Wichtige Entscheidung des Finanzgerichts Münster
Das Finanzgericht Münster hat mit Urteilen vom 14. November 2024 (Az. 3 K 906/23 F und 3 K 908/23 F) entschieden, dass Grundstücke mit im Bau befindlichen Gebäuden trotz einer geplanten Vermietung nicht als Verwaltungsvermögen im Sinne von § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG gelten. Diese Urteile, die sich auf Schenkungssteuerfälle beziehen, haben wegweisenden Charakter und sind nun Gegenstand von Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (Az. II R 37/24 und II R 38/24).
Hintergrund der Verfahren
Die Kläger, zwei Brüder, erhielten jeweils zur Hälfte Anteile an einer GmbH & Co. KG von ihrem Vater geschenkt. Die Gesellschaft war Eigentümerin zweier Grundstücke, auf denen sich im Zeitpunkt der Schenkung im Bau befindliche Gebäude befanden. Diese wurden nach Fertigstellung ab 2020 als Ferienwohnungen vermietet, wobei eine externe Firma mit der Vermietung und weiteren Leistungen wie Werbung, Abrechnungen und Hausmeistertätigkeiten beauftragt wurde.
Das Finanzamt betrachtete die Grundstücke zum Stichtag der Schenkung jedoch als Verwaltungsvermögen, da die beabsichtigte Vermietung keine originär gewerbliche Tätigkeit darstelle.
Die Kläger argumentierten, dass zum Stichtag keine Nutzung durch Dritte vorlag und die geplante gewerbliche Nutzung über eine reine Vermögensverwaltung hinausgehe.
Entscheidung des Finanzgerichts Münster
Das Gericht gab den Klagen der Brüder in vollem Umfang statt und stellte klar, dass die Grundstücke mit im Bau befindlichen Gebäuden zum Schenkungszeitpunkt kein Verwaltungsvermögen darstellten.
Begründung des Gerichts
- Kein Verwaltungsvermögen aufgrund fehlender tatsächlicher Nutzung:
Nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG gehört Verwaltungsvermögen unter anderem zu den Grundstücken, die an Dritte zur Nutzung überlassen werden. Im Schenkungszeitpunkt war jedoch keine Nutzung durch Dritte gegeben. Eine bloße Absicht zur zukünftigen Vermietung reicht nicht aus. - Wortlaut des Gesetzes:
Der Gesetzeswortlaut stellt ausdrücklich auf die tatsächliche Nutzungsüberlassung ab. Andere Regelungen wie § 13d Abs. 3 Nr. 1 oder § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1a ErbStG beziehen die beabsichtigte Nutzung explizit ein – nicht jedoch § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG. - Zweck der Steuerbefreiung:
Die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen dient dem Schutz von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Eine risikolose private Vermögensverwaltung, wie sie bei Grundstücksvermietung typischerweise vorliegt, soll davon ausgeschlossen sein. Bei im Bau befindlichen Gebäuden kann zum Stichtag jedoch nicht sicher festgestellt werden, ob eine gewerbliche Nutzung oder eine reine Vermögensverwaltung angestrebt wird. - Keine Analogie oder Gestaltungsmissbrauch:
Eine analoge Anwendung, die den abschließenden Katalog des Verwaltungsvermögens erweitern würde, ist unzulässig. Zudem stellt die Wahl des Übertragungsstichtags keinen Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO dar, da diese Entscheidung frei in der Hand von Schenker und Beschenktem liegt.
Ausblick und Bedeutung für die Praxis
Das Urteil des Finanzgerichts Münster bietet Steuerpflichtigen klare Orientierung bei der steuerlichen Bewertung von Grundstücken mit im Bau befindlichen Gebäuden:
- Kein Verwaltungsvermögen: Grundstücke im Bauzustand gelten nicht als Verwaltungsvermögen, wenn keine tatsächliche Nutzung durch Dritte vorliegt.
- Klarheit für Planungen: Steuerpflichtige können sich bei der Planung von Übertragungen auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Schenkung stützen.
Die anhängigen Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (Az. II R 37/24 und II R 38/24) könnten jedoch noch für weitere Klarstellungen sorgen.
Quelle: Finanzgericht Münster, Mitteilung vom 16.01.2025