Nebeneinander ausgeübte gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit eines Krankengymnasten

Die Klägerin betreibt seit 2001 eine eigene Praxis für Krankengymnastik. Die Klägerin be-schäftigte in den Streitjahren jeweils 4 bis 5 festangestellte Mitarbeiter, die jeweils 20 bis 30 Wochenstunden tätig waren. Im Jahr 2007 kam es in der Praxis zu einer erheblichen Auf-tragszunahme. Diese war von der Klägerin mit ihren angestellten Mitarbeitern alleine nicht zu bewältigen, so dass die Klägerin in den Streitjahren 2007 bis 2009 zusätzlich jeweils 3 bis 4 Honorarkräfte beschäftigte. Die Praxis verfügte in den Streitjahren über 4 zugelassene Behandlungsräume, wovon ein Raum ausschließlich von der Klägerin genutzt wurde.
Das Finanzamt behandelte die gesamten Einkünfte der Klägerin aus ihrer Praxis als ge-werbliche Einkünfte. Nach dem Umfang der Fremdleistungen – Gesamtumsatz rund 300 T€; Aufwand für Honorarkräfte 100 T€; Personalkosten über 50 T€ – liege keine eigenverant-wortliche Tätigkeit der Klägerin mehr vor. Da somit weit über die Hälfte der Leistungen nicht unmittelbar von der Klägerin erbracht würden, könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass sämtliche Leistungen den vom Bundesfinanzhof (BFH) geforderten „Stempel der Per-sönlichkeit“ der Klägerin trügen.
Die hiergegen erhobene Klage war nur zum Teil erfolgreich. In seinem Urteil führt der 3. Senat aus, dass eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tä-tigkeit eines Krankengymnasten nur vorliege, wenn er – hinausgehend über Erstgespräch, gelegentliche Kontrollen und Abrechnungskontrolle – bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss nehme und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwi-schenzeitliche Kontrollen durchführe. Allerdings könne ein Krankengymnast nebeneinander sowohl eine gewerbliche (als Praxisinhaber) als auch und eine freiberufliche Tätigkeit (als selbst Behandelnder) ausüben. Die Tätigkeiten seien steuerlich getrennt zu behandeln, wenn eine Trennung z. B. nach den einzelnen behandelten Patienten ohne besondere Schwierigkeiten möglich sei oder der Umfang der Tätigkeit anhand bekannter Daten ge-schätzt werden könne. In dem entschiedenen Fall kam der 3. Senat unter Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass in den Streitjahren jeweils ein freiberuflicher Anteil von 25% des Gesamtgewinns als am wahrscheinlichsten anzunehmen sei.

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 3 K 80/13
Urteil des Senats vom 10.09.2013
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: VIII B 126/13
Normen: EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, GewStG § 2 Abs. 1, AO § 122 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz: 1. Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit eines Krankengymnasten liegt nur vor, wenn er – hinausgehend über Erstgespräch, gelegentliche Kontrollen und Abrechnungskontrolle – bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss nimmt und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwischenzeitliche Kontrollen durchführt.
2. Ein Krankengymnast kann nebeneinander eine gewerbliche (als Praxisinhaber) und eine freiberufliche Tätigkeit (als selbst Behandelnder) ausüben. Die Tätigkeiten sind steuerlich getrennt zu behandeln, wenn eine Trennung z. B. nach den einzelnen behandelten Patienten ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist oder der Umfang der Tätigkeit anhand bekannter Daten geschätzt werden kann.
Überschrift: Gewerbesteuer/Einkommensteuer: Nebeneinander ausgeübte gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit eines Krankengymnasten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Krankengymnastin mit eigener Krankengymnastik-Praxis in den Jahren 2007 bis 2009 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG erzielt hat und sie demensprechend der Gewerbesteuer unterliegt.
I.
1. Die Klägerin ist gelernte Krankengymnastin; seit dem Jahr 2001 führt sie ihre eigene Praxis für Krankengymnastik. In ihrer Praxis bietet die Klägerin folgende Therapien an: … Die Klägerin besitzt das für die Anwendung der Therapien … und … erforderliche Zertifikat. Alle in der Praxis angebotenen Therapien werden von der Klägerin selbst angewendet, mit Ausnahme der … Therapie.
2. Die Klägerin beschäftigte in den Streitjahren jeweils 4 bis 5 festangestellte Mitarbeiter, die jeweils 20 bis 30 Wochenstunden tätig waren. Im Jahr 2007 kam es in der Praxis zu einer erheblichen Auftragszunahme. Diese war von der Klägerin mit ihren angestellten Mitarbeitern alleine nicht zu bewältigen, so dass die Klägerin in den Streitjahren zusätzlich jeweils 3 bis 4 Honorarkräfte beschäftigte.
Die Praxis verfügte in den Streitjahren über 4 zugelassene Behandlungsräume, wovon ein Raum ausschließlich von der Klägerin genutzt wurde.
3. Die Klägerin selbst war in den Streitjahren täglich ca. 10 Stunden pro Tag (an fünf Tagen pro Woche) tätig; jeweils am Sonnabend tätigte die Klägerin zusätzlich einen Hausbesuch.
4. Die Klägerin vergab die Behandlungstermine in den Streitjahren überwiegend selbst. Da es keine Rezeptionskraft gab, lief während der Behandlungszeiten ein Anrufbeantworter. Die Klägerin hörte den Anrufbeantworter so oft wie möglich ab und rief bei Bedarf die Anrufer zurück und vereinbarte Behandlungstermine. Es kam jedoch auch vor, dass Mitarbeiter der Klägerin Anrufe von Patienten entgegengenahmen/den Anrufbeantworter abhörten und Termine vergaben.
Bei der Terminvergabe ging die Klägerin in der Weise vor, dass sie zunächst versuchte, neue Patienten bei sich selbst unterzubringen. Falls dies nicht möglich war, teilte sie die Patienten einem anderen Therapeuten innerhalb ihrer Praxis zu.
Sofern sich die Gelegenheit ergab, sprach die Klägerin die Patienten, die sie nicht selbst behandelte, direkt auf den Therapieerfolg an. Zu Beginn jeder Therapie prüfte die Klägerin das von den Patienten vorgelegte Rezept; zum Ende der Therapie ließ sie sich von dem Therapeuten einen Therapiebericht vorlegen und prüfte, ob die erforderlichen Unterschriften des Patienten auf dem Rezept erbracht worden waren.
II.
1. Für 2007 erklärte die Klägerin in der am 06.02.2009 eingereichten Einkommensteuererklärung ihre Einkünfte als Krankengymnastin in Höhe von … € als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Einnahmen … €; Personalkosten … €; Ausgaben für Honorarkräfte … €).
2. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) wies die Klägerin und ihren Ehemann mit Schreiben vom 13.05.2009 (Einkommensteuerakte -ESt-A- Bl. 47) auf seine Absicht hin, die Einkünfte der Klägerin als gewerbliche Einkünfte zu behandeln. Zur Begründung führte das FA aus, nach dem Umfang der Fremdleistungen liege keine eigenverantwortliche Tätigkeit mehr vor (Gesamtumsatz … €; Aufwand für Honorarkräfte … €; Personalkosten über … €). Da somit weit über die Hälfte der Leistungen nicht unmittelbar von der Klägerin erbracht würde, könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass sämtliche Leistungen den vom Bundesfinanzhof (BFH) geforderten „Stempel der Persönlichkeit“ der Klägerin trügen.
Der durch die Klägerin am 08.12.2008 bevollmächtigte (Einzel-)Steuerberater (Berater) nahm mit Schreiben vom 12.06.2009 zu der beabsichtigten Einkunftsumqualifizierung Stellung (ESt-A Bl. 48). Er führte aus, unter Berücksichtigung der jeweils von den Honorarkräften, den angestellten Mitarbeitern und der Klägerin selbst erwirtschafteten Gewinne trage die Arbeitsleistung der Klägerin zusammen mit ihren angestellten Mitarbeitern auf jeden Fall den „Stempel der Persönlichkeit“ (in 2007 … € Umsatz bzw. … € Gewinn der Klägerin durch die Honorarkräfte, … € Umsatz bzw. … € Gewinn der Klägerin durch die angestellten Mitarbeiter sowie … € „direkter Umsatz und Gewinn“ der Klägerin; in 2008 … € Umsatz bzw. … € Gewinn der Klägerin durch die Honorarkräfte, … € Umsatz bzw. … € Gewinn der Klägerin durch die angestellten Mitarbeiter sowie … € „direkter Umsatz und Gewinn“ der Klägerin).
Ergänzend erläuterte der Berater, die Klägerin habe, nachdem sie ab dem Jahr 2007 aufgrund der erheblichen Auftragszunahme Honorarkräfte hinzugezogen habe, im Verlauf des Jahres 2008 festgestellt, dass sich dieses Konzept mit dem verstärkten Einsatz von Fremdarbeiten nicht bewährt habe. Den erhöhten Koordinationsaufwand, der von der Klägerin wegen der Honorarkräfte zu bewältigen gewesen sei, habe sie
nicht mehr leisten können. Sie habe weiterhin festgestellt, dass die Behandlungsqualität unter dieser Organisationsform gelitten habe. Das Konzept mit den zusätzlichen Honorarkräften habe sich auch deshalb nicht bewährt, da sie, die Klägerin, die Eigenverantwortung für den Therapieverlauf der Patienten habe behalten wollen. Sie habe sich daraufhin im Laufe des Jahres 2008 von mehreren Honorarkräften getrennt.
Am 02.07.2009 erließ das FA den Bescheid für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag (… €) und den Bescheid für 2007 über die Gewerbesteuer (… €), der zusätzlich die Festsetzung von Vorauszahlungen für die Erhebungsjahre 2009 und 2010 enthielt. Am selben Tag ergingen die Bescheide für 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen (… €) sowie über die Gewerbesteuer für Zwecke der Vorauszahlungen (… €).
3. Für 2008 erklärte die Klägerin in der am 01.03.2010 eingereichten Einkommensteuererklärung die Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Krankengymnastin in Höhe von … € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Einnahmen … €; Personalkosten … €; Ausgaben für Honorarkräfte … €). Am 17.02.2010 reichte sie „unter Vorbehalt“ eine entsprechende Gewerbesteuererklärung ein.
Die Bescheide für 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag (… €) und über die Gewerbesteuer (… €) ergingen am 10.08.2010.
4. Für 2009 erklärte die Klägerin in der am 04.03.2011 eingereichten Einkommensteuererklärung die Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Krankengymnastin in Höhe von … € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Einnahmen … €; Personalkosten … €; Ausgaben für Honorarkräfte … €). Am gleichen Tag reichte sie „unter Vorbehalt“ eine entsprechende Gewerbesteuererklärung ein.
Die Bescheide für 2009 über den Gewerbesteuermessbetrag (… €) und über die Gewerbesteuer (… €) ergingen am 29.04.2011.
III.
1. Gegen den „Gewerbesteuerbescheid 2007 vom 02.07.2009 und die Vorauszahlungen für Gewerbesteuer 2008/2009“ legte die Klägerin am 30.07.2009 jeweils Einspruch ein (Gewerbesteuerakte -GewSt-A- Bl. 8) und wandte sich gegen die vorgenommene Qualifizierung der Einkünfte als gewerbliche Einkünfte. Am 19.10.2009 zeigte die am 17.08.2009 durch die Klägerin und ihren Ehemann bevollmächtigte Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät (Sozietät) gegenüber dem FA an, die rechtlichen Interessen der Klägerin in dem Einspruchsverfahren zu vertreten (ESt-A Bl. 63). Mit Schreiben vom 10.11.2009 übersandte die Sozietät dem FA die auf sie lautende Vollmacht (ESt-A vor Bl. 1).
2. Nachdem das FA die Klägerin und die Sozietät mehrfach erfolglos um die Begründung der Einsprüche für 2007 und 2008 gebeten hatte, wies das FA die Einsprüche vom 30.07.2009 (oben 1.) mit Einspruchsentscheidung vom 26.05.2010 als unbegründet zurück (GewSt-A Bl. 12). Die Einspruchsentscheidung wurde am 27.05.2010 per einfachen Brief an die Sozietät zur Post gegeben.
3. Gegen die Bescheide für 2009 über den Gewerbesteuermessbetrag und über die Gewerbesteuer vom 29.04.2011 legte die Klägerin am 05.05.2011 durch ihren
Berater jeweils Einspruch unter Hinweis auf ein noch schwebendes Einspruchsverfahren ein (GewSt-A Bl. 29).
4. Betreffend 2009 wies das FA mit Schreiben vom 11.05.2011 den Berater darauf hin, dass es derzeit kein schwebendes Verfahren gebe, da die Einsprüche gegen den Gewerbesteuerbescheid 2007 sowie den Vorauszahlungsbescheid 2008 mit Einspruchsentscheidung vom 26.05.2010 als unbegründet zurückgewiesen worden seien (GewSt-A Bl. 30).
Daraufhin wies das FA den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbetrag 2009 mit Einspruchsentscheidung vom 24.06.2011 als unbegründet zurück (GewSt-A Bl. 31). Zur Begründung nahm das FA Bezug auf das vorgenannte Schreiben. Die Einspruchsentscheidung vom 24.06.2011 wurde am selben Tag per einfachen Brief an den Berater zur Post gegeben.
