Nur noch „eine“ Betriebsstätte bei selbstständiger Tätigkeit

Kernproblem

Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Sommer 2011 entschieden, dass ein Arbeitnehmer – wenn überhaupt – nur eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben kann. Entgegen des bisherigen Rechtsverständnisses sei für die Einordnung als regelmäßige Arbeitsstätte eine zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsstätten erforderlich. Die Frage nach dem Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte stellt sich insbesondere, wenn Arbeitnehmer fortdauernd und immer wieder verschiedene Tätigkeitsstätten des Arbeitgebers aufsuchen. Die Festlegung des Orts und der Anzahl der Arbeitsstätten hat neben der Anwendung des Reisekostenrechts auch Auswirkungen auf die Berechnung des geldwerten Vorteils bei der privaten Nutzung eines Firmen-Pkw. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg war nunmehr die Frage, ob diese Grundsätze auch analog für den Bereich der selbstständig Tätigen, die begrifflich keine Arbeitsstätten sondern Betriebsstätten unterhalten, gelten.

Sachverhalt
Ein Ehepaar klagte, weil der Ehemann in den Veranlagungsjahren 2001-2003 sowohl als Personalberater als auch als Dozent bzw. Prüfer an verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig war. Die Personalberatertätigkeit übte er im Erdgeschoss des eigenen Hauses aus. Für seine Dozenten- und Prüfertätigkeiten musste er hingegen u. a. verschiedene Hochschulen aufsuchen. Das Finanzamt wertete sämtliche Fahrten zu den Hochschulen als begrenzt abzugsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Hiergegen klagte der Steuerpflichtige, da er diese Fahrten als unbegrenzt abzugsfähige Reisekosten zum Abzug bringen wollte.

Entscheidung

Das Gericht gab der Klage des Steuerpflichtigen statt und ließ die Aufwendungen als Reisekosten in unbegrenztem Umfang zum Abzug zu. In seiner Urteilsbegründung bezieht sich das Gericht maßgeblich auf die o. g. Rechtsprechungsänderung des BFH: Wenn ein Arbeitnehmer nur (maximal) eine Arbeitsstätte haben kann, könne auch ein Selbstständiger nicht mehrere Betriebsstätten haben. Eine andere Auffassung würde der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbstständigen entgegenstehen.

Konsequenz

Selbstständig Tätige, die an verschiedenen Orten regelmäßig tätig sind, können ebenfalls (max.) eine regelmäßige Betriebsstätte haben. Dies ist derjenige Standort, an dem sich der ortsgebundene Mittelpunkt der Tätigkeit befindet. Fahrten zwischen der Wohnung und dieser Betriebsstätte sind (weiterhin) nur begrenzt im Rahmen der sog. Pendlerpauschale abzugsfähig. Die Fahrten zu den übrigen Betriebsstätten werden als unbegrenzt abzugsfähige Reisekosten berücksichtigt. Das Finanzamt hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt. Es erscheint indes eher unwahrscheinlich, dass der BFH dieser stattgibt.