Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Auftragsforschung einer öffentlich-rechtlichen Hochschule unterliegt dem regulären Umsatzsteuersteuersatz

Mit Urteil vom 10. April 2014 (Az. 5 K 2409/10 U) hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass die Auftragsforschung einer öffentlich-rechtlichen Hochschule keine gemeinnützige Leistung darstellt, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.

Die Klägerin ist eine Universität, die in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts organisiert ist. Sie führte in Erfüllung eines Werkvertrags eine wissenschaftliche Studie durch, für die sie von ihrem Auftraggeber in den Jahren 2001 bis 2004 Anzahlungen erhielt und die im Jahr 2006 mit einem Abschlussbericht endete. Das Finanzamt unterwarf die gesamte Vergütung für die Studie im Jahr 2006 der Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von seinerzeit 16 %. Die Klägerin trug hiergegen vor, dass sie ihre Leistung im Rahmen eines Zweckbetriebes erbracht habe und daher der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden sei.

Das Gericht folgte dieser Argumentation der Klägerin zwar nicht. Der Bereich der Auftragsforschung stelle bei der Klägerin einen Betrieb gewerblicher Art dar, der nicht als Zweckbetrieb anzusehen sei. Die hierfür erforderliche überwiegende Finanzierung aus Zuwendungen oder aus der Vermögensverwaltung (§ 68 Nr. 9 AO) sei nicht erfüllt. Der Betrieb habe sich ausschließlich aus Entgelten für die Forschungstätigkeit finanziert. Die Klägerin als Trägerkörperschaft selbst finanziere sich ebenfalls nicht aus Zuwendungen, sondern aus Zuschüssen nach dem Hochschulgesetz. Darüber hinaus sei eine Begünstigung der Auftragsforschung nicht mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar, weil dieser Bereich weder wohltätigen Zwecken noch der sozialen Sicherheit diene.

Die Klage hatte dennoch in vollem Umfang Erfolg, denn das Finanzamt habe die Steuer für den falschen Zeitraum festgesetzt. Die Umsatzsteuer sei nämlich nicht erst im Jahr der vollständigen Erbringung der Leistung (2006), sondern vielmehr bereits in den Jahren entstanden, in denen die Anzahlungen geleistet wurden (2001 bis 2004).

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.07.2014 zum Urteil 5 K 2409/10 vom 10.04.2014

Mehrwertsteuer auf elektronische Dienstleistungen neu geregelt

Kauft ein Kunde in Deutschland bei einem Händler im europäischen Ausland z. B. ein E-Book, fällt künftig die Umsatzsteuer in Deutschland an und nicht mehr im Heimatstaat des Anbieters. Der Bundesrat hat am 11. Juli 2014 dieser ab 1. Januar 2015 geltenden Neuregelung zugestimmt und damit eine europäische Vorgabe umgesetzt. Für die betroffenen Unternehmen wird zeitgleich eine Vereinfachung im Verfahren durch den so genannten Mini-One-Stop-Shop eingeführt.

Telekommunikations-, Rundfunk-, Fernseh- und auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen an private Kunden innerhalb der Europäischen Union werden bisher in dem Staat mit Umsatzsteuer belegt, in dem das Unternehmen ansässig ist, das die Dienstleistung erbringt. Dies gilt zum Beispiel auch für die großen Anbieter von Musik, E-Books, Apps und Filmen zum Download im Internet. Ab dem nächsten Jahr sind diese Umsätze in Deutschland zu versteuern, wenn der Kunde in Deutschland wohnt. Die Neuregelung ist im Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften enthalten.

Unternehmer, die solche Leistungen erbringen, müssen sich daher grundsätzlich in Deutschland umsatzsteuerlich erfassen lassen und hier ihren Melde- und Erklärungspflichten nachkommen. Alternativ können sie aber auch die neue Verfahrenserleichterung des „Mini-One-Stop-Shop“ in Anspruch nehmen. Diese Verfahrenserleichterung gilt ab 1. Januar 2015 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ab 2015 können Unternehmen in Deutschland ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgeführten Umsätze mit Telekommunikations-, Rundfunk-, Fernseh- und auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen zentral über das Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Weg erklären und die Steuer insgesamt entrichten.

