Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 1 3b UStG) auf die Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten

Durch Artikel 12 Nr. 9 i. V. m. Artikel 39 Abs. 2 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) wurde § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG zum 1. Januar 2020 neu gefasst. Die bestehende Vorschrift zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers wurde auf die Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten ausgeweitet. Die Änderung hat zur Folge, dass bei nach dem 31. Dezember 2019 ausgeführten Übertragungen von Gasund Elektrizitätszertifikaten an Unternehmer der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 6 in Verbindung mit Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz UStG ist. Die Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten ist eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

I. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 864, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 18. März 2020 – III C 2 – S-7100 / 19 / 10008 :003 (2020/0256754) , BStBl S. XXX, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. Abschnitt 13b.1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 8 wird wie folgt gefasst:

„8. 1Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nr. 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes vom 21. 7. 2011 (BGBl. I S. 1475), Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nr. 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nr. 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes sowie Gas- und Elektrizitätszertifikaten (§ 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG). 2Zu den Elektrizitätszertifikaten gehören insbesondere Herkunftsnachweise nach § 79 Erneuerbare-Energien-Gesetz und Regionalnachweise nach § 79a Erneuerbare-Energien-Gesetz.“

2. In Abschnitt 13b.18 wird nach Satz 10 folgender Satz 11 angefügt:

11Zum Übergang auf die Anwendung der Änderung des § 13b UStG ab 1. 1. 2020 auf Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten vgl. Teil II des BMF- Schreibens vom xx. xx. 2020, BStBl I S. xxx.“

II. Anwendungsregelungen

1. Anwendung

Die Regelungen sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 ausgeführt werden.

a) Schlussrechnung über nach dem 31. Dezember 2019 erbrachte Leistungen bei Abschlagszahlungen vor dem 1. Januar 2020

Bei nach dem 31. Dezember 2019 ausgeführten Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist. Entsprechend hat der leistende Unternehmer eine Rechnung auszustellen, in der das (Netto-)Entgelt anzugeben ist sowie der Hinweis „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ (§ 14a Abs. 5 UStG). Dies ist unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer das Entgelt oder Teile des Entgelts vor dem 1. Januar 2020 vereinnahmt hat oder nicht.

Hat der leistende Unternehmer das Entgelt oder Teile des Entgelts vor dem 1. Januar 2020 vereinnahmt und hierfür auch eine Rechnung mit offenem Steuerausweis erstellt, hat er die Rechnung(en) über diese Zahlungen im Voranmeldungszeitraum der tatsächlichen Ausführung der Leistung zu berichtigen (§ 27 Abs. 1 Satz 3 UStG, § 14c Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG). In der Schlussrechnung sind die gezahlten Abschlagszahlungen nur dann mit ihrem Bruttobetrag (einschließlich Umsatzsteuer) anzurechnen, wenn die Umsatzsteuer bis zum Zeitpunkt der Erteilung der Schlussrechnung nicht an den Leistungsempfänger zurückerstattet wurde.

Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn bei der Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nur das um das vor dem 1. Januar 2020 vom leistenden Unternehmer vereinnahmte Entgelt oder die vereinnahmten Teile des Entgelts geminderte Entgelt zugrunde gelegt wird (Nichtbeanstandungsregelung). Voraussetzung hierfür ist, dass diese Anzahlung(en) vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe erklärt (= in einer Umsatzsteuer-Voranmeldung oder in einer Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr angemeldet) und gezahlt wurde(n). In derartigen Fällen sind die Rechnungen, mit denen über die Anzahlungen abgerechnet wurde, nicht zu berichtigen.

b) Berichtigung einer vor dem 1. Januar 2020 erstellten Rechnung über Anzahlungen, wenn die Zahlung erst nach dem 31. Dezember 2019 erfolgt

Wurden für Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG Abschlagszahlungen oder Anzahlungen vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4, § 13b A bs. 4 Satz 2 UStG). Entscheidend für die Steuerentstehung ist nicht, wann die Rechnung erstellt worden ist, sondern der Zeitpunkt der Vereinnahmung des entsprechenden Entgelts oder des Teilentgelts. Vereinnahmt der leistende Unternehmer das Entgelt oder Teilentgelt für Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG nach dem 31. Dezember 2019, ist hierfür der Leistungsempfänger Steuerschuldner (§ 13b Abs. 2 Nr. 6 und Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz UStG). Ist die hierfür vom leistenden Unternehmer erstellte Rechnung vor dem 1. Januar 2020 erstellt worden und wurde die Umsatzsteuer offen ausgewiesen, ist die Rechnung entsprechend zu berichtigen.

c) Abrechnungen nach dem 31. Dezember 2019 über Leistungen, die vor dem 1. Januar 2020 erbracht worden sind

Für Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG, die vor dem 1. Januar 2020 erbracht worden sind, ist der leistende Unternehmer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG Steuerschuldner. § 13b Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. Abs. 5 UStG ist insoweit nicht anzuwenden. Der leistende Unternehmer muss entsprechend eine Rechnung ausstellen, die die in § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG vorgeschriebenen Angaben enthält. Hierzu gehört auch die Angabe des anzuwendenden Steuersatzes sowie des auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrags (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG).

d) Berichtigung nach dem 31. Dezember 2019 einer vor dem 1. Januar 2020 erstellten und bezahlten Rechnung über Anzahlungen

Hat der leistende Unternehmer für Übertragungen von Gas- und Elektrizitätszertifikaten im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG einen Teil des Entgelts vor dem 1. Januar 2020 vereinnahmt und wurde die Leistung oder die Teilleistung danach ausgeführt, entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG). Steuerschuldner war im Zeitpunkt der Vereinnahmung zunächst der leistende Unternehmer.

