Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

BMF folgt BFH: Handlungsbedarf bei Organschaften

BMF folgt BFH: Handlungsbedarf bei Organschaften

Kernaussage

Nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit dann nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Im Jahr 2010 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zu Organschaften grundsätzlich geändert. Betroffen hiervon waren insbesondere Betriebsaufspaltungen, bei denen zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft eine sowohl personelle als auch sachliche Verflechtung gegeben sein muss.

Neue Verwaltungsanweisung

Das Bundesfinanzministerium (BMF) folgt nun der Auffassung des BFH. Demnach setzt die finanzielle Eingliederung, als Voraussetzung für die Organschaft, ein unmittelbare oder mittelbare Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft voraus. Fehlt diese, so besteht keine Organschaft. In diesem Fall ist dann auch unerheblich, ob – die Gesellschafter die Stimmenmehrheit an der potentiellen Organgesellschaft besitzen oder – die Beteiligung eines Gesellschafters zu dessen Sonderbetriebsvermögen bei einer Personengesellschaft gehört oder – ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag zwischen den Gesellschaften besteht.

Konsequenzen

Das BMF wird die geänderte Rechtsauffassung sofort anwenden, beanstandet es aber nicht, wenn bis zum 31.12. 2011 noch nach der alten Rechtslage verfahren wird. Unter Beachtung der neuen Rechtslage müssen nun zeitnah bestehende Organschaften überprüft werden, ob sie über 2011 hinaus Bestand haben. Dies gilt vor allem für Betriebsaufspaltungen. Hierbei sind auch die zahlreichen, in jüngster Zeit ergangenen Urteile zur wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung zu beachten. Sind Organschaften zu beendigen, so dürfte dies im Regelfall zu begrüßen sein, da das Haftungspotential gegenüber dem Fiskus verringert wird. Nur in den Fällen, in denen die Organschaft auch umsatzsteuerlich Vorteile bringt, ist steuerlicher Rat einzuholen, ob, wie und mit welchen Konsequenzen, diese aufrecht erhalten werden kann. Dies wird häufig dann der Fall sein, wenn die Organschaft bisher dazu genutzt wurde, um Umsätze gegenüber nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen als Innenumsatz, d. h. ohne Umsatzsteuer, zu erbringen (z. B. bei gemeinnützigen Organisationen, Krankenhäusern etc.).

Kein Vorsteuerabzug für innergemeinschaftliche Erwerbe?

Kein Vorsteuerabzug für innergemeinschaftliche Erwerbe?

Rechtslage

Erwirbt ein deutscher Unternehmer Waren aus der übrigen EU, so hat er einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern. Bisher berechtigte dieser Erwerb grundsätzlich zum Vorsteuerabzug. Dies ist nun durch 2 Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH) in Frage gestellt worden.

Sachverhalt

Der innergemeinschaftliche Erwerb ist grundsätzlich in dem Land zu besteuern, in dem sich die Ware am Ende der Beförderung befindet. Teilt der Erwerber dem Lieferer jedoch eine andere USt-IDNr. mit, als die des Bestimmungslandes, so wird hiervon abweichend der innergemeinschaftliche Erwerb im Land der verwendeten USt-IDNr. besteuert. Dies gilt wiederum nicht, wenn der Erwerber nachweist, dass der Erwerb im Bestimmungsland besteuert wurde. Bisher stand dem Erwerber in beiden Fällen der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb zu. EuGH und BFH haben aber nun den Vorsteuerabzug nur noch zugelassen, wenn der Erwerb im Bestimmungsland versteuert wird.

Neue Verwaltungsanweisung

Das BMF folgt nunmehr dieser Rechtsauffassung und wendet sie in allen offenen Fällen an. Bis zum 31.12.2011 soll es allerdings ausreichen, dass der Erwerb im Bestimmungsland glaubhaft gemacht wird, um eine Besteuerung in Deutschland, ohne das Recht auf Vorsteuerabzug, zu verhindern.