Die Teilnahme an der Sonderregelung können deutsche Unternehmer auf elektronischem Weg beim Bundeszentralamt für Steuern beantragen. Dies ist ab dem 1. Oktober 2014 mit Wirkung zum 1. Januar 2015 möglich und gilt einheitlich für alle Staaten der EU. Für Anträge deutscher Unternehmer stellt das Bundeszentralamt für Steuern ein Online-Portal zur Verfügung.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 11.07.2014

Bundesrat stimmt Gesetz zur steuerlichen Gleichbehandlung von Lebenspartnern zu

Die Länder haben in ihrer Plenarsitzung am 11. Juli 2014 einem Gesetz zur steuerlichen Gleichbehandlung von Lebenspartnern zugestimmt. Es wird nun Bundespräsident Gauck zur Ausfertigung zugeleitet.

Das Gesetz sorgt für die vollständige Gleichbehandlung von Lebenspartnern in allen steuerlichen Belangen, indem es noch verbliebenen Anpassungsbedarf zum Beispiel in der Abgabenordnung und im Bundeskindergeldgesetz umsetzt. Mit der im letzten Jahr verabschiedeten Änderung des Einkommensteuergesetzes war zum Ende der 17. Legislaturperiode kurzfristig zunächst nur die steuerliche Gleichbehandlung von Lebenspartnern für das Einkommensteuerrecht geregelt worden.

Bundesrat, Pressemitteilung vom 11.07.2014

 

Vereinigtes Königreich wegen Nichteinhaltung der EU-Vorschriften für gekennzeichneten Kraftstoff verklagt

Die Europäische Kommission hat beschlossen, das Vereinigte Königreich vor dem Gerichtshof der Europäischen Union wegen unsachgemäßer Anwendung der Vorschriften für die steuerliche Kennzeichnung von Kraftstoff zu verklagen.

Nach den EU-Vorschriften sind Kraftstoffe, die einem ermäßigten Steuersatz unterliegen, mit Farbstoffen zu kennzeichnen. Fischereifahrzeuge beispielsweise können Kraftstoff verwenden, der einem niedrigeren Steuersatz unterliegt; Freizeitboote dagegen müssen Kraftstoff verwenden, auf den der normale Steuersatz erhoben wird.

Nach dem derzeitigen Recht des Vereinigten Königreichs sind die Kraftstoffhändler nicht verpflichtet, getrennte Tanks für gekennzeichneten Kraftstoff, für den ein niedrigerer Steuersatz gilt, und für Kraftstoff, der dem normalen Steuersatz unterliegt, vorzusehen. Dies hat zur Folge, dass Eigentümer von Freizeitbooten häufig nur gekennzeichneten Kraftstoff kaufen können und daher unter Umständen nicht Steuern in der richtigen Höhe bezahlen, da sie Kraftstoff kaufen, der normalerweise für Fischereifahrzeuge bestimmt ist. Dies verstößt nicht nur gegen die EU-Verbrauchsteuervorschriften, sondern ist auch mit der Gefahr hoher Strafen verbunden, wenn private Schiffe bei einer Reise in einen anderen Mitgliedstaat von den örtlichen Behörden kontrolliert werden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 10.07.2014

Beschwerden zur Abgeordnetenpauschale vom EGMR abgewiesen

Aus gegebenem Anlass weist der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) darauf hin, dass beide Beschwerden zur Anwendung der Abgeordnetenpauschale nach § 3 Nr. 12 EStG auf Steuerpflichtige mit Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zurückgewiesen wurden.

Wie der DStV bereits im März 2011 berichtete, waren vor dem EGMR zwei Verfahren (Az. 7258/11 und Az. 7227/11) im Zusammenhang mit der steuerlichen Privilegierung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages anhängig. Hintergrund: Die Abgeordneten erhalten zur Abgeltung ihrer durch das Mandat veranlassten Aufwendungen nach § 12 des Abgeordnetengesetzes (AbgG) eine monatliche Kostenpauschale in Höhe von aktuell 4.204 Euro, die nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei ist (sog. Abgeordnetenpauschale). Bezieht ein Steuerpflichtiger demgegenüber Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, können berufsbedingte Aufwendungen – über den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 Euro hinaus – steuerlich nur in dem Umfang geltend gemacht werden, in dem sie tatsächlich angefallen sind.

