Einstufung von Nahrungsergänzungsmittel in Position 2106 der Kombinierten Nomenklatura

Niedersächsisches Finanzgericht 5. Senat, Urteil vom 19.01.2017, 5 K 128/15, ECLI:DE:FGNI:2017:0119.5K128.15.00

§ 12 Abs 2 Nr 1 UStG, Anl 2 Nr 33 UStG, § 25 UStG

TATBESTAND

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Die Klägerin wurde im Jahr 1992 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Beschaffung und der Handel mit Textilien und Waren aller Art sowie die Planung und Organisation von Werbeveranstaltungen sowie Tages- und Mehrtagesfahrten. In diesem Rahmen veranstaltet die Klägerin (landläufig sog.) Kaffeefahrten.
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Im Rahmen einer Außenprüfung traf der Beklagte folgende Feststellungen für die Streitjahre (siehe BP-Bericht vom 04.07.2014):
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1. Steuersatz für das Nahrungsergänzungsmittel „XY plus“
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Für das Produkt seien keine Zolltarifauskünfte vorgelegt worden. Die Nachweispflicht für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes obliege der Klägerin. Mangels eines entsprechenden Nachweises komme der ermäßigte Steuersatz nicht zur Anwendung.
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Die mitverkauften Lachsölkapseln hat die Außenprüfung im Rahmen einer Schätzung mit 20 % den Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz zugeordnet.
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Die Außenprüfung änderte die Besteuerungsgrundlagen wie folgt:
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2001 2002 2003 2004
mehr Umsatz 16 v.H. DM
weniger Umsatz 7 v.H. DM
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Die Ermittlung dieser Besteuerungsgrundlagen ergibt sich aus einer Aufstellung des Prüfers, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.01.2017 übersandt hat. Danach hat der Prüfer – ausgehend von den erklärten Umsätzen zu 7% –  (z.B.: DM … für 2001) zunächst die Umsätze in Abzug gebracht, für die eine Bescheinigung (unverbindliche Zolltarifauskunft) mit 7% vorlag. Der sich danach ergebende Wert „ohne Bescheinigung“ (DM … für 2001) wurde entsprechend des Verhältnisses 80 % (Regelsteuersatz) zu 20 % (ermäßigter Steuersatz) aufteilt, so dass regelbesteuerte Umsätze z.B. für 2001 in Höhe von DM … ermittelt wurden (42,65 % der Gesamtumsätze). Unter Anwendung dieses Aufteilungsmaßstabs auf die Nettoumsätze „Gesundheitspaket“ ermittelte der Prüfer dann die „mehr-Umsätze“ zu 16 % bzw. die „weniger-Umsätze“ zu 7 % (z.B. für 2001: „mehr-Umsatz 16 v.H.“ in Höhe von … DM und „weniger-Umsatz 7 %“ in Höhe von … DM“).
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2. Aufteilung von Gesamtkaufpreisen
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Auf den Verkaufsveranstaltungen der Klägerin seien Warenpakete zu einem Gesamtverkaufspreis angeboten worden. Die Zusammenstellung dieser Warenpakete falle je nach Verkaufssprecher und Veranstaltung unterschiedlich aus. Soweit die Warenpakete Gegenstände enthielten, die dem ermäßigten und dem vollen Steuersatz unterlagen, habe die Klägerin der Wareneinsatz nach den folgenden Aufschlagsätzen aufgeteilt:
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Nahrungsergänzungsmittel (XY) 7 %: 650 %
Verkaufsartikel 16 %: 476 %
Zugaben 16 % 100 %.
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Im Rahmen der Außenprüfung vertrat die Klägerin nunmehr die Auffassung, dass der Verkaufserlös bei solchen Warenpakete hauptsächlich für die ermäßigt zu besteuern Waren entrichtet wurden, während die übrigen lediglich als Zugabe anzusehen seien.
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Nach den Feststellungen der Außenprüfung seien dieser Artikel bei den Verkaufsveranstaltungen jedoch auch einzeln bzw. als Hauptartikel veräußert worden. Ein einheitlicher Aufschlagsatz für einzelne Artikel sei kaum zu ermitteln, da dieser stark von den Verkaufsteams und der Verkaufssituation (Teilnehmerkreis, Kauflaune, etc.) der einzelnen Verkaufsveranstaltung abhängig sei.
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Einen Antrag auf Trennung der Entgelte nach § 63 UStDV habe die Klägerin für den Prüfungszeitraum nicht gestellt. Die Überprüfung der Aufschlagssätze durch die Außenprüfung habe ergeben, dass bei Einzelverkäufen von Nahrungsergänzungsmittel ein Aufschlagsatz in Höhe von 549 % bzw. 564 % erzielt wurde. Bei (isolierten) Verkäufen von sog. Zugabeartikeln habe die Klägerin Aufschlagsätze von 191 % bis 781 % erzielt, wobei ein Aufschlagsatz von unter 300 % eher die Ausnahme gewesen sei.
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Die Außenprüfung sah es als fraglich an, ob die bisher angewandte Methode als „einfachstmögliche“ Aufteilungsmethode angesehen werden könne. Angesichts der langen Verfahrensdauer und des weit zurückliegenden Prüfungszeitraums erscheine es aber sachgerecht, den bisherigen Aufteilungsmaßstab beizubehalten, da sich die von der Klägerin angesetzten Aufschlagsätze noch im Rahmen der von der Außenprüfung ermittelten Aufschlagsätze bewegten.
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3. Busleistungen als Reisevorleistungen
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass Vorsteuern aus den eingekauften Bus- und Verpflegungsleistungen zu gewähren seien. Die Tagesausflüge hätten nur der Förderung des Warenverkaufs gedient (Nebenleistungen zum Verkauf). Selbst wenn § 25 UStG anzuwenden wäre, stünden ihr die Vorsteuern aus den Buskosten zu, da sie die Busse mit Busfahrern anmiete und die Busunternehmer keinerlei Einfluss auf die Route und das Reiseziel hätten.
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Die Außenprüfung sah es demgegenüber als unerheblich an, dass einziger Zweck der durchgeführten Tagesausflüge die Förderung des Warenverkaufs auf den Verkaufsveranstaltungen sei. Die Leistungen, die die Klägerin im Rahmen ihrer Bustouren erbringe, seien nach den Grundsätzen des § 25 UStG zu besteuern.
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Nach Abschn. 272 Abs. 8 UStR 2008 gelte § 25 UStG nur bei der Inanspruchnahme von Reisevorleistungen durch den Reiseunternehmer, nicht jedoch, soweit dieser Reiseleistungen durch den Einsatz eigener Mittel (Eigenleistungen) erbringe.
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Das Finanzamt habe die beauftragten Busunternehmen angeschrieben und gebeten, unter Verwendung eines von der Klägerin gefertigten Vordrucks zu bescheinigen, ob es sich hinsichtlich der durchgeführten Busfahrten um eine Anmietung von Bussen (Gestellung von Bussen) oder um eine Beförderungsleistung gehandelt habe. Ausweislich der abgegebenen Bestätigungen der Busunternehmer habe es sich nicht um „Beförderungsleistungen“, sondern um die „Anmietung von Bussen“ gehandelt.
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Trotz der Bestätigungen der Busunternehmen hielt das Finanzamt daran fest, die Busleistungen als Reisevorleistungen (Beförderungsleistungen) und nicht als (vorsteuerabzugsberechtigte) Eigenleistungen zu bewerten. Als Begründung führt die Außenprüfung an:
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– die Eingangsrechnungen wiesen i.d.R. ein konkretes Fahrziel aus,
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– für Fahrten ins Ausland erfolgte eine Aufteilung des auf das Inland entfallenden Entgeltanteils (vgl.  § 3b Abs. 1 Satz 4 UStG),
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– die Klägerin sei nicht im Besitz einer Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG),
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– die Klägerin mache Ausfallentschädigung im Fall nicht ordnungsgemäß durchgeführter Reisen geltend,
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– die Klägerin hafte nicht für Unfälle; Reparaturen und Schäden an den Bussen seien von ihr nicht getragen worden.
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Dementsprechend kürzte die Außenprüfung die Vorsteuern aus den Busleistungen in folgender Höhe:
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2001 2002 2003 2004 2005 2006
… DM … € … € … € … € … €
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Das Finanzamt wertete diese Feststellungen mit entsprechenden Änderungsbescheiden vom 05.08.2014 aus.
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Hiergegen richtet sich die Klage.
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1. Steuersatz für die Kur „XY plus
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass die von ihr verkaufte Kur „XY plus“ als Nahrungsergänzungsmittel anzusehen sei und die Umsätze daher nur mit 7 % zu besteuern seien.
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Das streitgegenständliche Nahrungsergänzungsmittel sei von dem benannten Zeugen A. entwickelt wurden. Es sei zunächst durch das Unternehmen Georg G. GmbH, …, später durch das Unternehmen S. GmbH … nach der Rezeptur des Entwicklers hergestellt wurden. Es enthalte folgende Inhaltsstoffe: … .
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Das Nahrungsergänzungsmittel sei nach Angaben des Entwicklers nicht unmittelbar trinkbar, sondern müsse laut Verzehrempfehlung mit Wasser verdünnt zu sich genommen werden, da der Säuregehalt des Produkts zu hoch und daher eine unverdünnte Zusichnahme ausgeschlossen sei.