Konsequenzen

International handelnde Unternehmen wird die neue Rechtslage wenig erfreuen. Ein Beispielsfall soll dies verdeutlichen: Ein deutscher Unternehmer lässt sich Waren von Frankreich nach Belgien liefern. Grundsätzlich hätte er einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Belgien zu versteuern. Hierzu müsste er sich in Belgien registrieren und Umsatzsteuererklärungen abgeben. Um diesen Aufwand zu vermeiden, konnte der Unternehmer bisher problemlos seine deutsche USt-IDNr. angeben und den innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland versteuern, da ihm bislang hieraus der Vorsteuerabzug zustand. Da ihm nach neuer Rechtslage nun der Vorsteuerabzug in Deutschland verwehrt wird, ist er gezwungen, den Erwerb im EU-Ausland zu deklarieren, sofern er nicht auf den Vorsteuerabzug verzichten will. Betroffene Unternehmen sind daher gezwungen, ihre bisherigen Verfahrensweisen im internationalen Handel zu überprüfen, und, falls erforderlich, an die neue Rechtslage anzupassen.

Zur Höhe der Abfindungszahlung für ausgeschiedenen GbR-Gesellschafter

Zur Höhe der Abfindungszahlung für ausgeschiedenen GbR-Gesellschafter

Kernaussage

Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Schiedsgutachtenabrede, wonach bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Abfindungsguthabens dieses von einem Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter ermittelt werden soll, entspricht es allgemeiner Meinung, dass die Klage „als zur Zeit unbegründet“ abzuweisen ist, wenn der beweispflichtige Kläger die Höhe des Anspruchs nicht durch Vorlage des Gutachtens darlegen kann. Unterlässt die zur Benennung des Schiedsgutachters ermächtigte Vertragspartei innerhalb objektiv angemessener Zeit (hier 2 Jahre) die Benennung und die Einholung des Gutachtens, hat die Bestimmung der Höhe des Abfindungsguthabens durch Urteil des angerufenen Gerichts zu erfolgen.

Sachverhalt

Der Kläger hat sich mit 2 Beitrittserklärungen jeweils in einer sogenannten „Haustürsituation“ an der beklagten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die wiederum an Investmentgesellschaften beteiligt ist. Der Kläger leistete auf die Beitrittserklärungen die Einmalzahlungen nebst Agio und in der Folgezeit weitere Raten. Im Hinblick auf die Haustürsituation wurden die Beitrittserklärungen sodann von dem Kläger widerrufen. Die Beklagte errechnete zunächst ein „negatives Abfindungsguthaben“ für den Kläger, korrigierte dieses jedoch später auf ein Abfindungsguthaben zugunsten des Klägers von 78 EUR. Mit der Klage verlangt der Kläger seine Einlageleistungen in Höhe von rd. 15.000 EUR zurück. Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage als derzeit unbegründet ab.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Berufungsurteil aufgehoben und an das OLG zurückgewiesen. Der Kläger hat seine Beitrittserklärungen aufgrund der sogenannten Haustürsituation wirksam widerrufen. Allerdings steht ihm kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlagen zu. Die Folgen des Widerrufs bestimmen sich vielmehr nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft. Danach hat der Kläger generell einen Anspruch auf Zahlung eines Abfindungsguthabens (§ 738 BGB). Der Gesellschaftsvertrag enthält aber eine Schiedsgutachtenabrede, wonach die Höhe des Abfindungsguthabens bei Meinungsverschiedenheiten von einem Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter ermittelt werden soll, was nicht geschehen ist. Allerdings oblag es vertraglich der Beklagten, den Gutachter zu benennen. Die Nichtbenennung des bestimmungsberechtigten Dritten durch die hierzu verpflichtete Beklagte außerhalb objektiv angemessener Zeit hat zur Folge, dass die Bestimmung der Leistung durch Urteil des angerufenen Gerichts zu erfolgen hat.

Sofern in Gesellschaftsverträgen Schiedsabreden im Zusammenhang mit der Bestimmung der Abfindungsleistung verwendet werden, ist zu überlegen, welcher Partei das Ernennungsrecht zugewiesen wird. Zur Vermeidung von Streitigkeiten kann die Benennung z. B. auch durch die IHK oder das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) erfolgen.

Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter nun als sonstige Leistung zu qualifizieren

Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter nun als sonstige Leistung zu qualifizieren

Einführung

Bisher wurden die Übertragungen immaterieller Wirtschaftsgüter in Deutschland als Lieferungen behandelt. Aufgrund eines neueren Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus 2009, nach dem die Übertragung von Lebensrückversicherungsverträgen als sonstigen Leistung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und nicht als Lieferung eingestuft wurde, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) nun seine bisherige Rechtsauffassung aufgegeben.