Die hiergegen gerichteten Klagen blieben im Ergebnis erfolglos. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.07.2010 – 2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08). Nun wurde bekannt, dass auch die beiden vor dem EGMR anhängigen Verfahren (Az. 7258/11 und Az. 7227/11) fruchtlos endeten.

Steuerpflichtige, die wegen Nichtgewährung der steuerfreien Kostenpauschale und unter Benennung der beiden vorbezeichneten Beschwerden einen entsprechenden pauschalen Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug begehrt, Einspruch eingelegt und ggf. ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO beantragt haben, werden daher momentan von ihren Finanzämtern aufgefordert, diese Einsprüche zurückzunehmen. Eine Verfahrensruhe mit Rücksicht auf ein vor dem EGMR betriebenes Verfahren hatte der BFH bereits im Jahre 2012 für nicht zwingend befunden (BFH, Beschluss vom 10.05.2012, Az. X B 183/11).

Quelle: DStV, Mitteilung vom 10.07.2014

Portugal wegen Verbrauchsteuervorschriften für Zigaretten verklagt

Die Europäische Kommission hat beschlossen, Portugal beim Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land seine Verbrauchsteuervorschriften für die Vermarktung von Zigaretten nicht geändert hat. In Portugal gilt für Zigaretten eine durch die Steuermarke auf der Verpackung bestimmte zeitliche Begrenzung für den Verkauf. Die Aufmachung der Steuermarken wird in Portugal regelmäßig geändert, und die neue Kennzeichnung ist häufig mit einer Änderung des Steuersatzes verbunden. Zigaretten dürfen nur bis maximal drei Monate nach Ablauf des Jahres verkauft werden, in dem sie in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden.

Nach EU-Recht (Richtlinie 2008/118/EG) muss auf Tabakwaren der Verbrauchsteuersatz erhoben werden, der zum Zeitpunkt ihrer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt. Das EU-Recht enthält keine Bestimmung, nach der es Mitgliedstaaten erlaubt wäre, eine zusätzliche Abgabe zu diesem am Tag der Überführung geltenden Steuersatz zu erheben oder den Verkauf von Tabakwaren aus steuerlichen Gründen einzuschränken.

Durch das Verkaufs- und Vermarktungsverbot geht Portugal davon aus, dass alle am Ende des Übergangszeitraums nicht verkauften Zigaretten, die die alte Steuermarke tragen, in übergroßer Menge in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden. Eine solche Annahme ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unzulässig. Das portugiesische Verkaufs- und Vermarktungsverbot steht in keinerlei angemessenem Verhältnis zu etwaigen Betrugsbekämpfungszielen. Es läuft auch den Bestimmungen derRichtlinie 2008/118/EG zuwider, nach der die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass Steuermarken den freien Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht behindern.

Das Versäumnis Portugals, diesen Bestimmungen nachzukommen, führt dazu, dass Wirtschaftsbeteiligte bereits versteuerte Zigaretten, die alle Voraussetzungen für den freien Warenverkehr im Binnenmarkt erfüllen, nicht verkaufen dürfen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 10.07.2014

Frankreich wegen Steuervorschriften für Schenkungen an ausländische gemeinnützige Organisationen verklagt

Die Kommission hat beschlossen, Frankreich wegen seiner Steuervorschriften für Schenkungen an gemeinnützige Organisationen mit Sitz in anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaaten beim Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen.

In Frankreich sind Schenkungen und Vermächtnisse von der Schenkungs- bzw. Vermögensübergangssteuer (droits d’enregistrement/droits de mutation à titre gratuit) befreit, wenn die Begünstigten öffentliche oder gemeinnützige (insbesondere wohltätige) Organisationen sind, die ihren Sitz in Frankreich haben. Hierbei handelt es sich um öffentliche oder gemeinnützige Organisationen, die auf französischem Hoheitsgebiet tätig sind und deren Mittel ausschließlich für wissenschaftliche, kulturelle oder künstlerische oder religiöse Zwecke usw. verwendet werden.