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Auf der Grundlage der o.g. Inhaltsstoffe habe die zolltechnische ZPLA München am 06.06.2008 eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke erteilt und das Nahrungsergänzungsmittel als „Lebensmittelzubereitung anderweitig weder genannt noch inbegriffen“ in die Position 2016 KN (7 %) eingeordnet. Grund für die Einordnung sei der hohe Säuregehalt des Inhalts der Trinkfläschchen, der eine unmittelbare Verwendung als Getränk ausschließe. So enthalte die Zolltarifauskunft des ZLPA München vom 06.06.2008 den ausdrücklichen Hinweis: „Aufgrund des hohen Säuregehalts (8% Zitronensäure) ist der Inhalt der Trinkflasche für die unmittelbare Verwendung als Getränk nicht geeignet und eine Einreihung in Kap. 22 der KN (Kombinierte Nomenklatura) ausgeschlossen“. Bestätigt werde die Zolltarifauskunft des ZLPA München durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn A., wonach die „Trinkbarkeit des Produkts in Reinform stets ausgeschlossen und die Konsumenten darauf auch hingewiesen worden seien“.
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Zwar ergebe sich aus der vom Finanzamt vorgelegten Zolltarifauskunft der ZLPA Berlin vom 07.07.2003 ein Umsatzsteuersatz von 16% für das Produkt „XY plus“. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung in den Zolltarifauskünften sei indes darauf zurückzuführen, dass es unterschiedliche Rezepturen für eine bestimmte Kur gebe. Die Klägerin habe nachweislich nur Kuren von der Fa. G. erworben, die mit Hilfe der Rezeptur von der Fa. L. GmbH hergestellt worden seien. Hierfür liege dem Gericht eine entsprechende eidesstattliche Versicherung vom 06.01.2015 vor, die von Herrn A., dem Projektentwickler und Prokurist der mittlerweile aufgelösten L. GmbH abgegeben worden sei.
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Die Tarifauskunft ZLPA Berlin vom 07.07.2003 sei mangels vollständiger Auflistung der verwendeten Zutaten als Nachweis ungeeignet. Ausweislich der unter Ziff. 7 „Warenbeschreibung“ befindlichen Angaben sei in der Tarifauskunft vom 07.07.2003 der Verpackungsaufdruck des Nahrungsergänzungsmittels lediglich auszugsweise zitiert. Ein Anspruch auf Vollständigkeit lasse sich daraus nicht herleiten. Ob ein Säuerungsmittel in der Probe tatsächlich enthalten gewesen sei, sei mangels vollständiger Auflistung der Inhaltsstoffe nicht mehr aufklärbar.
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Die Klägerin benennt Herrn A. und Frau B. (Leitung, Vertrieb und Produktmanagement der S. GmbH, …) als Zeugen dafür, dass die Klägerin nur die von Herrn A. entwickelte Kur „XY plus“ mit den o.g. Inhaltsstoffen verkauft habe. Sie führt hierzu in ihrem Schriftsatz vom 09.01.2017 folgendes aus:
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 „c) die Rezeptur für das streitige Nahrungsergänzungsmittel wurde von dem Zeugen A. vor dem Jahr 1998 entwickelt. Diese Tatsache ergibt sich aus der dem Finanzgericht vorliegenden eidesstattlichen Versicherung vom 06.01.2015. Das Unternehmen G., …, das vormals auch eigene Nahrungsergänzungsmittel nach eigenen Rezepturen herstellte und vertrieb, wurde beauftragt, als Lohnunternehmen u.a. das streitbefangene Nahrungsergänzungsmittel nach der Rezeptur des Zeugen A. herzustellen.
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In der verwendeten Rezeptur ist unter anderem Zitronensäure als Antioxidationsmittel enthalten. Zitronensäure dient u.a. dazu, Vitamine und Farbe der Trinkemulsion zu erhalten. Die wesentlichen Bestandteile der Rezeptur wurden im Laufe der Jahre nicht verändert. Es gab lediglich kleinere Optimierungen, um das Produkt zu verbessern. Nachdem das Unternehmen G. die Herstellung des Nahrungsergänzungsmittels eingestellt hatte, übernahm das Unternehmen S. GmbH, … die weitere Herstellung. Verwendet wurde für die Herstellung des Nahrungsergänzungsmittels ausschließlich die Rezeptur des Zeugen A..“
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Im Ergebnis sei festzustellen, dass die Angaben der Klägerin und des Entwicklers in analoger Anwendung des EuGH-Urteils vom 28.04.2016 (C-233/15 – Oniors Bio) als Nachweis dafür geeignet seien, dass die fragliche Lebensmittelzubereitung nicht als „unmittelbar trinkbar“ eingestuft werden könne. Diese Angaben würden durch die unverbindliche Zolltarifauskunft der ZLPA Berlin vom 07.07.2003 nicht in Frage gestellt, weil diese Zolltarifauskunft offensichtlich unvollständig sei. Maßgebend sei vielmehr die Zolltarifauskunft der ZLPA München vom 06.06.2008.
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Im Übrigen berufe sich das Finanzamt zu Unrecht auf die BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 16.8.2012 VII R 8/11 und vom 30.03.2010 VII R 35/09). Nach der dort geäußerten Ansicht des BFH komme die Einreihung eines Produkts in die KN als Getränk (Regelsteuersatz) nur dann in Betracht, wenn es ohne Verdünnung oder sonstiger Beigabe „trinkbar und zum unmittelbaren menschlichen Verzehr geeignet“ sei. Die Kur „XY plus“ sei in den streitgegenständlichen Jahren aber zu keiner Zeit „unmittelbar trinkbar bzw. zum menschlichen Verzehr bestimmt“ gewesen.
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Ungeachtet dessen führten die beiden BFH-Urteile zu einer nicht hinzunehmenden Rechtsanwendungspraxis, wonach jede irgendwie trinkbare Flüssigkeit von einer der Auffangpositionen für Getränke (2202 oder 2208 KN) subsumiert werden könne. Richtigerweise seien Nahrungsergänzungsmittel aber in die speziellere begünstigte Position 2106 KN zu tarifieren.
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2. Aufteilung von Gesamtkaufpreisen
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a) Aufteilung des Warenpakets („XY plus“ zuzüglich Lachsölkapseln)
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Die Klägerin wendet sich gegen die vom Finanzamt im Einspruchsbescheid ermittelte Quote der 7 %-Umsätze.
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Zunächst sei anzumerken, dass das Finanzamt sich an der Preisliste der Firma G., nicht aber an den Einkaufsrechnungen der Klägerin orientiert habe.
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Geliefert worden seien in einem Warenpaket jeweils 84 Fläschchen („XY plus“) x 15 ml sowie 3 Dosen mit jeweils 60 Lachsölkapseln (insg. 180 Kapseln – Kapsel mit jeweils 500 mg Lachsöl-Konzentrat). Im Rahmen der Kalkulation der Einzelpreise habe der Beklagte dann fälschlicherweise nicht das Produkt „XY plus“, sondern ein komplett anderes Produkt, nämlich Geleé Royal (26,99 DM/30 Fläschchen) in Bezug genommen und sei so zu unzutreffenden Werten gelangt.
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Außerdem betrage der Gesamtpreis für dieses Warenpaket ausweislich der vorgelegten Eingangsrechnungen 72,00 DM, während der Prüfer einen Einkaufspreis von 90,72 DM errechnet habe.
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Richtigerweise sei aufgrund der vorgelegten Einkaufsrechnung folgende Preisfindung maßgebend:
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tatsächlicher EK Kur „XY plus“ zuzügl. Lachsölkapsel (s. Rechnung) DM 72,00
Lachsölkapseln einfach lt. BP 60 Stück DM   5,04
3 × 60  = 180 Stück DM 15,12
DM 15,12 : DM 72,00 entspricht        21 %
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Das Finanzamt habe sich bei der Kostenaufteilung an den Preisen normaler Lachsölkapseln orientiert. Dies sei unzutreffend, da die Klägerin ausschließlich Kapseln mit Lachsöl-Konzentrat verkauft habe. Die Kosten für den Einkauf von Lachsöl-Konzentratkapseln seien naturgemäß höher als die Kosten für normale Lachsölkapseln. Nach den vorgelegten Unterlagen von Stiftung Warentest sei von einem Faktor von 2,4 auszugehen. Multipliziere man den o.g. Wareneinkauf für die normalen Lachsölkapseln in Höhe von 15,12 DM mit dem Faktor 2,4, so ergebe sich für das Lachsöl-Konzentrat ein Betrag von DM 63,29 der im Rahmen der Kur „XY plus“ anzusetzen sei. Auf die Lachsöl-Kapseln als Konzentrat entfielen DM 63,29, was zu einem Faktor von über 50 % bei der Aufteilung des Gesamtpreises führe. Im Ergebnis unterfielen damit mindestens die Hälfte der Umsätze aus den Warenpaketen („XY plus“ zuzüglich Lachsölkapseln) dem ermäßigten Steuersatz.
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b) Abgabe von Zugabeartikeln
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Die Zugabeartikel, die zusammen mit den Hauptprodukten der Klägerin in Warnpaketen zu einem einheitlichen Gesamtkaufpreis verkauft wurden, seien als durchlaufende Posten zu behandeln.
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Das Finanzamt sei dem nicht gefolgt und habe bei der Aufteilung des Gesamtpreises die  Zugabeartikel mit einem zu hohen Aufschlagsatz versehen. Dies sei unzutreffend, weil es sich bei den Zugabeartikeln lediglich um sog. „Verkaufshilfen“ gehandelt habe. Verkaufshilfen dienten der Förderung des Verkaufs der Hauptprodukte der Klägerin, insbesondere des Nahrungsergänzungsmittels „XY plus“. Die Teilnehmer der Verkaufsveranstaltungen der Klägerin sollten durch die „ Gratis-Zugaben“ zum Kauf bewegt werden. Der Schwerpunkt der Verkaufstätigkeit habe damit auf dem margenträchtigen Verkauf des Nahrungsergänzungsmittels gelegen. Nur um den noch unentschlossenen Kunden das Angebot schmackhaft zu machen, sei zusätzlich z.B. ein Topf-set in das Paket gelegt worden. Es stehe somit außer Frage, dass es den Teilnehmern der Verkaufsveranstaltungen beim Kauf der Warenpakete gerade nicht um den Erwerb der Zugabeartikel, sondern um das Hauptprodukt (Nahrungsergänzungsmittel) gegangen sei.
