Die aufgrund der Günstigerprüfung erfassten Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind bei der Berechnung der Schwelleneinkünfte von 500.000 Euro (§§ 193 Abs. 1, 147a Satz 1 AO) zu berücksichtigen. Durch Beschluss vom 22. Mai 2017 (Az. 2 V 22/17) hat der 2. Senat Vorgenanntes entschieden.
Der AdV-Antrag wurde abgewiesen. Nach summarischer Prüfung konnte das FA die Prüfungsanordnungen gemäß § 193 Abs. 1 AO erlassen. Sie seien rechtmäßig, Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Eine Außenprüfung sei bei Stpfl., die Überschusseinkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG von mehr als 500.000 Euro im Kalenderjahr erzielen, zulässig. Die Höhe der Überschusseinkünfte ermittle sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen (Drüen in Tipke/Kruse, 147. Lfg. 1.2017, § 147a AO Rz. 10; Märtens in Beermann/Gosch, AO/FGO, 130. Lfg., § 147a AO Rz. 12). Eine Saldierung mit negativen Einkünften finde nicht statt (BT-Drs. 16/13106 S. 12; Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 147a Rz. 7). Verlustvor- oder -rückträge aus anderen Jahren seien nicht zu berücksichtigen (Märtens in Beermann/Gosch, AO/FGO, 130. Lfg., § 147a AO Rz. 14; Frotscher, AO, 158 Lfg. 4/2014, § 193 Rz. 31h). Bei der Ermittlung der Einkünfte blieben Kapitalerträge, die der Abgeltungssteuer gemäß § 32d Abs. 1, 43 Abs. 5 EStG unterlegen hätten, außer Ansatz (AEAO zu § 147a AO vom 31. Januar 2014, BStBl I 2014, 290; Rätke in Klein, AO, 13. Aufl., § 147a Rz. 6). Der Wortlaut der Bestimmung spreche sogar dafür, auch die Kapitalerträge, die der Abgeltungssteuer unterlegen haben, zu erfassen (so Dißars in Schwarz/Pahlke, AO, § 147a Rz. 4; Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 147a Rz. 6/7; Märtens in Beermann/Gosch, a. a. O., Rz. 13; Drüen in Tipke/Kruse, 147. Lfg. 1.2017, § 147a AO Rz. 10; von Wedelstädt, Die Änderungen der AO durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, Der Betrieb 2009, 1731).
Die nach § 147a Satz 1 AO maßgebenden positiven Einkünfte gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 bis 7 EStG betrügen danach im Kalenderjahr 2011 insgesamt 1.202.723 Euro, und zwar im Einzelnen Einkünfte aus Kapitalvermögen von 1.185.237,00 Euro (1.186.038,00 Euro – Sparerfreibetrag 801,00 Euro), steuerpflichtige Anteile der Renten von 12.927,00 Euro und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von 4.559,00 Euro.
Bei der Ermittlung der Einkünfte seien die Kapitalerträge, die aufgrund der Günstigerprüfung nicht der Abgeltungssteuer gemäß § 32d Abs. 1, 43 Abs. 5 EStG unterlägen, zu berücksichtigen. Der Wortlaut des § 147a Satz 1 AO spreche dafür. Im Streitfall wurden die Kapitalerträge im ESt-Bescheid für 2011 bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und damit bei den Überschusseinkünften nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG erfasst. Danach komme es nicht darauf an, ob es sich überwiegend um inländische Einkünfte gehandelt habe und damit ursprünglich die Abgeltungssteuer einbehalten worden sei. Unstreitig seien die Kapitaleinkünfte aufgrund der Günstigerprüfung als Überschusseinkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG berücksichtigt und nach dem Tarif gemäß § 32a EStG besteuert worden. Der Antragsteller könne sich nicht auf den Anwendungserlass zur AO vom 31. Januar 2014 (BStBl I 2014, 290) berufen, da dieser nur für den Fall der Anwendung des § 32d Abs. 1 EStG gelte (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl II 2017, 25). Für die Finanzverwaltung bestehe folglich nur insoweit eine Bindung. Ob diese Ausnahme sachgerecht ist, kann dahinstehen, da sich der Ast. darauf nicht berufen kann. Im Übrigen werde in der Literatur teilweise vertreten, dass auch die der Abgeltung nach § 32d EStG unterliegenden Einkünfte bei der Berechnung des Schwellenwertes zu berücksichtigen seien (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 147a Rz. 6; Drüen in Tipke/Kruse, 147. Lfg. 1.2017, § 147a AO Rz. 11; Märtens in Beermann/Gosch, AO/FGO, 130. Lfg., § 147a AO Rz. 4; von Wedelstädt, Die Änderungen der AO durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, Der Betrieb 2009, 1731).
Des Weiteren liege ein anderer Sachverhalt vor, da die einbehaltene Kapitalertragsteuer erstattet worden und damit gerade keine Abgeltung der betroffenen Einkünfte erfolgt sei. Das sei ein sachlich rechtfertigender Grund.
Gegen den Beschluss wurde Beschwerde beim BFH eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen VIII B 67/17 anhängig.
Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 02.10.2017 zum Beschluss 2 V 22/17 vom 22.05.2017 (nrkr – BFH-Az.: VIII B 67/17)