Organisationen in anderen EU-Mitgliedstaaten, die ähnliche Merkmale aufweisen oder ähnliche Tätigkeiten ausüben, unterliegen hingegen (unter Anrechnung eines Freibetrags von 1.594 Euro) einem Steuersatz von 60 % auf den Wert der erhaltenen Schenkungen oder Vermächtnisse. Einige bilaterale Abkommen mit Frankreich sehen allerdings ? vorbehaltlich der Gegenseitigkeit – eine Befreiung von dieser Steuer vor.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. insbesondere Urteil Persche) stellt die Besteuerung von Schenkungen an ausländische Einrichtungen ein ungerechtfertigtes Hemmnis für den freien Kapitalverkehr gemäß Artikel 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum dar.

Durch diese unterschiedliche steuerliche Behandlung könnten französische Steuerpflichtige davon abgehalten werden, wohltätigen Organisationen mit Sitz außerhalb Frankreichs Schenkungen oder Vermächtnisse zukommen zu lassen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 10.07.2014

Ertragsteuerliche Beurteilung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und von Reisekosten

Reisekosten unter Berücksichtigung der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts zum 1. Januar 2014 – Anwendung bei der Gewinnermittlung

Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 285, BStBl I S. 188) wurde die Abziehbarkeit von Reisekosten als Betriebsausgaben geändert. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die ertragsteuerliche Beurteilung von Reisekosten ab dem 1. Januar 2014 Folgendes:

1. Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte

a) Begriffsbestimmung Betriebsstätte
1 Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte sind keine Reisekosten. Ihr Abzug richtet sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nach den Regelungen in § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 bis 6 EStG zur abziehbaren Entfernungspauschale. Im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, den Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften im Regelungsbereich beider Vorschriften weicht der Begriff der Betriebsstätte vom Betriebstättenbegriff des § 12 AO ab. Unter Betriebsstätte ist die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen, d. h. eine ortsfeste betriebliche Einrichtung i. S. d. Rdnr. 3 des BMF-Schreibens vom 30. September 2013 (a. a. O.) des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten, an der oder von der aus die steuerrechtlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt wird. Eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist – im Unterschied zur Geschäftseinrichtung i. S. des § 12 Satz 1 AO – nicht erforderlich. Ein häusliches Arbeitszimmer ist keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Der Steuerpflichtige kann an mehreren Betriebsstätten tätig sein; für jeden Betrieb kann jedoch höchstens eine ortsfeste betriebliche Einrichtung Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (erste Betriebsstätte) sein.

2 Als Betriebsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die vom Steuerpflichtigen aus betrieblichem Anlass zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitlichen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.

b) Erste Betriebsstätte
3 Übt der Steuerpflichtige seine betriebliche Tätigkeit an mehreren Betriebsstätten aus, ist die erste Betriebsstätte anhand quantitativer Merkmale zu bestimmen. Nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG ist danach erste Betriebsstätte die Tätigkeitsstätte, an der der Steuerpflichtige typischerweise (im Sinne eines Vergleichs mit einem Arbeitnehmer) arbeitstäglich oder je Woche an zwei vollen Arbeitstagen oder mindestens zu einem Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden will. Treffen diese Kriterien auf mehrere Tätigkeitsstätten zu, ist die der Wohnung des Steuerpflichtigen näher gelegene Tätigkeitsstätte erste Betriebsstätte (entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 7 EStG). Die Fahrten zu weiter entfernt liegenden Tätigkeitsstätten sind als Auswärtstätigkeiten zu beurteilen.

Beispiel 1
Der Steuerpflichtige wohnt in A und betreibt in B ein Einzelunternehmen, das er arbeitstäglich z. B. während der Öffnungszeiten aufsucht. Bei den Fahrten handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte; die Aufwendungen sind in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben abziehbar.