5. Mit Schreiben vom 28.06.2011 wandte sich die Sozietät an das FA und teilte mit, sie habe über ihre Mandantschaft erfahren, dass eine Einspruchsentscheidung unter dem 26.05.2010 ergangen sei, mit der die Einsprüche der Klägerin vom 30.07.2009 gegen den Gewerbesteuerbescheid 2007 und den Vorauszahlungsbescheid 2008 vom 02.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen worden seien (GewSt-A Bl. 31a). Eine solche Entscheidung habe ihre Kanzlei nicht erreicht. Sie bitte daher um Übersendung der entsprechenden Einspruchsentscheidung an ihre Kanzleianschrift. Der guten Ordnung halber weise sie darauf hin, dass sie als Rechtsanwalts- und Steuerkanzlei ein lückenloses Posteingangsbuch führe und somit Beweis antreten könne, dass das vermeintliche Schreiben des FA sie zu dem genannten Zeitpunkt nicht erreicht habe. Höchst vorsorglich werde Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt.
6. Am 06.07.2011 übersandte das FA die Einspruchsentscheidung vom 26.05.2010 betreffend 2007 und 2008 (oben III. 2) unter Abänderung des ursprünglichen Datums auf den 06.07.2011 per Postzustellungsurkunde an die Sozietät (GewSt-A Bl. 36). Obwohl am 10.08.2010 Bescheide für 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag und über die Gewerbesteuer erlassen worden waren (oben II. 3.), nahm das FA keine entsprechende Änderung/Anpassung der Einspruchsentscheidung vor. Die Einspruchsentscheidung wurde der Sozietät am 08.07.2011 zugestellt (GewSt-A Bl. 37).
IV.
Die Klägerin hat am 27.07.2011 gegen die Bescheide für 2009 über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer vom 29.04.2011 Klage erhoben (Az.: 5 K 182/11). Am 03.08.2011 hat sie gegen die Bescheide für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer vom 02.07.2009 sowie die Vorauszahlungsbescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer ab 2008 vom 02.07.2009 Klage erhoben (Az.: 5 K 189/11). Das Gericht hat die Verfahren mit Beschluss vom 26.10.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Nachdem die Klägerin ihre Klage bzgl. der Folgebescheide Gewerbesteuer 2007 und 2009 zurückgenommen hat, hat das Gericht mit Beschluss vom 10.06.2013 das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt (Az.: 3 K 112/13).
Die Klägerin hat zur Begründung der Klage in der schriftlichen Klagebegründung vom 14.10.2011 zunächst vorgetragen (Finanzgerichtsakte – FG-A – Bl. 38 ff.):
Bei ihrer Praxis handele es sich um eine kleine, allenfalls mittlere physiotherapeutische Praxis. Sie, die Klägerin, verfüge über eine Zulassung nach § 124 SGB V. Mithin dürfe sie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte behandeln und mit den Krankenkassen abrechnen. Sie habe die Heilmittelrichtlinie inklusive des verpflichtenden Heilmittelkatalogs zu beachten. Zudem sei sie grundsätzlich an die ärztliche Verordnung gebunden, wobei sie verpflichtet sei, die ärztliche Verordnung auf Vollständigkeit und Vereinbarkeit mit den Heilmittelrichtlinien und dem Indikationskatalog zu überprüfen. Dies bedeute, dass sie, bereits um ihren Vergütungsanspruch abzusichern, jede ärztliche Verordnung inhaltlich und formell überprüfen müsse. Sie sei verpflichtet, sich permanent einen Überblick über den eigenen Praxisablauf zu verschaffen. Sie habe dafür Sorge zu tragen, dass jede physiotherapeutische Leistung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich erbracht werde. Sie sei zur Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen verpflichtet und habe sicherzustellen, dass nur das verordnete Heilmittel angewendet und die Behandlung gemäß Leistungsbeschreibung durchgeführt werde. Sie habe die Dokumentation des Behandlungsverlaufes sicherzustellen und sei verpflichtet, eine Verlaufsdokumentation zu führen und diese kontinuierlich je Behandlungseinheit fortzuschreiben. Jeder Neupatient, der bisher nicht in ihrer Praxis behandelt worden sei, werde zuerst von ihr begutachtet. Die physiotherapeutische Befundung erfolge ausschließlich durch sie. Auf der Grundlage dieser Befundung ordne sie die Patienten den einzelnen Therapeuten im Rahmen der klaren Vorgaben zu.
In dem Erörterungstermin am 10.06.2013 (FG-A Bl. 81) hat die Klägerin ihren Vortrag wie folgt ergänzt:
In den Streitjahren habe sie jeweils vier bis fünf angestellte Mitarbeiter (mit jeweils 20 bis 30 Wochenstunden) sowie drei bis vier Honorarkräfte beschäftigt. Zwar könne sie die durchschnittliche tägliche Patientenzahl aus dem Kopf nicht nennen; diese könne aber anhand folgender Daten rechnerisch ermittelt werden: Man könne von einer täglichen Behandlungszeit von 36 Stunden (10 Stunden/Tag x 4 Behandlungsräume abzgl. 4 Stunden Mittagspause), einer für Hamburg üblichen Auslastungsquote von 80 % sowie einer Taktung von 5 Terminen in 2 Stunden ausgehen.
Sie habe in den Streitjahren in der Regel, also nicht ausschließlich, die telefonische Erst-Terminvergabe übernommen und dabei den Patienten u. a. nach der Diagnose und insbesondere dem vom Arzt in dem Rezept eingetragenen Indikationsschlüssel gefragt und sodann den Patienten entweder selbst behandelt oder einem ihrer Mitarbeiter/einer Honorarkraft zugewiesen. Es sei aber auch vorgekommen, dass einer ihrer Mitarbeiter die telefonische Erst-Terminvergabe vorgenommen habe. Nach dem ersten Termin eines neuen Patienten bei einem Mitarbeiter/einer Honorarkraft habe sie, die Klägerin, sich in der Regel bei dem jeweiligen Therapeuten nach dem Verlauf des Termins und den Wünschen/Erwartungen des Patienten und des Therapeuten erkundigt. Bei Problemen habe sie versucht, die Patienten selbst zu behandeln.
