Schlagwort-Archive: Betriebsübergang

Ansprüche der Arbeitnehmer bei Inkrafttreten eines Tarifvertrags nach Betriebsübergang

Ansprüche der Arbeitnehmer bei Inkrafttreten eines Tarifvertrags nach Betriebsübergang

Kernfrage

Tarifverträge können mit Wirkung auf ein zukünftiges Datum des Inkrafttretens abgeschlossen werden. Kommt es zu einem Betriebsübergang, übernimmt der neue Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse zu den Bedingungen, wie sie im Zeitpunkt des Betriebsübergangs gelten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob bei einem Betriebsübergang auch ein Tarifvertrag mit übergeht, der erst in der Zukunft in Kraft treten soll bzw. ob dieser Tarifvertrag später Gültigkeit erlangt, wenn Arbeitsverträge nach Betriebsübergang auf die künftigen Tarifverträge Bezug nehmen.

Sachverhalt

Gemeinsam mit einem Haustarifvertrag zur Sanierung des Unternehmens wurde in einem Unternehmen ein Zusatz-Tarifvertrag über Sonderzahlungen abgeschlossen, der aber erst 4 Jahre später in Kraft treten sollte. Nach 2 Jahren kam es zum Betriebsübergang. Mit seiner Klage machte ein Arbeitnehmer gegenüber dem neuen Arbeitgeber Ansprüche mit Rücksicht auf den Zusatz-Tarifvertrag geltend; insbesondere weil sein Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf diesen Tarifvertrag enthielt.

Entscheidung

Das BAG wies die Klage ab und urteilte damit gegen die vorherigen Instanzgerichte. Die gesetzlichen Regelungen zum Betriebsübergang führten nicht dazu, dass Ansprüche aus dem Zusatz-Tarifvertrag auch gegen den neuen Arbeitgeber wirkten. Maßgeblich für den Beginn der Tarifgeltung sei nämlich das Inkrafttreten. Vorher gehöre er noch nicht zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen, die mit Betriebsübergang übergehen. Auch die Bezugnahmeklausel ändere daran nichts, weil es mit dem Arbeitgeberwechsel dazu komme, dass diese Bezugnahmeklausel in ein anderes Unternehmen, nämlich das des Betriebserwerbers, eingreife, was unzulässig sei.

Konsequenz

Die Entscheidung ist eine der arbeitgeberfreundlichen Entscheidungen im Bereich des Betriebsübergangs. Tarifverträge, die bei Übergang noch nicht in Kraft getreten sind, gehen regelmäßig somit nicht über. Dies wird insbesondere die Veräußerungsfähigkeit von Unternehmen erhalten.

Wann beginnt die Frist für den Widerspruch gegen einen Betriebsübergang?

Wann beginnt die Frist für den Widerspruch gegen einen Betriebsübergang?

Rechtslage

Kommt es zu einem Betriebsübergang, sind die Arbeitnehmer hierüber detailliert schriftlich zu unterrichten. Erst das ordnungsgemäße Informationsschreiben löst die Widerspruchsfrist zugunsten des Arbeitsnehmers aus, innerhalb derer er sich erklären muss, ob er dem Übergang zustimmt oder widerspricht und beim alten Arbeitgeber verbleibt. Dabei gilt, dass überhaupt erst eine vollständige und ordnungsgemäße Belehrung die Widerspruchsfrist in Gang setzt. Ist das Informationsschreiben unzutreffend, besteht also noch nach langer Zeit die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widerspricht und zum alten Arbeitgeber zurückkehrt.

Sachverhalt

Das Arbeitsverhältnis des Klägers war auf einen Betriebserwerber übergegangen. Der Kläger hatte dem Übergang zunächst nicht widersprochen und für den neuen Arbeitgeber gearbeitet. Als es nach 6 Monaten zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber durch Auflösungsvertrag kam, widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses und verlangte Weiterbeschäftigung vom ehemaligen Arbeitgeber. Zur Begründung verwies der Kläger auf ein, seiner Ansicht nach unzutreffendes, Informationsschreiben. Der ehemalige Arbeitgeber wandte ein, das Informationsschreiben sei ordnungsgemäß gewesen; im Übrigen habe der Arbeitnehmer durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags sein Widerspruchsrecht verwirkt.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Sein Informationsschreiben habe den gesetzlichen Anforderungen hierzu genügt, so dass es die Widerspruchsfrist wirksam in Gang setzen konnte. Maßgeblich für die Fristberechnung für den zulässigen Widerspruch sei daher der Zugang des Informationsschreibens.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht, sondern folgt den gesetzlichen Anordnungen zum Betriebsübergang. Überraschend ist eher, dass das Bundesarbeitsgericht ein Informationsschreiben als den gesetzlichen Anforderungen genügend ansieht. Aus Beratersicht ist bedauerlich, dass die Frage der Verwirkungsmöglichkeit des Widerspruchs durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht weiter thematisiert werden musste.