Neue Verwaltungsanweisung

Die Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter (z. B. Firmenwert, Kundenstamm) wird nun nicht mehr als Lieferung, sondern als sonstige Leistung angesehen.

Konsequenzen

Die geänderte Rechtsauffassung ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Sofern Übertragungen vor dem 1.7.2011 vorgenommen wurden, wird es nicht beanstandet, wenn diese noch als Lieferung behandelt werden. Die Qualifizierung als sonstige Leistung hat auch Folgen für die steuerliche Erfassung solcher Übertragungen. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen kann sich, im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage, das Land, in dem der Umsatz erfasst wird, verändern. Ferner ist zu prüfen, ob der Erwerber Schuldner der Umsatzsteuer wird und der Umsatz in die Zusammenfassende Meldung (ZM) aufzunehmen ist.

Schuldrechtliche Abreden gelten nicht bei Betriebsübergang

Schuldrechtliche Abreden gelten nicht bei Betriebsübergang

Kernaussage

Grundsätzlich werden auch die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach einem Betriebsübergang kraft gesetzlicher Regelung Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber. Zu diesen rechtlichen Bestimmungen zählen auch die in einer zuvor vereinbarten Tarifregelung bereits abschließend festgelegten dynamischen Entwicklungen, die allein vom Zeitablauf abhängig sind. Hierzu entschied das Bundesarbeitsgericht (BSG) nun, dass lediglich schuldrechtliche Abreden der Tarifvertragsparteien nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und war seit 1991 bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt. Für ihr Arbeitsverhältnis galt kraft Tarifgebundenheit der BAT-O in der Fassung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Der zu Beginn des Jahres 2003 geschlossene Vergütungstarifvertrag (VTV) Nr. 7 zum BAT-O sah u. a. vor, dass „die Anpassung des Bemessungssatzes“ für die Vergütung der wie die Klägerin eingruppierten Angestellten auf das Tarifniveau „West“ (100 %) „bis zum 31.12.2007 abgeschlossen wird“. Am 1.4.2005 ging ihr Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsüberganges auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Zum 1.1.2008 wurde für die betreffenden Entgeltgruppen der Bemessungssatz auf 100 % angehoben. Die Klägerin verlangt nunmehr ein Entgelt und die Vergütung von Mehrarbeitsstunden nach einem Bemessungssatz von 100 % auf Basis der Entgelttabellen zum TVöD. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Zwar gehört zu den anlässlich des Betriebsübergangs auf die Beklagte in das Arbeitsverhältnis übergegangenen Rechten und Pflichten auch eine von den Tarifvertragsparteien bereits zuvor abschließend geregelte Entgeltsteigerung. Bei der im VTV Nr. 7 vorgesehenen Anpassung auf 100 % des Tarifniveaus „West“ handelt es sich jedoch nicht um eine normativ wirkende Inhaltsnorm, sondern lediglich um eine schuldrechtliche Abrede der Tarifvertragsparteien, die nur zwischen diesen wirkt. Sie beinhaltet keine durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags geregelten Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses, die nach einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber werden.

Konsequenz

Auch wenn man mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgeht, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) nicht die sich aus den Tarifnormen ergebenden Arbeitsbedingungen Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden, sondern die Tarifnormen zu Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien in das Arbeitsverhältnis eingehen, kann keine Bindung des Betriebserwerbers an spätere Stufen eintreten. Die Vorschrift betrifft ausschließlich den normativen Teil eines Tarifvertrags. Hinsichtlich der schuldrechtlichen Teile scheidet eine Weitergeltung als Arbeitsvertragsinhalt aus.

Der deutsche Bundestag beschließt die Änderung des Umwandlungsrechts

Der deutsche Bundestag beschließt die Änderung des Umwandlungsrechts

Rechtslage

Der Deutsche Bundestag hat am 26.5.2011 eine Änderung des Umwandlungsgesetzes beschlossen, die sich insbesondere bei der Umstrukturierung von Aktiengesellschaften auswirkt. Das Änderungsgesetz dient der Umsetzung einer europäischen Richtlinie, die im Oktober 2009 in Kraft getreten ist. Da das deutsche Umwandlungsrecht zum Teil auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht, musste eine Anpassung bis zum Sommer 2011 erfolgen.

Die wichtigsten Änderungen

Im Wesentlichen sind Vereinfachungen bei der Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen vorgesehen. Ferner werden die Möglichkeiten des Ausschlusses von Minderheitsaktionären erweitert.

