Mit einer wegweisenden Entscheidung hat das Amtsgericht München (Urteil vom 05.06.2024, Az. 158 C 24118/23) klargestellt, dass die Installation von Photovoltaikanlagen unter bestimmten Voraussetzungen dem Nullsteuersatz nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG unterliegt. Damit können viele private Betreiber von Solaranlagen ihre gezahlte Umsatzsteuer zurückfordern – vorausgesetzt, die Anlage wurde nach dem 01.01.2023 fertiggestellt.
Hintergrund des Falls
Ein Kläger hatte im Juli 2022 eine Photovoltaikanlage für sein privates Wohnhaus in Auftrag gegeben. Der Vertrag umfasste die Planung, Montage und Inbetriebnahme der Anlage sowie alle notwendigen Zusatzleistungen. Während die Module bereits im September 2022 montiert wurden, erfolgten der Einbau des Wechselrichters erst Ende 2022 und die abschließende Inbetriebnahme im Mai 2023.
Der Kläger zahlte im Jahr 2022 insgesamt 3.021 Euro Umsatzsteuer, forderte jedoch eine Rückerstattung, da die Anlage erst 2023 vollständig fertiggestellt wurde und damit unter den seit dem 01.01.2023 geltenden Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen fällt. Die beklagte Installationsfirma sah dies anders und verweigerte die Rückzahlung.
Urteil des Amtsgerichts München
Das Amtsgericht München gab dem Kläger Recht. Nach Ansicht des Gerichts unterliegt die gesamte Installation der Photovoltaikanlage dem Nullsteuersatz, da die Abnahme und der Netzanschluss der Anlage erst im Mai 2023 erfolgten. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem der Kunde die betriebsbereite und funktionsfähige Anlage erhielt.
Kernaussagen des Gerichts:
- Einheitlichkeit der Leistung: Planung, Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage sind als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang zu beurteilen. Die Leistung darf nicht künstlich in einzelne Elemente aufgespalten werden.
- Zeitpunkt der Leistungserbringung: Eine Montage- oder Werkleistung gilt als ausgeführt, wenn die Verfügungsmacht über den geschuldeten Gegenstand vollständig auf den Kunden übergeht. Das ist bei Photovoltaikanlagen regelmäßig erst nach der Abnahme und dem Anschluss an das Stromnetz der Fall.
- Relevanz des Netzanschlusses: Im vorliegenden Fall war die Abnahme der Anlage mit dem Netzanschluss am 08.05.2023 verbunden. Erst ab diesem Zeitpunkt stand die Funktionsfähigkeit der Anlage fest.
Auswirkungen für Betreiber von Photovoltaikanlagen
Für Betreiber, deren Anlage erst nach dem 01.01.2023 vollständig fertiggestellt wurde, kann dieses Urteil erhebliche finanzielle Vorteile bringen. Sie können die gezahlte Umsatzsteuer vom Installateur zurückfordern, sofern dieser die Regelung nicht automatisch berücksichtigt hat.
Das sollten Sie beachten:
- Prüfen Sie das Datum der Fertigstellung Ihrer Anlage: Entscheidend ist der Zeitpunkt des Netzanschlusses und der Abnahme durch den Netzbetreiber.
- Beantragen Sie eine Rückerstattung: Wurde die Anlage nach dem 01.01.2023 fertiggestellt, sollten Sie Ihre Ansprüche beim Installateur geltend machen.
- Klären Sie Zweifelsfälle: Bei Streitigkeiten lohnt es sich, rechtlichen Beistand hinzuzuziehen, um Ihre Ansprüche durchzusetzen.
Rechtliche Unsicherheit: Urteil nicht rechtskräftig
Das Urteil des Amtsgerichts München ist derzeit nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob eine höhere Instanz den Fall anders bewertet. Dennoch gibt das Urteil eine klare Richtung vor, wie die Regelungen zum Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen auszulegen sind.
Fazit
Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, die steuerlichen Regelungen zu Photovoltaikanlagen genau zu kennen. Für Anlagen, die erst 2023 fertiggestellt wurden, besteht eine gute Chance, bereits gezahlte Umsatzsteuer zurückzufordern. Klären Sie Ihren individuellen Fall frühzeitig und sichern Sie sich mögliche finanzielle Vorteile.