Beispiel 2
Der Steuerpflichtige wohnt in A und betreibt ein Einzelunternehmen mit Filialen in B (Entfernung zur Wohnung 15 km) und C (Entfernung zur Wohnung 10 km), die Filiale in B sucht er arbeitstäglich z. B. während der Öffnungszeiten auf, die Filiale in C nur einmal wöchentlich. Erste Betriebsstätte nach Rdnr. 3 ist die Filiale in B. Bei den Fahrten handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte; der Abzug der Aufwendungen richtet sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale). Die Betriebsstätte in C ist keine erste Betriebsstätte; die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte in C sind wie auch die Aufwendungen für die Fahrten zwischen den Betriebsstätten in voller Höhe abziehbar.

Beispiel 3
Der Steuerpflichtige wohnt in A und betreibt ein Einzelunternehmen mit Filialen in B (Entfernung zur Wohnung 15 km) und C (Entfernung zur Wohnung 10 km), die er arbeitstäglich z. B. während der Öffnungszeiten aufsucht. Erste Betriebsstätte nach Rdnr. 3 ist die Filiale in C. Bei den Fahrten handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte; der Abzug der Aufwendungen richtet sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale). Die Betriebsstätte in B ist keine erste Betriebsstätte; die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte in B sind wie auch die Aufwendungen für die Fahrten zwischen den Betriebsstätten in voller Höhe abziehbar.

Beispiel 4
Der Steuerpflichtige wohnt in A und bereitet in seinem häuslichen Arbeitszimmer seine Dozententätigkeit vor, die er in den Volkshochschulen in B (Entfernung zur Wohnung 15 km) und C (Entfernung zur Wohnung 10 km) ausübt. Die Volkshochschule in B sucht er an drei Tagen und die in C an 2 Tagen auf. Die Tätigkeiten beruhen auf unterschiedlichen Auftragsverhältnissen. Liegen die Kriterien des § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG für beide Tätigkeitsstätten vor, ist die der Wohnung näher gelegene Tätigkeitsstätte C als erste Betriebsstätte zu beurteilen. Die Aufwendungen für die Fahrten nach C sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale), die Fahrten nach B in voller Höhe abziehbar.

Beispiel 5
Der Steuerpflichtige wohnt in A und ist als Handelsvertreter für verschiedene Unternehmen tätig. Bei der Fa. XY in B wird ihm ein Büro zur Verfügung gestellt, das er an zwei vollen Tagen wöchentlich nutzt. Die Bürotätigkeiten für die übrigen Auftraggeber wickelt er in seinem häuslichen Arbeitszimmer ab. Da das Büro in der Fa. XY eine Betriebsstätte des A i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG darstellt und der Steuerpflichtige dort dauerhaft im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG tätig wird, sind die Fahrten dorthin als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte zu beurteilen und die Aufwendungen daher nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) abziehbar.

Beispiel 6
Der Steuerpflichtige ist als Versicherungsmakler tätig und erledigt in seinem häuslichen Arbeitszimmer die anfallenden Bürotätigkeiten. Die Beratungsleistungen erbringt er regelmäßig beim Kunden. Der Steuerpflichtige hat keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG.

Beispiel 7 (Bildungseinrichtung):
Der Steuerpflichtige strebt eine selbständige Tätigkeit als Heilpraktiker an und besucht zur Vorbereitung der amtlichen Heilpraktikerprüfung für sechs Monate eine vollzeitige Heilpraktikerschule. Die Fahrten zur Heilpraktikerschule sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) als Betriebsausgaben abziehbar (entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG; vgl. Rdnr. 2).

c) Keine erste Betriebsstätte
4 Eine Tätigkeitsstätte muss nicht Betriebsstätte sein. Wird der Steuerpflichtige typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten, die keine Betriebsstätten sind, oder an einer nicht ortsfesten betrieblichen Einrichtung (z. B. Fahrzeug, Flugzeug, Schiff) betrieblich tätig, sind die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.

Beispiel 8
Der Steuerpflichtige erbringt Bauleistungen bei wechselnden Kunden. Die Büroarbeiten erledigt er im häuslichen Arbeitszimmer. Der Steuerpflichtige hat keine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Die Aufwendungen für die Fahrten zu den Kunden oder zu deren Baustellen sind unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.