Die Klägerin ist unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 08.10.2008 VIII R 53/07 (BFHE 223, 272, BStBl II 2009, 143), wonach die Aufteilung in freiberufliche und gewerbliche Einkünfte bei gleichartiger Tätigkeit nicht ausgeschlossen sei, der
Meinung, dass zumindest die von ihr persönlich erzielten Gewinne nicht gewerbesteuerpflichtig seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Gewerbesteuermessbescheide für 2007 vom 02.07.2009 und für 2008 vom 10.08.2010, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung (zuletzt) vom 06.07.2011, sowie den Gewerbesteuermessbescheid für 2009 vom 29.04.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.06.2011 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidungen vom 26.05.2010 und 24.06.2011 Bezug und trägt ergänzend vor (FG-A Bl. 56 ff., 90):
Bereits aus den hohen Ausgaben für Honorarkräfte sowie Personal in Höhe von mehr als der Hälfte des Umsatzes könne gefolgert werden, dass die Klägerin zwar leitend aber nicht mehr eigenverantwortlich tätig gewesen sei. Der Vortrag des Beraters im Schreiben vom 12.06.2009 (oben II. 2.) könne nur so gedeutet werden, dass die Klägerin die Behandlung ihres Personals bzw. der Honorarkräfte nicht mehr habe hinreichend kontrollieren können bzw. keinen hinreichenden Einblick in die jeweilige Behandlung gehabt habe und somit der vom BFH geforderte „aufgedrückte Stempel“ der Klägerin gefehlt habe. Hätte die Klägerin tatsächlich das Maß an Einsicht in die Behandlungen gehabt, welches sie behaupte, hätte eine Qualitätseinbuße nicht eintreten können. Der Vortrag, sie habe den Einsatz von Honorarkräften Mitte 2008 reduziert, weil sie die Eigenverantwortung für den Therapieverlauf habe behalten wollen, sei nur dann sinnvoll, wenn die Klägerin die Eigenverantwortung über den Therapieverlauf bereits verloren gehabt oder dieses Stadium nahezu bevorgestanden habe. Es werde bezweifelt, dass die Klägerin – wie vorgetragen – über sämtliche Behandlungen aller Patienten dauerhaft im Bilde gewesen sei. Bei einer unterstellten durchschnittlichen Behandlungsdauer von 30 Minuten in drei Behandlungsräumen sei davon auszugehen, dass mind. 30 Patienten täglich behandelt worden seien. Es erscheine unrealistisch, dass die Klägerin neben den von ihr selbst behandelten Patienten auch noch die durch die angestellten Physiotherapeuten bzw. Honorarkräfte betreuten Patienten überwacht habe.
Die Aussage der Klägerin im Erörterungstermin, sie habe grundsätzlich von ihr nicht persönlich behandelte neue Patienten nach der ersten Sitzung mit dem behandelnden Mitarbeiter besprochen und sich über die Ziele des Patienten bzw. die des Mitarbeiters informiert und ggf. bei Schwierigkeiten die Behandlung selbst übernommen, werde bestritten. Auf der Grundlage der von der Klägerin generierten Umsätze im Verhältnis zu den durch die bis zu neun Mitarbeiter erwirtschafteten Umsätze (2007: Klägerin … €, Mitarbeiter … €, 2008: Klägerin … €, Mitarbeiter … €) sei dieser Vortrag nicht glaubhaft. Aus diesen Umsätzen ergebe sich, dass die Praxisauslastung weit oberhalb des im Erörterungstermin vorgetragenen Hamburger Durchschnitts von 80 % gelegen habe. Damit sei der Klägerin schon gar nicht genügend Zeit verblieben, grundsätzlich – d. h. von Ausnahmen abgesehen – alle neuen Patienten ihrer Mitarbeiter zu besprechen.
Die Tätigkeit der Klägerin lasse sich nicht in einen gewerblichen und einen freiberuflichen Teil aufspalten. Ihre eigene Behandlungstätigkeit sei zeitlich und räumlich vermischt mit der Behandlungstätigkeit durch die Mitarbeiter/Honorarkräfte.
Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die von dem Berater in seinem Schriftsatz vom 08.12.2008 (oben A. II. 2.) genannten Umsätze und Umsatzanteile nicht nachprüfbar seien, da keine entsprechenden Belege vorgelegt worden seien.
V.
1. Zu dem Erörterungstermin am 10.08.2013 sind weder die Klägerin, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden war (FG-A Bl. 91R), noch ein Prozessbevollmächtigter der Klägerin erschienen. Auf telefonische Rückfrage durch die Berichterstatterin teilte ein Angestellter der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass der die Klage bearbeitende Rechtsanwalt kurzfristig erkrankt sei (FG-A Bl. 101).
2. Die Empfangsbekenntnisse zu den Ladungen zu den Erörterungsterminen am 10.06.2013 und 13.08.2013 sowie zur mündlichen Verhandlung am 10.09.2013 sind seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin trotz wiederholter Mahnungen (FG-A Bl. 94R) nicht an das Gericht übersandt worden.
3. Das Gericht hat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.08.2013 eine Ausschlussfrist gemäß § 79b Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 29.08.2013 gesetzt, um das Posteingangsbuch im Original für den Zeitraum 27.05.2010 bis zum 07.06.2010 vorzulegen (FG-A Bl. 102).
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben auf die Ausschlussfristsetzung nicht reagiert.
4. Nach fristgerechter Ladung der Klägerin und der Prozessbevollmächtigten der Klägerin jeweils mit Postzustellungsurkunde (FG-A Bl. 115 und 116) und mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung bei Ausbleiben haben weder die Klägerin noch ein Prozessbevollmächtigter der Klägerin an der mündlichen Verhandlung teilgenommen (FG-A Bl. 118). Ein Angestellter der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hatte zwei Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung telefonisch mitgeteilt, dass der die Klage bearbeitende Rechtsanwalt kurzfristig erkrankt sei. Auf den Hinweis des Vorsitzenden, eine Verlegung der mündlichen Verhandlung komme nur bei der Vorlage eines ärztlichen Attestes in Betracht; im Übrigen sei der Streitfall nicht so kompliziert, dass die Vertretung nicht durch einen anderen Rechtsanwalt der Sozietät wahrgenommen werden könne (FG-A Bl. 117), ist nicht reagiert worden (FG-A Bl. 122).
5. Es wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften der Erörterungstermine am 10.06.2013 (FG-A Bl. 78 ff.) und am 13.08.2013 (FG-A Bl. 100 f.) sowie der mündlichen Verhandlung am 10.09.2013 (FG-A Bl. 118 ff.) sowie auf die oben angeführten Unterlagen und die damit zusammenhängenden Vorgänge aus der FG-A und den folgenden Steuerakten:
– Band IV der Einkommensteuerakten (St.-Nr. …/…/…) und
– Band I der Gewerbesteuerakten (St.-Nr. …/…/…).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
I.
1. Die schriftsätzlich gestellten Klageanträge werden in der Weise ausgelegt, dass der Gewerbesteuerbescheid für 2008 als Folgebescheid nicht Klagegegenstand ist, da die Klägerin lediglich Mängel des Grundlagenbescheides (hier: Gewerbesteuermessbetrag 2008) geltend macht, so dass gem. § 42 FGO i. V. m. § 351 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) der Grundlagenbescheid anzufechten ist.
2. Die Klage ist hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide für 2007 und 2008 – ebenso wie für 2009 – fristgerecht innerhalb der einmonatigen Klagefrist (§ 47 Abs. 1 S. 1 FGO) beim Gericht eingegangen. Die Klagefrist beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 Abs. 1 S. 1 FGO). Die nochmalige Bekanntgabe einer bereits rechtswirksam bekannt gegebenen und damit bestandskräftigen Einspruchsentscheidung setzt keine erneute Klagefrist in Lauf (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 47 Rn. 5).
a. Der Senat geht davon aus, dass die Einspruchsentscheidung vom 26.05.2010 (oben A. III. 2) der Sozietät nicht bereits drei Tage nach der am 27.05.2010 erfolgten ersten Aufgabe zur Post (oben A. III. 2.), sondern erst infolge der Zustellung am 08.07.2011 bekanntgegeben worden ist (oben A. III. 6.).
Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Während derjenige Adressat, der einen verspäteten Zugang des Verwaltungsaktes geltend macht, durch substantiierte Erklärungen darlegen muss, dass er nicht rechtzeitig in den Besitz des Bescheides gekommen ist, um die Beweislast des FA zu begründen (BFH-Beschlüsse vom 14.02.2012 V S 1/12 (PKH), BFH/NV 2012, 979; vom 25.02.2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115; BFH-Urteile vom 06.09.1989 II R 233/85, BFHE 158, 297, BStBl II 1990, 108; vom 16.09.1986 IX R 61/81, BFHE 148, 104, BStBl II 1987, 435), muss derjenige Adressat, der – wie im Streitfall – bestreitet, dass ihm das Schriftstück überhaupt zugegangen ist, nicht substantiiert vortragen, warum ihn die Sendung nicht erreicht hat, weil er hierzu objektiv nicht in der Lage ist (BFH-Urteil vom 29.04.2009 X R 35/08, BFH/NV 2009, 1777; BFH-Beschluss vom 14.02.2008 X B 11/08, BFH/NV 2008, 743). Vielmehr hat das FA den Zugang des Verwaltungsaktes nachzuweisen.
b. Das FA hat den ihm obliegenden Nachweis des Zugangs vor dem 08.07.2011 nicht zu führen vermocht. Der Nachweis des Zugangs kann von dem FA nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises, der auf einen typischen, nicht aber auf den tatsächlichen Geschehensablauf abstellt, geführt werden (BFH-Beschlüsse vom 04.11.2008 I B 106/08, juris; vom 14.02.2008 X B 11/08, BFH/NV 2008, 743). Es gelten vielmehr die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises (BFH-Beschlüsse vom 15.04.2011 III B 200/10, BFH/NV 2011, 1291; vom 20.07.2006 VI B 151/05, juris; BFH-Urteil vom 12.03.2003 X R 17/99, BFH/NV 2003, 1031). Danach können bestimmte Verhaltensweisen des
Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Verwaltungsaktes im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO dahin gehend gewürdigt werden, dass – entgegen der Behauptung des Adressaten – ihm der Verwaltungsakt tatsächlich zugegangen ist (BFH-Beschlüsse vom 04.11.2008 I B 106/08, juris; vom 14.02.2008 X B 11/08, BFH/NV 2008, 743; BFH-Urteil vom 31.05.2005 I R 103/04, BFHE 209, 416, BStBl II 2005, 623).
Nach diesen Grundsätzen kann bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass der Sozietät die Einspruchsentscheidung vom 26.05.2010 bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der am 27.05.2010 erfolgten ersten Aufgabe zur Post zugegangen ist. Zwar hat sich die Sozietät im finanzgerichtlichen Verfahren als unzuverlässig erwiesen, indem sie die Empfangsbekenntnisse zu den Ladungen zu den Erörterungsterminen und zur mündlichen Verhandlung trotz wiederholter Mahnung nicht zurückgesandt hat (oben A. V. 2.) und sowohl zu dem Erörterungstermin am 12.08.2013 als auch zu der mündlichen Verhandlung am 10.09.2013 unentschuldigt kein Prozessbevollmächtigter der Klägerin erschienen ist (oben A. V. 1. und A. V. 4.). Darüber hinaus hat die Sozietät trotz eigenen Beweisangebots gegenüber dem FA (oben A. III. 5.) und entsprechender gerichtlicher Aufforderung binnen der gesetzten Ausschlussfrist (oben A. V. 3.) das Posteingangsbuch für den Zeitraum 27.05.2010 bis zum 07.06.2010 nicht vorgelegt.
Dieses Verhalten, insbesondere dabei das unterlassene Vorlegen des Posteingangsbuches, ersetzt aber – wie das unterlassene Führen eines Fristenkontrollbuchs (vgl. BFH-Urteil vom 31.05.2005 I R 103/04, BFHE 209, 416, BStBl II 2005, 623) – nicht den Nachweis des Zugangs eines Verwaltungsaktes i. S. d. § 122 Abs. 2 AO. Es kann allenfalls die Indizien für einen Zugang verstärken. Indizien, die für einen Zugang der Einspruchsentscheidung vom 26.05.2010 bereits unmittelbar nach der ersten Aufgabe zur Post am 27.05.2010 sprechen, hat das FA jedoch nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere lassen sich aus dem weiteren Verhalten der Sozietät keine Anhaltspunkte gewinnen, die darauf hinweisen könnten, sie habe die Einspruchsentscheidung vom 27.05.2010 tatsächlich bereits vor dem 08.07.2011 erhalten. Zwar teilte die Sozietät mit Schriftsatz vom 28.06.2011 dem FA mit, sie habe erfahren, dass am 26.05.2010 eine Einspruchsentscheidung betreffend 2007 und 2008 ergangen sei, wobei diese die Kanzlei jedoch nicht erreicht habe (oben A. III. 5.). Diese Mitteilung stand aber im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der am 24.06.2011 an den Berater versandten Einspruchsentscheidung vom 24.06.2011, mit der das FA die Einsprüche betreffend 2009 unter Hinweis auf den Schriftsatz vom 11.05.2011 zurückwies, in dem es auf die Einspruchsentscheidung vom 26.05.2010 hingewiesen hatte (oben A. III. 4.).
3. Der Gewerbesteuermessbescheid für 2008 vom 10.08.2010 ist Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Gewerbesteuermessbescheid 2008 hat den mit Einspruch der Klägerin vom 30.07.2009 (oben A. III. 1.) angefochtenen Bescheid für 2008 über die Gewerbesteuer für Vorauszahlungszwecke vom 02.07.2009 im Sinne von § 365 Abs. 3 S. 1 AO ersetzt und ist damit Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden (vgl. BFH-Urteil vom 23.04.2009 IV R 73/06, BFHE 225, 343, BStBl II 2010, 40). Zwar hat das FA ungeachtet dessen bei der erneuten Übersendung der Einspruchsentscheidung am 06.07.2011 weder das Rubrum der Einspruchsentscheidung entsprechend angepasst noch ist es inhaltlich auf den
zwischenzeitlich ergangenen Gewerbemessbescheid 2008 vom 10.08.2010 eingegangen (oben A. III. 6.). Darauf kommt es jedoch nicht an, da die Sachentscheidungsvoraussetzung der vorherigen erfolglosen Durchführung des außergerichtlichen Verfahrens gemäß § 44 FGO unabhängig davon erfüllt ist, ob über den Rechtsbehelf richtig oder falsch entschieden wurde (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 28.06.2007 3 K 237/06, EFG 2008, 768). Streitgegenstand der Klage ist wegen der Identität des Streitgegenstands im Einspruchs- und anschließendem Klageverfahren der Gewerbesteuermessbescheid für 2008 vom 10.08.2010 (vgl. BFH-Urteil vom 03.11.2011 V R 32/10, BFHE 236,228, BStBl II 2012, 525).
