  • die Abgrenzung des begünstigten von dem nicht begünstigten Vermögen
  • Einführung einer Verschonungsbedarfsprüfung für den Erwerb großer Betriebsvermögen
  • Einführung eines Abschmelzmodells als Wahlrecht für den Erwerb großer Betriebsvermögen.

Den Referentenentwurf im Volltext finden Sie auf der Homepage de BMF.

Quelle: BMF, Referentenentwurf vom 01.06.2015

Einkommensteuerrechtliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen und Altersbezügen

Besteuerung der Versorgungsbezüge internationaler und europäischer Organisationen

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird Randziffer 168 des BMF-Schreibens vom 19. August 2013 (BStBl I Seite 1087), geändert durch das BMF-Schreiben vom 10. Januar 2014 (BStBl I Seite 70) und das BMF-Schreiben vom 10. April 2015 (BStBl I Seite 256), wie folgt gefasst:

„168 Bei von folgenden internationalen Organisationen gezahlten Pensionen einschl. der Zulagen (Steuerausgleichszahlung, Familienzulagen und andere) handelt es sich um Versorgungsbezüge i. S. d. § 19 Absatz 2 EStG:

  • Koordinierte Organisationen:
    • Europäische Weltraumorganisation (ESA),
    • Europarat,
    • Nordatlantikvertragsorganisation (NATO),
    • Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD),
    • Westeuropäische Union (WEU),
    • Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMV, engl. ECWMF),
  • Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (EUROCONTROL),
  • Europäische Patentorganisation (EPO) einschließlich der Dienststellen des Europäischen Patentamts (EPA),
  • Europäisches Hochschulinstitut (EHI).

Die Zulässigkeit der Besteuerung von an ehemalige Bedienstete internationaler Organisationen gezahlten Pensionen und Ruhegehältern in Deutschland ist davon abhängig, welche Bestimmungen das für die jeweilige internationale Organisation geltende Abkommen oder Privilegienprotokoll enthält. In der Regel lässt dieses Abkommen bzw. Privilegienprotokoll das deutsche Besteuerungsrecht für die Pensionen oder Ruhegehälter unberührt. Eine Ausnahme hiervon stellt das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABl. EU 2008 Nr. C 115 S. 266 vom 9. Mai 2008) dar, d. h. Pensionen und Gehälter ehemaliger Bediensteter von Organisationen, auf die dieses Protokoll anzuwenden ist, unterliegen ausschließlich der EU-internen Besteuerung. Eine Zusammenstellung der internationalen Organisationen einschließlich der Fundstellen der zwischenstaatlichen Vereinbarungen, Zustimmungsgesetze und Rechtsverordnungen, aufgrund derer Personen, Personenvereinigungen, Körperschaften, internationalen Organisationen oder ausländischen Staaten Befreiungen von deutschen Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gewährt werden (ausgenommen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung), enthält das BMF-Schreiben vom 18. März 2013 (BStBl I Seite 404).“

Die Neufassung der Randziffer 168 ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2345 / 15 / 10001 vom 01.06.2015

 

Vorsteuer aus Insolvenzverwaltervergütung in vollem Umfang abzugsfähig

Die Umsatzsteuer aus der Rechnung eines Insolvenzverwalters kann auch dann in vollem Umfang zugunsten der Insolvenzmasse als Vorsteuer abgezogen werden, wenn im Rahmen des Insolvenzverfahrens erhebliche steuerfreie Umsätze erzielt wurden. Maßgeblich für den Vorsteuerabzug und eine eventuelle Vorsteuerkürzung sind nicht die Umsätze, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens erbracht werden, sondern die bis zur Insolvenzeröffnung insgesamt getätigten Umsätze. Dies entschied der 7. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 29.1.2015 (7 K 25/13) und wich damit von der Verwaltungsauffassung ab.