5 Hat der Steuerpflichtige keine erste Betriebsstätte und sucht er nach den Auftragsbedingungen dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise täglich auf, sind die Aufwendungen für die Fahrten zwischen der Wohnung und diesem Ort oder die Fahrten zwischen der Wohnung und dem nächst gelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) als Betriebsausgaben abziehbar (vgl. Rdnr. 1).

Beispiel 9
Der Steuerpflichtige ist selbständiger Paketzusteller und als Subunternehmer eines Paketdienstes tätig. Das zeitlich unbefristete Auftragsverhältnis mit dem Paketdienst sieht vor, dass der Paketzusteller den Zustellbezirk Landkreis B übernimmt. Der Paketzusteller wohnt in A, das 5 km von der Landkreisgrenze entfernt liegt. Der Lieferwagen wird auf dem Wohngrundstück abgestellt. Die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung in A zum Zustellbezirk Landkreis B (5 km) sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Entfernungspauschale) als Betriebsausgaben abziehbar. Die Aufwendungen für die Fahrten innerhalb des Zustellbezirks sind in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar.

2. Reisekosten

6 Die lohnsteuerlichen Regelungen zu den Reisekosten sind bei der Gewinnermittlung sinngemäß, unter Beachtung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG, anzuwenden. Reisekosten sind Fahrtkosten, Mehraufwendungen für Verpflegung, Übernachtungskosten und Reisenebenkosten.

7 Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nur dann als Betriebsausgaben abziehbar, wenn der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig wird. Der Begriff des Mittelpunktes der dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG entspricht dem Begriff der ersten Betriebsstätte (vgl. Rdnr. 1).

8 Der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen ist nach § 9 Abs. 4a EStG zu bestimmen. Nach Satz 6 ist der Abzug auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt (vgl. Rdnr. 51 ff des BMF-Schreibens vom 30. September 2013, a. a. O.)

Beispiel 10
Der Steuerpflichtige besucht eine eintägige Tagung. In der Mittagspause nimmt er in einem Restaurant eine Mahlzeit ein. Die Abwesenheit von der Wohnung und der ersten Betriebsstätte beträgt 9 Stunden. Dem Steuerpflichtigen steht zur Abgeltung seiner tatsächlich entstandenen betrieblich veranlassten Aufwendungen eine Verpflegungspauschale nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 i. V. m. § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG von 12 Euro zu. Ein Abzug der tatsächlichen Verpflegungskosten als Betriebsausgabe ist nicht zulässig.

9 Wird durch Zahlungsbelege nur ein Gesamtpreis für Unterkunft und Verpflegung nachgewiesen und lässt sich der Preis für die Verpflegung nicht feststellen (z. B. Tagungspauschale), so ist dieser Gesamtpreis zur Ermittlung der Übernachtungskosten zu kürzen. Als Kürzungsbeträge sind dabei

– für Frühstück 20 Prozent,
– für Mittag- und Abendessen jeweils 40 Prozent

der für den Unterkunftsort maßgebenden Verpflegungspauschale bei einer Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheitsdauer von mindestens 24 Stunden anzusetzen.

Beispiel 11
Im Rahmen einer betrieblich veranlassten Auswärtstätigkeit übernachtet der Steuerpflichtige im Hotel. Das Hotel stellt 100 Euro inkl. Frühstück in Rechnung. Der Steuerpflichtige kann für den An- und Abreisetag jeweils eine Verpflegungspauschale von 12 Euro als Betriebsausgabe abziehen. Daneben können die Übernachtungskosten i. H. v. 95,20 Euro (100 Euro abzgl. 4,80 Euro) abgezogen werden. Der Kostenanteil für das Frühstück (anzusetzen mit 4,80 Euro) ist vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen.

10 Die Verpflegungspauschalen sind nicht nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen, auch wenn von dritter Seite Mahlzeiten unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung gestellt werden.

3. Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung

11 Die lohnsteuerlichen Regelungen zu den Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung sind dem Grunde und der Höhe nach entsprechend anzuwenden. Zu den Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung zählen Fahrtkosten aus Anlass der Wohnungswechsel zu Beginn und am Ende der doppelten Haushaltsführung sowie für wöchentliche Heimfahrten an den Ort des eigenen Hausstandes oder Aufwendungen für wöchentliche Familien-Ferngespräche, Verpflegungsmehraufwendungen, Aufwendungen für die Zweitwohnung und Umzugskosten.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2145 / 10 / 10005 :001 vom 04.07.2014 (Entwurf)

Steuerabzug vom Arbeitslohn bei unbeschränkt einkommensteuer-(lohnsteuer-)pflichtigen Künstlern und verwandten Berufen

Nachweis der Unternehmereigenschaft

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2332 / 0-07 vom 09.07.2014

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird die Anlage zum BMF-Schreiben vom 5. Oktober 1990 (BStBl I 1990, Seite 638) wie in der Anlage dargestellt neugefasst. Die bisherige Aussage zur Unternehmereigenschaft nach dem Umsatzsteuergesetz wurde gestrichen.

Die Anlage finden Sie auf der Homepage des BMF.

Normaler Umsatzsteuersatz für Unterkunft und Verpflegung von Erntehelfern in der Landwirtschaft

FG Hessen, Pressemitteilung vom 09.07.2014 zum Urteil 6 K 1612/11 vom 07.04.2014

Gewährt ein Landwirt seinen Erntehelfern Unterkunft und Verpflegung, unterliegt dies der normalen Umsatzbesteuerung zum Regelsteuersatz von 19 Prozent (Unterkunft) und zum ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent (Verpflegung). Solche Leistungen sind weder von der Umsatzsteuer befreit noch unterliegen sie der günstigen Besteuerung nach Durchschnittssätzen (Pauschalierung gemäß § 24 Umsatzsteuergesetz). Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az. 6 K 1612/11).

Geklagt hatte ein Landwirt, der in den Jahren 2005 bis 2007 Umsatzerlöse zwischen rund 1 Mio. Euro und 1,4 Mio. Euro erzielte. In diesen Jahren beherbergte er in Wohncontainern und festen Unterkünften bis zu 150 Erntehelfer ausschließlich für die Spargelernte und gewährte diesen auch Verpflegung. Hierfür wurde durch den Kläger vom Arbeitslohn zu Lasten der Erntehelfer ein Entgelt in Höhe der jeweils geltenden Sätze der Sachbezugsverordnung bzw. der Sozialversicherungsentgeltverordnung einbehalten. Nach einer Betriebsprüfung unterwarf das Finanzamt die Unterbringung und Verpflegung der Erntehelfer der regulären Umsatzbesteuerung. Der Kläger machte dagegen geltend, dass es sich hierbei um ein sog. landwirtschaftliches Hilfsgeschäft handele, das der steuerlich günstigen Pauschalierung nach § 24 Umsatzsteuergesetz unterliege.

Das Hessische Finanzgericht wies die Klage ab. Der Kläger habe zum einen durch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung gegen Lohneinbehalt in Höhe von jährlich ca. 80.000 Euro entgeltliche Leistungen an die Erntehelfer erbracht. Die Beherbergung der Erntehelfer sei auch nicht von der Umsatzsteuer befreit, weil es sich dabei um eine kurzfristige, nicht steuerfreie Beherbergung von Fremden im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 2 Umsatzsteuergesetz handele. Zudem unterlägen weder die entgeltliche Gewährung von Unterkunft an Erntehelfer noch deren Verpflegung der günstigen Besteuerung nach Durchschnittssätzen nach § 24 Umsatzsteuergesetz, sondern der regulären Besteuerung. Denn hierbei handele es sich nach Maßgabe der europarechtlichen Vorgaben nicht um landwirtschaftliche Dienstleistungen und auch nicht um sog. landwirtschaftliche Hilfsumsätze. Der erforderliche unmittelbare Zusammenhang mit der sog. Urproduktion liege nicht vor. Dies gelte insbesondere wegen des Ausnahmecharakters der Pauschalregelung in § 24 Umsatzsteuergesetz.

Das Hessische Finanzgericht hat in seinem Urteil vom 07.04.2014 die Revision zugelassen.