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Mithin sei es sachgerecht, den Anteil der Verkaufs- und Zugabeartikel am Gesamtverkaufspreis der Warenpakete nur mit dem Einkaufspreis zu bemessen und damit im Ergebnis als durchlaufende Posten zu behandeln.
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Auf dieser Grundlage hat die Klägerin eine entsprechende Aufteilung der Gesamtentgelte vorgenommen (Schriftsatz vom 10.01.2017 – Anlagen 12k a-f). Dabei ist die Klägerin von den Umsätzen ausgegangen, die von den Verkaufsteams insgesamt jährlich erzielt wurden (Umsätze „Gesundheitspaket“ zuzgl. Zugaben). Wegen der Einzelheiten wird auf den weiteren Schriftsatz der Klägerin vom 17.01.2017 Bezug genommen, in welchem die Umsätze im Einzelnen angegeben sind.
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3. Busleistungen als Reisevorleistungen
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Das Finanzamt sei der Auffassung, dass die Bus- und Verpflegungsleistungen als Reisevorleistungen i.S.d. § 25 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen seien. Diese Rechtsauffassung beruhe auf der rechtsirrigen Annahme des Finanzamts, die Bustransferleistungen nicht als Eigenleistung der Klägerin anzusehen.
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Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG sei der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen. Es komme also im vorliegenden Streitverfahren darauf an, ob die Gestellung der Busse seitens der Omnibusunternehmung als Reisevorleistungen oder als Eigenleistungen der Klägerin anzusehen seien.
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Nach Abschn. 25.1 Abs. 8 Satz 4 UStAE seien eigene Mittel auch dann gegeben, wenn der Unternehmer einen Omnibus ohne Fahrer oder im Rahmen eines Gestellungsvertrages ein bemanntes Beförderungsmittel anmiete. Nach Satz 8 erbringe der Unternehmer dagegen keine Reiseleistung unter Einsatz eigener Mittel, wenn er sich zur Ausführung einer Beförderung eines Omnibusunternehmers bediene, der die Beförderung im eigenen Namen unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung ausführe.
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Bei Anwendung dieser – den Beklagten bindenden Verwaltungsauffassung – sei in den Streitverfahren davon auszugehen, dass die Busunternehmer die Gestellung eines bemannten Beförderungsmittels schuldeten. Hierfür sprächen insbesondere die folgenden Aspekte:
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– Die Klägerin miete jeweils im Rahmen eines Gestellungsvertrages die Busse nebst Fahrer und aller erforderlichen Genehmigungen zu einem kilometerunabhängigen Pauschalpreis und trete gegenüber ihren Kunden stets eigenverantwortlich auf. In diesem Zusammenhang sei besonders darauf hinzuweisen, dass die Abrechnung über die Busanmietungen – typisch für Fahrzeugvermietungen – stets zu einem konstanten Festpreis erfolgte, völlig ungeachtet des Reiseziels, auch wenn ein solches gelegentlich in der Rechnung mit angegeben worden sei. Der in Rechnung ausgewiesene Festpreis oder auch Tagespreis incl. Fahrer habe seinerzeit regelmäßig … DM (später: … €) betragen. Aus der Festpreisvereinbarung folge, dass die Klägerin berechtigt sei, ohne zeitliches Limit und ohne Kilometerbeschränkung (aber unter Beachtung der Lenk- und Ruhezeiten) den Bus nebst Fahrer nach dem von ihr gewünschten Ablauf für ihre unternehmerischen Aktivitäten einzusetzen.
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– Wenn bei mangelhaften Busleistungen, z.B. weil der Fahrer verschlafen oder eine Haltestelle nicht angefahren habe, ein pauschaler Betrag als Schadensersatz gegen den Busunternehmer geltend gemacht worden sei, ergebe sich diese Rechtsfolge bereits aus dem Mietrecht. So stünden dem Mieter Minderungsansprüche zu, wenn die Mietsache nicht in vertragsgemäßen Zustand übergeben worden sei.
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– Für etwaige von Kunden erlittene Schäden bei einem solchen Transfer (z.B. infolge eines Unfalls) wäre die Klägerin aufgekommen.
66
– Der jeweils beauftragte Busunternehmer habe vollständig den Weisungen der Klägerin unterlegen. Eigens hierfür sei ein Mitarbeiter der Klägerin abgestellt worden, der eine Bustour von Anfang an überwache und dem jeweiligen Busfahrer Weisungen erteile. In dem Erörterungstermin vom 12.10.2006 habe die Klägerin diesbezüglich unwidersprochen ausgeführt: „Der Busfahrer bekommt den entsprechenden Plan erst am Tag der Reise. Erst bei Aufnahme der Reise werden die endgültigen Haltestellen bestimmt. So kann es sein, dass die Kunden auch zu diesem Zeitpunkt telefonische Änderungswünsche angegeben haben.“ Die Klägerin sei also in der Lage, während der Dauer der Anmietung des bemannten Fahrzeugs den Halter (Omnibusunternehmer) von jeglicher Einflussnahme auszuschließen. Leistungsprägend sei somit die entgeltliche Zurverfügungstellung des Beförderungsmittels nebst Fahrer.
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Die vom Finanzamt angeführten Argumente für die Annahme einer „Vermietungsleistung“ überzeugten nicht:
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– Irreführend sei die Behauptung des Finanzamts, dass die Busunternehmen, bei denen die Klägerin ihre Busse anmiete, keine „Vermietungsgesellschaften“ seien. Richtig und allgemein üblich sei vielmehr, dass Anbieter von Busreisen ihre Reisebusse auch vermieten.
69
– Separate schriftliche Mietverträge zwischen der Klägerin und den Busunternehmen gebe es nicht. Schriftliche Verträge seien in der Branche unüblich und unter Berücksichtigung der regelmäßigen Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu den Busunternehmen auch nicht erforderlich. Streitfragen könnten unter Heranziehung der gesetzlichen Regelungen zu Mietverträgen gelöst werden.
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– Die streitgegenständliche Frage „Busanmietung“ sei zivilrechtlicher Natur und unabhängig vom Vorliegen einer möglichweise erforderlichen Genehmigung nach Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zu beurteilen.
71
Unabhängig davon seien die Bustranfer- und Verpflegungsleistungen im Rahmen der Verkaufsveranstaltungen ohnehin „nur“ Nebenleistungen zur Hauptleistung „Warenverkauf“. Hauptleistung der Klägerin sei stets und ohne jeden Zweifel der Verkauf von Waren im Rahmen von sog. Kaffeefahrten gewesen. Bustranfer- und Verpflegungsleistungen seien ausschließlich Mittel zum Zweck, die Hauptleistung der Klägerin unter optimalen Bedingungen (Stichwort: Wohlfühlatmosphäre) zu erbringen. Diese Nebenleistungen zum „Warenverkauf“ können mithin nicht als eigenständige Reisevorleistungen i.S.d. § 25 UStG angesehen werden.
72
Ungeachtet der Trennung zwischen Haupt- und Nebenleistung fehle es bei den sog. Kaffeefahrten der Klägerin auch an einer für die Annahme einer Reiseleitung erforderlichen Unterbringungsleistung.
73
Zudem sei zu berücksichtigen, dass keine touristischen Zwecke verfolgt würden. Im Vordergrund einer jeden von der Klägerin durchgeführten Fahrt habe vielmehr einzig und allein der Verkauf von Waren im Rahmen von mehrstündigen Verkaufsveranstaltungen gestanden.
74
Die Klägerin beantragt,
75
– den Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 27.02.2015,
76
– die Umsatzsteuerbescheide für 2002-2005 vom 26.10.2009, zuletzt geändert durch die Bescheide vom 05.08.2014 und
77
– den Untersteuerbescheid 2006 vom 22.11.2007, zuletzt geändert durch den Bescheid vom 05.08.2014,
78
jeweils in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 16.04.2015 aufzuheben, soweit
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a) auf Umsätze aus dem Verkauf von Nahrungsergänzungsmittel namens „XY plus“ der Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG angewandt wurde und beantragt die Umsatzsteuer auf diese Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 UStG neu festzusetzen,
80
b) bei der Ermittlung des dem Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG unterliegenden Umsatzanteils der in Warenpaketen zu einem Gesamtverkaufspreis mitverkaufen Zugabeartikel nicht der Einkaufspreis der Zugabeartikel, sondern der Einkaufspreis zuzüglich eines Aufschlags zugrunde gelegt wurde,
81
c) der Vorsteuerabzug auf Leistungen im Zusammenhang mit Verkaufsveranstaltungen – insbesondere Bustransfer- und Verpflegungskosten – versagt wurde, weil diese Leistungen als Reisevorleistungen i.S.d.       § 25 UStG qualifiziert wurden.
82
Der Beklagte beantragt,
83
die Klage abzuweisen.