1. Verschmelzungsspezifischer Squeeze-out:

Nach alter Rechtslage erforderte der Ausschluss eines Minderheitsaktionärs, dass sich 95 % des Grundkapitals (un)mittelbar in der Hand eines Aktionärs befanden. Nach geänderter Rechtslage kann die Hauptversammlung einer übertragenden AG binnen 3 Monaten nach Abschluss eines Verschmelzungsvertrags einen Ausschlussbeschluss fassen, sofern der übernehmende Hauptaktionär Aktien in Höhe von 90 % des Grundkapitals hält. Das zweistufige Verfahren ist eine Kombination aus Squeeze-out und Verschmelzung. Zunächst wird der Verschmelzungsvertrag geschlossen oder der Entwurf vorbereitet, dann wird der Übertragungsbeschluss durchgeführt. Schließlich gehen im Zuge der Eintragung des Übertragungsbeschlusses ins Handelsregister sämtliche Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Muttergesellschaft über. Ab dann kann die Verschmelzung nach den vereinfachten Bedingungen einer Upstream-Verschmelzung vollendet werden. Die Regelung gilt auch für die KGaA und SE, nicht jedoch für andere Rechtsformen, Spaltungen und Downstream-Verschmelzungen.

2. Wegfall des Verschmelzungsbeschlusses bei Konzernverschmelzungen; neue Berichtspflichten:

Bei der Verschmelzung einer 100 %igen Tochtergesellschaft mit der Muttergesellschaft ist kein Verschmelzungsbeschluss des Anteilsinhabers der übertragenden Gesellschaft mehr erforderlich. Allerdings müssen die Vertretungsorgane der jeweiligen Anteilsinhaber von nun an über jede wesentliche Vermögensänderung unterrichten, die zwischen dem Abschluss bzw. Entwurf des Verschmelzungsvertrages und dem Zeitpunkt der Beschlussfassung eingetreten ist. Selbiges gilt gegenüber den anderen Rechtsträgern, die dann wiederum die Anteilseigner zu unterrichten haben. Die Anteilsinhaber können auf die Unterrichtung verzichten. Verzichtet werden kann künftig auch auf die Aufstellung einer Zwischenbilanz, sofern ein Halbjahresfinanzbericht erstellt wird.

Müssen sich Betriebsratsmitglieder für jede Tätigkeit abmelden?

Müssen sich Betriebsratsmitglieder für jede Tätigkeit abmelden?

Kernaussage

Ein Betriebsratsmitglied, das an seinem Arbeitsplatz während seiner üblichen Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrnimmt, ist in der Regel verpflichtet, sich zuvor bei seinem Arbeitgeber abzumelden und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Zweck dieser Meldepflicht ist es, dem Arbeitgeber zu ermöglichen, den Arbeitsausfall anderweitig aufzufangen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun, dass eine vorherige Abmeldepflicht dann nicht besteht, wenn eine vorübergehende und anderweitige Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt. Dies hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab.

Sachverhalt

Bei der Arbeitgeberin, einem Marktforschungsunternehmen der Automobilbranche mit ca. 220 Arbeitnehmern, war ein aus 9 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gebildet worden. Dieser war, entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin, der Ansicht, seine Mitglieder treffe generell keine Pflicht, sich vor jeder Betriebsratstätigkeit beim jeweiligen Vorgesetzten abzumelden. Der Betriebsrat begehrte die diesbezügliche gerichtliche Feststellung mit der Begründung, das einzelne Mitglied müsse selbst entscheiden können, ob die ausgefallene Arbeit nachgeholt werden könne. Bei lediglich kurzen Arbeitsunterbrechungen sei eine Abmeldung überhaupt nicht geboten. Der Betriebsrat unterlag mit dem Feststellungsantrag in allen Instanzen.

Entscheidung

Das BAG wies den im Übrigen zu weit gefassten Antrag mit dem Hinweis ab, die umstrittene Abmeldepflicht eines Betriebsratsmitglieds könne weder generell verneint noch bejaht werden. Hier hänge es immer von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Die Meldepflicht des Betriebsratsmitglieds diene gerade dazu, dem Arbeitgeber die Organisation des Betriebsablaufs zu ermöglichen und den Arbeitsausfall anderweitig aufzufangen. In diesem Zusammenhang seien insbesondere die Art der Arbeitsaufgabe des Betriebsratsmitglieds und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunterbrechung von Relevanz. Komme daher eine vorübergehende Umorganisation der Arbeit nicht in Betracht, entfalle auch die Meldepflicht. Das BAG wies ferner darauf hin, dass ein Betriebsratsmitglied bei unterlassener Abmeldung verpflichtet ist, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen nachträglich die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen.

