Das Geschäftskonzept war Steuerhinterziehung in Millionenhöhe

Im Oktober 2024 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über einen brisanten Fall, bei dem ein Onlinehandelsunternehmen Umsatzsteuer in Millionenhöhe hinterzogen hatte. Das Urteil zeigt, wie komplex grenzüberschreitende Steuervergehen sind und liefert wichtige Erkenntnisse für die steuerliche Praxis.

Sachverhalt

Der Angeklagte (A) war Geschäftsführer und Gesellschafter einer T-GmbH, die mit einem chinesischen Konzern verbunden war. Die Gesellschaft importierte Elektronikprodukte aus China, lagerte diese in Hamburg und verkaufte sie über Plattformen wie Amazon und eBay an private Endkunden.

Um Umsatzsteuer zu hinterziehen, nutzte die T-GmbH 15 eBay-Accounts, besteuerte jedoch nur die Umsätze eines Accounts. Die restlichen Umsätze von über 45 Millionen Euro blieben unversteuert. Zusätzlich wurden keine notwendigen Registrierungen oder Umsatzsteuererklärungen in anderen EU-Ländern vorgenommen, obwohl die Lieferschwellen überschritten waren. Die Buchhaltung erfasste weder die betroffenen Verkäufe noch die damit verbundenen Einkaufsrechnungen und Einfuhrumsatzsteuern.

Urteil des Landgerichts und Revision

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Gegen die T-GmbH wurde eine Einziehung des Wertes der Taterträge in Höhe von ca. 4,4 Millionen Euro angeordnet. Das Urteil basierte auf der Annahme, dass alle Lieferungen in das EU-Land mit dem niedrigsten Umsatzsteuersatz (Luxemburg) erfolgt seien. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft und die T-GmbH legten Revision ein.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH hob das Urteil teilweise auf und wies auf folgende Punkte hin:

  1. Unzureichende Feststellungen zur Steuerbarkeit der Umsätze:
    Das Landgericht hatte nicht geklärt, in welchen Ländern und in welchem Umfang die Lieferungen steuerbar waren. Wären die Lieferschwellen in anderen EU-Ländern überschritten worden, hätten die Umsätze dort und nicht in Deutschland versteuert werden müssen.
  2. Fehlerhafte Berücksichtigung von Vorsteuern:
    Das Landgericht hatte abzugsfähige Vorsteuern nicht ausreichend berücksichtigt. Von 830.000 Euro Einfuhrumsatzsteuer wurden lediglich 460.000 Euro als Vorsteuern geltend gemacht. Die Differenz hätte die Steuerverkürzung reduziert.
  3. Missbräuchliche Geltendmachung des Vorsteuerabzugs:
    Laut EuGH-Rechtsprechung ist der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn ein Steuerpflichtiger unmittelbar an einer Steuerhinterziehung beteiligt ist. Im vorliegenden Fall lag jedoch kein missbräuchliches Verhalten vor, da die Steuerhinterziehung durch das Verschweigen steuerpflichtiger Umsätze und nicht durch unberechtigte Vorsteuerabzüge erfolgte.
  4. Rechtsfehler bei der Schätzung der Steuerverkürzung:
    Die Annahme, dass alle Lieferungen nach Luxemburg erfolgten, widersprach den Feststellungen des Landgerichts. Wären die Umsätze ausschließlich in Luxemburg steuerbar gewesen, hätte es an einem in Deutschland strafbaren Verhalten gefehlt.

Relevanz für die Praxis

Der Fall verdeutlicht:

  • Präzise Feststellungen sind entscheidend: Steuerpflichtige sollten sicherstellen, dass die Steuerbarkeit und Versteuerung von Umsätzen klar dokumentiert ist, insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäften.
  • Vorsteuerabzug bei Steuerhinterziehung: Eigene Steuerhinterziehung führt nicht automatisch zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs, sofern kein direkter Zusammenhang besteht.
  • Bedeutung der Lieferschwellen: Unternehmen, die in der EU tätig sind, müssen die Lieferschwellen der Mitgliedstaaten im Blick behalten und sich rechtzeitig registrieren.

Fazit

Der BGH betont, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung der Steuerbarkeit von Umsätzen und die Berücksichtigung von Vorsteuern ist. Steuerberater spielen eine zentrale Rolle dabei, Unternehmen in grenzüberschreitenden Steuerfragen rechtssicher zu beraten. Der vorliegende Fall zeigt, dass eine fehlerhafte steuerliche Gestaltung gravierende strafrechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann.

Quelle: Urteil des BGH vom 14.10.2020, 1 StR 213/19.