II.
Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit sie den Gewinnanteil aus der Tätigkeit der Klägerin als Praxisbetreiberin – mit ihren Mitarbeitern/Honorarkräften – betreffen (unten 1.). Insoweit hat das FA die von der Klägerin in den Streitjahren entfaltete Tätigkeit zu Recht als gewerblich i. S. d. § 15 EStG beurteilt; insoweit sind auch zu Recht Gewerbesteuermessbescheide ergangen.
Soweit die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide den von der Klägerin durch ihre persönliche, als freiberuflich i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu qualifizierende Tätigkeit am Patienten erwirtschafteten Gewinnanteil enthalten, sind sie rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (unten 2.). Die ausgeübten Tätigkeiten der Klägerin als gewerblich – mit ihren Mitarbeitern/Honorarkräften – tätige Praxisbetreiberin einerseits und als freiberuflich tätige Krankengymnastin andererseits sind entgegen der Ansicht des FA zu trennen (unten 3.).
1. Die Klägerin hat in den Streitjahren als Praxisinhaberin – mit ihren Mitarbeitern/Honorarkräften – gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 EStG erzielt und ist insoweit gewerbesteuerpflichtig.
a. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) unterliegt jeder im Inland betriebene stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit (im Sinne des Einkommensteuerrechts) anzusehen ist. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ist die selbständige Berufstätigkeit eines Krankengymnasten eine freiberufliche und damit keine gewerbliche Tätigkeit.
Dies gilt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch dann, wenn sich ein Angehöriger eines freien Berufes der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist dabei allerdings, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Wesentliches Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit zur Abgrenzung gegenüber der gewerblichen Tätigkeit ist die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers (BFH-Urteil vom 08.10.2008 VIII R 74/05, BFHE 223, 261, BStBl II 2009, 238).
aa. Unter Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte ist eine Tätigkeit zu verstehen, welche die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteile vom 04.07.2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53; vom 22.01.2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509; Urteil des FG Hamburg vom 27.05.2009 2 K 72/07, EFG 2009, 1651).
bb. Die Tatbestandsmerkmale leitend und eigenverantwortlich stehen selbständig nebeneinander mit der Folge, dass auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der unter anderem die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen vermag (BFH-Urteile vom 20.12.2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478; vom 30.09.1999 V R 56/97, BFHE 189, 569, DStR 2000, 18; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19.06.2007 6 K 10865/03, DStRE 2008, 337).
Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist (BFH-Urteile vom 26.01.2011 VIII R 29/08, BFH/NV 2011, 1314; vom 15.12.2010 VIII R 37/09, BFH/NV 2011, 1303; Urteil des FG Köln vom 24.10.2012 15 K 4041/10, juris). Insbesondere erschöpft sich die Eigenverantwortlichkeit nicht darin, dass der Berufsträger nach außen die Verantwortung für die Durchführung des einzelnen Auftrages trägt, da der Begriff eigenverantwortlich nicht die berufs- oder zivilrechtliche Verantwortlichkeit oder eine sonstige außersteuerrechtliche Verantwortlichkeit des Steuerpflichtigen meint (Urteil des FG Berlin vom 26.04.2001 4 K 4005/99, EFG 2001, 1311). Die Ausführung jedes einzelnen Auftrages muss vielmehr ihm selbst und nicht qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sein (BFH-Urteile vom 31.08.2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48; vom 05.06.1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681; 21.03.1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732). Die Arbeitsleistung muss den „Stempel der Persönlichkeit“ des betreffenden Berufsträgers tragen (BFH-Urteile vom 26.01.2011 VIII R 29/08 BFH/NV 2011, 1314; vom 05.06.1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681; BFH-Beschluss vom 31.08.2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48). Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn ein Krankengymnast sowohl die Anamnese als auch den Großteil der anfallenden Patientenbehandlungen den fachlich vorgebildeten Mitarbeitern selbstständig überlässt (BFH-Beschluss vom 31.08.2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48 sowie BFH-Urteil vom 20.12.2000 XI R 8/00, BFH/NV 2001, 858); denn ein Krankengymnast schuldet im Rahmen seiner Tätigkeit eine höchstpersönliche individuelle Arbeitsleistung am Patienten (Urteil des FG Münster vom 27.08.2003 7 K 2393/01 G, juris), wobei es erforderlich ist, dass er einen wesentlichen Teil der Pflegearbeiten selbst übernimmt (vgl. BFH-Urteil vom 22.01.2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 zum Krankenpfleger). Dabei kann ein eigenverantwortliches Tätigwerden auch dann angenommen werden, wenn der Berufsträger aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrollen maßgeblich auf die Behandlung bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt (BFH-Beschluss vom 27.01.2004 IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783 zum Krankenpfleger). Die bloße gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter bzw. die Kenntnisnahme, Kontrolle und Nachprüfung der Ergebnisse seiner Mitarbeiter ist hingegen nicht ausreichend (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.2000 XI
R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478; BFH-Beschluss vom 21.01.1999, XI B 126/96, BFH/NV 1999, 822).
b. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die Tätigkeit der Klägerin als Praxisbetreiberin – mit ihren Mitarbeitern/Honorarkräften – in den Streitjahren als gewerblich zu qualifizieren, da sie insoweit zwar leitend, aber nicht eigenverantwortlich tätig geworden ist.
aa. Aufgrund der schriftsätzlichen Angaben der Klägerin sowie ihrer Ausführungen im Erörterungstermin bestehen keine Zweifel daran, dass sie leitend tätig geworden ist.
bb. Nach der von der Klägerin vorgetragenen und im Erörterungstermin selbst geschilderten Arbeitsdurchführung ist während der Streitjahre eine eigenverantwortliche Behandlung der einzelnen Patienten nicht gewährleistet worden. Die Klägerin hat nicht – wie erforderlich (oben II. 1. a. bb.) – über Erstgespräch, gelegentliche Kontrollen und Abrechnungskontrolle hinausgehend bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss genommen und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwischenzeitliche Kontrollen durchgeführt.
aaa. Nach den glaubhaften eigenen Angaben der Klägerin sind von ihren Mitarbeitern/Honorarkräften ca. 54 (3 Räume zu 9 Stunden zu 80 % Auslastung; vgl. oben A. IV) Behandlungen bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 24 Minuten (5 Termine in 2 Stunden) durchgeführt worden, während sie selbst neben der Organisation eigene Behandlungen durchgeführt und einen Hausbesuch pro Woche vorgenommen hat. Bereits die Anzahl der arbeitstäglich von den Mitarbeitern/Honorarkräften behandelten Patienten begründet für die Streitjahre unwiderlegte Zweifel daran, dass die Klägerin – die durch eigene Behandlungen, die Organisation und den Hausbesuch gebunden war – Einfluss auf die Behandlung jedes einzelnen der durch die Mitarbeiter/Honorarkräfte behandelten Patienten genommen hat.