84
Der Beklagte trägt folgendes vor:
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1. Steuersatz für die Kur „XY plus
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Die von der Klägerin vorgelegte „Eidesstattliche Versicherung“ eines Produktentwicklers des Nahrungsergänzungsmittel „XY plus“ (Fa. L. GmbH) führe zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Schriftstück ergebe sich insbesondere nicht, dass die streitgegenständliche Flüssigkeit ungenießbar sei. Vielmehr sei der „Eidesstattlichen Versicherung“ lediglich zu entnehmen, dass in einem Begleitschreiben die Einnahme der Trinkemulsion (XY) durch Auflösung in 200-250 ml Flüssigkeit empfohlen werde.
87
Die objektive Beschaffenheit als Getränk, insbesondere die unmittelbare Trinkbarkeit, werde aber nicht durch Verzehrempfehlungen aufgehoben (BFH-Urteil vom 30.03.2010 VII R 35/09, BStBl II 2011, 74). Diese Rechtsprechung des BFH stehe auch im Einklang mit der der Rechtsprechung des EuGH.  So habe der EuGH mit Urteil vom 26.03.1981 (114/80, Slg 1981, 895) entschieden:
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„Nach dem System des Gemeinsamen Zolltarifs muss der Ausdruck „andere Getränke“ in der Tarifnummer 22.02 als Gattungsbegriff verstanden werden, mit dem alle zum menschlichen Genuss bestimmten Flüssigkeiten gemeint sind, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden.“
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Der Inhalt dieses Begriffs sei nach objektiven und nachprüfbaren Kriterien zu bestimmen. Folglich dürfe seine Tragweite nicht von rein subjektiven und veränderlichen Faktoren abhängig gemacht werden, wie zum Beispiel von der Art und Weise, in der ein Erzeugnis eingenommen wird, oder vom Zweck seiner Einnahme.
90
Der in der „Eidesstattlichen Versicherung“ behauptete Säuregehalt ergebe sich außerdem nicht aus der Zolltarifauskunft vom 07.07.2003, der – anders als der Zolltarifauskunft vom 06.06.2008 – eine vorgelegte Warenprobe zugrunde gelegen habe. Danach sei die unmittelbar trinkbare Flüssigkeit „schwach süß, säuerlich, bitter und fruchtig schmeckend“ und nicht ungenießbar.
91
2. Aufteilung von Gesamtkaufpreisen
92
Das verkaufte Warenpaket bestehe aus 84 Fläschchen einer Flüssigkeit und 180 Lachsölkapseln. Diese Menge sei unstreitig.
93
Die Flüssigkeit bestehe lt. der unverbindlichen Zolltarifauskunft u.a. aus den Zutaten Gelee Royal und Coenzym XY. Aus dem seinerzeitigen (Stand Oktober 2001) Bestellschein der Firma G. ergebe sich der Preis des Produkts „ABC“ im Einkauf. Eine zutreffendere Flüssigkeit sei weder aus der Preisliste noch aus dem Vortrag der Klägerin ersichtlich.
94
Nach dem Bestellschein werde das Produkt „ABC“ in einer Menge von 30 Flaschen á 15 ml angeboten. Das Produkt „Lachsöl-Kapseln“ werde u.a. in Dosen á 60 Kapseln angeboten. Nach diesen Zahlen sei zunächst der rechnerische Preis für ein Fläschchen und eine Kapsel ermittelt worden, um anschließend den rechnerischen Preis für 84 Fläschchen und 180 Kapseln zu ermitteln.
95
Der sich hieraus ergebende prozentuale Anteil der Fläschchen und der Kapseln an den Einzeleinkaufspreisen sei dann auf den Gesamtverkaufspreis angewendet worden. Diese Aufteilungsmethode sei „einfachstmöglich“ im Sinne des BFH Urteils vom 03.04.2013 (V B 125/12).
96
In den von der Klägerin vorgelegten Einkaufsrechnungen sei nur ein Gesamteinkaufspreis in Höhe von 72 DM für beide Waren (XY plus und Lachsöl-Kapseln) benannt. Einzelverkaufspreise seien aus der Rechnung nicht ersichtlich.
97
Hinsichtlich der Zugabeartikel bleibt der Beklagte bei seiner Auffassung, dass eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises unter Berücksichtigung des Einkaufswerts dieser Artikel nicht sachgerecht wäre.
98
3. Busleistungen als Reisevorleistungen
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Der Beklagte geht weiterhin von nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Reisevorleistungen aus.
100
Die Busunternehmer hätten gegenüber der Klägerin Personenbeförderungen mit Mietomnibussen i.S.v. § 49 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) durchgeführt. Verkehr mit Mietomnibussen sei die Beförderung von Personen mit Kraftomnibussen, die nur im Ganzen zur Beförderung angemietet würden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführe, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimme. Die Teilnehmer müssten ein zusammengehöriger Personenkreis und über Ziel und Ablauf der Fahrt einig sein (§ 49 Abs. 1 PBefG).
101
Nach dem BGH-Beschluss vom 18.06.1985 (4 StR 772/83, NJW 1985, 3084) könnten Werbefahrten mit Ausschlusscharakter auch als Mietwagenverkehr im Sinne des § 49 Abs. 1 PBefG durchgeführt werden, sodass der Vertriebsunternehmer bei entsprechendem Auftreten nach außen als Veranstalter dieser Fahrten anzusehen sei (OFD Koblenz, Verfügung vom 08.04.2013, S 7419 A-St 44 3).
102
In § 49 PBefG werde zwar von „Mietomnibus“, „Mietwagen“, „Mieter“, „mieten“ gesprochen, tatsächlich habe diese Vertragsform zwischen dem Fahrgast und dem Beförderungsunternehmen mit der Miete nach §§ 535 ff BGB aber nichts zu tun. Es läge nämlich keine Gebrauchsüberlassung und keine Besitzeinräumung vor. Besitzer bleibe der „Vermieter“, also der Beförderungsunternehmer. Der Unternehmer stelle den Fahrer des Fahrzeugs. Für das vom „Mieter“ geleistete Entgelt werde eine Beförderung zu einem bestimmten Ziel oder Zweck, eventuell auch die Rückfahrt geboten. Es handele sich bei dem Vertrag über die Personenbeförderung mit Mietomnibussen und Mietwagen daher um einen Werkvertrag (Fielitz/Grätz, Kommentar zum Personenbeförderungsrecht, § 49 PBefG, Rz. 3).
103
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin als Veranstalter der sog. Kaffeefahrten sich lediglich der Beförderungsleistung der Busunternehmen bedient. Infolgedessen sei eine Betankung der Busse durch die Busunternehmer erfolgt. Schäden seien durch die Kaskoversicherung der Busse abgedeckt gewesen. In Fällen mangelhafter Erfüllung des Beförderungsvertrages (Bus mangelhaft oder Verschulden des Fahrers) sei ein pauschaler Betrag als Schaden gegenüber dem Busunternehmer geltend gemacht worden.
104
Im Übrigen wären die Aufwendungen für die Busreisen auch dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn die Margenbesteuerung nach § 25 UStG nicht zur Anwendung komme. So habe der BFH mit Urteil vom 19.03.2009 (XI B 84/08) entschieden, dass die unentgeltliche Zuwendung eines Tagesausflugs, in dessen Rahmen eine Verkaufsveranstaltung stattfinde, ein Geschenk im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG sei. Sofern die spezialgesetzliche Regelung des § 25 UStG nicht anwendbar sei, sei der Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1a UStG i.v.m. § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG einschlägig, weil die Klägerin ihren Aufzeichnungspflichten nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 und § 4 Abs. 7 EStG nicht nachgekommen sei.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

105
Die Klage ist unbegründet.
106
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2006 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 16.04.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtordnung – FGO -).
107
1. Steuersatz für das Nahrungsergänzungsmittel „XY plus
108
Zu Recht hat der Beklagte die streitgegenständlichen Erzeugnisse in die Pos. 2202 KN eingereiht, so dass auf sie nach § 12 Abs. 1 UStG der Regelsteuersatz anzuwenden ist.
109
Die von der Klägerin in flüssiger Form vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel sind nicht in die Pos. 2106 KN einzureihen und unterfallen damit nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung i.V.m. Nr. 33 der Anlage zu dieser Vorschrift.
110
a) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. AV 1 und 6). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Juli 2011 C-196/10 –Paderborner Brauerei Haus Cramer– Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2011, 242; vom 27. November 2008 C-403/07 –Metherma–, ZfZ 2009, 15 und BFH-Urteil vom 17. November 1998 VII R 50/97, BFH/NV 1999, 688).
111
Nach dem Wortlaut der Unterpos. 2208 90 69 KN fallen darunter „andere alkoholhaltige Getränke“. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 26.03.1981, C-114/80, Slg. 1981, 895), der sich der BFH (Urteile vom 16. August 2012 VII R 8/11, BFH/NV 2013, 99; 30. März 2010 VII R 35/09, BStBl II 2011, 74) ausdrücklich angeschlossen hat, handelt es sich bei dem Ausdruck „andere Getränke“ der Tarifnr. 22.02 des Gemeinsamen Zolltarifs um einen Gattungsbegriff, mit dem alle zum menschlichen Genuss geeigneten und bestimmten Flüssigkeiten gemeint sind, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden.
112
Der Inhalt dieses Begriffs ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen, ohne dass es auf die Art und Weise der Einnahme, die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können. Die flüssige Beschaffenheit der Ware und ihre Bestimmung zum menschlichen Genuss müssen als die objektive Beschaffenheit der Ware bestimmende Eigenschaften im Zeitpunkt der Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr vorhanden und feststellbar sein (BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305).