Betriebsübergang bei Zwangsverwaltung eines Grundstücks?

Betriebsübergang bei Zwangsverwaltung eines Grundstücks?

Kernaussage

Kündigt der Zwangsverwalter eines Grundstücks den Pachtvertrag über ein auf dem Grundstück betriebenes Hotel und führt er den Hotelbetrieb dann selbst weiter, so liegt ein Betriebsübergang vom früheren Pächter auf den Zwangsverwalter vor. Dies entschied kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Sachverhalt

Die Klägerin war in dem von einer GmbH betriebenen Hotel als Hausdame beschäftigt. Die GmbH hatte das Hotel von der Grundstückseigentümerin, einer weiteren GmbH, gepachtet. Aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen diese GmbH wurde der Beklagte durch gerichtlichen Beschluss zum Zwangsverwalter des Grundstücks bestellt. Nachdem er wegen Pachtzinsrückständen den Pachtvertrag mit der hotelbetreibenden GmbH gekündigt und die Zwangsräumung gegen diese durchgeführt hatte, führte er den Hotelbetrieb selbst weiter. Zu diesem Zwecke schloss er mit allen Mitarbeitern außer der Klägerin neue Arbeitsverträge. Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der GmbH auf den Beklagten übergegangen sei. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Mit ihrer Revision hatte die Klägerin vor dem BAG Erfolg.

Entscheidung

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der nunmehr zwangsverwalteten GmbH war auf den Beklagten übergegangen. Das Gesetz bestimmt den Übergang bestehender Arbeitsverhältnisse, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Ausreichend dazu ist auch die bloße Fortführung des Gewerbebetriebs ohne ausdrückliche Zustimmung des Schuldners, weil bereits eine entsprechende Willensbekundung des Zwangsverwalters im Zusammenhang mit der Anordnung der Zwangsverwaltung ausreicht. Ein Betriebsübergang von dem früheren Pächter des Hotels auf den Zwangsverwalter, der den Hotelbetrieb fortführt, scheitert deshalb hier nicht daran, dass die Zwangsverwaltung und die Bestellung des Zwangsverwalters durch einen Beschluss des Amtsgerichts angeordnet und das Betreiben des Hotels durch den Zwangsverwalter vom Vollstreckungsgericht genehmigt worden war.

Konsequenz

Die Kündigung des Pachtvertrags mit dem früheren Pächter und die sich daran anschließende Fortführung des Hotelbetriebs durch den Zwangsverwalter ist ein Übergang des Hotelbetriebs „durch Rechtsgeschäft“ i. S. d. gesetzlichen Bestimmungen zum Betriebsübergang. Die Entscheidung zeigt, dass an das Vorliegen der Voraussetzung „durch Rechtsgeschäft“ kein hohen Anforderungen zu stellen sind: selbst bei Fehlen einer Willensbekundung des Schuldners zur Betriebsfortführung kann ein Übergang gegeben sein.