Die Klägerin war Insolvenzverwalterin über das Vermögen einer GmbH & Co. KG. Sie hatte für ihre Verwaltungstätigkeit gegenüber der Insolvenzmasse eine Vergütung unter Ausweis von Umsatzsteuer abgerechnet. In der Steuererklärung für die Insolvenzmasse hatte sie die Umsatzsteuer in vollem Umfang als Vorsteuer abgezogen. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug nur anteilig zu 42 % an, weil von den Verwertungsumsätzen von insgesamt 459.000 € nur ein Anteil von 192.000 € umsatzsteuerpflichtig gewesen sei. So veräußerte die Verwalterin u.a. ein Grundstück für ca. 270.000 € umsatzsteuerfrei.

Der 7. Senat des Finanzgerichts Köln gab der Klage statt und gewährte der Klägerin den vollen Vorsteuerabzug. Er vertrat die Auffassung, dass für die Vorsteuerabzugsberechtigung aus der Insolvenzverwaltervergütung entscheidend auf die Ausgangsumsätze vor der Insolvenzeröffnung abzustellen sei. Da die GmbH & Co. KG während ihrer aktiven Geschäftstätigkeit ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerpflichtige Umsätze getätigt habe, sei auch der Vorsteuerabzug aus der Verwaltervergütung nicht zu kürzen. Die Leistung des Verwalters bestehe nämlich nicht nur in der Erzielung von Umsätzen aus der Verwertung der Insolvenzmasse, sondern in der gesamten Abwicklung des überschuldeten Unternehmens. Der Senat verglich die Dienstleistungen eines Insolvenzverwalters mit solchen Leistungen, die für eine Unternehmensveräußerung in Anspruch genommen werden. Hierfür hatte der EuGH bereits festgestellt, dass ein Vorsteuerabzug nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil die Geschäftsveräußerung selbst nicht der Umsatzsteuer unterliege. Vielmehr seien Kosten für einen Verkauf des Unternehmens Bestandteil seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit vor der Veräußerung.

Der 7. Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens die Revision zum Bundesfinanzhof in München zugelassen, die inzwischen dort unter dem Aktenzeichen V R 15/15 anhängig ist.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 01.06.2015 zum Urteil 7 K 25/13 vom 29.01.2015

 

Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs. 1 EStG – Berücksichtigung von Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG

Ergänzend zu den BMF-Schreiben vom 7. Juni 2010 (BStBl I 2010, Seite 582 und Seite 588) gilt unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder bei Unterhaltsleistungen an Personen mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) Folgendes:

Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, die eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 AufenthG haben, können – unabhängig von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung – nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG berücksichtigt werden.

Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben hat und sämtliche Kosten zur Bestreitung des Unterhalts übernimmt. Die Gewährung von Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) ist unschädlich. Werden Kosten durch einen Dritten (z. B. Verein) ersetzt, ist dies mindernd zu berücksichtigen.

Ist die unterhaltene Person in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass hierfür Unterhaltsaufwendungen in Höhe des maßgeblichen Höchstbetrags erwachsen.

Ist die unterhaltene Person gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig, so gelten im Hinblick auf ihre Erwerbsobliegenheit die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie R 33a. 1 Abs. 1 Satz 4 EStR 2012. Ist die unterhaltene Person nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig, so gelten die allgemeinen Grundsätze des BMF-Schreibens vom 7. Juni 2010, BStBl I 2010, Seite 588, Rn. 8 und 9.

Bei einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 AufenthG ordnet die oberste Landesbehörde bzw. das Bundesministerium des Innern aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland an, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis erteilt wird. Durch die behördliche Anordnung wird in besondere Weise zum Ausdruck gebracht, dass sich die Betroffenen in einer außerordentlichen Notlage befinden.

Dieses Schreiben ist ab dem Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden.

