Zur vom Deutschen Bundestag beschlossenen Neuregelung des handelsrechtlichen Ordnungsgeldverfahrens erklärt die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
Unternehmen dürfen künftig mit nach Unternehmensgröße abgestuften Ordnungsgeldern und mehr Rechtsschutz bei Verstößen gegen die Pflicht zur Offenlegung ihrer Bilanzen rechnen. Mit dem Gesetz werden die Mindestordnungsgelder von bisher 2.500 Euro auf 500 Euro für kleinste Unternehmen und auf 1.000 Euro für kleine Unternehmen abgesenkt. Außerdem sollen die Unternehmen Ausnahmesituationen, die sie an der Offenlegung gehindert haben, besser als bisher gegenüber dem Bundesamt für Justiz geltend machen können. Derart mehr Flexibilität im Ordnungsgeldverfahren entlastet die Wirtschaft, ohne die inzwischen hohe Offenlegungsbereitschaft der Unternehmen von 90 Prozent zu gefährden.
Das Bilanzrecht ist Ausdruck von Transparenz und Verlässlichkeit im Wirtschaftsverkehr und deswegen ein unverzichtbares Element der Wirtschaftsordnung. Für Unternehmen mit geringen Betriebsgrößen ist der bürokratische Aufwand aber ungleich schwerer als für mittlere und große Unternehmen zu leisten, die auf Bilanzspezialisten im Unternehmen zurückgreifen können. Künftig bewirkt die Reform des handelsrechtlichen Ordnungsgeldverfahrens Erleichterungen gerade für kleinere Unternehmen, wenn diese die Fristen überschreiten, aber ihre Pflichten, wenn auch verspätet, erfüllen. Außerdem wird für Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes der Justiz eine zweite gerichtliche Instanz eingerichtet, so dass grundsätzliche Rechtsfragen einheitlich geklärt werden können. Es wird auch ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingeführt, wenn ein Unternehmen die Sechswochenfrist zur Nachholung der Offenlegung unverschuldet nicht einhalten konnte. Zur Nachholung der Offenlegung erhalten die Unternehmen dann noch einmal sechs Wochen Zeit. Damit können Ausnahmesituationen wie etwa eine lange schwere Erkrankung des Alleingeschäftsführers oder die Vorenthaltung aller Buchführungsunterlagen durch ehemalige Geschäftsführer besser als bisher bewältigt werden.
Hintergrund
Am 27. Juni 2013 hat der Deutsche Bundestag den vom Bundesministerium der Justiz vorbereiteten und vom Kabinett am 17. April 2013 beschlossenen Gesetzentwurf zur Änderung des Handelsgesetzbuchs verabschiedet.
Das Gesetz sieht im Anschluss an bereits Ende 2012 geschaffene Entlastungen für Kleinstkapitalgesellschaften (MicroBilG) nunmehr auch Änderungen im Verfahren vor dem Bundesamt für Justiz vor, wenn kleinste und kleine Kapitalgesellschaften zwar ihren handelsrechtlichen Publizitätspflichten nachkommen, dabei aber Fristen versäumen.
Das Bundesamt für Justiz leitet Ordnungsgeldverfahren gegen alle Kapitalgesellschaften ein, die ihre Jahresabschlussunterlagen nicht rechtzeitig offenlegen. Es bleibt auch künftig dabei, dass die Unternehmen nach Androhung eines Ordnungsgeldes noch einmal sechs Wochen Zeit erhalten, um ihre gesetzlichen Pflichten zur Offenlegung oder Hinterlegung des Jahresabschlusses zu erfüllen, bevor das Ordnungsgeld festgesetzt wird. Reagiert ein Unternehmen nicht, setzt das Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeld fest, das nach bisherigem Recht mindestens 2.500 Euro beträgt.
Nunmehr wird das Mindestordnungsgeld von 2.500 Euro für Kleinstkapitalgesellschaften auf 500 Euro und für kleine Kapitalgesellschaften auf 1.000 Euro gesenkt, wenn das Unternehmen verspätet auf die Ordnungsgeldandrohung des Bundesamtes reagiert und die Offenlegung, wenn auch verspätet, nachgeholt hat, bevor das Bundesamt weitere Schritte einleitet.
Gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes durch das Bundesamt kann das Unternehmen Beschwerde beim Landgericht Bonn einlegen. Bislang entscheidet dieses Gericht als einzige Instanz. Nach der Neuregelung gibt es künftig eine Rechtsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts Bonn in Ordnungsgeldsachen zum zuständigen Oberlandesgericht. Damit wird sichergestellt, dass grundsätzliche Rechtsfragen einheitlich entschieden werden und die Rechtssicherheit für die Beteiligten erhöht wird.
Mit seinen neuen größenabhängig abgestuften Ordnungsgeldern knüpft das Gesetz an die mit dem Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz vom 20. Dezember 2012 (MicroBilG) geschaffenen Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften an. Für kleine und sehr kleine Unternehmen werden die schon vorhandenen und neuen Erleichterungen beim Umfang der Publizitätspflichten zum Anlass genommen, auch im Ordnungsgeldverfahren Erleichterungen einzuführen. Zugleich stellt das Gesetz sicher, dass Deutschland auch künftig seinen europäischen Verpflichtungen vollumfänglich nachkommt, Verstöße von Kapitalgesellschaften gegen ihre Publizitätspflichten wirksam durchzusetzen.
Handelsgesetzbuch geändert: Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 27. Juni den Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Änderung des Handelsgesetzbuches (17/13221) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (17/14203, 17/14204) angenommen. Der wortgleiche Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/13617, 17/13964) wurde für erledigt erklärt. Damit werden die Mindestordnungsgelder für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschafen bei Verstößen gegen die Pflicht zur Offenlegung der Rechnungsunterlagen gesenkt, um in Einzelfällen Härten zu mildern. Das Bundesamt für Justiz soll künftig „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ gewähren, wenn die Beteiligten glaubhaft vortragen, dass der rechtzeitigen Offenlegung ein unverschuldetes Hindernis entgegenstand. Eingeführt wurde eine auf grundsätzliche Rechtsfragen und die Entscheidung in Divergenzfällen beschränkte Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum Oberlandesgericht gegen Entscheidungen des Landgerichts.
Quelle: BMJ, Pressemitteilung vom 28.06.2013