Einführung
Die steuerliche Anerkennung von Verlusten bei Kapitalgesellschaften ist ein komplexes und oft umstrittenes Thema. Insbesondere bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft oder dem Ausfall von Regressansprüchen stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Verluste steuerlich anerkannt werden können. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen und relevanten Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH).
Verluste bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft
Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung
Bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft werden Verluste steuerlich anerkannt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind:
- Eindeutige Verlustentstehung: Der Verlust muss eindeutig und endgültig entstanden sein, z.B. durch die Insolvenz der Gesellschaft und den Ausfall von Forderungen.
- Nachweis des Verlusts: Es muss nachgewiesen werden, dass der Verlust tatsächlich eingetreten ist und nicht mehr ausgeglichen werden kann.
- Gesellschafterbürgschaft: Bei einer Gesellschafterbürgschaft bedarf es einer Gesamtbetrachtung, um die Einkünfteerzielungsabsicht zu prüfen. Eine solche Absicht fehlt nur dann, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausscheidet.
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 20.06.2023 (IX R 2/22) diese Grundsätze zur einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Zahlungen eines Gesellschafters aufgrund einer in Anspruch genommenen Bürgschaft bestätigt und konkretisiert.
Ausfall von Regressansprüchen
Sachlage im Besprechungsfall
Im besprochenen Fall war A Gesellschafter der B-GmbH, die bei der F-Bank Darlehen aufnahm, für die sich A selbstschuldnerisch verbürgte. Nach der Insolvenz der B-GmbH wurde A in Anspruch genommen und leistete Zahlungen an Banken und die Insolvenzmasse, um Restforderungen zu tilgen. A machte diese Verluste in seiner Einkommensteuererklärung geltend.
Grundsätze und Entscheidung
Der BFH bestätigte, dass A einen steuerlich anzuerkennenden Verlust aus der Bürgschaft erlitten hat. Bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht ist eine Gesamtbetrachtung von Beteiligung und Bürgschaft/Regressforderung notwendig. Entscheidend ist, dass die gesamten Einkünfte aus der Beteiligung, einschließlich Wertsteigerungen und Ausschüttungen, berücksichtigt werden.
Von einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht ist nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausgeschlossen ist. Die wertlosen Regressforderungen stellen nachträgliche Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Bürgschaften dar.
Praxishinweis
Der BFH hat klargestellt, dass bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 EStG jede Kapitalanlage getrennt zu beurteilen ist, jedoch eine Gesamtbetrachtung von Beteiligung und Bürgschaft/Regressforderung erforderlich ist. Von einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht ist auch ohne Vereinbarung einer Bürgschaftsprovision nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausscheidet.
Wenn der Ausfall der Regressforderung aus einer stehen gelassenen Bürgschaft im Rahmen des § 17 Abs. 1 und 4 EStG keine Berücksichtigung findet, kann der Verlust dennoch im Rahmen des § 20 Abs. 8 EStG geltend gemacht werden.
Weitere relevante Urteile
Beschränkung des Verlustabzugs bei Anteilsübertragungen
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 24.04.2024 (IV R 27/21) festgestellt, dass die Beschränkung des Verlustabzugs nach § 8c KStG nicht auf verrechenbare Verluste nach § 15a EStG anwendbar ist. Ein schädlicher Beteiligungserwerb von über 50 % führt demnach nicht zum Verlust der verrechenbaren Verluste, die einer Kapitalgesellschaft als KG-Mitunternehmerin zugerechnet werden.
Anwendung der Grundsätze
Entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung kann der Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG nur Verluste betreffen, die auf Ebene der Körperschaft entstanden sind. Verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG entstehen jedoch auf Ebene der Körperschaft und werden dort festgestellt, weshalb sie nicht unter § 8c KStG fallen.
Schlussfolgerung
Die steuerliche Anerkennung von Verlusten bei Kapitalgesellschaften erfordert eine sorgfältige Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen und eine klare Nachweisführung. Die aktuelle Rechtsprechung des BFH bietet hierbei wichtige Orientierungshilfen. Insbesondere die Berücksichtigung von Bürgschaftsverlusten und die Anwendung der Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG bedürfen einer genauen Betrachtung und Interpretation der gesetzlichen Regelungen.
Für eine detaillierte und fallbezogene Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Quellen:
- BFH, Urt. v. 20.06.2023 – IX R 2/22
- BFH, Urt. v. 24.04.2024 – IV R 27/21
- § 8c KStG
- § 15a EStG
- § 20 EStG
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