Italienische Mindestverbrauchsteuer von 115 % auf Zigaretten führt zu Wettbewerbsverzerrungen

Die Mindestverbrauchsteuer von 115 %, die Italien auf Zigaretten erhebt, deren Preis niedriger ist als der von Zigaretten der gängigsten Preisklasse, ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Eine solche Verbrauchsteuer führt zu Wettbewerbsverzerrungen.

Die Richtlinie 2011/64/EU vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. L 176, S. 24) bestimmt, dass der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer für alle Zigaretten gleich sein müssen.

Mit einer im Jahr 2012 erlassenen Entscheidung legte die Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (Autonome Verwaltung der Staatsmonopole, AAMS) die Mindestverbrauchsteuer für Zigaretten, deren Kleinverkaufspreis niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse, auf 115 % des Grundbetrags fest.

Die italienische Gesellschaft Yesmoke Tobacco SpA, die Zigaretten zu einem niedrigeren Preis als dem der gängigsten Preisklasse herstellt und vertreibt, focht die Entscheidung der AAMS vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) an. Dieses Gericht war der Ansicht, dass mit der Entscheidung der AAMS de facto ein Mindestverkaufspreis für Tabakwaren eingeführt worden sei, was im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs stehe (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juni 2010, C-571/08, Kommission/Italien). Infolgedessen erklärte es die Entscheidung der AAMS für nichtig. Das Ministero dell’Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) und die AAMS haben gegen dieses Urteil beim Consiglio di Stato (Staatsrat) Berufung eingelegt.

Mit seiner Vorlage zur Vorabentscheidung fragt der Consiglio di Stato den Gerichtshof, ob nach der Richtlinie eine nationale Rechtsvorschrift zulässig ist, mit der keine für alle Zigaretten gleiche Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, sondern eine Mindestverbrauchsteuer, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.

In seinem Urteil vom 09.10.2014 weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Richtlinie die allgemeinen Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren festlegt und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sowie ein neutrales Wettbewerbsumfeld im Tabaksektor gewährleisten soll. Die Richtlinie sieht vor, dass auf alle Zigaretten (unabhängig von ihren Eigenschaften und ihrem Preis) eine globale Verbrauchsteuer zu erheben ist, die sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt: einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis berechneten Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer. Nach der Richtlinie müssen der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer für alle Zigaretten gleich sein. Den Mitgliedstaaten steht es frei, eine Mindestverbrauchsteuer auf Zigaretten zu erheben.

Der Gerichtshof betont, dass eine solche Mindestverbrauchsteuer eine Mindestschwelle für die Besteuerung darstellt, unterhalb deren es keine proportionale Kürzung der geschuldeten Steuer geben darf.

Machen die Mitgliedstaaten von der ihnen durch die Richtlinie eingeräumten Befugnis zur Einführung einer Mindestverbrauchsteuer Gebrauch, muss sich eine solche Regelung in den von der Richtlinie vorgegebenen Rahmen einfügen und darf ihren Zielen nicht zuwiderlaufen. Die Einführung von Mindestschwellen für die Besteuerung anhand der Eigenschaften oder des Preises der Zigaretten würde aber zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den verschiedenen Zigaretten führen und stünde im Widerspruch zu dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und ein neutrales Wettbewerbsumfeld zu gewährleisten.

Konkret haben die Zigaretten der gängigsten Preisklasse in Italien einen Kleinverkaufspreis von 210 Euro, wobei die globale Verbrauchsteuer 122,85 Euro beträgt. Gemäß der italienischen Regelung werden Zigaretten, deren Preis unter 210 Euro liegt, mit einer Mindestverbrauchsteuer von 141,28 Euro (115 % von 122,85 Euro) belegt (die Zahlenangaben gelten für je 1.000 Zigaretten).

Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die italienische Regelung ein System schafft, bei dem der für Zigaretten der gängigsten Preisklasse in Anwendung der globalen Verbrauchsteuer erhobene Betrag niedriger ist als die Mindestverbrauchsteuer auf die preisgünstigsten Zigaretten, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt und den Zielen der Richtlinie zuwiderläuft.

Er führt weiter aus, dass die Richtlinie das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bereits berücksichtigt, indem es darin u. a. heißt, dass die Höhe der Steuern ein wichtiger Faktor ist, der den Preis von Tabakwaren und folglich die Rauchgewohnheiten der Verbraucher beeinflusst. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Steuervorschriften ein wichtiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums von Tabakwaren und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellen. Sofern sich die nationalen Maßnahmen in den von der Richtlinie festgelegten Rahmen einfügen, hindert diese die Mitgliedstaaten somit nicht daran, mittels der Erhebung von Verbrauchsteuern die Nikotinsucht zu bekämpfen und ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass nach der Richtlinie eine nationale Rechtsvorschrift unzulässig ist, mit der keine für alle Zigaretten gleiche Mindestverbrauchsteuer, sondern eine Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 09.10.2014 zum Urteil C-428/13 vom 09.10.2014