Es wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 4 – S-2285 / 07 / 0003 :006 vom 27.05.2015

 

EU-Kommission bereitet Aktionsplan für gerechtere und wachstumsfreundlichere Steuersysteme in Europa vor

Am 28.05.2015 fand im Kollegium der Kommissionsmitglieder eine Orientierungsaussprache über Maßnahmen für eine gerechtere, wachstumsfreundlichere und transparentere Unternehmensbesteuerung statt. Es herrschte Einvernehmen darüber, dass ein neues Konzept der EU für die Unternehmensbesteuerung erforderlich ist, um erfolgreich gegen missbräuchliche Steuerpraktiken vorzugehen, nachhaltige Einnahmen sicherzustellen und die Rahmenbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt zu verbessern.

Vizepräsident Valdis Dombrovskis, für den Euro und den sozialen Dialog zuständiges Mitglied der Kommission, erklärte hierzu: „Wir möchten eine gerechte und wachstumsfreundliche Unternehmensbesteuerung. Jedes Unternehmen, gleich ob klein oder groß, muss an dem Ort, an dem es seine Gewinne erwirtschaftet, seinen Anteil an den Steuern zahlen. Für die Besteuerung der Unternehmen sind die Mitgliedstaaten zuständig, die EU muss jedoch einen eindeutigen neuen Rahmen für eine gerechte und wettbewerbsfreundliche Unternehmensbesteuerung schaffen.“

Pierre Moscovici, für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll zuständiges Mitglied der Kommission, sagte: „Unser derzeitiges Konzept für die Unternehmensbesteuerung wird der Realität nicht mehr gerecht. Wir können die Herausforderungen einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft nicht länger mit veralteten Mitteln und einseitigen Maßnahmen bewältigen. Für ein faireres Steuersystem und einen einheitlicheren Binnenmarkt muss der Rahmen für die Unternehmensbesteuerung in der EU gründlich überprüft werden. Große, kleine und mittelgroße Unternehmen sollten den Binnenmarkt gleichermaßen nutzen können.“

Für Präsident Juncker ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung ein vorrangiges politisches Ziel der Kommission. Das wichtigste Ziel ist es, zu gewährleisten, dass Unternehmen dort besteuert werden, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften, und zu verhindern, dass sie durch aggressive Steuerplanung einer angemessenen Besteuerung entgehen.

Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung wurde im März 2015 unternommen, als die Kommission ein Paket von Maßnahmen zur Förderung der Steuertransparenz in der EU vorstellte.

Am 28.05.2015 hat sich das Kollegium auf ein umfassenderes Konzept zur Verbesserung der Unternehmensbesteuerung in der EU verständigt, bei dem auch die derzeitigen internationalen Reformen auf diesem Gebiet berücksichtigt werden. Die Orientierungsaussprache vom 28.05.2015 wird im Juni in einen Aktionsplan einfließen, der eine Strategie für die Neubelebung der Arbeiten zur Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) auf EU-Ebene, für die Umsetzung von Maßnahmen gegen Steuervermeidung, die zurzeit auf internationaler Ebene in der OECD entwickelt werden, sowie zur weiteren Verstärkung der steuerlichen Transparenz umfassen soll, wobei der Notwendigkeit Rechnung getragen wird, die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt zu verbessern.

Hintergrund
In seinen im Juli 2014 verkündeten Politischen Leitlinien erklärte Präsident Juncker: „Wir brauchen mehr Fairness in unserem Binnenmarkt. Während wir die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ihre Steuersysteme anerkennen, sollten wir unsere Anstrengungen im Kampf gegen Steuerumgehung und Steuerbetrug verstärken, damit alle ihren gerechten Teil beitragen.“

Die Kommission lässt den Ankündigungen in ihrem Arbeitsprogramm, entschieden gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung vorzugehen und sicherzustellen, dass Unternehmen dort Steuern bezahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften, umgehend auch Taten folgen.

