Handy auf Reisen – Mobilfunkbetreiber muss auch Unternehmer auf erhöhte Auslandsgebühren hinweisen

Das Amtsgericht München verurteilte am 14.05.2021 einen Münchner Verein zur Zahlung von Mobilfunkkosten in Höhe von 552,59 Euro. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Der Beklagte hatte bei einem großen Mobilfunkbetreiber einen Flatrate-Handy-Vertrag abgeschlossen. Die Kosten lagen bei monatlich 50,17 Euro. Das Mobiltelefon wurde dem Vorstand zur Nutzung überlassen. Dieser begab sich mit dem Mobiltelefon auf eine Fernreise nach Kanada. Das Handy wählte sich dort in das ausländische Netz ein und verursachte so im Zeitraum eines Monats Roaming-Kosten in Höhe von insgesamt 2.464,39 Euro.

Hiervon zahlte der Beklagte nur einen Teil, einen weiteren Teil in Höhe von 400 Euro erließ der Mobilfunkbetreiber im Rahmen einer Kulanzgutschrift. Das Inkassounternehmen, das sich die Forderung des Mobilfunkbetreibers abtreten ließ, klagte sodann auf Zahlung von 1.961,11 Euro.

Der Beklagte trug vor, der Mobilfunkbetreiber hätte ihn auf die stark ansteigenden Kosten hinweisen müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe er seinerseits Schadensersatzansprüche gegen den Mobilfunkbetreiber, welche er der Forderung entgegenhalte.

Die Klägerin war der Ansicht, eine Informationspflicht seitens des Mobilfunkbetreibers habe nicht bestanden. Entsprechende Informationspflichten gäbe es nur gegenüber Verbrauchern und nicht in Bezug auf Unternehmer, wie den Beklagten.

Der zuständige Richter gab dem Beklagten in weiten Teilen recht. Der Beklagte muss lediglich einen Teil der verursachten Kosten tragen:

„Die Zedentin hat im Ausgangspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 1.961,11 Euro als Entgelt für die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem unstreitig geschlossenen Mobilfunkvertrag im streitgegenständlichen Zeitraum durch den Beklagten erworben. Dieses Entgelt überschritt aufgrund des Zugriffs auf den ausländischen Roaming-Dienst den monatlichen Basistarif in Höhe von 50,17 Euro.

Dem somit entstandenen Anspruch steht aber die Einrede unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) in Höhe von 1.408,72 Euro entgegen, da der Beklagte einen Schadensersatzanspruch in dieser Höhe aus §§ 611, 280 Abs. 1, 3, 282 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB gegen die Zedentin hat.

Konkret verletzte die Zedentin ihre Nebenpflicht, den Beklagten auf stark über dem vereinbarten Basistarif entstehende Kosten hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 15.03.2012 – III ZR 190/11; LG Saarbrücken, Urt. v. 09.03.2012 – 10 S 12/12). Diese Pflicht ergibt sich aus der überlegenen Sachkunde der Zedentin in Ansehung der entstehenden Kosten. Dem Beklagten war es bis zur Rechnungsstellung nicht erkennbar, erhöhte Kosten zu verursachen und er konnte daher auch keine weiteren Vorkehrungen treffen, diese zu verhindern. Im Gegensatz dazu hatte die Zedentin jederzeit Einblick in die Höhe und Ursache der Kosten, weshalb ein eklatantes Informationsgefälle zwischen der Zedentin und dem Beklagten bestand. Es war der Zedentin auch problemlos möglich, entsprechende Hinweise zu geben, etwa durch automatisierte Benachrichtigungen via SMS oder E-Mail.

Weiterhin war ein Interesse des Beklagten an Geringhaltung der Kosten für die Zedentin nicht nur ersichtlich, sondern auch mittelbar Vertragsgegenstand geworden, da der geschlossene Mobilfunkvertrag einen Flatrate-Tarif hatte. Ein solcher wird üblicherweise vereinbart, um eine gleichbleibende, berechenbare Kostengrundlage zu gewährleisten. Demnach besteht bei Flatrate-Tarifen eine noch erhöhte Veranlassung der die überlegende Sachkunde innehabenden Vertragspartei, die andere Partei über stark ansteigende Kosten zu informieren.

Eine solche Informationspflicht ist – wenn auch im vorliegenden Fall mangels Verbrauchereigenschaft des Beklagten nicht anwendbar – in Art. 15 Abs. 3 EU Roaming-VO festgelegt. Dieser Rechtsgedanke ist jedoch verallgemeinerbar auch auf Parteien anwendbar, die keine Verbraucher sind, da lediglich die fehlende Verbrauchereigenschaft der anderen Vertragspartei nicht das Ausnutzen überlegener Sachkunde rechtfertigt. Lediglich der Schwellenwert, ab dem eine Informationspflicht besteht, muss bei unternehmerischen Vertragspartnern höher angesetzt werden, um insofern einer gewissen Erfahrung im Geschäftsverkehr und damit üblicherweise geringeren Schutzbedürftigkeit Rechnung zu tragen. (…) Als Schwellenwert erscheint hier unter Berücksichtigung der geringeren Schutzbedürftigkeit von Unternehmern gegenüber Verbrauchern ein Betrag in zehnfacher Höhe des Basistarifs geeignet, welcher im vorliegenden Fall 501,70 Euro beträgt.“

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: AG München, Pressemitteilung vom 25.03.2022 zum Urteil 113 C 23543/20 vom 14.05.2021 (rkr)