Konsequenz

Generelle Klarheit bringt das Urteil wegen der Erforderlichkeit einer jeweiligen Einzelprüfung nicht. In Zweifelsfällen sollte daher möglichst vor der Betriebsratstätigkeit eine Abmeldung beim Vorgesetzen erfolgen.

Verjährung von Ansprüchen einer GbR gegen ausgeschiedenen Gesellschafter

Verjährung von Ansprüchen einer GbR gegen ausgeschiedenen Gesellschafter

Kernaussage

Der Anspruch der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter im Rahmen der Verlustausgleichshaftung (§ 739 BGB) verjährt innerhalb von 3 Jahren (§ 195 BGB).

Sachverhalt

Die Parteien waren an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck die Führung einer Gaststätte war, je zur Hälfte beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sah unter anderem für den Fall der Kündigung durch einen Gesellschafter vor, dass das Gesellschaftsvermögen dem anderen Gesellschafter anwachsen solle. Zum 31.12.1994 betrachteten die Parteien ihr Gesellschaftsverhältnis als beendet, nachdem der Beklagte nicht mehr in der Gaststätte erschien. Die von den Parteien gemeinsam festgestellte Bilanz der GbR zum 31.12.1994 wies auf der Passivseite einen Betrag von rund 132.000 DM aus. Das negative Kapitalkonto des Beklagten betrug rund 40.000 EUR. Der Kläger führte bis zur Beendigung des Mietvertrages die Gaststätte als Einzelkaufmann weiter. Die Klage auf Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Beklagten erhob der Kläger im Juli 2004. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht wies die Klage ab, weil der geltend gemachte Nachschussanspruch nach den Vorschriften des HGB (§ 159) innerhalb von 5 Jahren seit der Auflösung der GbR verjährt sei.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab wieder dem Kläger Recht. Gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Ausgleich des Fehlbetrages griff die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Der Beklagte war durch konkludente Kündigung aus der Gesellschaft ausgeschieden; damit war das Gesellschaftsvermögen dem Kläger satzungsgemäß angewachsen. Im Fall einer Fortsetzungsklausel kann das Ausscheiden eines Gesellschafters zu einer Fehlbetragshaftung (§ 739 BGB) führen. Eine entsprechende Anwendung der Außenhaftung des ausscheidenden Gesellschafters bzw. der 5-jährigen Anspruchsverjährung (§§ 159, 160 HGB) kommt hingegen nicht in Betracht. Ein zeitlicher Gleichlauf von Innen- und Außenhaftung ist gesetzlich nicht vorgesehen und wegen der Unterschiedlichkeit auch nicht geboten. Für den geltend gemachten Anspruch ist daher die 3-jährige Verjährungsfrist nach dem BGB einschlägig (§ 195 BGB i. d. F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 1.1.2002; Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB).

Konsequenz

Der BGH bestätigte seine Meinung und erteilte den Kritikern eine eindeutige Absage für die Annahme einer 5-jährigen Verjährungsfrist bei der Verlustausgleichshaftung. Ansprüche auf Ausgleich etwaiger Fehlbeträgen gegenüber dem ausscheidenden Gesellschafter sind daher frühzeitig geltend zu machen.