bbb. Insoweit ist es vor allem nicht als ausreichend anzusehen, dass die Klägerin – ihren diesbezüglichen Vortrag als wahr unterstellt – jede ärztliche Verordnung inhaltlich und formell überprüft, sich permanent einen Überblick über den eigenen Praxisablauf verschafft, Qualitätssicherungsmaßnahmen durchgeführt, die Dokumentation des Behandlungsverlaufes sichergestellt, eine Verlaufsdokumentation geführt sowie in der Regel die Terminsabstimmung mit den Patienten vorgenommen hat. Denn diese Tätigkeiten beinhalten im Wesentlichen die Wahrnehmung organisatorischer Aufgaben im Rahmen der Leitungsfunktion der Klägerin.
ccc. Die Anamnese und auch den Großteil der anfallenden Patientenbehandlungen hat die Klägerin in den Streitjahren ihren fachlich vorgebildeten Mitarbeitern selbständig überlassen. Den in der Klagebegründungsschrift vom 14.10.2011 enthaltenen Vortrag, jeder Neupatient, der bisher nicht in ihrer Praxis behandelt worden sei, werde zuerst von ihr, der Klägerin, begutachtet (oben A. IV.), hat die Klägerin im Erörterungstermin am 10.06.2013 zumindest im Hinblick auf die Streitjahre dahingehend relativiert, dass sie erklärte, im Rahmen der – regelmäßig von ihr vorgenommenen – telefonischen Erstterminvereinbarung habe sie die Patienten nach der ärztlichen Diagnose und dem Indikationsschlüssel gefragt und anschließend die Zuordnung zu sich selbst oder für den Fall, dass sie selbst keine Patienten mehr habe übernehmen können, zu einem Therapeuten innerhalb ihrer
Praxis vorgenommen. Eine weitergehende Untersuchung/Befundung durch sie an denjenigen Patienten, die von Mitarbeitern/Honorarkräften behandelt wurden, sei nicht erfolgt. Diese von der Klägerin vorgetragene Organisation lässt erkennen, dass der persönliche Dienst der Klägerin an den Patienten der Mitarbeiter/der Honorarkräfte in den Hintergrund getreten ist. Die ausführliche Anamnese, d. h. die Aufnahme der individuellen Krankengeschichte des Patienten – über die bei der Terminvereinbarung erfragten Informationen wie ärztliche Diagnose und Indikationsschlüssel hinaus – hat sie dem jeweils behandelnden Mitarbeiter überlassen, welcher so als Einziger ausführlich über die speziellen Einzelheiten der zu behandelnden Beschwerden persönlich informiert worden ist. Auch nach Beendigung der Behandlung hat die Klägerin regelmäßig kein abschließendes Gespräch mit den Patienten über die erfolgte Behandlung oder ggf. zu beachtende Maßnahmen geführt. Die Klägerin ist seitens der Mitarbeiter/Honorarkräfte nur dann noch einmal konsultiert worden, wenn es zu Problemen bei der Behandlung kam. Eine maßgebliche Beeinflussung der einzelnen Aufträge durch die Klägerin hat bei einer solchen Arbeitsweise nicht vorgelegen.
ddd. Dem Merkmal der „Eigenverantwortlichkeit“ wird selbst dann nicht Genüge getan, wenn die bestrittene Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt wird, sie habe die Mitarbeiter/Honorarkräfte regelmäßig im Anschluss an den ersten Termin eines neuen Patienten nach dem Verlauf des Termins und den Vorstellungen/Wünschen des Therapeuten einerseits und des Patienten andererseits befragt und sich auch bei Gelegenheit bei den Patienten nach dem Therapieverlauf erkundigt. Denn in diesen nur zu Beginn der Behandlung bzw. bei Gelegenheit geführten Gesprächen ist keine hinreichend zuverlässige persönliche patientenbezogene Einwirkung zu sehen, die den Leistungen der Mitarbeiter/Honorarkräfte den Stempel der Persönlichkeit der Klägerin aufgedrückt haben könnte.
2. Die Einkünfte der Klägerin aus den eigenen krankengymnastischen Behandlungen sind demgegenüber nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren.
Hinsichtlich der von der Klägerin selbst vorgenommenen Behandlungen handelt es sich um die für den Katalogberuf des Krankengymnasten berufstypische Tätigkeit, die vor allem aktive und passive Therapien zur Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit umfasst (BFH-Urteil vom 06.09.2006 XI R 64/05, BFHE 215, 119, BStBl II 2007, 177).
3. Die ausgeübten Tätigkeiten der Klägerin – als gewerblich tätige Praxisbetreiberin einerseits und als freiberuflich tätige Krankengymnastin andererseits – sind zu trennen.
a. Ein Einzelunternehmer kann grundsätzlich verschiedene Unternehmen nebeneinander betreiben (BFH-Beschluss vom 21.12.2000 X B 111/00, BFH/NV 2001, 816; Urteil des FG Münster vom 16.02.2012 3 K 2194/09 G, F, EFG 2012, 1580). Die Einkünfte aus diesen Unternehmen können verschieden qualifiziert werden. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind die Tätigkeiten zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist (BFH-Urteil vom 25.03.2009 IV R 21/06, BFHE 224, 522, BStBl II 2010, 113; BFH-Beschluss vom 22.01.2009 VIII B 153/07, BFH/NV 2009, 758). Dies gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte
zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen (BFH-Urteil vom 08.10.2008 VIII R 53/07, BFHE 223, 272, BStBl II 2009, 143). Eine einheitliche Beurteilung der Tätigkeiten ist lediglich dann vorzunehmen, wenn die Tätigkeitsmerkmale so miteinander verflochten sind und sich die Tätigkeiten gegenseitig so unlösbar bedingen, dass eine Trennung gegen die Verkehrsauffassung verstoßen würde (BFH-Urteile vom 10.06.2008 VIII R 101/04, BFH/NV 2008, 1824; vom 17.01.2007 XI R 19/05, BFH/NV 2007, 1315); diese einheitliche Tätigkeit ist dann steuerlich danach zu qualifizieren, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (BFH-Urteil vom 11.07.1991 IV R 102/90, BFHE 166, 36, BStBl II 1992, 413). Die Geprägetheorie, wonach eine nicht nur als unbedeutende Nebentätigkeit einzustufende gewerbliche Tätigkeit der gesamten Tätigkeit der unternehmerisch tätigen Person das Gepräge gibt, gilt beim Einzelunternehmer nicht (BFH-Beschluss vom 25.07.2000 XI B 41/00, BFH/NV 2001, 204). Schuldet ein Steuerpflichtiger gegenüber seinem jeweiligen Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg, so ist auch die zur Durchführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit regelmäßig als einheitliche zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 02.10.2003 IV R 48/01, BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363; vom 07.11.1991 IV R 17/90, BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324).