113
In Bezug auf eine in Trinkfläschchen oder Ampullen abgefüllte Flüssigkeit, die aufgrund ihrer Zusammensetzung –evtl. nach einer Verdünnung mit Wasser– zum menschlichen Verzehr geeignet und bestimmt war, hat der BFH (Urteil vom 16. August 2012 VII R 8/11, BFH/NV 2013, 99; vom 30. März 2010 VII R 35/09, BStBl II 2011, 74) ausdrücklich ausgeführt, der Annahme der Trinkbarkeit und der Einreihung in Kap. 22 KN stehe der Umstand nicht entgegen, dass eine Verdünnung der Flüssigkeit vor dem Verbrauch empfehlenswert sei. Ein Erzeugnis könne nur dann als nicht trinkbar angesehen werden, wenn es jedem Durchschnittsverbraucher unmöglich wäre –aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen– das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken. Aus alledem folgt, dass es für die Qualifizierung einer Ware als Getränk auf ihre Eigenschaft „flüssig“ und ihre objektive Eignung zum Verzehr ankommt, nicht aber auf die Art und Weise, wie sie verzehrt wird.
114
Der BFH hat diese Rechtsprechung mit Urteil vom 24. September 2014 (VII R 54/11, BStBl II 2015, 169) noch einmal ausdrücklich bestätigt und ausgeführt, dass die Lieferung von diätischen Lebensmitteln in flüssiger Form (sog. Sondennahrung) in die Pos. 2202 KN einzureihen sind. Auch der besondere Verwendungszweck der Produkte und ihre der menschlichen Ernährung dienenden Inhaltsstoffe rechtfertigten die Einreihung in die Pos. 2106 KN nicht.
115
b) Der erkennende Senat ist unter Anwendung der oben genannten Rechtsgrundsätze zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der streitgegenständliche Kur „XY plus“ um eine zum menschlichen Genuss geeignete und bestimmten Flüssigkeit i.S.d. der Tarifnr. 22.02 des Gemeinsamen Zolltarifs handelt.
116
Der besondere Verwendungszweck der Produkte als Nahrungsergänzungsmittel und ihre der menschlichen Ernährung dienenden Inhaltsstoffe rechtfertigten die Einreihung in die Pos. 2106 KN entgegen der Auffassung der Klägerin nicht.
117
Die streitgegenständliche Kur „XY plus“ stimmt in den entscheidungserheblichen Eigenschaften, nämlich
118
– XY-Mittel in flüssiger Form in Trinkfläschchen vertrieben,
119
– als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichnet,
120
– unmittelbar zum Trinken geeignet,
121
– auch wenn es nach den Empfehlungen des Herstellers nur in kleinen Mengen oder mit einer bestimmten Menge Wasser einzunehmen ist,
122
mit dem Nahrungsergänzungsmittel überein, über die der BFH mit Urteil vom 30.03.2010 (VII R 35/09, BStBl II 2010, 74) zu entscheiden hatte. Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung einer Ware als Getränk i.S. des Kap. 22 KN von „Lebensmittelzubereitungen“ des Kap. 21 KN ist danach allein die Darreichung in trinkbarer Form. Unerheblich ist insoweit, ob das Getränk nur in verdünnter Form eingenommen werden soll oder kann.
123
Bestätigt wird dies Ergebnis durch die unverbindliche Zolltarifauskunft der ZLPA Berlin vom 07.07.2003. Darin wird das Nahrungsergänzungsmittel „XY plus“ in den Zolltarif 2208 9069 (Umsatzsteuersatz: 16 %) eingeordnet. Zur Beschaffenheit der vorgelegten Warenprobe wird ausgeführt: „orangefarbene, trübe, unmittelbar trinkbare Flüssigkeit, schwach süß säuerlich, bitter und fruchtig schmeckend“.
124
Der Vortrag der Klägerin führt im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn in der streitgegenständlichen Kur „XY plus“ 8 % Citronensäure enthalten gewesen sein sollte, wäre es weiterhin als Getränk i.S. des Kap. 22 KN anzusehen. Entscheiden ist insoweit allein die Darreichung in trinkbarer Form unabhängig davon, ob das Getränk nur in verdünnter Form eingenommen werden soll.
125
Die entgegenstehende unverbindliche Zolltarifauskunft der ZLPA München vom 08.06.2008 hat den Charakter eines Sachverständigengutachtens und bindet als Verwaltungsauffassung das Gericht nicht (BFH-Beschluss vom 11.02.2010 VII B 234/09, BFH/NV 2010, 1139).
126
Die „Eidesstattliche Versicherung“ von Herrn A. als Entwickler von „XY plus“, wonach das Nahrungsergänzungsmittel mit 8 % Zitronensäure versetzt und stets nur mit Flüssigkeit verdünnt eingenommen werden dürfe, ist daher nicht entscheidungsrelevant.
127
Insofern war auch dem Beweisantrag der Klägerin, Herrn A. und Frau B. (Vertrieb und Produktmanagement der S. GmbH) als Zeugen darüber zu vernehmen, dass in der streitgegenständlichen Kur „XY plus“ 8 % Citronensäure enthalten war, nicht nachzugehen. Vielmehr kann diese in Frage stehende Tatsache als wahr unterstellt werden (z.B. BFH-Urteil vom 24.04.2007 I R 64/06, BFH/NV 2007, 1893; weitere Nachweise siehe Gräber/Herbert, FGO, § 76 Rz. 28).
128
2. Aufteilung von Gesamtkaufpreisen
129
Die Klägerin hat für den Verkauf der Warenpakete („XY plus“ + Lachsölkapseln) ein einheitliches Entgelt erhalten. Der Beklagte hat dies – wie vom BFH gefordert –  „einfachstmöglich“ auf die zutreffenden Steuersätze aufgeteilt. Für eine weitere – von der Klägerin begehrte – Erhöhung der 7 %-Umsätze besteht keine sachliche Rechtfertigung.
130
a) Durch die Zusammenstellung der Kur „XY plus“ (84 Fläschchen) und der Lachsölkapseln (180 Kapseln) zu einem sog. „Waren- bzw. Gesundheitspaket“ kommt es umsatzsteuerrechtlich nicht zu einer einzigen Lieferung; es ist vielmehr von zwei unterschiedlich zu besteuernden Lieferungen auszugehen. Dementsprechend ist der einheitliche Preis für das Warenpaket in zwei Entgeltbestandteile aufzuteilen, die ihrerseits mit dem ermäßigten Steuersatz (Lachsölkapseln) bzw. mit dem Regelsteuersatz (XY plus) zu besteuern sind.
131
Wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Februar 1999 (C-349/96, CPP, Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31) entschieden hat, ist, wenn „Kunden trotz des einheitlichen Preises aus ihrer Sicht zwei gesonderte Dienstleistungen erwerben, nämlich eine Versicherungsdienstleistung und eine Kartenregistrierungsdienstleistung, … der Teil des einheitlichen Preises, der sich auf die Versicherungsdienstleistung bezieht und jedenfalls von der Steuer befreit bliebe, herauszurechnen“. Dabei ist die „einfachstmögliche Berechnung- oder Bewertungsmethode“ zu verwenden.
132
Nach dieser Rechtsprechung, der sich der BFH angeschlossen hat (Beschluss vom 03. April 2013, BStBl II 2013, 973), ist ein einheitliches Entgelt, das für zwei unterschiedlich zu besteuernde Leistungen entrichtet wird, zum einen aufzuteilen, wobei zum anderen die Aufteilungsmethode zu verwenden ist, die „einfachstmöglich“ ist. Dementsprechend hat der BFH im Fall eines Schnellrestaurantbetreibers, der sog. „Spar-Menüs“ verkauft, entschieden, dass der Gesamtverkaufspreis grundsätzlich nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise aufzuteilen ist.
133
b) Im vorliegenden Streitfall liegen keine Einzelverkaufspreise vor. Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Warenpakete zu einem einheitlichen Preis erworben, sodass auch keine Einzeleinkaufspreise vorliegen.
134
Die Klägerin hat auch keine Aufzeichnungen nach § 22 UStG über die Aufteilung der Gesamteinkaufs- und Gesamtverkaufspreise geführt.
135
Sie veräußerte ausweislich der vorliegenden Kaufverträge u.a. gemeinsam mit Produkten, die dem ermäßigten Steuersatz unterlagen, auch Gegenstände, die eine eigenständige Lieferung darstellen, weil sie nicht als Sachgesamtheit, verbundene Sachen, Naturalrabatt, Werbegeschenk, bloße Zugabe, Zubehör zum Kaufgegenstand oder unselbständige Nebenleistung angesehen werden können, und die dem Regelsteuersatz unterliegen. Dies betrifft insbesondere Betten jeglicher Art, Fernseher, Bügeleisen, Uhren, Fahrräder, DVD-Player, Sessel, Staubsauger, Töpfe, Grills, Werkzeugen, Öfen, Bohrmaschinen etc.
136
Die Kaufverträge enthalten separate Spalten für Menge, Artikel-Bezeichnung, Farbe/Größe, Einzelpreis und Gesamtpreis.
137
Die Unterlagen haben die folgenden Gemeinsamkeiten:
138
– Die Spalten „Menge und Artikelbezeichnung“ sind ausgefüllt.
139
– Die Spalte „Gesamtpreis“ ist ausgefüllt, weist aber überwiegend nur einen Preis für alle von den Verträgen betroffenen Waren aus (häufig markiert mit geschweifter Klammer -{-).
140
– Preise i.S.d. Preisangabenverordnung (PAngV) für einzelne Waren ergeben sich aus den Unterlagen nicht.
141
– Der jeweils in der Spalte „Gesamtpreis“ ausgewiesene Preis für alle von den Verträgen betroffenen Gegenstände ist oftmals ein Schwellenpreis (z.B. DM 2.998,– oder DM 998,–).