Telekom-Tarifvertrag gilt auch für ehemalige Postler

Telekom-Tarifvertrag gilt auch für ehemalige Postler

Kernfrage

Verweisen Arbeitsverträge auf Tarifverträge und kommt es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses dazu, dass dieses vom ursprünglichen Arbeitgeber auf einen anderen Arbeitgeber übergeht, stellt sich regelmäßig die Frage, wie die ursprüngliche Verweisnorm zu verstehen ist. Möglich sind einfache Bezugnahmen, die in der Regel dazu führen, dass alte Tarifverträge erhalten bleiben, weil der neue Arbeitgeber Tarifnachfolger wird. Denkbar sind aber auch Wechsel im anwendbaren Tarifvertrag. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr zur Auslegung solcher Bezugnahmeklauseln in einem Fall zu entscheiden, in dem der ursprüngliche Arbeitsvertrag 27 Jahre zuvor geschlossen worden war.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1980 bei der Deutschen Bundespost und später nach deren Privatisierung im Jahre 1995 bei der Telekom beschäftigt. Aufgrund einer Verweisung in seinem ursprünglichen Arbeitsvertrag fanden die Tarifverträge der Bundespost Anwendung, später wurden die Tarifverträge der Telekom auf das Arbeitsverhältnis angewendet. Schließlich ging das Arbeitsverhältnis des Klägers 2007 im Rahmen eines Teilbetriebsübergangs auf eine Tochtergesellschaft der Telekom über, die lediglich ihren Haustarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwandte. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass der Tarifvertrag der Telekom im Zeitpunkt des Teilbetriebsübergangs auf ihn anzuwenden sei und bekam Recht.

Entscheidung

Nach Ansicht der Richter ergibt sich die Tatsache, dass die Tarifverträge der Telekom und nicht der (schlechtere) Haustarifvertrag der Tochtergesellschaft auf den Kläger anzuwenden sind, aus der Verweisklausel seines ursprünglichen Arbeitsvertrags mit der Bundespost. Diese erfasse im Wege der Vertragsauslegung auch die Tarifverträge der Telekom, weil sie im Rahmen der Privatisierung Tarifnachfolger der Bundespost geworden sei. Nicht mehr möglich sei es aber, die ursprüngliche Verweisungsklausel dahingehend auszulegen, dass auch Tarifverträge von Tochtergesellschaften zur Anwendung gelangten. Dies sei bei der Privatisierung gar nicht abzuschätzen gewesen. Im Übrigen sei es nicht möglich, die reine Verweisklausel in eine Tarifwechselklausel umzudeuten.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt die Bedeutung von Verweisklauseln in Arbeitsverträgen. Die Problematik ist offensichtlich nicht nur auf ehemalige Staatsbetriebe beschränkt. Vergleichbare Situationen der Tarifnachfolge können auch eintreten, wenn Unternehmen umgewandelt werden.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aktivierung von Forderungen

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aktivierung von Forderungen

Kernaussage

Gewinne sind in der Handels- und Steuerbilanz nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Danach sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen u. a. dann auszuweisen, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Versicherungsmakler, ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Mit einer Versicherungsgesellschaft hatte er einen Vertrag über Rückprämien bei günstigem Schadensverlauf abgeschlossen. Danach stand ihm für die von ihm vermittelten Kraftfahrzeug-Versicherungen ein Anspruch auf eine Prämie zu, wenn die Gesamtschadensquote 50 % nicht überschritt. Die Abrechnung und Auszahlung erfolgten jeweils im Folgejahr. Für das Streitjahr 2001 ergab sich eine Schadensquote von 43 %. Die Rückprämie wollte der Kläger erst im Folgejahr als Einnahme erfassen. Das beklagte Finanzamt aktivierte die Forderung aber bereits zum Stichtag des abgelaufenen Jahres. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Finanzgericht erfolglos; der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte die Auffassung der Vorinstanz.

Entscheidung

Der BFH führt aus, dass es für die Gewinnrealisierung ohne Bedeutung ist, ob am Bilanzstichtag bereits eine Rechnung erteilt worden ist oder ob die geltend gemachten Ansprüche erst noch abgerechnet werden. Im Streitfall war die wesentliche wirtschaftliche Ursache für das Entstehen des Anspruchs des Klägers auf Rückprämie darin zu sehen, dass die Gesamtschadensquote von 50 % nicht überschritten wurde. Dass diese Bedingung eingetreten ist, steht objektiv zum Ablauf des Bilanzstichtages fest. In seinem Entschluss stützt sich der BFH auf ein bereits von ihm entschiedenes Urteil, in dem die Ansprüche der Inhaber von Urheberrechten gegen die GEMA bereits in demjenigen Wirtschaftsjahr zu aktivieren sind, in dem die Aufführung eines urheberrechtlich geschützten Werkes stattfindet.

Konsequenz

Die vertraglichen Regelungen geben im Streitfall bereits einen Hinweis auf das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen am Bilanzstichtag und auf die Entstehung einer Forderung vor. Die Abrechnung im Folgejahr stellt lediglich eine subjektive Aufhellung dar.