Am 18. März legte die Kommission ein Paket zur Steuertransparenz vor, um mehr Offenheit und Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in Fragen der Unternehmensbesteuerung zu erreichen. Ein wesentlicher Bestandteil des Pakets ist ein Vorschlag für den automatischen Austausch von Informationen über verbindliche Steuerauskünfte. Dieser Vorschlag erhielt auf der informellen Tagung des Rates Wirtschaft und Finanzen im April in Riga die einstimmige politische Unterstützung der Finanzminister. Die Mitgliedstaaten erörtern ihn derzeit auf fachlicher Ebene mit dem Ziel, bis Ende des Jahres eine Einigung zu erzielen.

Im Paket zur Steuertransparenz kündigte die Kommission ferner an, noch vor dem Sommer einen detaillierten Aktionsplan zur Unternehmensbesteuerung vorzulegen, in dem sie „ihre Sicht einer fairen, effizienten Unternehmensbesteuerung in der EU darlegen und Überlegungen anstellen wird, wie sich dieses Ziel erreichen lässt.“

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 28.05.2015

 

Entstrickungsbesteuerung des UmwStG 1995 verstößt gegen EU-Recht

FG Hamburg hält § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG 1995 auf der Grundlage des EuGH-Urteils vom 23.01.2014 in der Sache „DMC“ (Az. C-164/12) für unionsrechtswidrig

Der 2. Senat des Finanzgerichts (FG) Hamburg hat mit Urteil vom 15.04.2015 (2 K 66/14) einer Klägerin Recht gegeben, die sich gegen die Besteuerung von nicht realisierten Wertzuwächsen („stille Reserven“) anlässlich einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung gewehrt hatte. Die Entscheidung betrifft die Regelungslage nach dem bis 2006 geltenden Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) 1995.

Zwei in Österreich ansässige Kapitalgesellschaften – später zur Klägerin verschmolzen – waren Kommanditisten einer deutschen Kommanditgesellschaft (KG) und zugleich Gesellschafter der Komplementärin, einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie brachten ihre Anteile an der KG im Wege der Sacheinlage gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen zum Buchwert in die GmbH ein. Das Finanzamt setzte demgegenüber den Teilwert an und deckte damit die stillen Reserven auf („Entstrickung“). Dies geschah auf der Grundlage von § 20 Abs. 3 und Abs. 4 UmwStG 1995, weil Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der erlangten GmbH-Anteile verliere. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen stehe dieses Recht Österreich als dem Ansässigkeitsstaat der GmbH-Gesellschafter Österreich zu.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Sofortbesteuerung der stillen Reserven verstoße gegen Unionsrecht, weil bei im Inland ansässigen Gesellschaftern die Buchwerte hätten fortgeführt werden können und es folglich nicht zu einem Veräußerungsgewinn komme. Auf das Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass sich die angegriffene Regelung als Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit erweise, aber zur ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sei. Allerdings hat der EuGH den Vorbehalt gemacht, dass dies nur dann gelte, wenn Deutschland tatsächlich jedes Recht verliere, die nicht realisierten Wertzuwächse, beispielsweise auch bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer bei der aufnehmenden Gesellschaft, zu besteuern (Urteil vom 23.01.2014, Az. C-164/12). Um diesen Vorbehalt hatte sich in der Fachliteratur ein heftiger Streit entwickelt, sodass auch nach der EuGH-Entscheidung ungewiss erschien, ob die Regelung unionsrechtswidrig ist oder nicht.

Das FG Hamburg hat nun entschieden, dass die Sofortbesteuerung unionsrechtswidrig ist, weil Deutschland tatsächlich nicht jedes Besteuerungsrecht an den stillen Reserven des eingebrachten Betriebsvermögens verliert. Die Revision wurde nicht zugelassen, der Finanzverwaltung bleibt allerdings die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen.

Quelle: FG Hamburg, Pressemitteilung vom 28.05.2015 zum Urteil 2 K 66/14 vom 15.04.2015