Stellt sich nach dem 31. Dezember 2019 heraus, dass die in Rechnung gestellte und vom leistenden Unternehmer vereinnahmte Anzahlung in der Höhe unrichtig war, ist die ursprüngliche Rechnung bei Inanspruchnahme der Nichtbeanstandungsregelung (vgl. Tz. II.1.a) nur insoweit zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 UStG), als der überzahlte Betrag zurückgezahlt wurde und insoweit die Grundlage für die Versteuerung der Anzahlung entfallen ist.

Entsprechend wird der Leistungsempfänger bei Inanspruchnahme der Nichtbeanstandungsregelung durch den leistenden Unternehmer hinsichtlich einer berichtigten Anzahlung nur dann Steuerschuldner nach § 13b Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 UStG, soweit ein weiteres Teilentgelt nach dem 31. Dezember 2019 vom leistenden Unternehmer vereinnahmt wird.

Beispiel 1:

Unternehmer A und Unternehmer B vereinbaren eine Übertragung von Elektrizitätszertifikaten im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG. A und B geben monatlich Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. A stellt am 2. Dezember 2019 eine Abschlagsrechnung über 10.000 Euro zuzüglich 1.900 Euro Umsatzsteuer aus. Die Rechnung wird von B noch im Dezember 2019 bezahlt. Im Januar 2020 stellt sich heraus, dass der Anzahlung eine falsche Anzahl von Elektrizitätszertifikaten zugrunde gelegen hat. Danach hätte nur eine Anzahlung mit einem Entgelt von 6.000 Euro in Rechnung gestellt werden dürfen. Der überzahlte Betrag wird B im Januar 2020 zurückerstattet. Die Übertragung der Elektrizitätszertifikate wird im Februar 2020 ausgeführt.

Bei Inanspruchnahme der Nichtbeanstandungsregelung (Tz. II.1.a) hat A seine Rechnung dergestalt zu korrigieren, dass nur noch ein Entgelt in Höhe von 6.000 Euro zuzüglich 1.140 Euro Umsatzsteuer auszuweisen ist. Die Änderungen gegenüber der ursprünglichen Rechnung hat er in seiner UmsatzsteuerVoranmeldung für Januar 2020 entsprechend zu berücksichtigen. B hat den in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2019 geltend gemachten Vorsteuerabzug in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2020 entsprechend zu mindern.

Beispiel 2:

Sachverhalt wie in Beispiel 1, jedoch hätte eine Anzahlung mit einem Entgelt von 11.000 Euro in Rechnung gestellt werden müssen. B zahlt den Mehrbetrag im Februar 2020.

Bei Inanspruchnahme der Nichtbeanstandungsregelung (Tz. II.1.a) hat A seine Rechnung dergestalt zu korrigieren, dass sie ein Entgelt in Höhe von 11.000 Euro enthält. Hinsichtlich der vor dem 1. Januar 2020 geleisteten Anzahlung bleibt es bei der Steuerschuld des A, so dass insoweit weiterhin eine Umsatzsteuer von 1.900 Euro auszuweisen ist. Die ursprüngliche Besteuerung (A erklärt den Umsatz in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2019, B hat den Vorsteuerabzug in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2019 geltend gemacht) bleibt unverändert. Für die (Rest-)Anzahlung, die im Februar 2020 geleistet wird, ist in der Rechnung nur das (Netto-)Entgelt von 1.000 Euro anzugeben. Außerdem muss A den B insoweit auf dessen Steuerschuldnerschaft hinweisen. B muss das (Netto-)Entgelt von 1.000 Euro sowie die Steuer hierauf von 190 Euro in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Februar 2020 anmelden und kann gleichzeitig diese Steuer bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG).

2. Übergangsregelung

Bei Leistungen, die nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. April 2020 ausgeführt werden, ist es beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger nicht zu beanstanden, wenn die Vertragspartner einvernehmlich noch von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgegangen sind. Voraussetzung hierfür ist, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe versteuert wird.

Dies gilt entsprechend auch in den Fällen, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. April 2020 vereinnahmt wird und die Leistung erst nach der Vereinnahmung des Entgelts oder von Teilen des Entgelts ausgeführt wird. Tz. II.1 gilt entsprechend.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7279 / 19 / 10003 :002 vom 23.03.2020