142
c) Vor diesem Hintergrund ist die vom Finanzamt vorgenommene Aufteilung des Gesamtkaufpreises nicht zu beanstanden.
143
aa) Aufteilung des Warenpakets („XY plus“ zuzüglich Lachsölkapseln)
144
Die Klägerin hat die streitbefangenen Warenpakete von der Firma G. bezogen. Das Finanzamt hat sich bei der Aufteilung des Gesamtkaufpreises an der damaligen Preisliste der Firma G. (Stand Oktober 2001) orientiert. Dabei hat es – mangels anderer vergleichbarer Produkte – den Preis des Produkts „…“ und für Lachölkapsel (500 mg) zugrunde gelegt. Auf dieser Grundlage wurde der anteilige Preis für die 84 Fläschchen Q10 (DM 75,50 = 83.33 %) und die 180 Lachsölkapseln (DM 15,12 = 16,67 %) ermittelt.
145
Aus den von der Klägerin vorgelegten Einkaufsrechnungen ergibt sich lediglich, dass die Klägerin die Warenpakete günstiger (72,00 DM statt 90,72 DM) erworben hat. Einzeleinkaufspreise sind diesen Einkaufsrechnungen aber nicht zu entnehmen, sodass es bei der vom Finanzamt vorgenommene Aufteilung verbleibt.
146
Der Einwand der Klägerin, sie habe ausschließlich höherwertige Ware, nämlich Kapseln mit „Lachskonzentrat“ in dem Warenpaket abgegeben, überzeugt das Gericht nicht. Zum einen ergibt sich aus der unverbindlichen Zolltarifauskunft der ZPLA Hamburg vom 13.06.2003 (Bl. 69 der Einspruchsheftung), dass die Kapseln „nur“ jeweils 500 mg Lachsöl enthielten. Ihr Vortrag, dass er sich dabei um besonders wertvolles und hochkonzentriertes Lachsölkonzentrat gehandelt haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Maßgebend für die Konzentration ist allein die Menge des Wirkstoffs (gemessen in mg), der sich in den Kapseln befindet. Dies sind im Streitfall 500 mg.
147
bb) Abgabe von Zugabeartikeln
148
Die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungsvorschriften gehen vom Grundsatz der Einzelaufzeichnung aus. Es muss ersichtlich sein, wie sich die einzelnen Entgelte auf steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze und auf Waren mit verschiedenen Steuersätzen verteilen.
149
Einen Antrag auf Erleichterung bei der Trennung der Bemessungsgrundlagen nach § 22 Abs. 6 UStG, § 62 Abs. 4 UStDV hat die Klägerin weder gestellt noch das Finanzamt eine entsprechende Genehmigung erteilt.
150
Erbringt ein Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen, ist die Kassenführung nicht ordnungsgemäß, wenn die Umsätze zum ermäßigten und zum vollen Steuersatz nicht getrennt aufgezeichnet werden. Erfasst er die Entgelte ohne Aufzeichnungen gemäß § 22 UStG, unterlässt er die vorgeschriebene Aufzeichnung. Mangels nachprüfbare Aufzeichnung im Sinne des § 158 AO muss geschätzt werden (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012,1921).
151
Bei der Aufteilung des Gesamtentgelts hat der Prüfer im Schätzungswege die von der Klägerin zunächst erklärten Aufschlagsätze übernommen (siehe Tz. 23.1 des BP Berichts vom 04.07.2014: Nahrungsergänzungsmittel 7 % = 650 %; Verkaufsartikel 16 % = 476 %; Zugaben 16 % = 100 %).
152
Im Rahmen der Außenprüfung hatte der Prüfer das Jahr 2005 zur Verprobung der Vollständigkeit der Einnahmen kalkuliert. Er hat zu diesem Zweck zunächst die Wareneinkäufe des Jahres 2005 erfasst und einen durchschnittlichen Einkaufspreis für jeden eingekauften Gegenstand ermittelt. Er hat sodann – getrennt nach Sprecherteams – punktuell ermittelt, welche Aufschlagsätze für den Gesamtkaufpreis einzelner Verträge erzielt wurden. Hiernach schwankten die Aufschlagsätze für jeden Vertrag und für jedes Team. Der Prüfer ermittelte Aufschlagsätze in einer Bandbreite zwischen 191-781 %.
153
Aus den vom Prüfer punktuell ermittelten Verträgen mit Verkäufen des Nahrungsergänzungsmittel („Warenpaket Gesundheit“) ergibt sich ein Aufschlagsatz von 459,17 %; aus dem Verträgen ohne Verkäufe des Nahrungsergänzungsmittels („nur“ Verkaufsartikel) ergab sich denn auch Schlusssatz von 418,16 % (vgl. die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 10.01.2017 vorgelegten BP-Berechnungsunterlagen).
154
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn der Prüfer in den Streitjahren 2001-2006 aus Vereinfachungsgründen die von der Klägerin zunächst selbst ermittelten Aufschlagsätze übernimmt.
155
Eine weitere Reduzierung des Aufschlagsatzes für die Verkaufsartikel und Zugaben kommt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in Betracht. Die von ihr als „Verkaufshilfe“ bezeichnete Abgabe von Verkaufsartikel und Zugaben zum Einstandspreis ist vom Prüfer in keinen einzigen Fall festgestellt worden.
156
Es ist auch keinesfalls zwingend, dass es den Kunden „nur“ um den Kauf des „Gesundheitspakets“ ging und sie nicht auch an dem Erwerb der Verkaufs- bzw. Zugabeartikel (Toaster, Bohrmaschine, Kaffeeservice etc.) interessiert und auch bereit waren, hierfür ein Entgelt oberhalb des Einkaufspreises der Waren zu zahlen.
157
Im Ergebnis kann daher der von der Klägerin favorisierten Aufteilungsmethode nach dem „Restwert“ nicht gefolgt werden. Sofern sie zu Aufteilungszwecken die Verkaufspreise für die Verkaufsartikel und die Zugaben mit den Einkaufspreisen kalkuliert und diese von den Gesamtumsätzen in Abzug bringt, mit der Folge, dass die restlichen Umsätze den Kuren („Warenpakete Gesundheit“) zugeordnet werden, ist eine solche Aufteilung weder angemessen noch sachgerecht.
158
3. Busleistungen als Reisevorleistungen
159
Die von der Klägerin durchgeführten sog. Kaffeefahrten sind als Reiseleistungen einzustufen. Die aus diesem Anlass durchgeführten Busreisen stellen Reisevorleistungen dar, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.
160
a) § 25 UStG gilt für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 UStG).
161
Reisevorleistungen sind Leistungen Dritter (sog. Leistungsträger), die den Reisenden unmittelbar zugute kommen (§ 25 Abs. 1 Satz 5 UStG).
162
Eine Reiseleistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 UStG). Erbringt der Unternehmer an einen Leistungsempfänger im Rahmen einer Reise mehrere Leistungen dieser Art, gelten sie als eine einheitliche sonstige Leistung (§ 25 Abs. 1 Satz 3 UStG). Die sonstige Leistung bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet (§ 25 Abs. 3 Satz 1 UStG). Abweichend von § 15 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen (§ 25 Abs. 4 Satz 1 UStG).
163
Bei § 25 UStG handelt es sich um eine Sonderregelung nur für die Versteuerung der von Dritten bezogenen und vom Unternehmer an seine Leistungsempfänger weitergeleisteten Reisevorleistungen.
164
b) Der Begriff der Reise, der die Reiseleistung zugeordnet werden kann, oder der Reiseleistung selbst ist weder in § 25 UStG noch in der MwStSystRL definiert. Der EuGH (Urteil vom 13.10.2005, C-200/04 – iSt, BFH/NV Beilage 06, 34, Rn. 26, 34) spricht von „mit Reisen verbundenen Dienstleistungen“.
165
Als Reiseleistungen werden daher die im Zusammenhang mit einer Reise üblicherweise anfallenden Leistungen der Reiseunternehmen angesehen. Insbesondere zählen zu den Reiseleistungen die Beförderung mit Flugzeug, Schiff, Bahn oder Bus zum Zielort (einschließlich Transfer), Unterbringung und Verpflegung, Betreuung der Reisenden durch Reiseleiter sowie Durchführung von Veranstaltungen für die Reisenden, wie z. B. Besichtigungsfahrten, Führungen, Sprachkurse (Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, UStG, § 25 Rz. 38). Danach sind die Leistungen in Gestalt der Bustouren, Bewirtungen und Besichtigungen, die die Klägerin gegenüber den Teilnehmern der Tagesausflüge erbracht hat, Reiseleistungen i. S. von § 25 UStG. Empfänger dieser Reiseleistungen waren Endverbraucher.
166
Zweck und Dauer einer Reise spielen für die Anwendbarkeit des § 25 keine Rolle (Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, UStG, § 25 Rz 34 mwN.). Es ist daher unerheblich, welcher Zweck mit der Inanspruchnahme von Reiseleistungen verfolgt wird (Urlaub, Bildung, Sport, Erholung) oder ob ein Zweck überhaupt feststellbar ist. Die Einwendung der Klägerin, dass den von ihr durchgeführten Reisen kein touristischer Zweck zugrunde liege, ist daher unerheblich. Die Anwendung des § 25 UStG ist gerade nicht dadurch ausgeschlossen, dass der alleinige Zweck der von einem Verkaufsveranstalter durchgeführten Reiseleistungen darin besteht, den Warenverkauf bei der Verkaufsveranstaltungen zu fördern (FG Bremen, Urteil vom 09.07.2008 2 K 220/07, EFG 2008, 1493).
167
c) Warenlieferungen und Tagesausflüge stellen auch bei Verkaufsfahrten keine unselbständigen Nebenleistungen zur jeweils anderen Leistung dar (FG Bremen, Urteil vom 09.07.2008 2 K 220/07, EFG 2008, 1493). Demnach liegen zwei Hauptleistungen vor, die Lieferung von Waren und die Durchführung von Reisen, die der Besteuerung nach § 25 UStG unterliegen
168
Etwas anderes ergibt sich für den Streitfall auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BFH zur einheitlichen Beurteilung von Leistungen, die zueinander im Verhältnis von Haupt- und (unselbständiger) Nebenleistung stehen. Danach darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespaltet werden (z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd., Slg. 1999, I-973; BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 66/05, BFH/NV 2008, 716, m.w.N.).
169
Eine unselbständige Nebenleistung liegt vor, wenn eine Leistung im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, sie wirtschaftlich ergänzt, abrundet und üblicherweise zusammen mit der Hauptleistung ausgeführt wird. Eine Leistung ist auch dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteile vom 7. März 1995 XI R 46/93, BStBl II 1995, 429; vom 29. April 1999 V R 72/98, BFH/NV 1999, 1523; vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BFH/NV 2008, 909).
170
Aus der Sicht eines Verbrauchers steht ein ihm zugewendeter Tagesausflug als selbständige Leistung neben der etwaigen Lieferung von Waren, bei der es sich nicht um eine Reiseleistung handelt. Der Tagesausflug hat für den Verbraucher eine eigenständige Bedeutung. Er verliert für ihn nicht deshalb seine Selbständigkeit, weil er im Rahmen des Tagesausflugs die Möglichkeit hat, bei einer Verkaufsveranstaltung Waren zu kaufen. Die beiden Leistungen sind auch nicht dergestalt miteinander verbunden, dass der Tagesausflug den Warenkauf inhaltlich oder wirtschaftlich ergänzt. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Verkaufsveranstaltung im Rahmen des Tagesausflugs stattfindet. Für einen Verbraucher ist es zudem nicht optimal, Waren während eines Tagesausflugs zu kaufen, da die Vergleichs- und Auswahlmöglichkeiten schlechter sind als beispielsweise bei einem Kauf im Warenhaus oder im Internet. Die Reiseleistungen bilden daher jedenfalls aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers keine wirtschaftliche Einheit mit etwaigen Käufen von Waren. Dass aus Sicht des Direktvertriebsunternehmers die Tagesausflüge Hilfscharakter zu den Verkaufsveranstaltungen haben und ein untrennbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden besteht, ist unerheblich. Denn maßgeblich ist nicht die Sicht des Unternehmers, sondern die Sicht des Durchschnittsverbrauchers (BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 66/05, BStBl II 2008, 638).
171
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin in den Einladungsflyern ihre Verkaufsveranstaltung selbst als Reise bewarb und dabei Begriffe verwendete wie z.B. „herrlichste Reisezeit des Jahres“, „romantische Busfahrt“, „traumhafte Landschaft“, „herrlicher Urlaubstag“, „Ausflugsfahrt“, etc.
172
d) Der Anwendung des § 25 UStG steht nicht entgegen, dass die Empfänger der Reiseleistungen keine oder nur geringe Geldbeträge aufgewendet haben, um an den Tagesausflügen teilzunehmen.
173
§ 25 UStG enthält die Entgeltlichkeit nicht als Tatbestandsmerkmal. Anders als in § 25a Abs. 1 UStG wird in § 25 UStG nicht auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG verwiesen. Daher ist davon auszugehen, dass Vertriebsunternehmen, die Reisen als sog. Kaffeefahrten unentgeltlich durchführen, Reiseleistungen erbringen, für die die Sonderregelungen der Besteuerung nach § 25 UStG einschließlich des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs aus den Reisevorleistungen gelten (FG Bremen, Urteil vom 09.07.2008 2 K 220/07, EFG 2008, 1493, ebenso OFD Koblenz vom 08.04.2003, UR 2003, 562 – Ziff. 5 zu unentgeltlichen Gewinnreisen).
174
Bei Anwendung des § 25 UStG auch auf unentgeltliche Reiseleistungen ist der Klägerin in allen Streitjahren der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen über die Bustouren, Bewirtungen und Besichtigungen zu versagen. § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG schließt das Recht des Unternehmers, die ihm für Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen, unabhängig davon aus, ob die Verrechnung der Summe der für Reisevorleistungen aufgewendeten Beträge mit der Summe der Umsatzerlöse, die aus der Erbringung von Reiseleistungen erzielt werden, zu einer Bemessungsgrundlage i.S.v. § 25 Abs. 3 UStG führt, bei der Umsatzsteuer anfällt. Ist die Summe der für Reisevorleistungen aufgewendeten Beträge höher als die Summe der Umsatzerlöse (negative Marge) hat dies lediglich zur Folge, dass keine Umsatzsteuer anfällt (FG Bremen, Urteil vom 09.07.2008 2 K 220/07, EFG 2008, 1493). Eine Erstattung des fiktiven Steuerbetrags, der sich aus einer negativen Marge errechnen lässt, ist in § 25 UStG nicht vorgesehen (Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, UStG, § 25 Rz. 193).
175
e) Die Vorsteuern aus den Rechnungen der Busunternehmen waren nicht zum Abzug zuzulassen, weil es sich um Reisevorleistungen (Beförderungsleistungen) und nicht um Eigenleistungen handelt.
176
Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG ist der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen.
177
Es kommt also vorliegend darauf an, ob die Gestellung der Busse seitens der Omnibusunternehmung als Reisevorleistungen anzusehen ist. Abzugrenzen sind die Reisevorleistungen von den Eigenleistungen.
178
Nach Abschnitt 25.1 Abs. 8 Satz 4 UStAE sind eigene Mittel (Eigenleistung) auch dann gegeben, wenn der Unternehmer einen Omnibus ohne Fahrer oder im Rahmen eines Gestellungsvertrages ein bemanntes Beförderungsmittel anmietet. Nach Satz 8 erbringt der Unternehmer dagegen keine Reiseleistung unter Einsatz eigener Mittel, wenn er sich zur Ausführung einer Beförderung eines Omnibusunternehmers bedient, der die Beförderung im eigenen Namen unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung ausführt.
179
aa) Befördern ist die räumliche Fortbewegung von Personen oder Gegenständen, wobei die Art des Beförderungsmittels nicht von Bedeutung ist (z.B. BFH-Urteile vom 2. März 2011 XI R 25/09, BStBl II 2011, 737; vom 1. August 1996 V R 58/94, BStBl II 1997, 160, m.w.N.).
180
Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Art des Beförderungsmittels nicht von Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 2. März 2011 XI R 25/09, BStBl II 2011, 737) und dass Taxifahrten Beförderungsleistungen sind (BFH-Urteile vom 31. Mai 2007 V R 18/05, BStBl II 2008, 206; vom 19. Juli 2007 V R 68/05, BStBl II 2008, 208). Auch steht der Beurteilung als Beförderungsleistung nicht entgegen, dass das Taxi vereinbarungsgemäß zwischen mehreren Beförderungen auf den Kunden wartet. Die Beurteilung als Beförderungsleistung ist nach der Rechtsprechung weiter nicht deswegen ausgeschlossen, weil dem Kunden während der Beförderung zusätzliche Annehmlichkeiten geboten werden. So beeinflusst z.B. die Qualität der Verpflegung und Unterbringung auf einem Schiff grundsätzlich nicht die Art der Personenbeförderung, sondern nur die Umstände, unter denen sie durchgeführt wird (BFH-Urteil vom 2. März 2011 XI R 25/09, BStBl II 2011, 737). Die Verschaffung eines angenehmen Reiseerlebnisses steht der Beurteilung als Beförderung nicht entgegen (BFH-Urteil vom 08. September 2011 V R 5/10, BStBl II 2012, 620 – Chauffeurservice).
181
bb) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist im Streitfall von Beförderungsleistungen auszugehen.
182
Die Klägerin hat die Reisenden zu im Voraus festgelegten Abfahrtzeiten an den vereinbarten Haltestellen abgeholt, zu den jeweiligen Verkaufsstellen (Cafe, Lokal o.ä.) befördert und anschließend wieder an den vereinbarten Haltestellen abgesetzt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Klägerin dem Busunternehmer die Haltestellen am Abend vorher mitgeteilt hat, oder ob der „Sprecher“ (Verkäufer vor Ort) den Busfahrer hinsichtlich der Haltestellen bzw. Zusteigestationen noch am Reisetag angewiesen bzw. sich die Klägerin das Recht zur Erweiterung der Haltestellen vorbehalten hat.
183
Die vereinbarte Qualität der Fahrzeuge (Busse) und die Auswahl der Fahrer waren für die Klägerin von wesentlicher Bedeutung. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, dass sie großen Wert auf saubere und moderne Reisebusse und darauf gelegt habe, dass nur zuverlässige Busfahrer die Reisen durchführen. Sofern dies ausnahmsweise nicht der Fall war, also z.B. der Bus den vorherigen Absprachen oder vereinbarten Standards nicht entsprach oder der Busfahrer erst verspätet erschien, wurde der Reisepreis entsprechend gemindert.
184
Der von der Klägerin vorgetragene Umstand der streckenunabhängigen Vergütung führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar kann die streckenunabhängige Vergütung für die Annahme eines Mietvertrages sprechen, weil der Preis für Beförderungsleistungen regelmäßig von der Länge der zu fahrende Strecke abhängt.
185
Im Streitfall steht jedoch fest für den Senat fest, dass die Beteiligten die „Festpreisabrede“ nur aus Vereinfachungsgründen geschlossen haben. Vereinbart wurde regelmäßig das Fahrtziel und ein Festpreis pro Tag für Bus und Fahrer (in den Streitjahren … DM, anschließend … €), unabhängig von den tatsächlich gefahrenen Kilometerzahl. Die Klägerin hat diese „Festpreisabrede“ damit begründet, dass sie nicht in jedem Fall habe prüfen können und wollen, wieviele Kilometer der Busunternehmer tatsächlich gefahren sei. Insofern sei statt einer Abrechnung nach gefahrenen Kilometern aus Vereinfachungsgründen eine „Festpreisabrede“ getroffen worden.
186
Zudem handelt es sich bei Verträgen über eine Personenbeförderung mit Mietomnibussen gerade nicht um Miete im Sinne der §§ 535 ff. sondern um einen Werkvertrag handele (Fielitz/Grätz, Kommentar zum Personenbeförderung, § 49 PBefG, Rz. 3; Heinze/Fehling/Fiedler, Personenbeförderungsgesetz, § 49 Rz. 2). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Omnibusunternehmen – und nicht die Klägerin – den Bus auftankten. Auch spricht der Umstand, dass für den Fall der Schlechterfüllung des Vertrages (Bus nicht die vereinbarte Qualität / Fahrer hat verschlafen oder Bushaltestelle nicht angefahren) ein pauschaler Betrag von der Klägerin bei Rechnungszahlung abgezogen bzw. einbehalten wurde, für die Annahme eines Beförderungsvertrages.
187
Schließlich fällt auf, dass in den Abrechnungen bei Fahrten ins Ausland (z.B. Holland) regelmäßig die Gesamtkilometer sowie die inländischen Kilometer angegeben wurden, wobei nur die inländischen Kilometer vom Busunternehmer der Umsatzsteuer unterworfen wurden. Auch dies spricht für die Annahme einer Beförderungsleistung, da bei einer Beförderungsleistung die Steuerbarkeit auf die Bewirkung der Strecke im Inland beschränkt ist.
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Festzuhalten ist damit, dass im Streitfall nicht zeitbezogene Gestellungsverträge abgeschlossen wurden, sondern streckenbezogene Beförderungsverträge.
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f) Selbst wenn § 25 UStG vorliegend ausgeschlossen sein sollte, weil er auf unentgeltliche Reiseleistungen keine Anwendung finden (so Stadie, UStG, § 25 Rz. 35) oder jedenfalls insofern unanwendbar wäre, als Reisen im Unternehmen eingesetzt werden, z.B. als Geschenk für Kunden oder Geschäftsfreunde (so z.B. Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, UStG, § 25 Rz. 98) oder die Beförderungsleistungen entgegen der oben vertretenen Auffassung nicht als Beförderungsleistungen, sondern als Eigenleistungen der Klägerin anzusehen und der Vorsteuerabzug nicht nach § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG ausgeschlossen wäre, könnte die Klägerin wegen der Vorsteuerabzugsbeschränkung gem. § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 EStG dennoch keine Vorsteuern abziehen.
190
§ 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 1. Alternative UStG stellt nur die unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gleich. Anders als unentgeltliche Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG sind unentgeltliche sonstige Leistungen für Zwecke des Unternehmens nicht steuerbar.
191
Die von der Klägerin durchgeführten Tagesausflüge bestanden aus mehreren sonstigen Leistungen (Busfahrt, Bewirtung und ggf. Besichtigung). Die Klägerin verfolgte mit der unentgeltlichen Erbringung dieser sonstigen Leistungen unternehmerische Zwecke. Gegenstand des gewerblichen Unternehmens der Klägerin war der Vertrieb von Waren aller Art. Sie sah in den Teilnehmern der Tagesausflüge potentielle Käufer der von ihr vertriebenen Waren. Alle Teilnehmer sollten auch an den Verkaufsveranstaltungen im Rahmen der Tagesausflüge teilnehmen.
192
Da die von der Klägerin für Zwecke ihres Unternehmens unentgeltlich erbrachten sonstigen Leistungen nicht unter § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 1. Alternative UStG fallen, sind sie nicht steuerbar. Dennoch bleibt der Vorsteuerabzug für die Klägerin erhalten, wenn die Vorsteuerbeträge die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG erfüllen und außerdem nicht das Vorsteuerabzugsverbot in § 15 Abs. 1a UStG eingreifen.
193
Die Klägerin hat dem Beklagten Rechnungen über Bustouren mit offenem Umsatzsteuerausweis vorgelegt und den Vorsteuerabzug geltend gemacht. Sie hat diese Leistungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG für Zwecke ihres Unternehmens bezogen, um damit Tagesausflüge für eine Vielzahl von Personen durchführen zu können. Die Tagesausflüge dienten erkennbar dazu, möglichst viele Personen als potentielle Käufer bei ihren Verkaufsveranstaltungen zu haben und dadurch möglichst hohe Verkaufsumsätze zu erzielen. Ein Leistungsbezug für das Unternehmen der Klägerin scheitert nicht daran, dass die Teilnehmer der Tagesausflüge die Busfahrten zu nichtunternehmerischen Zwecken in Anspruch nahmen. Vielmehr bleibt der vom Unternehmer verfolgte Zweck auch dann maßgebend, wenn der Bedachte die erhaltene Leistung zu nichtunternehmerischen Zwecken verwendet. Gerade die private Verwendung durch den Bedachten kann im unternehmerischen Interesse liegen (ebenso FG Bremen, Urteil vom 09.07.2008 2 K 220/07, EFG 2008, 1493)
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Nach § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG sind Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, die auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7, Abs. 7 EStG gilt. Diese Beschränkung des Vorsteuerabzugs greift im Streitfall hinsichtlich der Aufwendungen der Klägerin zur Durchführung der Tagesausflüge ein. Denn bei den Tagesausflügen handelte es sich um Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, für die die Klägerin Aufwendungen getätigt hat, die mangels Erfüllung der Aufzeichnungspflicht gemäß § 4 Abs. 7 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
195
Die Klägerin wendete den Teilnehmern die jeweiligen Tagesausflüge aus betrieblichen Gründen unentgeltlich zu. Dies führte zu einer objektiven Bereicherung der Bedachten. Denn ein Tagesausflug, der – wie hier – Busfahrt, Bewirtung und ggf. Besichtigung einschließt, wird in dieser Form auch gegen Entgelt angeboten und besitzt damit im Wirtschaftsverkehr einen Geldwert. Die Bereicherung stammte aus dem Vermögen der Klägerin, da diese die Tagesausflüge finanzierte. Die Zuwendung einer Reise in Gestalt eines Tagesausflugs ist als Sachleistung nicht anders zu beurteilen als die Zuwendung eines Gutscheins für einen von einem Reisebüro durchgeführten Tagesausflug oder die Zuwendung von Geld mit der Auflage, den betreffenden Tagesausflug durchzuführen (FG Bremen, Urteil vom 09.07.2008 2 K 220/07, EFG 2008, 1493 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 23.06.1993 I R 14/93, BStBl II 1993, 806).
196
Ob eine Vermögenszuwendung unentgeltlich als Geschenk oder entgeltlich im Hinblick auf eine Gegenleistung des Empfängers gemacht wird, entscheidet nach bürgerlichem Recht die hierüber zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung. Als Gegenleistungen kommen im vorliegenden Zusammenhang alle Handlungen in Betracht, die im betrieblichen Interesse des Zuwendenden liegen. Die erwartete oder bereits erbrachte Gegenleistung muss hinreichend konkretisiert sein. Daran fehlt es, wenn die Zuwendung nur die Aufgabe hat, Geschäftsverbindungen anzuknüpfen, zu sichern oder zu verbessern (BFH-Urteil vom 23.06.1993 I R 14/93, BStBl II 1993, 806). Der vom Zuwendenden verfolgte Zweck – nämlich das Wohlwollen des Bedachten zu erringen, um daraus Vorteile für den eigenen Betrieb zu ziehen – steht der Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht entgegen. Auch auf Zweckgeschenke sind die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Schenkung uneingeschränkt anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1982 IV R 46/78, BStBl II 1982, 394, m.w.N.).
197
Im Streitfall wurden die Tagesausflüge den Teilnehmern im Hinblick auf die im Rahmen der Tagesausflüge durchgeführten Verkaufsveranstaltungen zugewendet. Hierdurch sollte erreicht werden, dass möglichst viele Personen an den Verkaufsveranstaltungen teilnahmen und es zu möglichst vielen Verkäufen kam. Die Tagesausflüge waren typische Zweckgeschenke im Vorfeld von Geschäftsabschlüssen. Die Teilnahme des Ausflugsteilnehmers an den Verkaufsveranstaltungen war keine Gegenleistung für die Gewährung des Tagesausflugs. Denn die Verkaufsveranstaltung war Bestandteil des zugewendeten Tagesausflugs und minderte allenfalls dessen Wert. Etwaige Käufe von Waren bei den Verkaufsveranstaltungen waren ebenfalls keine Gegenleistung des Teilnehmers für die Gewährung des Tagesausflugs. Aus Sicht sowohl des Teilnehmers eines Tagesausflugs als auch der Klägerin handelte es sich bei jedem Warenkauf um ein selbständig neben dem Tagesausflug stehendes entgeltliches Rechtsgeschäft, bei dem ein Austauschverhältnis nur zwischen der jeweils gekauften Ware und dem dafür hingegebenen Geld vorlag.
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Die Vorsteuern wären mithin auch dann vom Abzug ausgeschlossen, wenn – entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung – keine Reiseleistungen nach § 25 UStG anzunehmen wären.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.