Die getrennte Beurteilung ist nicht nur bei wesensmäßig verschiedenen Tätigkeiten geboten, sondern auch dann, wenn zwischen den verschiedenen Tätigkeiten gewisse sachliche und wirtschaftliche Berührungspunkte vorliegen, mithin eine gemischte Tätigkeit gegeben ist. Dabei steht der Trennung nicht entgegen, dass die Tätigkeiten in demselben Betrieb entfaltet wurden und daher die für den Betrieb anfallenden Gemeinkosten nicht von vornherein den einzelnen Tätigkeitsbereichen zugeordnet wurden. Eine leichte und einwandfreie Trennbarkeit erfordert nicht eine getrennte Buchführung (BFH-Urteile vom 25.03.2009 IV R 21/06, BFHE 224, 522, BStBl II 2010, 113; vom 08.10.2008 VIII R 53/07, BFHE 223, 272, BStBl II 2009, 143).
b. In Anwendung dieser Grundsätze ist der Senat der Auffassung, dass das Betreiben der physiotherapeutischen Praxis von der freiberuflichen physiotherapeutischen Tätigkeit der Klägerin zu trennen ist. Die freiberufliche Tätigkeit der Klägerin als selbst behandelnde Krankengymnastin stellt sich nicht als Ausfluss der gewerblichen Tätigkeit als Praxisbetreiberin dar; ebenso wenig wird von der Klägerin den Patienten ein einheitlicher Erfolg geschuldet, der freiberufliche und gewerbliche Leistungen beinhaltet. Insbesondere sind die Tätigkeitsbereiche der Klägerin nach den unterschiedlichen Auftraggebern, d.h. nach den einzelnen behandelten Patienten, einfach zu trennen.
Daher ist lediglich der Teil des Gewinns der Klägerin, den sie aus ihrer Tätigkeit als gewerblich tätige Praxisinhaberin erzielt hat, als Gewinn aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren und der Gewerbesteuer zu unterwerfen.
c. In der Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin sind keine getrennten Zahlen für die beiden Tätigkeiten enthalten, so dass das Gericht gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i. V. m. § 162 AO eigenständig zu schätzen hat.
Das Gericht kommt danach unter Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass in den Streitjahren jeweils ein freiberuflicher Anteil von 25 % des Gesamtgewinns als am wahrscheinlichsten anzunehmen ist. Dabei geht es zunächst von den durch den Berater in seinem Schriftsatz vom 12.06.2009 (oben A. II. 2.) aufgeführten Umsatzzahlen in den Jahren 2007 und 2008 aus, wonach der Anteil der Klägerin an
den Gesamtumsätzen in dem Jahr 2007 21,28 % sowie in dem Jahr 2008 22,70 % betragen hat. Das Gericht sieht keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln. Diese Angaben und die Schätzung eines freiberuflichen Anteils in Höhe von 25 % werden durch die unstreitigen Angaben der Klägerin zu ihrem eigenen Arbeitseinsatz (ausschließliche Selbstnutzung eines der vier Behandlungsräume; wochentags ganztägige Tätigkeit) gestützt.
Das Gericht geht weiter davon aus, dass die Klägerin in dem Jahr 2009 einen vergleichbar hohen Anteil am Gesamtumsatz erzielte wie in den Jahren 2007 und 2008. Auch wenn der Berater in seinem Schreiben vom 12.06.2009 (oben A. II. 2.) mitteilte, die Klägerin habe sich im Laufe des Jahres 2008 von mehreren Honorarkräften getrennt, so sprechen die im Jahr 2009 gegenüber den Jahren 2007 und 2008 erheblich gestiegenen Personalkosten (oben A. II. 1., 2. und 4.) dafür, dass die Klägerin diesen teilweisen Wegfall von Arbeitskräften durch ihre Mitarbeiter und nicht durch erhöhte Eigenarbeit kompensiert hat.
Da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Anteile am Gesamtgewinn abweichend von den Umsatzanteilen zu verteilen sind, schätzt das Gericht die Gewinnanteile in Übereinstimmung mit den Umsatzanteilen, wobei es eine geringfügige Aufrundung zugunsten der Klägerin vornimmt. Diese Aufrundung beruht auf der Annahme, dass die Klägerin aufgrund von Vertretungen sowie der Übernahme bzw. intensiven Betreuung von Problempatienten darüber hinaus bei einigen der ursprünglich den Mitarbeitern/Honorarkräften zugerechneten Patienten eigenverantwortlich tätig geworden ist. Bei dem (nur geringen) Umfang dieser Hinzuschätzung hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass Unsicherheiten zu Lasten desjenigen gehen, der beweisbelastet ist. Die Darlegungs- und materielle Beweislast bzgl. des Anteils des auf die freiberufliche Tätigkeit entfallenden Gewinnanteils oblag der Klägerin (vgl. BFH-Urteile vom 08.10.2008 VIII R 74/05, BFHE 223, 261, BStBl II 2009, 238 und vom 30.03.1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864). Sie hat jedoch nicht dargelegt und nachgewiesen, in welcher Höhe sie Umsätze/Gewinne aus ihrer eigenen Tätigkeit erwirtschaftet hat, so dass es nicht gerechtfertigt ist, dass sie durch eine (zu) großzügige Schätzung zu ihren Gunsten einen Vorteil aus ihrem Verhalten zieht (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 07.09.2010 3 K 13/09, EFG 2010, 2057; BFH-Beschlüsse vom 07.04.2003 V B 28/02, BFH/NV 2003, 1195; vom 09.03.1998 X B 42/97, BFH/NV 1998, 1125).
III.
1. a. Da die Klägerin und der Klägervertreter jeweils ordnungsgemäß geladen worden sind und die Ladungen jeweils den nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Hinweis enthalten haben, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (oben A V. 4.), kann die Entscheidung trotz Fernbleibens der Klägerin und des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung ergehen (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Januar 2006 II B 54/05, BFH/NV 2006, 797).
b. Der Termin zur mündlichen Verhandlung war nicht aufzuheben oder zu verlegen. Gemäß § 155 FGO in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung lag jedoch nicht vor. Teilt ein Beteiligter erst „in letzter Minute“ eine plötzliche Erkrankung mit, so reicht die Behauptung einer Erkrankung nicht aus; der Beteiligte
ist vielmehr auch ohne besondere Aufforderung verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungsunfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 15.03.2012 1 K 257/11, juris). In einem solchen Fall reicht gewöhnlich die Vorlage eines substantiierten privatärztlichen Attestes aus, aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergibt (BFH-Beschluss vom 17.05.2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat jedoch – trotz eines entsprechenden Hinweises (oben A. V. 4.) – kein Attest vorgelegt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Auf das Urteil des 3. Senats vom 10.9.2013, 3 K 80/13, wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH VIII B 126/13.