Schuldrechtliche Abreden gelten nicht bei Betriebsübergang

Schuldrechtliche Abreden gelten nicht bei Betriebsübergang

Kernaussage

Grundsätzlich werden auch die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach einem Betriebsübergang kraft gesetzlicher Regelung Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber. Zu diesen rechtlichen Bestimmungen zählen auch die in einer zuvor vereinbarten Tarifregelung bereits abschließend festgelegten dynamischen Entwicklungen, die allein vom Zeitablauf abhängig sind. Hierzu entschied das Bundesarbeitsgericht (BSG) nun, dass lediglich schuldrechtliche Abreden der Tarifvertragsparteien nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und war seit 1991 bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt. Für ihr Arbeitsverhältnis galt kraft Tarifgebundenheit der BAT-O in der Fassung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Der zu Beginn des Jahres 2003 geschlossene Vergütungstarifvertrag (VTV) Nr. 7 zum BAT-O sah u. a. vor, dass „die Anpassung des Bemessungssatzes“ für die Vergütung der wie die Klägerin eingruppierten Angestellten auf das Tarifniveau „West“ (100 %) „bis zum 31.12.2007 abgeschlossen wird“. Am 1.4.2005 ging ihr Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsüberganges auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Zum 1.1.2008 wurde für die betreffenden Entgeltgruppen der Bemessungssatz auf 100 % angehoben. Die Klägerin verlangt nunmehr ein Entgelt und die Vergütung von Mehrarbeitsstunden nach einem Bemessungssatz von 100 % auf Basis der Entgelttabellen zum TVöD. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Zwar gehört zu den anlässlich des Betriebsübergangs auf die Beklagte in das Arbeitsverhältnis übergegangenen Rechten und Pflichten auch eine von den Tarifvertragsparteien bereits zuvor abschließend geregelte Entgeltsteigerung. Bei der im VTV Nr. 7 vorgesehenen Anpassung auf 100 % des Tarifniveaus „West“ handelt es sich jedoch nicht um eine normativ wirkende Inhaltsnorm, sondern lediglich um eine schuldrechtliche Abrede der Tarifvertragsparteien, die nur zwischen diesen wirkt. Sie beinhaltet keine durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags geregelten Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses, die nach einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber werden.

Konsequenz

Auch wenn man mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgeht, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) nicht die sich aus den Tarifnormen ergebenden Arbeitsbedingungen Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden, sondern die Tarifnormen zu Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien in das Arbeitsverhältnis eingehen, kann keine Bindung des Betriebserwerbers an spätere Stufen eintreten. Die Vorschrift betrifft ausschließlich den normativen Teil eines Tarifvertrags. Hinsichtlich der schuldrechtlichen Teile scheidet eine Weitergeltung als Arbeitsvertragsinhalt aus.

Betriebsübergang: Für Fortsetzungsverlangen gilt Widerspruchsfrist

Betriebsübergang: Für Fortsetzungsverlangen gilt Widerspruchsfrist

Rechtslage

Geht ein Betrieb aufgrund eines Rechtsgeschäfts auf einen neuen Arbeitgeber über, liegt ein Fall des Betriebsübergangs vor, der den Arbeitnehmern besondere Rechte insbesondere gegenüber dem Betriebserwerber sichert. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die Arbeitnehmer ausführlich schriftlich über den Betriebsübergang und seine Konsequenzen unterrichtet werden müssen. Erfolgt keine oder eine nur unzureichende Unterrichtung, können die Arbeitnehmer gegebenenfalls auch noch nach Jahren Ansprüche gegen den alten Arbeitgeber geltend machen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nun Gelegenheit, die Konsequenzen einer unzureichenden Unterrichtung zu konkretisieren.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei einem Arbeitgeber beschäftigt, der für ein anderes Unternehmen als Subunternehmer tätig war. Das Subunternehmerverhältnis wurde gekündigt, das Drittunternehmen führte die Arbeiten in „Eigenregie“ mittels Leiharbeitnehmern fort. Die Arbeitsverhältnisse beim Subunternehmer wurden fristgerecht gekündigt. Hiergegen klagte die Klägerin und machte geltend, es sei zu einem Betriebsübergang auf das „Drittunternehmen“ gekommen. Sie obsiegte schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung

Die Richter sahen in der Gestaltung einen Betriebsübergang. Außerdem habe die Klägerin ihr Fortsetzungsverlangen auch noch deutlich nach dem Stichtag des Betriebsübergangs geltend machen können. Zwar müsse hierbei grundsätzlich die Monatsfrist beachtet werden, die bei einem Widerspruch gegen den Übergang gelte, allerdings beginne die Frist nicht zu laufen, bevor der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß über den Betriebsübergang schriftlich informiert sei. Da im konkreten gar keine Information erfolgt sei, habe das Fortsetzungsverlangen „jederzeit“ geltend gemacht werden können. Nur ausnahmsweise könne dieses Verlangen verwirkt sein, was hier aber nicht der Fall war.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Bedeutung des Informationsschreibens an die Arbeitnehmer anlässlich eines Betriebsübergangs. Werden die Arbeitnehmer nicht oder nur unzureichend informiert, haben sie de facto ein Wahlrecht, ob sie dem Betriebsübergang nicht doch noch widersprechen wollen oder aber Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangen.