Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb bei einem Berufsverband (FG)

Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eines Berufsverbandes – Ausgabe von Presseausweisen gegen Entgelt an Nichtmitglieder

 Leitsatz

  1. 1.            Das Ausstellen von Presseausweisen an Nichtmitglieder gegen Entgelt durch einen körperschaftsteuerbefreiten Berufsverband von Zeitungsverlegern ist ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.
  2. 2.            Für den Begriff der Tätigkeit im Sinne von § 14 Satz 1 AO kommt es nicht auf ihre Wettbewerbsrelevanz an.
  3. 3.            Das Merkmal der Selbständigkeit der Tätigkeit erfordert keine organisatorische Verselbständigung oder Eigenständigkeit; ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb kann daher bereits durch den temporären Einsatz des allgemeinen Personals der Körperschaft für wirtschaftliche Tätigkeiten begründet werden.

 Gesetze

KStG § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a
AO § 14
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Ausgabe von Presseausweisen gegen Entgelt an Nichtmitglieder einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 Abgabenordnung – AO – ) eines Berufsverbandes begründet.

Die Klägerin ist ein Zusammenschluss von Zeitungsverlegern ”…” und – unstreitig – nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Körperschaftsteuergesetz (KStG) körperschaftsteuerbefreit. Gestützt auf den Runderlass des Innenministeriums vom 25.11.1993 (Ministerialblatt NRW Nr. 76 vom 23.12.1993, 1854) gibt sie an Verbandsmitglieder ohne weiteres, aber auch an Nichtmitglieder nach besonderer Prüfung Presseausweise aus. Der Beklagte sieht in der Ausgabe von Presseausweisen gegen eine Gebühr von ”…” Euro an Nichtmitglieder einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO ) der Klägerin, der zur partiellen Steuerpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a KStG führe. Dementsprechend erließ der Beklagte am 4.9.2008 für die Streitjahre 2004 bis 2006 Körperschaftsteuerbescheide. Die hiergegen gerichteten Einsprüche vom 23.9.2008 wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 16.12.2009 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage vom 20.1.2010.

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass die Ausgabe an Nichtmitglieder zwar ein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang, aber keine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 14 AO sei, mit der sie im Wettbewerb zu anderen steuerpflichtigen Organisationen stehe. Unter Berufung auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu Unterlassungsrechtstreiten bzgl. der Ausgabe von Presseausweisen sieht sie keine Konkurrenzlage mit regelbesteuerten Unternehmen in diesem Tätigkeitsfeld. Insoweit übe sie bereits keine „Tätigkeit” im Sinne von § 14 AO aus. Darunter fallen nach ihrer Ansicht nur Tätigkeiten, die unter Teilnahme am Markt auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet seien. Jedenfalls fehle es bei der Ausgabe an Nichtmitglieder an der Selbständigkeit der Tätigkeit, weil eine nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) von der sonstigen Tätigkeit der Körperschaft wirtschaftlich abgrenzbare Tätigkeit von ihr nicht ausgeübt werde. Vielmehr sei die Ausstellung von Presseausweisen für Mitglieder wie für Nichtmitglieder eine einheitliche Tätigkeit. Insbesondere setze sie für die Ausstellung von Presseausweisen an Nichtmitglieder kein besonderes Personal ein.

Die Klägerin beantragt,

die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2009 aufzuheben und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Aus seiner Sicht ist die Ausgabe von Presseausweisen an Nichtmitglieder keine Tätigkeit zur Förderung des Satzungszweckes ”…”. Da die Ausgabe von Presseausweisen nicht auf steuerbegünstigte Organisationen beschränkt sei, werde die Klägerin wirtschaftlich tätig. Die Selbständigkeit dieser Tätigkeit setze nicht den Einsatz von besonderem Personal für diesen Bereich voraus.

 Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin ist als Berufsverband insoweit körperschaftsteuerpflichtig, als sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 a KStG ). Das Ausstellen von Presseausweisen an Nichtmitglieder gegen Entgelt ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs bestimmt allgemein § 14 AO . Die Auslegung dieser Vorschrift für steuerbegünstigte (gemeinnützige) Körperschaften ist auf die partielle Steuerpflicht von Berufsverbänden nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 KStG insgesamt übertragbar (Kuhner, Die Steuerbefreiung der Berufsverbände, 2008, 263; Alvermann, Finanzrundschau – FR – 2006, 262, 271; Eggers, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2007, 461, 463).

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehen (§ 14 Satz 1 AO ). Die Klägerin ist in den Streitjahren durch die wiederholte Ausstellung von Presseausweisen an Nichtmitglieder gegen eine Gebühr von jeweils ”…” EUR – unstreitig – nachhaltig und mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, außerhalb einer Vermögensverwaltung im Sinne von § 14 Satz 3 AO tätig geworden. Entgegen ihrer Ansicht wurde sie damit auch selbständig im Sinne von § 14 Satz 1 AO tätig.

a) Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 AO kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein (Tipke/Kruse, Abgabenordnung /Finanzgerichtsordnung, § 14 AO Rn. 6 [Jan. 2010]). Darum ist das Ausstellen von Presseausweisen ohne Rücksicht auf die unter den Beteiligten umstrittene Frage, ob und welche anderen Organisationen dazu berechtigt sind, eine hinreichende Tätigkeit. Auch wenn der Klägerin einzuräumen ist, dass der Wettbewerbsgedanke der tragende Leitgedanke der partiellen Steuerpflicht bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ist (näher Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 69 ff.), kommt es für den Begriff der Tätigkeit im Sinne von § 14 Satz 1 AO nicht auf ihre Wettbewerbsrelevanz an, vielmehr reicht jedes aktive Tun aus (ebenso Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 96). Eine Tätigkeit am Marktgeschehen zur Erzielung von Einnahmen ist für dieses Tatbestandsmerkmal dagegen nicht erforderlich. Darum sind „Erwerbshandlungen” wie der Handel mit Waren, Dienstleistungen, Vermittlungen und Vermietungen typische Beispiele für Tätigkeiten im Sinne des § 14 Satz 1 AO (Tipke/Kruse, § 14 AO Rn. 6 [Jan. 2010] mit weiteren Beispielen), ohne dass der Begriff der Tätigkeit darauf beschränkt ist.

b) Die Ausstellung von Presseausweisen an Nichtmitgliedern des Berufsverbandes nach besonderer Prüfung der Voraussetzungen erfolgte auch selbständig. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass das Merkmal der Selbständigkeit umstritten ist (näher Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 97 ff.; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung /Finanzgerichtsordnung , § 14 AO Rn. 59 [März 2011]). Soweit ein Teil der Literatur Selbständigkeit mit guten Gründen allein als Abgrenzungsmerkmal des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zur unselbständigen Arbeit und als Bezugnahme auf die Organschaft begreift (Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 99; Tipke/Kruse, § 14 AO Rn. 7; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 14 AO Rn. 59 f. [März 2011]), folgt die persönliche Selbständigkeit der Klägerin bereits aus ihrer Eigenschaft als Körperschaft.

Allerdings hat der BFH dieses persönliche Verständnis der Selbständigkeit im Sinne der Abgrenzung zur nichtselbständigen Tätigkeit für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb explizit abgelehnt und stattdessen sachliche Selbständigkeit der Betätigung im Sinne einer Abgrenzbarkeit von einem steuerbegünstigten Wirkungsbereich gefordert (BFH, Urteil vom 18.1.1984 – I R 138/79 , BStBl. 1984, 451, 452). Dieses sachliche Verständnis Selbständigkeit der Tätigkeit entspricht auch der überwiegenden Ansicht der Literatur (Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 10. Aufl. 2010, S. 289 f.; Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 6. Aufl. 2009, Rn. F 7). Die ältere Rechtsprechung stellt darauf ab, ob sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der übrigen Betätigung als eine gesonderte wirtschaftliche Einheit abhebt (BFH, Urteil vom 20.9.1963 – III 328/59 U , BStBl. III 1963, 532 , 533 ). Darauf aufbauend begreift der BFH eine Tätigkeit als selbständig, wenn sie nicht mit anderweitigen Betätigungen der Körperschaft dergestalt zusammenhängt, dass ihre Ausübung ohne die anderweitige Betätigung nicht möglich wäre (BFH, Urteil vom 15.10.1997 – I R 2/97 , BStBl. 1998, 175, 176, im Anschluss an BFH, Urteil vom 18.1.1984 – I R 138/79 , BStBl. 1984, 451, 452; dem folgend Kuhner, Die Steuerbefreiung der Berufsverbände, 2008, S. 274; Gosch/Heger, KStG , 2. Aufl. 2009, § 5 Rn. 20). Eine derartige wechselseitige Verflechtung verneint der BFH, wenn bestimmte Tätigkeiten an Nichtmitglieder erbracht werden (BFH, Urteil vom 15.10.1997 – I R 2/97 , BStBl. 1998, 175, 176 zur Trennung von Rettungsmaßnahmen und Versicherungsleistungen). Das spricht dafür, die Ausstellung von Presseausweise an Nichtmitglieder als selbständige Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung anzusehen.

Der Senat hält indes den sachlichen Abgrenzungsansatz der herrschenden Ansicht für überprüfungsbedürftig. Das wettbewerbsbezogene Konzept der partiellen Steuerpflicht steht nach seiner Ansicht einer Qualifikation und Differenzierung einheitlicher oder verbundener Tätigkeiten allein aus der organisatorischen Perspektive der steuerbegünstigten Körperschaft entgegen. Der bezweckte Wettbewerbsschutz spricht vielmehr dafür, die Einzelmerkmale des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs wirkungsorientiert und – im Einklang mit dem Wortlaut – allein tätigkeitsbezogen zu bestimmen. Dass die Klägerin die Ausstellung der Presseausweise an Nichtmitglieder besonders prüft und gesondert abrechnet, spricht für die Selbständigkeit der Tätigkeit und deckt sich mit der – auch von der Klägerin nicht angegriffenen – Behandlung bei der Umsatzsteuer. Überdies ist bei der Auslegung der zusammengehörigen Tatbestandsmerkmale „selbständige … Tätigkeit” zu bedenken, dass der Gesetzgeber in § 14 AO im Gegensatz zum Betrieb gewerblicher Art (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG ) bewusst auf irgendeine organisatorische Verselbständigung oder besondere Gewichtigkeit verzichtet hat (Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 96). Darum sind besondere Anforderungen im Sinne einer gesetzlichen nicht geforderten „Eigenständigkeit” verfehlt. Selbständig bedeutet nicht eigenständig. Insbesondere ist – entgegen der Ansicht der Klägerin – kein besonderes Personal für die Ausstellung der Presseausweise an Nichtmitglieder erforderlich. Aus dem Urteil des BFH zur Bewirtschaftung eines Rittergutes (BFH, Urteil vom 20.9.1963 – III 328/59 U , BStBl. III 1963, 532 , 533 ), bei dem das parallel unterhaltene Waisenhaus über eigenes Personal verfügte, kann – worauf der Beklagte zu Recht hinweist – nicht auf ein allgemeines Erfordernis von besonderem Personal für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe geschlossen werden. Vielmehr kann ein solcher bereits durch den temporären Einsatz des allgemeinen Personals der Körperschaft für wirtschaftliche Tätigkeiten begründet werden. Das hat im Recht der steuerbegünstigsten Körperschaften die anteilige Aufteilung des Personalaufwands nach zeitlichen Verursachungsanteilen zur Folge (vgl. Anwendungserlass zur AO , Rn. 6 zu § 64 zur Personalkosten; Alvermann, FR 2006, 262, 270). Eine von der Klägerin als konstitutiv erachtete Trennung des Personals fordert das Gesetz nicht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil der Streitfall die umstrittene Auslegung des § 14 Satz 1 AO und damit eine grundsätzliche Frage des Steuerrechts steuerbegünstigter Körperschaften aufwirft.

Einkommensteuer | Werbungskosten bei Ruhegehaltszahlungen an Priester (FG)

Ruhegehaltszahlungen an Priester als VersorgungsbezügeIm Steuerfestsetzungsverfahren grundsätzlich kein Werbungskostenabzug für Aufwendungen eines katholischen Priesters im Ruhestand
Berücksichtigung der Aufwendungen eines Priesters im Ruhestand im Billigkeitswege

 Leitsatz

1. Beim Ruhegehalt eines katholischen Priesters handelt es sich angesichts der unstreitigen Anknüpfung der Versorgung der katholischen Pfarrer in Deutschland an beamtenrechtliche Versorgungsregelungen um Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG. Die Ruhegehaltszahlungen stellen nachträgliches Entgelt für die in der Zeit vor dem Ruhestand geleistete Arbeit im Dienste der Kirche dar.

2. Das Ruhegehalt der katholischen Pfarrer wird unabhängig davon bezahlt, ob und ggf. in welchem Ausmaß später weitere Tätigkeiten wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund sind nach dem Eintritt in den Ruhestand anfallende Aufwendungen eines katholischen Priesters im Zusammenhang mit einer freiwilligen Tätigkeit im Rahmen der Fokolar-Bewegung, Mess- oder Pfarrstellenvertretungen, Einladungen des Bischofs sowie sonstigen religiösen Veranstaltungen nicht durch die Erzielung des steuerpflichtigen Ruhegehalts veranlasst und daher insoweit nicht als Werbungskosten abziehbar. Es handelt sich insoweit auch nicht um nachträgliche Werbungskosten für die früheren Bezüge des Pfarrers aus seiner aktiven Dienstzeit. Die Aufwendungen können auch nicht als vorweggenommene Werbungskosten im Hinblick auf eine nach dem Streitjahr aufgenommene priesterliche, eigens vergütete Tätigkeit abgezogen werden, wenn diese Tätigkeit im Streitjahr noch nicht absehbar war.

3. Die Tätigkeiten eines katholischen Pfarrers im Ruhestand können aufgrund der kirchenrechtlichen Verpflichtungen eine andere Qualität als freiwilliges Engagement besitzen. Insoweit kann die vor dem Ruhestand gezahlte Vergütung eines katholischen Pfarrers auch als in der Erwartung geleistet angesehen werden, dass der Pfarrer im Ruhestand seine kirchenrechtlichen Verpflichtungen weiter erfüllt. Vor diesem Hintergrund kann es angezeigt sein, Aufwendungen eines Pfarrers im Ruhestand, die unmittelbar aus der Erfüllung von mit der Priesterweihe entstandenen kirchenrechtlichen Verpflichtungen resultieren und auf einer der Ausübung des Direktionsrecht des Arbeitgebers ähnlichen Weisung beruhen, im Wege einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO wie Werbungskosten zu berücksichtigen. Das Billigkeitsverfahren ist ein gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren eigenständiges, gesondertes Verwaltungsverfahren.

Zur Umsatzbesteuerung des Schulessens (BMF)

Den Beginn des neuen Schuljahres nimmt der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Hartmut Koschyk zum Anlass, darauf hinzuweisen, wann die Abgabe von Speisen und Getränken in einer Schule umsatzsteuerfrei ist oder nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegt.

Das Umsatzsteuerrecht hält in diesem Zusammenhang folgende Möglichkeiten bereit:

Steuerbefreiungen: Die Abgabe von Speisen und Getränken in einer Schule kann derzeit umsatzsteuerfrei sein, wenn diese durch gemeinnützige Einrichtungen erfolgt, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind. Außerdem ist die Beköstigung durch Personen und Einrichtungen umsatzsteuerfrei, wenn diese überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen. Dazu ist nicht erforderlich, dass die Jugendlichen dort Unterkunft und volle Verpflegung erhalten. Unter die Befreiung fallen grundsätzlich auch Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten oder Halbtagsschülerheime. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Verpflegungsleistung durch den Träger der Einrichtung selbst erbracht wird. Das Essen muss nicht in der Schule bzw. durch den Schulträger selbst zubereitet werden, die Ausgabe muss aber durch den Schulträger selbst erfolgen.

Ermäßigter Umsatzsteuersatz: Die Abgabe von Speisen in Schulen kann zum ermäßigten Umsatzsteuersatz erfolgen, wenn sie von einer gemeinnützigen Körperschaft im Rahmen ihres Zweckbetriebs durchgeführt wird. Das gilt z. B. für die Grundversorgung von Schülern mit Speisen und Getränken an Schulen durch gemeinnützige Mensavereine oder Schulfördervereine. In den Fällen der (An-)Lieferung bzw. der Ausgabe der Schulspeisung durch Dritte, z. B. durch Caterer, sieht das Umsatzsteuerrecht eine Steuerbefreiung nicht vor. Sie wäre auch nicht mit EU-Recht vereinbar. Die Lieferung unterliegt aber dem ermäßigten Umsatzsteuersatz, wenn durch den Caterer lediglich eine reine Lebensmittellieferung erfolgt. Das Bundesministerium der Finanzen setzt sich dafür ein, dass auch bei europarechtlich vorgegebenen Steuerrechtsänderungen in Deutschland Verpflegungsleistungen an Schulen durch gemeinnützige Vereine weiterhin steuerfrei bleiben.

Quelle: BMF online

Nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter bei der Einnahmenüberschussrechnung

Einnahmenüberschussrechnung:Berücksichtigung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens

 Leitsatz

Anschaffungs- oder Herstellungskosten für eine Forderung auf Lieferung und Übereignung von Rundhölzern sind erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

 Gesetze

EStG § 4 Abs 3 Satz 4

 Instanzenzug

BFH X B 172/12

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen der Klägerin als Verluste aus einem Gewerbebetrieb „Holzhandel”.

Die 1957 geborene Klägerin erzielte in den Streitjahren 2006 und 2007 als Diplom-Psychologin Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie aus verschiedenen Beteiligungen als Mitunternehmerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Sie schloss am 18.12.2006 einen als „Rundholz-Kaufvertrag” bezeichneten Vertrag mit der A Anlagen GmbH in C (im Folgenden: A). Danach verkauft und liefert A an die Klägerin in eigenen Pflanzungen erzeugtes Rundholz der Holzart Robinie in einer Länge von mindestens 2,50 Meter zu einem Gesamtkaufpreis von 14.397,86 EUR gemäß den folgenden Angaben:

 

 Nummer der Lieferung

 1a

 1b

 1c

 Lieferjahr

 2014

 2020

 2026

 Holzart

 Robinie

 Robinie

 Robinie

 Liefermenge in m³

   

   

 352

 Baumalter bei Ernte in Jahren

 8

 14

 20

 Durchmesser in cm

 18

 29

 42

 Anteiliger Kaufpreis in %

 7

 14

 30

 

Die Rundholzlieferungen sollen nach Ziff. 2 des Vertrags im o. g. Lieferjahr – also 2026 – erfolgen, wobei der Lieferort CIF im von der Klägerin genannten Bestimmungsort liegt, der in der Europäischen Union und in einer Entfernung (Luftlinie) von nicht mehr als 1.800 Kilometer von D (Bulgarien) liegen muss. Das Eigentum am Holz soll mit Übergabe am Lieferort auf die Käuferin übergehen.

Nach dem ebenfalls am 18.12.2006 – jedenfalls von der Klägerin, nicht von der Vertragspartnerin – unterzeichneten „Rahmenvertrag über Geschäftsbesorgung” mit der A Handels GmbH, C, beabsichtigt die Klägerin, gewerblich im Holzhandel tätig zu werden. Die GmbH erklärt sich bereit, für Rechnung der Klägerin den Verkauf des Holzes gegen eine Provision von 2,5% der Erlöse zu besorgen.

In der Einkommensteuererklärung 2006 erklärte die Klägerin in der Anlage GSE u. a. gewerbliche Einkünfte aus „Holzhandel” von ./. 70.178 EUR. Für 2007 erklärte die Klägerin einen weiteren Verlust aus „Holzhandel” bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 54.529 EUR.

In dem dazu vorgelegten „Rundholz-Kaufvertrag” mit der o.g. L GmbH vom 5./12.12.2007 ist ein Kaufpreis von 54.529,23 EUR vereinbart. Im Übrigen enthält dieser Vertrag grundsätzlich wortidentisch dieselben bereits oben aufgeführten Bedingungen. Hierin sind folgende Lieferungen und Holzarten vereinbart:

 

 Nummer der Lieferung

 1a

 1b

 1c

 2a

 2b

 2c

 Lieferjahr

   2015

   2021

   2026

   2013

   2018

   2023

 Holzart

 Robinie

 Robinie

 Robinie

 Teak

 Teak

 Teak

 Liefermenge in m³

 18,7

 38,8

 84,0

 17,4

 23,1

 63,0

 Baumalter bei Ernte in Jahren

 8

 14

 20

 10

 15

 20

 Durchmesser in cm

 18

 29

 42

 22

 32

 40

 Anteiliger Kaufpreis in %

 7

 14

 30

 8

 11

 29

 

Als Lieferort ist im Vertrag hier zusätzlich hinsichtlich des Teak-Holzes –mit einer Länge von mindestens 2,44 Meter– FOB im Hochseehafen B (Brasilien) vereinbart. Ein – mit dem oben dargestellten Vertrag wortgleicher – „Rahmenvertrag über Geschäftsbesorgung” wiederum mit der schon o. g. A Handels GmbH datiert ebenfalls vom 5./12.12.2007.

Bereits für 2003 hatte die Klägerin unter „Holzhandel” Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Verlust von 46.935 EUR erklärt. Diesen Verlust berücksichtigte der Beklagte in den Einkommensteuerbescheiden für 2005, zuletzt im Änderungsbescheid vom 7.09.2007, in denen er die Einkommensteuer hinsichtlich dieser Einkünfte aus Gewerbebetrieb wegen eventuellerer Liebhaberei teilweise vorläufig festgesetzt hat.

Für die Streitjahre 2006 und 2007 berücksichtigte der Beklagte die geltend gemachten Verluste bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in den Einkommensteuerbescheiden für 2006 vom 20.03.2008 und für 2007 vom 5.12.2008 jedoch nicht.

Die dagegen fristgerecht eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin mit Vorlage der Vertragsunterlagen und führte dazu im Wesentlichen erläuternd aus: Erst nach der Ernte realisiere die Klägerin einen Ertrag. Alle angefallenen Kosten seien im Kaufpreis berücksichtigt; daher sei keine gesonderte Gewinnermittlung erstellt worden.

Der Beklagte erließ am 21.01.2009 aus anderen, hier nicht streitigen Gründen einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2007 und wies – nach Einschaltung der OFD Rheinland – die Einsprüche der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 27.03.2009 als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, dass die Klägerin sich nicht wie ein Händler verhalte. Sie trete nicht nach außen in Erscheinung, da sie einen Agenten beauftragt habe, den Holzverkauf für sie zu übernehmen. Darüber hinaus sei die Klägerin in den Streitjahren und in den folgenden Jahren selbst nicht tätig geworden. Mit dem Abschluss der Kaufverträge warte sie nur noch darauf, dass die Baumpflanzungen geerntet und von ihrem Agenten zum Verkauf angeboten würden. Auch fehle es an der Nachhaltigkeit der Tätigkeit der Klägerin. Sie habe nur 2 Kaufverträge abgeschlossen und werde in den nächsten – mindestens 8 – Jahren nicht mehr tätig werden bzw. nicht ihren Agenten beauftragen, für sie tätig zu werden. Die Klägerin überschreite mit ihrer Tätigkeit nicht die Grenze der privaten Vermögensverwaltung. Anders als etwa in Fällen gewerblichen Grundstückshandels durch Erschließung erworbener Grundstücke wirke die Klägerin nicht aktiv mit, um eine Wertsteigerung der erworbenen Baumpflanzungen herbeizuführen.

Daraufhin hat die Klägerin am 30.04.2009 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Berücksichtigung der Verluste aus Holzhandel begehrt.

Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt: Zunächst sei festzuhalten, dass es sich bei den Verträgen nicht um Holzlieferrechte ähnlich wie einer Kapitalanlage handele, also Kauf eines Rechts auf Verschaffung der Verfügungsmacht, sondern um einen Sachkauf ähnlich wie bei den in der Landwirtschaft üblichen Verkäufen über die Ernte auf dem Halm.

Sie – die Klägerin – beteilige sich allgemein am wirtschaftlichen Verkehr dadurch, dass sie von Anfang an eine bestimmte Veräußerung der eingekauften Ware „Rundholz” nach Eintritt der Erntereife vorsehe. Eine Veräußerungsabsicht sei daher von vorneherein gegeben. Bedingt durch das lange Heranwachsen der eingekauften Ware sei eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr speziell bei diesem Produkt erst bei Erntereife notwendig. Erst kurz davor sei daher ein Auftritt am Markt erforderlich, der dann auch erfolgen werde. Das Einschalten branchenerfahrener Zwischenhändler sei dabei nicht schädlich, sondern üblich. Das Unterhalten eines Geschäftslokals sei hierbei nicht notwendig, schon gar nicht in Zeiten des Internets und Online-Handels.

Sie – die Klägerin – sei auch nachhaltig tätig. Dass sie erst in mehreren Jahren wieder tätig werde, sei eine Unterstellung des Beklagten. Sie habe folgende Käufe getätigt:

 

 2003  für 29.052 EUR,
 2005  für 49.635 EUR,
 2006  für 70.178 EUR,
 2007  für 54.529 EUR.

 

Sie habe sich bereits bei Vertragsabschluss auf bestimmte Erntezeitpunkte festgelegt und damit eine unbedingte Veräußerungsabsicht vor Ablauf der Nutzungsdauer der erworbenen, heranwachsenden Bäume bekundet. Während der Wachstumsperiode könne sie als Holzhändlerin schon natur- und unternehmensbedingt nichts weiter tun, als planmäßig die Erntereife abwarten und dann planmäßig wirtschaftlich handeln. Wann das zur Veräußerung geplante Produkt erworben werde, könne keinen Unterschied machen.

Schließlich liege keine private Vermögensverwaltung vor, weil die von vorneherein geplante Veräußerung eines Wirtschaftsguts nach seinem Erwerb immer eine Umschichtung von Vermögenswerten darstelle, nämlich hier von Ware in Guthaben bei Kreditinstituten.

In anderen Klageverfahren vor den Finanzgerichten sei darauf verwiesen worden, dass auf der aktuellen Website der A der Charakter der Vermögensanlage werblich hervorgehoben werde. Dazu sei zu erläutern: Bereits seit 2002 werde gewerblicher Holzhandel nicht mehr in standardisierter Form mit einem Prospekt angeboten, um die Selbständigkeit des Käufers als Gewerbetreibenden in einem solchen Fall zu unterstreichen. Um den gewerblichen Holzhandel möglichst von der nichtgewerblichen Vertragsgestaltungen A nobilis zu trennen, sei für den gewerblichen Holzhandel die A Anlagen GmbH geschaffen worden, mit der die gewerblichen Holzhändler ihre Verträge schlössen. Für den Bereich des Sachkaufs in Form von Rundholzkaufverträgen sei die A Investitionen AG zuständig. Regelmäßig frage ein zukünftiger Holzhändler bei A an, ob die Möglichkeit bestehe, Holz zu kaufen, ohne dass im Kaufvertrag bereits eine Regelung an der Mitwirkung der späteren Veräußerung enthalten sei. Unabhängig vom Kaufvertrag bestehe die Möglichkeit, mit der A Handels GmbH einen Geschäftsbesorgungsvertrag als Agent einer späteren Veräußerung gegen Provision abzuschließen. Ähnlich wie bei einem Immobilienmakler ohne Alleinvermittlungsvertrag halte sich der Gewerbetreibende zusätzlich eine freihändige Unterstützung beim Verkauf nach der Ernte offen und entscheide später selbst, ob er diese in Anspruch nehmen wolle.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20.03.2008 und für 2007 vom 21.01.2009 und Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27.03.2009 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines weiteren Verlustes bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 70.178 EUR für 2006 und 54.529 EUR für 2007 niedriger festzusetzen,

hilfsweise im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte – nach Rücksprache mit der OFD Rheinland – zunächst auf seine Einspruchsentscheidung. Zudem trägt er vor, die Klägerin habe keine erkennbare Erfahrung bzw. Kenntnisse im geplanten Edelholzverkauf; dieser werde vielmehr über die A AG abgewickelt. Die Klägerin habe keinen Einfluss auf diese Vermarktung und bestimme diese nicht. Das Holz werde von der A auf Rechnung der Klägerin veräußert und direkt an den Enderwerber geliefert. Der Holzverkauf stelle keine Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung dar, sondern eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung zum Erwerb einer Beteiligung am späteren Verkaufserlös des Holzes. Insgesamt entspreche die Tätigkeit der Klägerin daher nicht dem Bild eines gewerblichen Holzhändlers, sondern dem eines privaten Kapitalanlegers. Ihre Initiative beschränke sich auf die Geldhingabe; typische Merkmale eines Gewerbebetriebes wie Kundenakquisition, kaufmännische Führung, Lagerräume für Holz etc. seien sämtlich nicht erfüllt. Alleine das Risiko des Kapitalverlustes mache die Klägerin nicht zu einer Gewerbetreibenden.

Auch weise die A AG unter www.….de darauf hin, dass die vorliegend zu beurteilende Tätigkeit eine nicht steuerbare sei.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 9.05.2012 darauf hingewiesen, dass die Norm des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG im Streitfall einschlägig sein könne, wie dies bereits das FG Köln in seinem Urteil vom 1.03.2012 12 K 3259/09 sowie das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 25.10.2011 5 K 3460/08 gesehen haben.

Die Klägerin und der Beklagte haben sich mit Schriftsätzen vom 27.04.2012 (Bl. 39 FG-Akte) bzw. vom 4.05.2012 (Bl. 44 FG-Akte) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Sie haben bestätigt, dass diese Erklärung auch nach dem Hinweis des Berichterstatters weiterhin Gültigkeit hat.

 Entscheidungsgründe

I.

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO– ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten dazu ihr Einverständnis erklärt haben.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht die geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb außer Ansatz gelassen.

1.

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob die Betätigung der Klägerin die Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt. Vieles spricht vielmehr dafür, dass die Klägerin mit dem Abschluss der Rundholz-Kaufverträge eine Kapitalanlage getätigt hat, die den steuerlich unbeachtlichen Vermögensbereich betrifft.

Ein Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensverwaltung andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsauffassung abzustellen. In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2009 X R 25/06 , BStBl II 2009, 965). Eine vom Steuerpflichtigen vorgenommene Eigenqualifikation ist unbeachtlich, wenn sie nicht durch die tatsächlichen Gegebenheiten gedeckt ist. Rein formale Handlungen wie etwa eine Gewerbeanmeldung sind nicht ausschlaggebend.

Im Streitfall weist der Beklagte mit beachtlichen Argumenten auf ein für einen Holzhändler untypisches Verhalten und fehlende Merkmale eines Holzhandels hin (keine Kundenakquisition, keine kaufmännische Betriebsführung, weder Büro noch Lager, kein kontinuierlicher Geschäftsbetrieb usw.). Die Gegenargumentation der Klägerin erscheint demgegenüber kaum geeignet, die Verkehrsanschauung eines gewerblichen Holzhandels zu begründen.

2.

Letztlich kann jedoch unentschieden bleiben, ob die Tätigkeit der Klägerin in den Streitjahren als Gewerbebetrieb zu qualifizieren sein könnte. Denn selbst dann, wenn die Aufwendungen Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb wären, dürften diese nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG nicht in den Streitjahren 2006 und 2007, sondern erst zum Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder der Entnahme berücksichtigt werden.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG (in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 <Bundesgesetzblatt – BGBl – I S. 1095>) sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Diese Norm ist im Streifall einschlägig, denn die Klägerin hat eine Forderung auf Lieferung und Übereignung von Rundhölzern erworben, die ein nichtabnutzbares Anlagevermögen darstellt. Forderungen sind bei betrieblich veranlasster Entstehung Betriebsvermögen in Form nicht abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens (Wied in: Blümich, EStG , § 4 Rz. 180 <Stand: Oktober 2010>). Hier handelt es sich um Forderungen des Anlagevermögens, weil auch beim stehenden Holz selbst die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen erst mit dem Einschlag endet (Kleeberg, Finanzrundschau – FR – 1998,189 und BFH-Beschluss vom 7. Mai 1987, IV R 150/84 , BStBl. II 1987,670, vgl. zuletzt noch BFH-Urteil vom 5.06.2008 IV R 50/07 , BStBl II 2008, 968). Vorliegend mussten die Bäume, mit denen das an die Klägerin zu liefernde Rundholz erzeugt werden soll, erst noch gefällt werden.

Für den Senat besteht insoweit keine Veranlassung, die Forderung der Klägerin auf Lieferung des Holzes anders zu behandeln als das Holz selbst. Zudem handelt es sich um eine langfristige Forderung, wie sich aus den vertraglichen Lieferzeitpunkten ergibt (wie hier auch schon FG Baden Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2011 5 K 3460/08 und FG Köln, Urteil vom 01. März 2012 12 K 3259/09, beide n.v. – juris-Dokumente). Die Frage einer Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen stellt sich somit allenfalls in Veranlagungszeiträumen nach den Streitjahren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO nicht gegeben sind.

Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge eines Schweizer Arbeitgebers (FG)

Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bei einem ausländischen ArbeitgeberKeine Anwendung des Freizügigkeitsabkommens auf SteuergesetzeVertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung

 Leitsatz

1. Wird die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit eines im Inland ansässigen Grenzgängers, der bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigt ist, als fester Bestandteil des Monatslohnes allgemein pauschaliert abgegolten und ist deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht in Betracht.

2. Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln.

3. Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber.

4. Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG steht dem nicht entgegen, da dieses auf Steuernormen keine Anwendung findet und als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat und damit den Steuergesetzen nicht vorgeht.

5. Das FA ist bei einem Zuständigkeitswechsel nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen FA gebunden.

6. Vertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung wird nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt.

 Gesetze

EStG § 3b
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 59 Abs. 2
FZA Art. 21
AO § 2

 Instanzenzug

BFH 21.12.2012 – VI R 48/12

 Tatbestand

Die Kläger (Kl) sind Eheleute, die zusammen veranlagt werden und ihren Wohnsitz im Inland haben. Der Kl ist als Lokomotivführer seit 1. Mai 2004 bei der C GmbH, X/Schweiz, im Schichtdienst tätig. Er fährt „Cargo” und nicht Personenverkehr. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen (Ziffer 8 des Arbeitsvertrags). Nach Ziffer „9. Gehalt” des Arbeitsvertrags erhält der Arbeitnehmer ein

„jährliches Bruttosalär von CHF 108.600.–, zahlbar in 12 Monatslöhnen von je brutto CHF 9050,– spätestens am Ende jeden Monats. … In diesen Beträgen sind CHF 13600,– p.a. bzw. CHF 1133,33 p.M. an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. …”

Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen (Klage-Akte, S. 99-101).

Der Lohnausweis des Kl für das Streitjahr 2006 (Einkommensteuer(ESt)-Akte, S. 62) wies einen Bruttolohn von 112.896 Schweizer Franken (SFr.) aus und darauf hin, dass im Bruttolohn 16.000 SFr. Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst enthalten seien. Darüber hinaus hat der Kl Reisespesen von insgesamt 4.898 SFr. erhalten. Diese setzen sich nach den Angaben des Kl aus Reisekosten (3.586,30 SFr. für Hin- und Rückfahrten zum/vom Einsatzort) und einer Ausbleibeentschädigung von 1,30 Sfr. ab der 16. Stunde von insgesamt 1.311,30 SFr. zusammen. Der Steuerberater des Arbeitgebers des Kl bestätigte mit Schreiben vom 8. Oktober 2008, dass es sich bei den Reisespesen um die Erstattung „effektiver Auslagen (z.B. für auswärtige Übernachtungen)” handelt (Rechtsbehelfs(Rb)-Akte, S. 14 f.). Die Spesenabrechnungen, abgezeichnet vom Arbeitgeber, legte der Kl vor (Rb-Akte, S. 58 ff.).

Nach der Lohnabrechnung Januar 2006 in SFr. erhielt der Kl:

 

 „Monatslohn

 7 ‚716.65

 Sonn-, Feiertags- und Nachtd.

 1 ‚333.35

 Total AHV-pflichtiger Lohn

 9’050.00 …

 Nettolohn

 7’688.80 …

 Reisespesen für den Monat Dezember 2005

 237,25

 Ausbleibeentschädigung für den Monat Dezember 2005

 151.05…”

 

Der Monatslohn sowie der Betrag für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst war in den Monaten Februar 2006 bis Dezember 2006 identisch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lohnabrechnungen der Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 21-32).

Der Kl reichte einen Einzelnachweis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 mit folgenden Angaben ein:

 

 „Tag  Gearbeitet  bis  Std.  Sonntag  Feiertag  Nacht  Davon
 von  Std.  Std.  Std.20,00-6,00Uhr  Std. 0,00-4,00 Uhr”

 

Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen (Klage-Akte, S. 33-50).

In seiner Jahresaufstellung der tatsächlich geleisteten Arbeit 2006 (Klage-Akte, S. 51) gab er Folgendes an:

 

 Monat  Std.  Sonntag Std.  Feiertag Std.  Nacht Std. 20,00-6,00 Uhr  Davon Std. 0,00-4,00 Uhr
 Januar

 61,36

 16,03

 5,01

 Februar

 114,49

 2,26

 25,13

 12,15

 März

 190,39

 1,30

 29,37

 12,45

 April

 139,57

 11,03

 6,13

 17,47

 6,53

 Mai

 75,13

 15,46

 4,45

 Juni

 124,06

 38,06

 16,28

 Juli

 128,36

 3,21

 36,01

 22,32

 August

 70,33

 24,57

 13,40

 September

 58,08

 13,07

 12,03

 Oktober

 47,16

 15,22

 3,50

 November

 147,47

 7,33

 39,00

 27,30

 Dezember

 110,53

 29,58

 16,59

 1.269,43

 18,20

 13,46

 300,57

 154,41

 

Der Kl machte in seiner ESt-Erklärung 2006 geltend, von seinem auf dem Schweizer Lohnausweis ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn sei von den von seinem Arbeitgeber pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von 16.000 SFr. ein Betrag von 9.108,25 SFr. steuerfrei.

Diesen ermittelte er wie folgt:

 

 „Grundlohn 7.716,25 Sfr. × 12 = 92.595,00 Sfr.:  tatsächlich geleistete Arbeitsstunden
 1.269,43 Std. = 72,90 Sfr. = 47,02 EUR

 

Tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertagsarbeitsstunden

 

 Sonntag

 18,20 Std. á 36,45 Sfr.

 =

 663,39 Sfr.

 Feiertagszuschlag

 13,46 Std. á 91,13 Sfr.

 =

 1.226,61 Sfr.

 Nachtarbeit von
 20.00 – 24.00 u. 04.00 – 06.00

 146,16 Std. á 18,58 Sfr.

 =

 2.715,65 Sfr.

 Nachtarbeit von
 00.00 – 04.00

 154,41 Std. á 29,16 Sfr.

 =

 4.502,60 Sfr.

 Gesamt Sonn- und Feiertagszuschläge

 9.108,25 Sfr.”

 

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bezug genommen (Klage-Akte, S. 52).

Der Beklagte (Bekl) behandelte die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Kl. Er berücksichtigte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Kl in Höhe von (72.521 EUR Bruttoarbeitslohn ./. 8.442 EUR Werbungskosten =) 64.079 EUR, da das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 2 Nummer 10 (Stand Dezember 2004) zur steuerlichen Behandlung der pauschalen Schichtzulage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) u.a. ausführt:

„Steuerliche Behandlung der pauschalen Schichtzulage

…Eine Schichtpauschale kann  steuerfrei bleiben, wenn und soweit sie sich der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit konkret zuordnen lässt,  d.h. wenn sie sich erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt. ….

Die in der Pauschale enthaltenen Einzelzuschläge können aber nur für die am Sonntag, Feiertag und in der Nacht  tatsächlich geleistete  Arbeit steuerfrei bleiben. Soweit sie auf nicht geleistete Stunden (Krankheit, Absenzen, Urlaub) entfallen, sind die Zuschläge in jedem Fall steuerpflichtig (A 30 Abs. 6 Satz 2 LStR ). Dies erfordert, dass der Schweizer Arbeitgeber die tatsächlich geleisteten SFN-Arbeitsstunden festhält.

Darüber hinaus macht die Verwaltung in A 30 Abs. 7 LStR (bestätigt durch BFH-Urteil vom 25.03.1998, a.a.O.) die Steuerbefreiung von einer  Einzelabrechnung durch den Arbeitgeber  abhängig, mit der dieser spätestens am Jahresende eventuell zu viel gezahlte Pauschalzuschläge der Lohnbesteuerung unterwirft. Auf diese Voraussetzung kann bei Grenzgängern verzichtet werden. Die LStR enthalten Anweisungen für den Lohnsteuerabzug durch den inländischen Arbeitgeber. Ein Arbeitgeber in der Schweiz hat keine Steuerabzugsverpflichtung; folglich kann er selbst bei durchgeführter Abrechnung zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nie der Lohnbesteuerung unterwerfen. Aus diesem Grund ist die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen bzw. das deutsche Finanzamt im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung zulässig.

Die vom Finanzamt für die Abrechnung benötigten Angaben führen zu einer Steuerermäßigung; deswegen liegt die Feststellungslast beim Grenzgänger. …

Die Schichtzulage … ist teilweise steuerfrei zu belassen, wenn

  • • der Grenzgänger das jeweilige Reglement vorlegt und daraus die  Zusammensetzung  der Schichtzulage ersichtlich ist sowie
  • • der Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die  tatsächlich geleisteten  Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt. Zur optimalen Ausnutzung der steuerfreien Nachtzuschläge sind die Nachtstunden von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr getrennt von der übrigen Nachtarbeit auszuweisen (§ 3b Abs. 3 EStG ). Für die abgelaufenen Jahre ist der Nachweis der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit auch nachträglich möglich (BFH-Urteil vom 28.11.1990, BStBl II 1991, S. 298), z.B. durch einen Abgleich des Schichtplans mit der Urlaubs- und Krankenkartei.

 

Der Bekl wich außerdem von den erklärten Werbungskosten des Kl bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung ab und setzte mit Bescheid vom 22. September 2008 die ESt 2006 in Höhe von 10.080 EUR fest. Er zog hiervon die Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 3.226 EUR zurück.

Hiergegen legten die Kl Einspruch ein.

Während des Rechtsbehelfsverfahrens änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 mit Bescheid vom 17. Juli 2009 zugunsten der Kl – er berücksichtigte nunmehr die vom Kl geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit – auf 9.386 EUR. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2009 als unbegründet ab.

Hiergegen erhoben die Kl Klage und machen im Wesentlichen geltend, die vom Schweizer Arbeitgeber des Kl gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit seien gemäß § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung steuerfrei. Diese würden für tatsächlich geleistete Dienste an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht neben seinem festen Monatssalär vergütet. Das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 12 Nummer 10 sehe vor, dass auch Pauschalzuschläge steuerfrei sein können, soweit sie den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistet Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entsprächen. Diese Vorgehensweise stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Danach seien pauschal gezahlte Zuschläge dann steuerfrei, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden auflistet, danach zum Jahresende abrechnet und zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nachträglich der Lohnbesteuerung unterwirft. Da ein Schweizer Arbeitgeber nicht zum Steuerabzug an den deutschen Fiskus verpflichtet sei, könne die erforderliche „Abrechnung” vom Steuerpflichtigen vorgenommen werden und zwar im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung. Die Schichtzulage sei danach unter Beachtung des Grenzgängerhandbuchs steuerfrei zu belassen, da die Zuschläge durch Einzelauflistung den tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten konkret zugeordnet werden könne. Die Einzelauflistung weise die tatsächlichen Arbeitsstunden für das gesamte Jahr nach und damit auch an Sonntagen, Feiertagen und für Nachtarbeit, wobei die Nachtarbeit zwischen 0 Uhr und 4 Uhr nochmals getrennt ausgewiesen worden sei. Die steuerfreien Zuschläge beliefen sich auf 9.108,25 SFr. (5.783 EUR). Des Kl Arbeitslohn sei damit mit 66.738 EUR anzusetzen.

Im Übrigen sei bei den Veranlagungen der Vorjahre diese Berechnung der Steuerfreiheit der Zuschläge vom Bekl anerkannt worden. Die Einzelaufstellung habe der Kl auf Wunsch des Bekl -früher sei für seine Besteuerung die Hauptstelle zuständig gewesenerstellt. Ein entsprechendes Schreiben des Bekl vom 28. Juni 2006 (Herrn D) habe er zur Einsichtnahme vorgelegt. Ändere sich die interne Zuständigkeit, könne dies nicht zu einer abweichenden Steuerfestsetzung führen. Er habe die von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Dienstpläne verwendet. Die Dienstpläne würden vom Bundesamt für Verkehr mit Sitz in Bern überprüft. Dieses überprüfe aus Sicherheitsgründen die Arbeitszeiten. Diese überprüften Arbeitszeiten habe der Kl seiner Auflistung und Berechnung zugrunde gelegt. Außerdem unterschreibe der Betriebsleiter die Arbeitszeitlisten. Sein Arbeitgeber habe auch die Einzelaufstellungen unterschrieben, welche von seinem Prozessbevollmächtigten für den Bekl aufbereitet worden seien.

Die Kl beantragen,

den geänderten ESt-Bescheid 2006 vom 19. Januar 2012 dahin gehend zu ändern, dass die ESt in Höhe von 7.522 EUR festgesetzt wird;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Zulassung der Revision.

Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, Zuschläge, die in festen Monatsbeträgen pauschal ohne Rücksicht auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gezahlt werden, seien nicht steuerfrei. Allein die Aufzeichnung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden reiche für eine Steuerbefreiung nicht aus. Unterliege der Arbeitslohn bei Grenzgängern zur Schweiz nicht dem Lohnsteuerabzug, finde keine für die Steuerbefreiung erforderliche Einzelabrechnung der Pauschalzuschläge durch den Arbeitgeber statt. Nach den bestehenden Verwaltungsanweisungen (Grenzgängerhandbuch) könne zwar eine „Abrechnung” durch den Kl bzw. den Bekl im Rahmen der ESt-Veranlagung vorgenommen werden. Dies setze indes voraus, dass sich die Pauschale erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetze, die sich wiederum an den tatsächlichen Soll-Arbeitsstunden der Arbeitnehmer orientierten und darüber hinaus vom Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder einer Anlage dazu auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen bzw. zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt werden. Der Kl erhalte jedoch neben dem Grundlohn eine feste Schichtzulage und zwar auch während den Urlaubs- und Krankheitszeiten. In solch einem Falle stelle die Zulage keine Abschlagszahlung dar, die im Hinblick auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werde. Im Übrigen setze die Steuerfreiheit der Zulage voraus, dass der Kl das jeweilige Reglement vorlege, woraus ersichtlich sei, wie sich die Schichtpauschale im Einzelnen zusammensetze. Einen solchen Nachweis habe der Kl nicht erbracht, da es nach seinen Angaben kein Reglement gebe, in dem die Zusammensetzung der gezahlten Schichtpauschale geregelt sei.

Die Berichterstatterin erörterte mit den Beteiligten am 28. Juli 2011 die Sach- und Rechtslage. Der Kl legte u.a. ein Schreiben seines Arbeitgebers für 2010 zur Einsichtnahme vor, nach dem er auch aus beruflichen Gründen in der Schweiz übernachtet habe. Eine Freistellung der Einkünfte begehre er indes nicht. Die Berichterstatterin gab u.a. zu bedenken, dass der Kläger in den Streitjahren in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden aufgezeichnet habe und ein Abgleich mit dem Schichtplan unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankentagen erfolgt sei. Danach sei eine sachlich zutreffende Aufteilung der Zuschläge tatsächlich möglich, so dass eine Aufteilung der dem Kläger gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen erfolgen könne (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 2004 IV B 160/02 , Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2004, 1649; Moritz in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG , § 3b Rn. 23). Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Klage-Akte, S. 81-83).

Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 5. August 2011, nach Hinzuziehung der Akten der Vorjahre, dass der Kl laut Ziffer 9 des Arbeitsvertrags vom 2. Februar 2004 ein jährliches Bruttosalär von 108.600 Sfr., zahlbar in 12 Monatslöhnen von je 9.050,– Sfr. erhalte. In diesen Beträgen seien 13.600,– Sfr. jährlich bzw. 1.133,35 Sfr. monatlich an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. Dieser sei in der monatlichen Pauschale von 1.333,35 Sfr. enthalten und betrage wohl monatlich 200,– Sfr. Auf der Grundlage der vom Kl gefertigten Aufstellungen könne zwar ermittelt werden, in welcher Höhe ihm der Arbeitgeber nach der Vorschrift des § 3b EStG steuerfreie Zuschläge auszahlen dürfe. Ein Nachweis darüber, dass ihm der Arbeitgeber derartige Einzelzuschläge mit der Schichtpauschale von monatlich 1.133,35 Sfr. auch tatsächlich ausbezahlt hat, sei indes nicht erbracht worden. Die Voraussetzung für eine Steuerfreiheit, wonach eine Schichtpauschale u.a. nur dann steuerfrei bleiben könne, wenn sie sich auch erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt, sei damit nicht erfüllt. Soweit der Bekl für die Vorjahre eine andere bzw. falsche Rechtsauffassung vertreten habe, sei er hieran wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung nicht gebunden.

Der Bekl schilderte noch die Vorgehensweise der Betriebe der Basler Chemischen Industrie in Bezug auf die pauschalen Zuschläge ihrer Mitarbeiter, die Grundlage für die Ausführungen im Grenzgängerhandbuch gewesen seien. Recherchen des Bekl im Internet hätten ergeben, dass im hier betroffenen Bereich der Schweizer Eisenbahnen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit Zuschläge gezahlt würden, die deutlich unter den Beträgen liegen würden, die sich nach den Vomhundertsätzen des § 3b EStG ergäben. Informationen habe er von der E, der D AG, und der G AG (dort sei der Kl vom 1. Januar 2003 bis 30. April 2004 beschäftigt gewesen) bekommen. Nach den Berechnungen des Kl ergäben sich im Streitfall Zulagen, die weit über den tatsächlich ausbezahlten Zulagen lägen und infolge der rechnerischen Ermittlung jährlich schwankten. § 3b EStG stelle auf den einzelnen Zuschlag für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ab und nicht auf die Summe der Zuschläge für Arbeit zu diesen Zeiten. Nur eine konkrete Zuordnung der Pauschale zu den einzelnen begünstigten Zuschlagsarten ermögliche – wegen der unterschiedlichen Vomhundertsätze für die einzelnen Zuschläge – die Überprüfung der Begrenzung der Steuerfreiheit auf die einzelnen Höchstsätze. Hinsichtlich der vom Kl gefertigten Aufstellungen sei noch darauf hinzuweisen, dass der Grundstundenlohn nicht nach der tatsächlich geleisteten, sondern der im Anstellungsvertrag vereinbarten Sollarbeitszeit (laut Ziffer 8 des Vertrags wöchentlich 40 Stunden) zu ermitteln sei. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 93-132).

Daraufhin bat die Berichterstatterin den Kl um Stellungnahme und Vorlage des Gesamtarbeitsvertrags und/oder des Spesenreglements seines Arbeitgebers.

Der Kl antwortete, dass ein Ortszuschlag nicht bezahlt werde. Ein Ortszuschlag würde die Zuschläge erhöhen. Dies ergebe sich aus der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. September 2011. In dieser wird ausgeführt:

  1. 1.           „Die Mitarbeiter der C Schweiz GmbH sind keinem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt. Die Zulagen sind gemäß Arbeitsvertrag bzw. in der Planungs- und Einsatzrichtlinie der C Schweiz GmbH geregelt. Zudem werden die gesetzlichen Vorgaben gemäß Arbeitszeitgesetz (AZG) eingehalten und umgesetzt.
  2. 2.           Es ist richtig, dass die C Schweiz GmbH derzeit keine Lokführer angestellt hat, welche einen anderen Dienstort als X/Schweiz haben. Somit wird hier in X/Schweiz kein Ortszuschlag vergütet.
  3. 3.           Die Einsätze an Sonn- und Feiertagen ergaben sich zum einen aus der Schichtrotation, aber auch aus der aktuellen betrieblichen Lage im Tagesgeschäft. Eine tatsächliche Berechnung der Nebenbezüge (Zulagen) im Vorfeld ist somit nicht möglich, sondern kann allenfalls geschätzt werden.
  4. 4.           Das Arbeitsgesetz ist für alle konzessionierten Eisenbahnunternehmen in der Schweiz grundlegend und findet bei der C Schweiz GmbH vollumfänglich Anwendung. Das Bundesamt für Verkehr hat als hoheitliche Behörde stets das Recht, Kontrollen bezüglich der Einhaltung durchzuführen.”

 

Die Planungs- und Einsatzrichtlinien seines Arbeitgebers, gültig ab 1. Januar 2010, fügte der Kl bei. Darin ist u.a. vermerkt:

„7. Leistungsnachweis

Grundsätzlich wird die erbrachte Arbeitszeit von MEV übernommen. In der Abrechnungsstelle werden nur noch die Zeitgutschriften (Nachtzuschlag) nachgetragen.

8. Pausen / Nachtzuschläge

8.1 AZG

Die Abrechnung respektive die Zuschläge für die Pausen wie auch die Zuschläge für Nachtarbeit werden gemäss AZG [Arbeitszeitgesetz] / AZGV [Verordnung zum Arbeitszeitgesetz ] kalkuliert und auf Ihrer persönlichen Abrechnung ausgewiesen.

8.2 Verpflegungspauschale

Die Höhe der Pauschale richtet sich nach der Abwesenheit vom Dienstort und bezieht sich jeweils auf die Dienstschichten. Die Abrechnung erfolgt über die Schichtprotokolle und Stundenabrechnungen. …

10. Ausfüllen des Leistungsformulars

10.1 Spalte Datum / Tag

Jeder Tag muss vermerkt werden; Ruhetage oder UEZ [Überstundenzuschlag] – Bezug sind immer einzeln als solche in der Spalte Arbeit zu vermerken. Bei Ferien können die reinen Ferientage MO – FR als Block zusammengefasst werden.

10.6 Spalten Arbeitszeit, Zuschläge

In Basisarbeitszeit ist das Total der AZ des ganzen Dienstes, also innerhalb DA [Dienstantritt] – DE [Dienstende] zu notieren. Die übrigen Zuschläge errechnen sich nach den Vorgaben des AZG/AZGV. (Die letzte Spalte Auswärts-Zuschlag ist nicht AZG-relevant).”

Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 30. September 2011 nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 135-145).

Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 auf 9.234 EUR. Er erkannte nunmehr bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 504 EUR für eine Fahrt zum vermieteten Objekt an.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2012 wies die Berichterstatterin den Vertreter des Kl sowie den Bekl auf das nach dem Erörterungstermin ergangene Urteil des BFH vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 (Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2012, 291 ) nebst zwei Aufsätzen hierzu hin.

Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 4. Juni 2012, dass der BFH bestätige, dass pauschal gezahlte Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nur in Ausnahmefällen steuerfrei belassen werden dürften. Der Kl habe zwar unstreitig die Anzahl der geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden nachgewiesen. Die Zahlung der monatlichen Pauschale sei indes nicht an eine bestimmte im Vorhinein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Stundenzahl geknüpft worden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 56/90 , BStBl. II 1991, 298). Im Übrigen seien in den Urteilsfällen VI R 56/90 und VI R 18/11 –im Gegensatz zum Streitfall– die vom Arbeitgeber bezahlten Einzelzuschläge auch der Höhe nach (im Voraus) vertraglich festgelegt gewesen. Im Streitfall habe der Kl rein rechnerisch ermittelt, in welcher Höhe sein Arbeitgeber steuerfreie Zuschläge hätte auszahlen dürfen. Er könne aber keinen Aufschluss darüber geben, welche Stundenzahl und welche Zuschläge der Arbeitgeber bei den Ermittlungen der monatlichen Pauschale tatsächlich zugrunde gelegt hat. Infolgedessen sei in Bezug auf die Pauschale weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich. Ferner werde im Streitfall die Pauschale nicht neben dem Grundlohn gewährt, sondern sei Teil der einheitlichen Entlohnung. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag Ziffer 9, wonach der Kl ein jährliches Bruttosalär einschließlich der pauschalen Zuschläge erhalte.

Die Kl antworteten mit Fax vom 20. Juni 2012, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, dass das Verfahren VI R 18/11 einen Steuerpflichtigen mit einem inländischen Arbeitgeber betreffe. Im Streitfall gebe es die Besonderheit, dass der Schweizer Arbeitgeber des Kl nicht nach § 41b EStG verpflichtet werden könne, eine jährliche Abrechnung zu erstellen. Ferner sei im Verfahren VI R 27/10 keine Einzelauflistung / Einzelabrechnung vorgelegt, sondern eine prozentuale Ermittlung vorgenommen worden. Ein Pauschalzuschlag sei steuerfrei, als er insoweit den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entspreche. Da der Kl einen Schweizer Arbeitgeber habe, sei die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung zulässig. Seine, des Kl, Schichtzulage sei steuerfrei, da sie durch seine Einzelauflistung der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zugeordnet worden sei.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, so der Bekl mit Schreiben vom 5. August 2011 und die Kl mit Schreiben vom 30. September 2011.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Von den vom Schweizer Arbeitgeber an den Kl pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von insgesamt 16.000 SFr. ist nicht ein Betrag von 9.108,25 SFr. als steuerfreier Arbeitslohn zu behandeln.

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Nach § 3b Abs. 2 S. 1 EStG ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Unter Berücksichtigung des Wortlauts „neben” kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b Abs. 1 EStG nicht in Betracht, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit allgemein pauschaliert abgegolten wird und deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich ist (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 , BStBl. II 2012 , 291 ).

Der Kl hat indes eine pauschale Vergütung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten, die nicht neben seinem Grundlohn, sondern als fester monatlicher Bestandteil seines Arbeitslohns ausbezahlt wurde. Sie war Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch nachts, bzw. an Sonntagen und Feiertagen geleistete Tätigkeit des Kl. Dies belegt § 9 des Arbeitsvertrags, nach dem der Kl einen monatlichen Fixbetrag ausbezahlt bekommt, unabhängig davon, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit er seine Arbeit verrichtet. Der Kl hat die pauschalen Zuschläge endgültig erhalten. Sie haben nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung den Charakter einer allgemeinen Lohnerhöhung, da sie unabhängig von der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ausbezahlt werden und zwar jeden Monat i.H.v. 1.333,35 SFr. Sie gehören infolgedessen zum laufenden –steuerpflichtigen– Arbeitslohn. Denn laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, laufende Zulagen oder Zuschläge, etc.; BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 VI R 50/09 , BStBl. II 2011, 43). Vereinbaren der Kl und sein Arbeitgeber einen monatlichen Betrag, nach dem die Zuschläge aus Praktikabilitätsgründen ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet werden, dient die Pauschale nicht lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Denn der Arbeitgeber des Kl hat die pauschalen Zuwendungen nicht als Abschlagszahlung oder Vorschuss auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 , Juris).

Diese Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck der Norm vereinbar. Denn § 3b Abs. 1 EStG soll gewährleisten, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeine Gegenleistung für die Arbeitsleistung – so wie im Streitfalldarstellen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08 , BFH/NV 2010, 201 ).

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der vom Kl anhand der Dienstpläne gefertigten und von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Einzelaufstellungen der unstreitig tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und des hieraus verhältnismäßig ermittelten steuerfreien Arbeitslohns. Zu Recht geht zwar der Kl davon aus, dass eine Steuerfreiheit zu bejahen ist, wenn eine sachlich zutreffende, d.h. nicht nur rechnerische, Aufteilung der ihm pauschal gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen möglich ist (BFH-Beschluss vom 9. August 2004 VI B 160/02 , BFH/NV 2004, 1649 ). Die Aufstellungen und Berechnungen des Kl ermöglichen jedoch allenfalls eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten). Eine Zurechnung der Höhe nach (Steuerfreistellung nach %-Sätzen des Grundlohns) ergibt sich aus ihnen nicht. Die vom Arbeitgeber des Kl bezahlten Einzelzuschläge sind der Höhe nach nicht vertraglich festgelegt gewesen. Vereinbart war eine Pauschale, deren Ermittlung weder dem Arbeitsvertrag noch dem Schreiben des Arbeitgebers vom 19. September 2011 noch den Planungs- und Einsatzrichtlinien des Arbeitgebers zu entnehmen ist. Der Arbeitgeber des Kl verweist insoweit auf seine Kalkulation gemäß AZG und AZGV. Außerdem schwanken infolge der rechnerischen Ermittlung durch den Kl die Zuschläge jährlich.

Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln (siehe zur „Differenzbesteuerung” BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08 , BFH/NV 2010, 201 ). Denn die Steuerbefreiung setzt voraus, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagsarbeit und dem Lohn hergestellt wird (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 27/10 , BFH/NV 2011, 683 ).

Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung sind nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG ) gleichmäßig anzuwenden. Eine Differenzierung nach dem Sitz des Arbeitgebers wäre insoweit nicht sachgerecht.

Dem steht nicht das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (EG ) und ihren Mitgliedern vom 21. Juni 1999 (sog. Freizügigkeitsabkommen – FZA –, Bundesgesetzblatt – BGBl. – II 2001, 811), das am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist (offen gelassen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 3. November 2003 2 BvR 168/02, Internationales Steuerrecht (IStR) 2004, 125) entgegen, auch wenn das FZA, ein sektorspezifisches Abkommen, ein völkerrechtlicher Vertrag ist, der bestimmte, im Einzelnen geregelte Freiheiten garantiert und ein allgemeines Diskriminierungsverbot formuliert (vgl. Urteil des Finanzgerichts – FG – Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, Entscheidungen der FG – EFG – 2010, 1997).

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfasst nach Art. 39 Abs. 2 und 3 des Vertrags zur Gründung der EG vom 7. Februar 1992 in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001 (BGBl. 2002 II, 1666 ), geändert durch den Beitrittsvertrag (BGBl. 2003 II, 1477 ), das Recht auf Ausreise aus dem Heimatstaat, das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Aufnahmestaat sowie das Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang und bei Ausübung einer Beschäftigung (Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003 , Beilage 2, 75). Der Sinn und Zweck der Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht in der Möglichkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Sie enthält neben einem Diskriminierungsverbot, einem Gebot der Inländergleichbehandlung im Aufnahmestaat, ein Recht auf nahezu unbegrenzt grenzüberschreitende Betätigung (Freiheitskomponente), das in ein Beschränkungsverbot mündet. Sie ist damit auch betroffen, wenn eine nationale Regelung geeignet ist, einen Arbeitnehmer an der Aufnahme einer Arbeit in einem anderen Staat zu behindern (EuGHUrteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003 , Beilage 2, 75). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Denn dem Kl wird die Steuerfreiheit des § 3b Abs. 1 EStG nicht deshalb verwehrt, weil sein Arbeitgeber ein Schweizer Arbeitgeber ist, sondern weil die Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind. Letztendlich begehrt der Kl die Möglichkeit eines einfacheren Nachweises der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung eines Teils seines Arbeitslohns, da er einen ausländischen Arbeitgeber hat. Eine solche Beweiserleichterung lässt sich jedoch mit dem FZA nicht begründen. Nach Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge ist das FZA nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen (EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-70/09, Tz. 36, 42, Juris). Für seine Auslegung sind die im Abkommen selbst festgeschriebenen Zielsetzungen sowie „das Niveau der sektoriellen Integration in den gemeinsamen Binnenmarkt entscheidend” (Imhof, Das Freizügigkeitsabkommen EG -Schweiz und seine Auslegungsmethode – Teil 1, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht – ZESAR – 2007, 155 ff.). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Art. 21 FZA darauf schließen lässt, dass, nach dem Willen der Vertragsparteien, das FZA grundsätzlich keine Anwendung auf Steuernormen finden soll (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, EFG 2010, 1997 ). Hinzu kommt, dass das FZA als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG ) und damit einem Steuergesetz nicht vorgeht. § 2 Abgabenordnung (AO) , nach dessen Wortlaut völkerrechtliche Verträge über die Besteuerung den Steuergesetzen vorgehen, kann als einfaches Recht keinen allgemeinen Vorrang völkerrechtlicher Verträge begründen, so dass eine Normenkollision im konkreten Einzelfall nach den allgemeinen Regeln aufzulösen ist (Drüen in Tipke/Kruse, AO , § 2 Rn. 1 f., 38). Entscheidend ist daher, welche Vorschrift als die speziellere anzusehen ist. Dies ist im Streitfall § 3b Abs. 1 EStG .

Entgegen der Ansicht der Kl war der Bekl ferner nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes nach Treu und Glauben am Erlass des angefochtenen ESt-Bescheids 2006 gehindert. Der Bekl ist bei einem Zuständigkeitswechsel infolge der Abschnittsbesteuerung nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen Bearbeiters gebunden. Im Übrigen stellt das Schreiben des früheren Bearbeiters vom 28. Juni 2006 keine verbindliche Auskunft dar. Es fehlt insoweit an einer behördlichen Erklärung, die sich auf einen erst in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhalt bezieht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 2004 I R 54/03 , BStBl. II 2004, 767). Soweit die Kl geltend machen, die Entscheidung weiche von Fach B Teil 2 Nummer 10 des Grenzgängerhandbuchs ab, geht es ihnen um einen Vertrauensschutz aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls. Sie begehren die Anwendung der Ausführungen im Grenzgängerhandbuch, einer Verwaltungsanweisung, zu ihren Gunsten. Diesbezüglicher Vertrauensschutz wird nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1998 X R 110/95 , BStBl. II 1999 , 225 ; vom 30. April 2009 V R 15/07, BStBl. II 2009, 744 und vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256 ). Streitgegenstand ist jedoch die ESt-Festsetzung 2006.

Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, ob der Kl den Grundlohn entsprechend § 3b Abs. 2 S. 1 EStG berechnet hat. Danach orientiert sich dieser an der für den Kl maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit und nicht nach den tatsächlich geleisteten Stunden.

Nachdem das Einverständnis beider Beteiligter vorliegt, hält es der Senat für sachgerecht, gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kl gemäß § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ). Denn das Verhältnis des FZA zum nationalen Steuerrecht bei einem Arbeitnehmer und dessen Auswirkungen auf Nachweispflichten ist noch nicht geklärt.

Mehrwertsteuer: Kommission schlägt neues Instrument zur schnellen Reaktion auf Betrug vor

Die Kommission hat heute einen Vorschlag für einen Schnellreaktionsmechanismus angenommen, der den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, schneller und wirksamer auf Mehrwertsteuerbetrug zu reagieren. Dieser Mechanismus sieht vor, dass ein Mitgliedstaat, der unvermittelt in großem Umfang von Betrug betroffen ist, auf eine gegenwärtig in den MwSt-Vorschriften nicht vorgesehene Weise bestimmte Notfallmaßnahmen anwenden könnte. So sollen die Mitgliedstaaten binnen eines Monats die sogenannte „Reverse-Charge-Regelung“ anwenden können, bei der die Steuer vom Erwerber geschuldet wird und nicht vom Lieferer der Gegenstände oder vom Dienstleistungsempfänger. Auf diese Weise würden die Chancen, komplexen und systematischen Mehrwertsteuerbetrug wie etwa Karussellbetrug zu bekämpfen, erheblich verbessert und ansonsten unvermeidliche finanzielle Verluste eingedämmt. Damit künftig auf neue Formen des Betrugs reagiert werden kann, sollen im Rahmen des Schnellreaktionsmechanismus auch weitere Betrugsbekämpfungsmaßnahmen genehmigt und eingeführt werden können.

Algirdas Šemeta, EU-Kommissar für Steuern, Zollunion, Audit und Betrugsbekämpfung erklärte: „Bei Mehrwertsteuerbetrug gilt der Grundsatz „Zeit ist Geld“. Betrüger werden immer schneller und raffinierter, wenn es darum geht, Systeme zu entwickeln, um die öffentliche Hand zu bestehlen. Daher müssen wir den Betrügern einen Schritt voraus sein. Mit dem Schnellreaktionsmechanismus wird im MwSt-System eine Handhabe geschaffen, um Mehrwertsteuerbetrug wirksam zu bekämpfen. Der Mechanismus wird dazu beitragen, dringend benötigte öffentliche Einnahmen zu schützen und für ehrliche Unternehmen faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen herbeizuführen.“

Mehrwertsteuerbetrug kostet die EU und die nationalen Haushalte alljährlich mehrere Milliarden Euro. In einigen schwerwiegenden Fällen gehen wegen der sich rasch entwickelnden Betrugssysteme in sehr kurzer Zeit enorme Summen verloren. Ein Beispiel ist der Bereich des Emissionshandels, in dem zwischen Juni 2008 und Dezember 2009 aufgrund von Mehrwertsteuerbetrug schätzungsweise 5 Mrd. Euro verlorengegangen sind.

Ein Mitgliedstaat, der Mehrwertsteuerbetrug durch Maßnahmen bekämpfen möchte, die in den Mehrwertsteuervorschriften der EU derzeit nicht vorgesehen sind, muss förmlich die Genehmigung einer Ausnahmeregelung beantragen. Daraufhin erarbeitet die Kommission einen entsprechenden Vorschlag und legt ihn dem Rat vor, der ihn einstimmig annehmen muss, bevor die Maßnahmen umgesetzt werden können. Dieses Verfahren kann zeitaufwändig und umständlich sein und es verzögert die Maßnahmen der Mitgliedstaaten, um den Betrug zu stoppen.

Mit dem Schnellreaktionsmechanismus müssten die Mitgliedstaaten nicht länger auf den Abschluss dieses förmlichen Verfahrens warten, bevor sie spezielle Betrugsbekämpfungsmaßnahmen anwenden. Stattdessen würde ihnen in einem wesentlich zügigeren Verfahren binnen eines Monats genehmigt, von den Mehrwertsteuervorschriften der EU abzuweichen. Auf diese Weise könnten sie mit der Betrugsbekämpfung fast sofort beginnen, bis dauerhaftere Maßnahmen in Kraft treten (und ggf. das übliche Verfahren zur Genehmigung von Ausnahmeregelungen eingeleitet wird).

Hintergrund

Der Schnellreaktionsmechanismus ist in der neuen Mehrwertsteuerstrategie (siehe IP/11/508) und in der Mitteilung über die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung (siehe IP/12/697) vorgesehen, um die Bekämpfung des Steuerbetrugs in der EU zu verstärken und die öffentlichen Einnahmen zu schützen.

Nützliche Links:

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/vat/key_documents/legislation_proposed/index_de.htm

Für weitere Informationen siehe MEMO/12/609

Berücksichtigung von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen (BFH)

Steuerrechtliche Berücksichtigung von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen

 Leitsatz

1. Obligatorische Beiträge an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie aus Einkünften stammen, die in Deutschland aufgrund des DBA-Schweiz steuerfrei sind.

2. Der fehlende Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

3. Die entsprechenden Beiträge können auch nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden.

 Gesetze

EStG § 10 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3
EStG § 32b Abs. 2 Nr. 2
GG Art. 3
EG Art. 43
FZA Art. 1 Buchst. a
FZA Art. 16 Abs. 2

 Instanzenzug

FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 21. Juli 2009 11 K 378/07 (EFG 2010, 208 )BFH X R 62/09

 Gründe

A.

1  Der im Inland ansässige Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2005 als Unternehmensberater Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Geschäftsführer der U-Aktiengesellschaft mit Sitz in A, Schweiz) sowie aus Gewerbebetrieb (R-Unternehmensberatung, mit Sitz in B, Schweiz).

2  Die gewerblichen Einkünfte sind —was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht— nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BStBl I 1972, 518) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 (BStBl I 2003, 165) —DBA-Schweiz — in Deutschland steuerfrei. Sie unterliegen allerdings dem Progressionsvorbehalt nach § 32b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG ).

3  Auf diese Einkünfte hatte der Kläger Beiträge zur Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) in Höhe von 31.096,61 € zu entrichten. Dabei handelt es sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) um obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung (vgl. Art. 112 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 i.V.m. Art. 1a Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung —AHVG—). Diese Beiträge sind nach dem Einkommensteuerrecht der Schweiz zur Ermittlung des Reineinkommens abziehbar (Art. 33 Abs. 1 Buchst. d des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer —DBG—) und wurden vom Kläger bei der Ermittlung seines der Schweizer Bundessteuer unterliegenden Einkommens abgezogen. In seiner deutschen Einkommensteuererklärung machte der Kläger die AHV-Beiträge zum einen als Sonderausgaben geltend und erhöhte zum anderen für Zwecke der Ermittlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte das der schweizerischen Besteuerung unterliegende Einkommen um diese Beträge auf 641.024,35 CHF (413.460,71 €).

4  Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die AHV-Beiträge weder als Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Sonderausgaben noch zog das FA die AHV-Beiträge bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32b EStG von den gewerblichen Einkünften in Höhe von 413.460 € ab.

5  Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, unter Berücksichtigung des Paradigmenwechsels bei der Besteuerung der Renten im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG ) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427 ) stehe der AHV-Beitrag in Zusammenhang mit (künftig) steuerpflichtigen Rentenzahlungen. Demnach seien Vorsorgeaufwendungen nicht nur Maßnahmen der Einkommensverwendung, sondern Aufwendungen zur Einkünfteerzielung. Auch die Rente seines ausländischen Versorgungsträgers sei bei Auszahlung im Inland steuerpflichtig. Müsse er aber die Renteneinnahmen im Zeitpunkt des Zuflusses versteuern, ohne dass die hierfür erforderlichen Beiträge als Sonderausgaben berücksichtigt worden seien, treffe ihn eine doppelte Belastung. Werde der vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710) geprägte Grundsatz der intertemporalen Korrespondenz beachtet, seien die AHV-Beträge abziehbar.

6  Das FG wies die Klage mit dem in Entscheidungen des Finanzgerichte (EFG) 2010, 208 veröffentlichten Urteil ab. Die Beiträge des infolge seines inländischen Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtigen Klägers zur Schweizer AHV in Höhe von 31.096,61 € seien nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil sie gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den aufgrund des DBA-Schweiz steuerfreien Einkünften aus der Unternehmensberatung des Klägers stünden. Der Kläger werde durch die Versagung des Sonderausgabenabzugs nicht doppelt belastet, da eine Doppelbelastung nur vorliege, wenn ein Steuerpflichtiger seine Beiträge zur Altersversorgung aus versteuertem Einkommen leiste. Die Einkünfte aus der Unternehmensberatung des Klägers hätten sein im Inland zu versteuerndes Einkommen nicht erhöht und seien schon deshalb „steuerfrei” gestellt worden. Im Übrigen seien die Beiträge zur AHV auch nicht in der Schweiz besteuert, sondern vielmehr von den Einkünften abgezogen worden, so dass auch staatenübergreifend keine Doppelbelastung vorliege.

7  Der Kläger wendet sich mit seiner Revision gegen die Anwendung des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG . Das Merkmal „Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften” müsse im Hinblick auf die nachgelagerte Besteuerung anders ausgelegt werden. Seit dem Inkrafttreten des AltEinkG bestehe nicht mehr allein ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Vorsorgeaufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung und den Einkünften desselben Zeitraums, sondern auch mit den zukünftigen steuerpflichtigen Einnahmen im Rentenbezugszeitraum. Die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs sei nach der bis 2004 geltenden Rechtslage sinnvoll gewesen, weil der Zufluss der späteren Renteneinkünfte seinerseits steuerfrei geblieben wäre. Dadurch sei eine überproportionale Begünstigung des Steuerpflichtigen vermieden worden, der neben —ggf. unter Progressionsvorbehalt stehenden— steuerfreien auch steuerpflichtige Einkünfte bezogen habe. Nach dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung könne es jedoch nicht allein darauf ankommen, welches Schicksal die im Zusammenhang mit den Aufwendungen stehenden jetzigen Einnahmen hätten. Vielmehr ergebe sich aus dem ebenfalls unbestreitbaren Sachzusammenhang mit den späteren steuerpflichtigen Renten ein weiteres Differenzierungskriterium. Die Vorsorgeaufwendungen würden aus Einkünften geleistet, die dem Grunde nach besteuert werden könnten. Die Freistellung aufgrund des DBA-Schweiz bewirke, dass der Schweiz das Recht zur Besteuerung zugeteilt werde. Ob die Schweiz von diesem Recht Gebrauch mache, dürfe nicht von Bedeutung sein, da es eine Frage des schweizerischen Steuerrechts sei.

8  Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den geänderten Bescheid über die Einkommensteuer 2005 vom 25. Juni 2007 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ein weiterer Betrag in Höhe von 31.096 € bei der Berechnung der anzusetzenden Altersvorsorgeaufwendungen berücksichtigt wird.

9  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10  Unter dem 12. Januar 2010 und unter dem 15. Februar 2011 wurde der Einkommensteuerbescheid 2005 jeweils aus zwischen den Beteiligten nicht strittigen Gründen geändert.

B.

I.

11  Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da der während des Revisionsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011 an die Stelle des Änderungsbescheids vom 12. Januar 2010 trat, der seinerseits an die Stelle der Einkommensteuerfestsetzung vom 25. Juni 2007 getreten war. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (siehe dazu Senatsurteil vom 21. Juli 2004 X R 46/02, BFH/NV 2004, 1643 , m.w.N.).

12  Der Bescheid vom 15. Februar 2011 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich durch den Änderungsbescheid der bisherige Streitstoff nicht verändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 127 Rz 2). Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00 , BFHE 201, 269 , BStBl II 2004, 43).

II.

13  Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die von ihm an die AHV geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen zwar grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in den Grenzen des § 10 Abs. 3 EStG geltend machen kann (unten 1.), dem Sonderausgabenabzug jedoch § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG entgegensteht (unten 2.). Eine Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des Progressionsvorbehalts ist ebenfalls nicht möglich (unten 3.).

14  1. Die AHV-Beiträge sind grundsätzlich als Vorsorgeaufwendungen abziehbar, weil die AHV als Sozialversicherungsträger i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG anzusehen ist. Hierzu hat das FG —den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend— festgestellt, dass im Streitfall obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung vorliegen. Ob es sich um einen in- oder ausländischen Sozialversicherungsträger handelt, ist insoweit ohne Belang (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06, BFHE 225, 421 , BStBl II 2009, 1000).

15  2. Der Sonderausgabenabzug der aufgrund der gewerblichen Tätigkeit zu entrichtenden Beiträge an die AHV scheitert jedoch gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG daran, dass die Beiträge in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

16  Ein solcher unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht zwischen den vom Kläger an die AHV geleisteten Beiträgen und seinen im Inland steuerbefreiten Einkünften aus der in der Schweiz ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (unten a und b). Der Ausschluss dieser ausländischen Vorsorgeaufwendungen vom Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (unten c).

17  a) Zu § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. vor dem Inkrafttreten des AltEinkG hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen ist, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (Urteile vom 18. Juli 1980 VI R 97/77, BFHE 131, 339 , BStBl II 1981, 16 zum steuerfreien Arbeitslohn aufgrund des Montage-Erlasses; vom 27. März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64 , BStBl II 1981, 530 zum gemäß § 3 Nr. 63 EStG 1975 steuerfreien Arbeitslohn für eine Tätigkeit in der Deutschen Demokratischen Republik, und vom 29. April 1992 I R 102/91, BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149 zu den aufgrund eines DBA steuerfreien Einkünften). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst. In diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor. Die mit der Verausgabung der Pflichtbeiträge verbundene Minderung der Leistungsfähigkeit wird bereits durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen aufgefangen (so auch u.a. BFH-Urteil in BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149).

18  Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist danach dadurch gegeben, dass die steuerfreien Einnahmen verpflichtend der Finanzierung der Vorsorgeaufwendungen dienen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Vorsorgeaufwendungen zu steuerfreien Einnahmen führen (vgl. auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff —KSM—, EStG , § 10 Rz M 5 ff., M 13 ff.).

19  b) Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des erkennenden Senats ebenfalls für die Rechtslage nach Inkrafttreten des AltEinkG .

20  aa) Durch das AltEinkG wurde der Wortlaut des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht geändert. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelungen zu den Nrn. 1 und 2 Buchst. a und c der bisherigen Regelung entsprächen (Gesetzentwurf des AltEinkG , BTDrucks 15/2150, 34).

21  Durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl I 2009, 1959 ) wurde lediglich eine Sonderregelung für steuerfreie Zuschüsse zu Kranken- und Pflegeversicherungen eingeführt. Danach stehen derartige Zuschüsse insgesamt in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG . Hierdurch wird sichergestellt, dass Beiträge zur Absicherung von Mehrleistungen bei privat krankenversicherten Arbeitnehmern genauso behandelt werden wie bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/13429, 44).

22  bb) Das neue System der Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte aufgrund des AltEinkG mit der grundsätzlichen Ausrichtung auf die nachgelagerte Besteuerung, die zu einer die gesamten Renteneinnahmen umfassenden Besteuerung führt, erfordert keine Änderung bzw. Anpassung der BFH-Rechtsprechung.

23  Mit dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung wurde die Besteuerung von Leibrenten neu geregelt. Rentenzuflüsse, also die zeitlich gestreckte Auszahlung der Versicherungssumme, können jetzt, auch soweit sie auf eigenen Beitragszahlungen des Steuerpflichtigen zur Rentenversicherung beruhen, über den Ertragsanteil hinaus der Besteuerung unterworfen werden. Zumindest solange die Beitragszahlungen „steuerfrei” gestellt werden, wird der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nicht überschritten (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710).

24  Eine solche Steuerfreistellung ist hier gegeben. Zwar mindern die Beiträge zur schweizerischen AHV die inländische Bemessungsgrundlage nicht. Dafür werden aber die mit den AHV-Beiträgen untrennbar verbundenen gewerblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DBA-Schweiz von der inländischen Bemessungsgrundlage ausgenommen. Einer weitergehenden steuerlichen Berücksichtigung dergestalt, dass die Beiträge zusätzlich noch die inländische Bemessungsgrundlage vermindern, bedarf es nicht.

25  c) Die fehlende steuerliche Berücksichtigung der auf die gewerbliche Tätigkeit des Klägers entfallenden schweizerischen AHV-Beiträge verstößt weder gegen verfassungsrechtliche Grundsätze noch gegen das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen —FZA—, BGBl II 2001, 811 ).

26  aa) In dem fehlenden Sonderausgabenabzug liegt keine Verletzung des aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzips, insbesondere kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip.

27  aaa) Die Altersvorsorgeaufwendungen sind zwar seit der Neuregelung durch das AltEinkG unstreitig ihrer Rechtsnatur nach Werbungskosten. Der erkennende Senat hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Gesetzgeber diese Vorsorgeaufwendungen trotz ihrer Rechtsnatur konstitutiv den Sonderausgaben und nicht den Werbungskosten zuweisen konnte (vgl. u.a. Senatsurteile vom 18. November 2009 X R 34/07 , BFHE 227, 99 , BStBl II 2010, 414, X R 45/07, BFH/NV 2010, 421 , unter II.2.b bb, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 ; X R 6/08, BFHE 227, 137 , BStBl II 2010, 282, und vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165 , BStBl II 2010, 348).

28  bbb) Verfassungsrechtlich kann die Einordnung der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur dann einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn die daraus resultierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen zu einer nicht gerechtfertigten steuerlichen Ungleichbehandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Vergleich zu anderen vorweggenommenen Werbungskosten führen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2010, 421 , unter II.2.b cc).

29  So ist die unterschiedliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und anderen (vorweggenommenen) Werbungskosten, wie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, vor dem Hintergrund, dass diese Aufwendungen keinen ausschließlichen Werbungskostencharakter haben, sachlich gerechtfertigt, zumal es sich eher um Ausnahmefälle mit nicht besonders gravierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen handelt, so dass die damit verbundenen Nachteile vor allem aus Gründen der Praktikabilität hinzunehmen sind (zur Vermeidung von Wiederholungen vgl. statt vieler Senatsurteil in BFHE 227, 165 , BStBl II 2010, 348, unter B.II.2.b cc ccc und ddd).

30  ccc) Im Streitfall ist jedoch bereits keine Ungleichbehandlung zu erkennen. Bei einer Einordnung der ausländischen Vorsorgebeiträge als Werbungskosten wäre zwar nicht § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG , dafür aber § 3c Abs. 1 EStG zu prüfen gewesen. Danach dürfen Ausgaben nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

31  Da der Wortlaut beider Abzugsverbote im Kern identisch ist, ist davon auszugehen, dass auch der Begriff „unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang” in beiden Vorschriften gleich auszulegen ist (ebenso BFH-Urteil in BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149). Das bedeutet dann aber auch, dass es zu einer verfassungsrechtlich problematischen Ungleichbehandlung nicht kommen kann, unabhängig davon, ob § 3c Abs. 1 EStG oder § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG anzuwenden ist.

32  So wären im Streitfall die AHV-Beiträge, die wegen der gewerblichen Tätigkeit in der Schweiz zu entrichten waren, wegen ihres unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs mit steuerfreien Einnahmen i.S. des § 3c Abs. 1 EStG selbst dann nicht abziehbar, wenn sie einkommensteuerrechtlich als Werbungskosten anzusehen wären.

33  Bei Altersvorsorgeaufwendungen wird die Zuordnungsproblematik dadurch erschwert, dass sie sowohl untrennbar mit den steuerbefreiten Einkünften als auch untrennbar mit den zukünftigen steuerpflichtigen Renteneinkünften verbunden sind. Diese Konstellation ist mit der Sachlage vergleichbar, bei der Werbungskosten oder Betriebsausgaben, die zu steuerpflichtigen Einnahmen führen, steuerfrei erstattet werden und deshalb wegen § 3c Abs. 1 EStG nicht abziehbar sind. Das Abzugsverbot basiert in den Fällen des Aufwendungsersatzes auf der Annahme, dass ein Abzug wegen des Fehlens einer wirtschaftlichen Belastung nicht gerechtfertigt sei (BFH-Urteile vom 6. Juli 2005 XI R 61/04 , BFHE 210, 332 , BStBl II 2006, 163, und vom 20. September 2006 I R 59/05, BFHE 215, 130 , BStBl II 2007, 756, unter II.6.d, jeweils m.w.N.). Nach der Senatsrechtsprechung bedarf es im Rahmen des § 3c Abs. 1 EStG keines unmittelbaren Zusammenhangs innerhalb derselben Einkunftsart, da entscheidend ist, dass die Ausgaben und die steuerfreien Einnahmen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (Senatsurteil vom 28. Mai 1998 X R 32/97, BFHE 186, 275 , BStBl II 1998, 565). Damit ist ein den Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausschließender unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben auch dann gegeben, wenn steuerfreie Einnahmen der einen Einkunftsart Werbungskosten einer anderen Einkunftsart ersetzen. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann jedoch nicht gegeben, wenn die steuerfreien Einnahmen lediglich der bloßen Finanzierung von Aufwendungen dienen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 208/85 , BFHE 158, 388 , BStBl II 1990, 88).

34  Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wäre im Streitfall der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 3c Abs. 1 EStG erfüllt gewesen, da aufgrund der obligatorischen Verpflichtung in Art. 1a Abs. 1 Buchst. b AHVG die steuerfreien gewerblichen Einnahmen des Klägers unmittelbar und untrennbar mit den AHV-Beiträgen verbunden waren; die steuerfreie Tätigkeit des Klägers war allein ursächlich.

35  ddd) Dass es systemgerecht ist, für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG entscheidend auf die Steuerfreiheit der Einnahmen, aus denen die Vorsorgeaufwendungen stammen, abzustellen, obwohl die künftigen Renteneinkünfte dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen und gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nicht mehr lediglich mit dem Ertragsanteil, sondern mit dem Besteuerungsanteil —und ab dem Jahr 2040 vollständig— besteuert werden, zeigt die umgekehrte Konstellation, in der die Vorsorgeaufwendungen aus steuerpflichtigen Einkünften stammen und zu steuerfreien Einkünften führen.

36  Für diese Sachlage hat der erkennende Senat entschieden, dass im Ausland geleistete Sozialversicherungsbeiträge in dem durch § 10 Abs. 3 EStG vorgegebenen Rahmen im Inland abziehbar sind, obwohl sie zu künftigen nach dem DBA steuerfreien Alterseinkünften führen, da die Beiträge aus im Inland steuerpflichtigen Einkünften stammen (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06, BFHE 225, 421 , BStBl II 2009, 1000). Auf die steuerliche Behandlung der Altersrenten kommt es daher für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht an (siehe zur vergleichbaren Konstellation beim Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen, die zu nach § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerfreien Leistungen führen, KSM/Söhn, a.a.O., § 10 Rz M 13).

37  bb) Die gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG fehlende Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen über die Steuerfreistellung der zugrunde liegenden Einkünfte hinaus stellt im Streitfall keinen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip dar. Zwar hat der Senat in seinem Beschluss vom 18. Dezember 1991 X B 126/91 (BFH/NV 1992, 382 ) verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine entsprechende Auslegung des § 10 Abs. 2 EStG für den Fall geäußert, dass ein Steuerpflichtiger weder im Tätigkeitsstaat (als beschränkt Steuerpflichtiger) noch im Inland (als unbeschränkt Steuerpflichtiger) seine Vorsorgeaufwendungen geltend machen kann. Diese Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, da der Kläger —wie das FG für den Senat bindend festgestellt hat— seine Beiträge zur AHV in der Schweiz im Rahmen der Ermittlung seiner gewerblichen Einkünfte gemäß Art. 33 Abs. 1 Buchst. d DBG steuermindernd berücksichtigen konnte.

38  cc) Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG ), jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV ), i.V.m. dem FZA aufgrund einer steuerlichen Diskriminierung seiner in der Schweiz ausgeübten gewerblichen Tätigkeit berufen.

39  aaa) Zwar ist in Art. 1 Buchst. a des seit dem 1. Juni 2002 gültigen FZA das Ziel vereinbart worden, zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz ein Recht auf Niederlassung als Selbständiger einzuräumen, so dass der Anwendungsbereich des FZA die Niederlassungsfreiheit einer natürlichen Person umfasst (Gerichtshof der Europäischen Union —EuGH—, Urteil vom 11. Februar 2010 Rs. C-541/08 —Fokus Invest—, Slg. 2010, I-1025). Auch enthalten die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit nach ständiger EuGH-Rechtsprechung das Verbot für den Herkunftsstaat, die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern (vgl. u.a. EuGH-Urteile vom 13. April 2000 Rs. C-251/98 —Baars—, Slg. 2000, I-2787, Rz 28; vom 11. März 2004 Rs. C-9/02 —de Lasteyrie du Saillant—, Slg. 2004, I-2409, Rz 42), so dass die Weigerung des Wohnsitzstaates —hier Deutschland—, einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen die steuerliche Berücksichtigung der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge zu gewähren, eine Beschränkung dieser Freiheit darstellt, weil die betroffenen Steuerpflichtigen davon abgehalten werden könnten, die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV ) zu nutzen (so EuGH-Urteil vom 19. November 2009 Rs. C-314/08 —Filipiak—, Slg. 2009, I-11049, Rz 60 ff. und 71).

40  bbb) Allerdings beruht das letztgenannte Urteil ausdrücklich auf der Prämisse, dass die von einem Steuerpflichtigen in dem Staat der Niederlassung entrichteten Pflichtbeiträge in diesem Staat nicht abgezogen werden konnten (EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-11049, Rz 51). Diese Prämisse ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt, da der Kläger die AHV-Beiträge in der Schweiz steuermindernd geltend machen konnte.

41  ccc) Es bedarf daher keiner Entscheidung, inwieweit der Kläger sich überhaupt auf die Niederlassungsfreiheit in ihrer Ausgestaltung durch die EuGH-Rechtsprechung berufen könnte, da nach Art. 16 Abs. 2 FZA nur die Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens (21. Juni 1999) berücksichtigt werden kann, soweit für die Anwendung des FZA Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden. Später ergangene Entscheidungen des EuGH zu inhaltsgleichen Bestimmungen können wegen dieses statischen Verweises nicht zur Auslegung des FZA herangezogen werden, soweit der gemäß Art. 14 FZA eingesetzte Gemischte Ausschuss dies nicht beschlossen hat. Infolgedessen gibt das FZA eine qualitativ-zeitliche Begrenzung zur Berücksichtigung der —zumindest nicht lediglich präzisierenden— EuGH-Rechtsprechung vor (so auch BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10 , BFHE 235, 215 , m.w.N.).

42  3. Die streitigen Aufwendungen zur AHV können nicht bei der Bemessung des auf das zu versteuernde Einkommen des Klägers anzuwendenden Steuersatzes berücksichtigt werden.

43  a) Nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind die durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der deutschen Besteuerung freigestellten Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Daran anknüpfend bestimmt § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG , dass die betreffenden Einkünfte den anzuwendenden Steuersatz erhöhen oder vermindern, so dass in die von § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG vorgeschriebene Berechnung nur „Einkünfte” eingehen. Sonderausgaben zählen nicht zu den Einkünften, sondern werden erst im Anschluss an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Abs. 4 EStG ). Dies schließt ihre Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts aus (so BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 73/09 , BFH/NV 2011, 773 zur steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen zu einer niederländischen Krankenversicherung im Rahmen des Progressionsvorbehalts; sowie vorgehend FG Köln, Urteil vom 26. Mai 2009 1 K 3199/07 , EFG 2010, 415 ; zur Europarechtskonformität vgl. FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Juli 2008 2 K 2194/05 , EFG 2008, 1708 ).

44  b) Da der Gesetzgeber die Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugewiesen hat (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. auch jüngst Senatsurteil vom 16. November 2011 X R 15/09, BFHE 236, 69 , BStBl II 2012, 325, unter II.2.b bb), sind die vom Kläger gezahlten AHV-Beiträge nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes abzuziehen. Die unterschiedliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und anderen (vorweggenommenen) Werbungskosten ist, wie oben unter B.II.2.c aa ccc dargestellt, sachlich gerechtfertigt. Für die Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt nichts anderes.

 

Internationales Steuerrecht | §§ 5 und 6 InvStG sind unionsrechtskonform und verfassungsgemäß (FG)

Internationales Steuerrecht/Einkommensteuerrecht: §§ 5 und 6 InvStG sind unionsrechtskonform und verfassungsgemäß

 Leitsatz

Die Pauschalbesteuerung der Anleger intransparenter Fonds gemäß §§ 5 und 6 InvStG ist unionsrechtskonform und verfassungsgemäß (wie hier: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012 1 K 1159/08 , veröffentlicht am 16.07.2012; zweifelnd jedoch FG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 03.05.2012 16 K 3383/10 F , veröffentlicht am 16.07.2012).

 Gesetze

InvStG § 5
InvStG § 6
EG Art. 56 Abs. 1
AEUV Art. 63 Abs. 1
GG Art. 14
GG Art. 3 Abs. 1
AO § 163
AO § 227

 Instanzenzug

BFH 22.10.2012 – VIII R 36/12

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Besteuerung von Einkünften aus sog. „intransparenten” ausländischen Fonds nach Inkrafttreten des Investmentsteuergesetzes (InvStG ) im Hinblick auf dessen Vereinbarkeit mit Recht der Europäischen Union und mit Verfassungsrecht (Streitjahre: 2004 bis 2006).

I.

Bis einschließlich 2003 galt für inländische Fonds das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAAG) und für ausländische Fonds das Auslandsinvestment-Gesetz (AuslInvG). Erträge aus Fonds, die den jeweils angeordneten Publizitätspflichten, bei ausländischen Fonds auch der Pflicht zur Registrierung im Inland und zur Bestellung eines inländischen Vertreters, nicht entsprachen, wurden bei den Anlegern unterschiedlich besteuert: Bei inländischen Fonds waren die Einkünfte gemäß § 162 AO zu schätzen, während bei ausländischen eine Pauschalsteuer (Mindeststeuer) entstand, und zwar in Höhe von 90 % des Mehrbetrages zwischen dem ersten und dem letzten im jeweiligen Kalenderjahr erzielten Rücknahmepreises, im Veräußerungsfall 20 % des Veräußerungsentgelts, unabhängig von der Haltedauer.

Der Bundesfinanzhof – BFH – beurteilte diese differenzierte Behandlung in- und ausländischer Fonds als unzulässigen Verstoß gegen die früher gemeinschafts-, jetzt unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit (Rechtsgrundlage in zeitlicher Folge: Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG – Kapitalmarkt-Richtlinie -, Art. 73b bis 73g EG-Vertrag, Art. 56 bis 58 EG-Vertrag, inzwischen Art. 63 bis 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV -, ferner Art. 40 bis 42 EWR-Vertrag), und zwar mit Urteilen vom 18.11.2008 (VIII R 24/07 und VIII R 2/06 ) zunächst für in anderen EU-Mitgliedsstaaten ansässige Fonds und mit Urteil vom 25.08.2009 (I R 88 und 89/07 ) auch für Fonds aus Staaten, die nicht Mitglied der EU oder des EWR sind, und wandte als Folge die für inländische Fonds geltenden Regelungen auch auf ausländische Fonds an.

II.

1. Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz von 2003 ersetzte der Gesetzgeber – nicht zuletzt aufgrund verbreiteter Kritik am AuslInvG auch schon vor den vorerwähnten Entscheidungen des BFH – das KAAG und das AuslInvG ab 2004 durch das nunmehr für in- und ausländische Investmentvermögen einheitliche Investmentsteuergesetz (InvStG ). Wie bisher gilt das Transparenzprinzip, d. h. die grundsätzliche Gleichbehandlung des Anlegers in Investmentanteilen mit dem Direktanleger. In § 5 InvStG ist bestimmt, dass der Fonds bestimmte Steuerdaten (z. B. Betrag der Ausschüttung, erwirtschaftete Erträge, ausgeschüttete Erträge, thesaurierte Erträge und andere steuerliche Bemessungsgrundlagen) nach den Regeln des deutschen Steuerrechts ermittelt und binnen einer bestimmten Frist (vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, im Falle eines Ausschüttungsbeschlusses während dieser Frist binnen vier Monaten nach dem Ausschüttungsbeschluss) im deutschen Bundesanzeiger in deutscher Sprache mit einer Richtigkeitsbescheinigung eines deutschen Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers veröffentlicht. Bei inländischen Investmentgesellschaften findet eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Investmentgesellschaft durch das für diese zuständige Finanzamt statt (§ 13 InvStG ). Bei ausländischen Investmentgesellschaften kann das Bundeszentralamt für Steuern einen Nachweis der Richtigkeit der veröffentlichten Angaben verlangen (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 InvStG ).

2. a) Bei Anlegern von Fonds, die die in § 5 InvStG geforderten steuerlichen Angaben rechtzeitig in der dort vorgesehenen Weise publizieren (sog. transparente Fonds), tritt die sog. Regelbesteuerung (§§ 2 und 4 InvStG) ein, d. h. der Anleger versteuert Ausschüttungen und Zwischengewinne im Hinblick auf Einkunftsart, Halbeinkünfteverfahren und Steuerbefreiungen weitgehend so, als habe er die der Fondsanlage zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter nicht über den Fonds als Sondervermögen, sondern selbst direkt erworben. Da bei einer Direktanlage in einer Kapitalgesellschaft eine Thesaurierung keine steuerliche Wirkung hätte, werden fondsseitig thesaurierte Erträge als „ausschüttungsgleiche Erträge” ebenfalls dem Anleger zugerechnet, weil dieser zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser als ein Direktanleger stehen soll. Bei Privatanlegern fallen vom Fonds bezogene Dividenden und Beteiligungserträge unter das Halbeinkünfteverfahren (HEV, später Teileinkünfteverfahren), hingegen unterliegen vom Fonds erwirtschaftete Zinsen und Mieteinnahmen beim Anleger voll der Einkommensteuer.

b) Bei Anlegern von Fonds, die die in § 5 InvStG geforderten steuerlichen Angaben nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in der dort vorgegebenen Weise publizieren (sog. intransparente Fonds), tritt die sog. Pauschalbesteuerung, auch Strafsteuer genannt, ein. Als steuerliche Bemessungsgrundlage gilt dann 70 % des Mehrbetrages, der sich zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis ergibt, mindestens jedoch 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises, unabhängig von der Haltedauer und auch bei negativer Wertentwicklung (gesetzlich vermutete Mindestrendite von 6 %). Ein Ansatz (nur) der Werte der Regelbesteuerung bei deren Nachweis durch den Anleger im Einzelfall ist nicht vorgesehen. Bei der Pauschalbesteuerung findet das HEV insgesamt keine Anwendung.

c) Bei Anlegern von Fonds, die nur einzelne bestimmte für Steuerbegünstigungen notwendige Werte nicht publizieren (sog. semitransparente Fonds), werden dem Anleger die jeweiligen Steuerbegünstigungen versagt (sog. gemilderte Pauschalbesteuerung).

3. Dieses nach der Erfüllung der Publizitätspflichten gem. § 5 InvStG durch den Fonds differenzierende Steuerregime für den Anleger gilt gleichermaßen für inländische, EU-und EWR -ausländische und Drittstaaten-ausländische Fonds und bei ausländischen Fonds unabhängig davon, ob mit dem jeweiligen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Auskunftsklausel bzw. ein steuerliches Auskunftsabkommen besteht oder nicht.

III.

1. Die … geborene, seit … verwitwete, in den Streitjahren in Deutschland wohnhafte Klägerin gründete 1997 mit ihrem Ehemann in Liechtenstein aus Mitteln einer Erbschaft eine Stiftung, die von der A (A) … AG verwaltet wurde. Die Eheleute statteten die Stiftung mit je … Mio. DM aus. 2004 wurde das Vermögen wegen familieninterner Streitigkeiten auf eine andere liechtensteinische Stiftung derselben Verwalterin übertragen. Stets war die Klägerin laut den Stiftungsstatuten zu ihren Lebzeiten die Erstbegünstigte der Stiftung. Das Liechtensteiner Stiftungsrecht räumt dem Stifter die Möglichkeit ein, durch Weisungen an den Stiftungsrat über das Vermögen zu verfügen. Zum 31.12.2006 belief sich das Stiftungsvermögen nach zwischenzeitlichen Entnahmen auf rund … Mio. €. Das Stiftungsvermögen gehörte zum Privatvermögen der Klägerin.

2. a) Die Verwalterin der Stiftung, die A AG, investierte das Kapital im Wesentlichen in auf den Kaimaninseln (englisch: Cayman Islands) domizilierenden Fonds u. a. der Fondsgesellschaften B, C und D. In die Auswahl der Fonds war die Klägerin nicht eingebunden und auch sonst in die Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht involviert. Die Geschäftsanschrift der Fondsgesellschaften befindet sich auf … Cayman, die ISIN (International Securities Identification Number, internationale Wertpapierkennnummer) der Fondsanteile beginnt jeweils mit KY.

b) Die Kaimaninseln sind ein südlich von Kuba in der Karibik liegendes britisches Überseegebiet, das nicht zur Europäischen Union gehört, mit eigenem, vom Vereinigten Königreich unabhängigem Rechtssystem. Die kaimanischen Fonds veröffentlichten jedenfalls für die Geschäftsjahre bis 2006 Werte wie etwa Betrag der Ausschüttung, erwirtschaftete Erträge, ausgeschüttete Erträge, thesaurierte Erträge oder steuerliche Bemessungsgrundlagen nach den Regeln des Sitzlandes Kaimaninseln oder des Vertriebslandes Liechtenstein nicht, weder in einem Amtsblatt noch in einer Tageszeitung auf den Kaimaninseln oder in Liechtenstein, auch nicht in Englisch oder einer anderen nichtdeutschen Sprache. Zwischen den Kaimaninseln und Deutschland bestand in den Streitjahren kein steuerliches Abkommen; ein Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch wurde erstmals am 27.05.2010 geschlossen. Es trat am 20.08 .2011 in Kraft und galt gemäß seinem Art. 12 Abs. 2 Buchstabe b) damit erst ab dem Veranlagungszeitraum 2011 und somit ohne Rückwirkung. Auf den Kaimaninseln werden keine direkten Steuern erhoben.

3. a) aa) Für einen Teil der kaimanischen A-Fonds ermittelte die deutsche H Wirtschaftsprüfungsgesellschaft … im Jahre 2008 nachträglich für 2004 bis 2006 die deutschen steuerlichen Daten, von der A Bank in Liechtenstein AG als „Steuerfaktoren” bezeichnet, im Auftrag der kaimanischen Fondsgesellschaften. Die Bescheinigungen von H gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG vom 12.09.2008 können im Internet von der Website von A heruntergeladen werden; dort sind sie allerdings nicht mittels Suchfunktion auffindbar, sondern nur über den der Klägerin mitgeteilten Link (http://www….). Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder einer Tageszeitung erfolgte für die Geschäftsjahre bis 2006 auch insoweit nicht.

Die H-Bescheinigungen führen zum Gegenstand des Auftrages aus:

bb) Für die Jahre ab 2007 (nach den hiesigen Streitjahren) erfolgte für verschiedene A-Investmentfonds eine fristgemäße Publikation im Bundesanzeiger.

b) Für einen anderen Teil der kaimanischen Fonds wurden die deutschen steuerlichen Werte fondsseitig auch nicht nachträglich ermittelt.

IV.

In ihren jeweils zu Anfang des übernächsten Jahres eingereichten ESt-Erklärungen für 2004 bis 2006 deklarierte die Klägerin zwar andere Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte anderer Einkunftsarten, jedoch nicht die Einkünfte aus den über die liechtensteinische Stiftung gehaltenen, von A Liechtenstein verwalteten kaimanischen Fonds. Das beklagte FA erließ hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärungsgemäße Bescheide mit folgenden Daten und Werten:

 

 Jahr  letzter Steuerbescheid  Einkünfte aus Kapitalvermögen
 2004  21.06.2006  … €
 2005  24.04.2007  … €
 2006  30.05.2008  … €

 

V.

1. Aufgrund der Steuerfahndung E im Jahre 2007 zugänglich gemachten Geschäftsunterlagen von A Liechtenstein wurde gegen die Klägerin am 13.01.2008 das Steuerstrafverfahren eingeleitet und am 22.02.2008 ihre Wohnung durchsucht. Die Klägerin räumte die Tatvorwürfe ein und legte nachfolgend Kontounterlagen vor.

Nach deren Auswertung fertigte das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndungen F den Steuerfahndungsbericht vom 06.05.2010 für 1996 bis 2006 und berechnete die Einkünfte für 2004 bis 2006 – zwischen den Beteiligten rechnerisch unstreitig – gemäß § 6 InvStG (Übersicht Bl. 21 Akte Steuerfahndungsprüfung „Zusammenstellung der Einnahmen aus Kapitalvermögen”, im Einzelnen Bl. 22 bis 58 Akte Steuerfahndungsprüfung). Überwiegend wurden die Erträge zu 6 % des Wertes zum jeweiligen Jahresende berechnet. Lediglich bei einem Fonds in einem Jahr kamen 70 % des Mehrwertes vom Jahresende gegenüber Jahresanfang zum Tragen (Bl. 50 Akte Steuerfahndungsprüfung, Jahr 2005).

Es ergaben sich für 2004 bis 2006 folgende Erträge bzw. Werbungskosten:

 

 Jahr  Erträge  Werbungskosten
 2004  … €  … €
 2005  … €  … €
 2006  … €  … €

 

2. a) In der Zusammenstellung der Steuerfahndung sind für die Streitjahre zehn Fonds aufgeführt (dort mit lfd. Nr. 2, 3, 10, 12, 14, 15, 16, 17, 18 und 19 bezeichnet). Bei fünf Fonds hiervon (nämlich lfd. Nr. 10, 12, 14, 15 und 17) wurden von den Fondsgesellschaften auch nachträglich keine deutschen steuerlichen Werte ermittelt. Für die anderen fünf Fonds (lfd. Nr. 2, 3, 16, 18 und 19) existieren H-Bescheinigungen vom 12.09.2008 (Anlageband II, vgl. oben III.3.a).

b) Für diese – allesamt thesaurierenden – Fonds wurden von der Klägerin auch Factsheets vorgelegt (Anlageband 1 letztes Fach). Die Anlagestrategie ist darin wie folgt beschrieben: Die Fonds lfd. Nr. 2 und 3 investieren in „Geldmarktinstrumente, Anleihen und alternative Anlagen”, wobei „festverzinsliche Anlagen in der Regel stärker gewichtet werden”. Die Fonds Nr. 16, 18 und 19 investieren „weltweit in eine Vielzahl zur Verfügung stehende[n] Anlagemöglichkeiten”.

c) Nur bei den Fonds lfd. Nr. 3 und für die Jahre 2004 und 2005 lfd. Nr. 2 weisen die H-Bescheinigungen Erträge aus, die dem HEV unterliegen. Bei den Fonds lfd. Nr. 16, 18 und 19 sowie für das Jahr 2006 beim Fonds lfd. Nr. 2 sind keine dem HEV unterliegenden Erträge verzeichnet.

3. Entsprechend dem Bericht der Steuerfahndung legte das beklagte Wohnsitz-FA mit Änderungsbescheiden für 2004 bis 2006 vom 10.08.2010 folgende Einkünfte aus Kapitalvermögen zugrunde:

 

 Jahr  Einkünfte aus Kapitalvermögen
 2004  … €
 2005  … €
 2006  … €

 

4. Hiergegen legte die Klägerin am 13.08.2010 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

VI.

Am 27.07.2011 erhob die Klägerin Klage.

Bezüglich der fünf Fonds, bei denen von den Fondsgesellschaften auch nachträglich keine deutschen steuerlichen Werte ermittelt wurden, greift die Klägerin die Änderungsbescheide nicht an.

Hingegen macht sich die Klägerin bei fünf Fonds (lfd. Nr. 2, 3, 16, 18 und 19) die Zahlen aus den H-Bescheinigungen vom 12.09.2008, die sie als Ausdruck vorlegt (vgl. Anlageband 2), zu Eigen, berechnet die sich daraus ergebenden Werte der Regelbesteuerung gemäß §§ 2 und 4 InvStG – zwischen den Beteiligten rechnerisch unstreitig – in ihrer Anlage 1 zum Schriftsatz vom 02.07.2012 (FG-Akte Bl. 109) und begehrt mit ihrer Klage, dass bei diesen fünf Fonds statt der sich aus der Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG ergebenden Bemessungsgrundlage nur die sich aus der Regelbesteuerung gemäß §§ 2 und 4 InvStG ergebende Bemessungsgrundlage angesetzt werde.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor:

Die Vorschriften des InvStG über die Pauschalbesteuerung sog. intransparenter Fonds seien unionsrechts- und verfassungswidrig mit der Folge, dass nur die für die Klägerin günstigeren Vorschriften über die Regelbesteuerung anzuwenden seien.

§ 6 InvStG verstoße gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit, weil ausländische Investmentvermögen keine Anleger in Deutschland finden könnten, wenn sie nicht die Anforderungen hinsichtlich Ermittlung und Publizität aus § 5 InvStG erfüllten. Entsprechend nähmen Anleger in Deutschland Abstand von Investitionen in ausländische Fonds, wenn diese den Anforderungen des § 5 InvStG nicht nachkämen.

Wenn die Fonds die Pauschalbesteuerung ihrer Anleger vermeiden wollten, müssten sie die in § 5 Abs. 1 InvStG genannten Besteuerungsgrundlagen nach deutschem Recht ermitteln und in deutscher Sprache bekannt machen, was ausländische Fondsgesellschaften zusätzlich belaste und zumindest eine mittelbare Behinderung darstelle, die ausländische Fondsgesellschaften von einem Vertrieb ihrer Fondsanteile in Deutschland abhalten könne.

Außerdem ergäben sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 und 5 InvStG Sonderpflichten nur für ausländische Fonds.

Die Masse ausländischer Investmentvermögen sei nicht auf den deutschen Investmentmarkt zugeschnitten und habe deswegen häufig schon gar kein Bewusstsein für ihre Qualifikation nach dem deutschen InvStG , jedenfalls aber keine Veranlassung, die Ermittlungs- und Publizitätspflichten des § 5 InvStG zu erfüllen. Inländische Fondsgesellschaften müssten hingegen ihre Jahresabschlüsse und eigenen Steuererklärungen sowieso nach deutschem Recht erstellen. Für sie sei es daher wesentlich einfacher, die entsprechenden anlegerbezogenen Werte des § 5 InvStG nach deutschen steuerrechtlichen Vorschriften zu ermitteln und zu veröffentlichen.

Insgesamt sei die Pauschalbesteuerung auf ausländische Fonds zugeschnitten und stelle daher eine verdeckte Diskriminierung dar.

§ 6 InvStG verstoße gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, jedenfalls dann, wenn der Anleger einen Verlust erleide, auch wenn dies bei der Klägerin in den Streitjahren nicht vorgekommen sei. Aber auch abgesehen vom denkbaren Verlustfall zeigten gerade die für die Klägerin ermittelten Beträge, dass die tatsächlichen Erträge (Regelbesteuerung) erheblich unten den fiktiven Renditen (Pauschalbesteuerung) lägen.

Die Pauschalbesteuerung des § 6 InvStG verstoße außerdem gegen den verfassungsrechtlichen allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG ). Zwischen den Anlegern, die in transparente Fonds investierten, und den Anlegern, die in intransparente Fonds investierten, bestünden, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die die Ungleichbehandlung rechtfertigten. Im Übrigen könnten die Anleger nicht beeinflussen, ob der Fonds die Publizitätserfordernisse des § 5 InvStG erfülle. Eine Ungleichbehandlung der Anleger wegen des unterschiedlichen Verhaltens der Fonds sei nicht zulässig.

Die Ungleichbehandlung könne auch nicht mit Vereinfachungs- bzw. Praktikabilitätsgesichtspunkten begründet werden. Diese seien zwar bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, allerdings sei die Pauschalbesteuerung nicht das mildeste Mittel. Zum einen wäre eine Schätzung gemäß § 162 AO für den Anleger ein milderer Eingriff gegenüber dem Ansatz fiktiver Erträge aufgrund der Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG . Zum anderen müsse dem Anleger zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis geringerer tatsächlicher Erträge zu führen. Auch für den Anleger in ein inländisches transparentes Investmentvermögen sei die gesonderte Feststellung gegenüber der Fondsgesellschaft (vgl. § 13 Abs. 1 InvStG ) nicht bindend, ihm stehe bei seiner Veranlagung der Nachweis geringerer Einkünfte offen. Ähnliches müsse auch für einen Anleger eines intransparenten Fonds bezüglich der Pauschalbesteuerung gelten.

Darüber hinaus bedeute die Nichtanwendung des HEV auf die fiktiven, nach § 6 InvStG ermittelten Erträge eines Aktienfonds eine gleichheitswidrige „doppelte Bestrafung”. Der Anleger eines transparenten Aktienfonds müsse nur die von diesem tatsächlich erwirtschafteten Dividenden, und diese nur zur Hälfte, versteuern. Der Anleger eines intransparenten Aktienfonds müsse nicht nur eine höhere, fiktive Bemessungsgrundlage zugrunde legen, sondern diese darüber hinaus auch noch voll versteuern.

Die Klägerin gelangt zu folgenden Reduzierungen für die fünf streitgegenständlichen Fonds (FG-A Bl. 109):

 

 Jahr  Erträge  Erträge  Differenz
 laut Steuerfahndung  laut Klägerin
 Pauschalbesteuerung  Regelbesteuerung
 2004  … €  … €  … €
 2005  … €  … €  … €
 2006  … €  … €  … €

 

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2006, zuletzt vom 10.08.2010 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2011, dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

in 2004 statt … € jetzt … € weniger, also … €,

in 2005 statt … € jetzt … € weniger, also … € und

in 2006 statt … € jetzt … € weniger, also … €

angesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält die Vorschriften des InvStG über die Pauschalbesteuerung für unions- rechtskonform und verfassungsgemäß und führt dazu aus:

Die Ausführungen der Klägerin, dass intransparente ausländische Fonds keine Anleger in Deutschland finden könnten, seien eine bloße, durch nichts belegte Behauptung.

Im Übrigen könnten dann auch inländische Fondsgesellschaften, die den Ermittlungs- und Publizitätsanforderungen des § 5 InvStG nicht genügten, im Inland nur schwer Anleger finden. Eine speziell ausländische Fonds benachteiligende Wirkung liege nicht vor.

Die nur für ausländische Fonds bestehende Sonderpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 InvStG diene dazu, eine Bevorzugung ausländischer Fonds bzw. Benachteiligung inländischer Fonds zu vermeiden, da nur bei inländischen Fonds bereits im Jahr der Gewinnentstehung ein Kapitalertragssteuerabzug erfolgen könne. Dies sei bei Rückgabe der Fondsanteile bzw. Veräußerung auszugleichen, wofür die zusätzlichen Daten erforderlich seien. Deren Erhebung gerade bei ausländischen Fonds sei somit systembedingt und daher unvermeidlich.

Dass ausländische Fonds die Daten nach deutschem Steuerrecht ermitteln und in deutscher Sprache publizieren müssten, sei Folge des Umstandes, dass weder innerhalb der EU und erst recht nicht außerhalb ein harmonisiertes Ertragssteuerrecht mit einer gemeinsamen steuerlichen Bemessungsgrundlage bestehe und keine gemeinsame Amtssprache. Die an inländische Verhältnisse angepasste Datenanforderung sei daher lediglich Ausfluss der Steuersouveränität der EU-Mitgliedsstaaten. Ihr wohne keine Diskriminierung inne.

Die Pauschalbesteuerung verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, denn die sich aus der Pauschalbesteuerung ergebende Bemessungsgrundlage könne aufgrund des maßgeblichen BMF-Schreibens bei Veräußerung der Anteile einkommensmindernd berücksichtigt werden, so dass etwaige Verluste spätestens bei Veräußerung realisiert würden (BMF, Schreiben vom 18.08.2009, BStBl 2009 I S. 931 , 952 , 965, Rn. 130, 196a).

Im Übrigen ergebe sich bereits aus den Entscheidungen des BFH vom 18.11.2008 , in denen dieser die Regelungen des früheren AuslInvG verworfen habe, dass er die Neureglungen im InvStG für rechtmäßig erachte.

VII.

Die ESt-Akte Band 4 (angelegt 30.07.2010), die Akte „Allgemeines Steuerfahndungsprüfung” und die Rechtsbehelfsakte Band 1 lagen vor.

 Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Das FA hat die Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG ) aus den fünf verfahrensgegenständlichen kaimanischen Fonds zutreffend aufgrund der sich aus § 6 InvStG ergebenden Bemessungsgrundlage ermittelt (Pauschalbesteuerung).

I.

Die Einnahmen sind der Klägerin gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – unstreitig – zuzurechnen (zur Zurechnung liechtensteinischer Stiftungen vgl. BFH, Urteil vom 22.12.2010 I R 84/09 , IStR 2011, 391 , Juris Rn. 12; Hardt in Debatin/Wassermeyer, DBA, Liechtenstein InfAust, Art. 4 Rn. 10 ff). Gemäß § 1 Satz 2 und § 2 Abs. 8 und 9 InvG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 InvStG ist das InvStG anwendbar. Eine Bekanntmachung von steuerlichen Daten der thesaurierenden Fonds an die Anleger ist nicht innerhalb der Frist von vier Monaten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 InvStG und eine Veröffentlichung dieser Daten im Bundesanzeiger gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG ist bis heute nicht erfolgt. Die Berechnung der steuerlich anzusetzenden Beträge auf der Grundlage von § 6 InvStG durch die Steuerfahndung ist betragsmäßig – unstreitig – zutreffend. Unter Berücksichtigung allein des InvStG als nationalem, einfachem Gesetz ist die Bemessungsgrundlage somit richtig ermittelt, worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht.

II.

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt nichts anderes aus der unionsrechtlich verbürgten Kapitalverkehrsfreiheit (inzwischen Art. 63 AEUV , in den Streitjahren Art. 56 EG ); im Ergebnis wie hier FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012 1 K 1159/08 , noch nicht veröffentlicht, Anlageband 2; zweifelnd hingegen FG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 03.05.2012 16 K 3383/10 F , noch nicht veröffentlicht, Anlageband 2).

1. Die Investition der Klägerin in Anteile kaimanischer Fonds unterfällt der Kapitalverkehrsfreiheit.

a) Zwar gehören die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, diese müssen ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (EuGH, Urteil vom 10.05.2012 C-338/11 bis C-347/11 , IStR 2012, 432 , Juris Rn. 14; EuGH, Urteil vom 01.12.2011 C-250/08 , IStR 2012, 67 , Juris Rn. 33; EuGH, Urteil vom 20.10.2011 C-284/09 , IStR 2011, 840 , Juris Rn. 44; EuGH, Urteil vom 16.06.2011 C-10/10 , IStR 2011, 558 , Juris Rn. 23; EuGH, Urteil vom 28.10.2010 C-72/09 , IStR 2010, 842 , Juris Rn. 23).

b) Der Erwerb von Fondsanteilen unterfällt als Direktinvestition der Kapitalverkehrsfreiheit (EuGH, Urteil vom 07.06.2012 C-39/11 , Juris Rn. 21).

c) Die Kapitalverkehrsfreiheit gilt nicht nur im Verhältnis zu anderen Mitgliedsstaaten der EU oder des EWR (dort Art. 40 EWR A), sondern auch gegenüber dritten Staaten (vgl. EuGH, Urteil vom 20.05.2008 C-194/06 , IStR 2008, 435 , Juris Rn. 30).

Die Kaimaninseln, auf denen die Investmentfonds, von denen die Klägerin ihre Einkünfte bezieht, ihren Sitz haben, gehören zu den sog. überseeischen Ländern und Gebieten (ÜLG, vgl. die Liste inzwischen in Anhang II zum AEUV ), deren besonderes Assoziierungssystem aber den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten und den ÜLG nicht umfasst, so dass sie bezüglich der Kapitalverkehrsfreiheit als dritte Länder abzusehen sind. Wegen des umfassenden räumlichen Anwendungsbereichs der Kapitalverkehrsfreiheit gilt diese daher auch für den Kapitalverkehr nach und aus den ÜLG (vgl. zu den Britischen Jungferninseln: EuGH, Urteil vom 05.05.2011 C-384/09 , HFR 2011, 710 , Juris Rn. 19 f. und Rn. 30 f.).

2. Die an die Nichterfüllung der Publizitätsobliegenheiten aus § 5 InvStG durch die Fonds anknüpfende Pauschalbesteuerung der Klägerin gemäß § 6 InvStG stellt keine verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

a) Aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit sind Maßnahmen verboten, die geeignet sind, Gebietsfremde von einer Investition in einem Mitgliedsstaat oder – hier relevant – Gebietsansässige von einer Investition in anderen Staaten abzuhalten (EuGH, Urteil vom 10.05.2012 C-338/11 bis C-347/11 , IStR 2012, 432 , Juris Rn. 15).

b) Unterliegen ausländische Fonds im Inland einem Verfahren, das quasi als Zulassungsverfahren zu werten ist, ist dies eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (EuGH, Urteil vom 07.06.2012 C-39/11 , Juris Rn. 24, 25).

Die Publizitätsobliegenheiten des § 5 InvStG erreichen aber nicht diesen Grad, zumal sie nicht vor dem Verkauf von Fondsanteilen im Inland, sondern danach zu erfüllen sind.

c) Die Publizitätsobliegenheiten (§ 5 InvStG ) für inländische und ausländische Fonds sind grundsätzlich identisch, eine von Investitionen in ausländische Fonds abhaltende Wirkung ergibt sich daher nicht schon aus einer formal unterschiedlichen Regelung für in- und ausländische Fonds.

d) Es liegt aber auf der Hand, dass aufgrund der unterschiedlichen Besteuerungsregime für transparente und intransparente Fonds im Inland ansässige Anleger davon abgehalten werden, in intransparente Fonds zu investieren. Die Pauschalbesteuerung ist v. a. dann günstiger als die Regelbesteuerung, wenn der Fonds in einem Jahr besonders hohe Erträge (> 6 %) erzielt hat, für die keine steuerliche Vergünstigung greift (hierzu und zu weiteren Ausnahmefällen vgl. Gnutzmann/Welzel in Haase, § 6 InvStG Rn. 162). Dies ist beim Fondserwerb, also bei der Investitionsentscheidung, jedoch regelmäßig nicht absehbar und wird in Niedrigzinsphasen auch nur selten letztendlich eintreten. Eine aufgrund Intransparenz des Fonds zu erwartende Pauschalbesteuerung stellt daher für den Anleger ein betriebswirtschaftliches Risiko bei der Investitionsentscheidung dar, das geeignet ist, von der Wahl des intransparenten Fonds abzuhalten.

e) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass die somit gegebene Benachteiligung intransparenter Fonds jedenfalls dann keine Diskriminierung ausländischer Fonds darstellt, wenn diese – wie hier – den Publizitätsobliegenheiten im Bundesanzeiger überhaupt nicht nachgekommen sind, auch nicht mit Fristüberschreitung oder in anderer Sprache oder mit dem Bestätigungsvermerk eines ausländischen Berufsangehörigen oder sonst unter Verletzung von Formvorschriften und die Daten seinerzeit auch nicht wenigstens beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingereicht wurden. Denn die Obliegenheit auch für ausländische Fonds, Daten für die deutsche Besteuerung überhaupt zu ermitteln und zu publizieren, um ihren Anlegern die Regelbesteuerung zu erhalten, diskriminiert ausländische Fonds nicht gegenüber inländischen Fonds.

aa) Für die Feststellung, ob eine Diskriminierung von Sachverhalten mit Auslandsbezug gegenüber reinen Inlandssachverhalten vorliegt, kommt es maßgeblich auf das mit der Regelung verfolgte Ziel sowie darauf an, ob die Regelung zur Erreichung dieses Ziels beiträgt (EuGH, Urteil vom 01.12.2011 C-250/08 , IStR 2012, 67 , Juris Rn. 61, 65; EuGH, Urteil vom 20.10.2011 C-284/09 , IStR 2011, 840 , Juris Rn. 53 f.).

bb) Die Ermittlungs- und Publizitätsvorschriften haben im Fondsgeschäft als typischem Massengeschäft eine Doppelfunktion: Zum einen sollen die Anleger die Daten erfahren, die sie brauchen, um ihre eigene Steuererklärungspflicht zu erfüllen; und die ebenfalls zahlreichen Veranlagungsfinanzämter sollen einfach überprüfen können, ob die Anleger die Daten der Fonds zutreffend eingesetzt haben. Zum anderen bewirkt die Veröffentlichung, dass das BZSt das zentrale Überprüfungsverfahren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 InvStG einleiten kann: Die ausländischen Fondsgesellschaften sind in Deutschland in der Regel nicht steuer- und daher steuererklärungspflichtig; es bedarf daher eines anderen Anknüpfungspunktes für die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens. Wegen der zentralen Bedeutung der Besteuerungsgrundlagen für die Besteuerung der Anleger ist vorgesehen, dass die Bekanntmachung mit dem Bestätigungsvermerk eines Steuerberaters oder dem Prüfungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers zu versehen ist (BT-Drs 16/1553 S. 121 unter 5. und S. 126; Kotzbacher in Haase, § 5 InvStG Rn. 3 f.). Bei in- und ausländischen Spezial-Investmentvermögen, also solchen mit maximal 100 institutionellen Anlegern, gelten die Veröffentlichungspflichten demgegenüber nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 16 Satz 2 InvStG ).

cc) Die Publizitätsobliegenheiten (auch) ausländischer Fonds erfüllen diese Funktionen im Besteuerungsverfahren. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welche andere, weniger einschneidende Weise in solchen Massenverfahren der notwendige Informationsfluss gewährleistet werden könnte.

Diese Zielerreichung gilt auch insoweit, als den einzelnen Anlegern bei Anwendung der Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG der Nachweis geringerer Fondseinkünfte im Einzelfall versagt bleibt. Denn es wäre unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie nicht vertretbar, den (zahlreichen) einzelnen Veranlagungsfinanzämtern hier die Sichtung und Bewertung eingereichter Unterlagen und ggf. weitere Ermittlungen zuzumuten, nachdem der Fonds das zentralisierte Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 InvStG durch entsprechende Veröffentlichung der Daten verweigert. Die Anleger müssen sich insoweit an ihrer Investitionsentscheidung für einen intransparenten Fonds festhalten lassen.

Gleiches gilt für den Umstand, dass bei der Pauschalbesteuerung das HEV insgesamt keine Anwendung findet, auch wenn es sich mutmaßlich um reine Aktienfonds handelt. Es ist den Veranlagungsfinanzämtern nicht zuzumuten, dies im Einzelfall zu überprüfen und gar noch Ermittlungen zum Anteil der Beteiligungserträge an den Einkünften des ausländischen Fonds anzustellen, ohne dass eine zentrale Überprüfung durch das Bundeszentralamt für Steuern seitens des Fonds ermöglicht worden wäre.

dd) Auch die Höhe der pauschalierten Steuer (praktisch besonders bedeutsam die Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 6 % des letzten Rücknahmepreises als vermutete Mindestrendite) erscheint in diesem Zusammenhang nicht unverhältnismäßig. Diese Mindestbemessungsgrundlage wird zwar in Niedrigzinsphasen häufig höher sein als die tatsächlichen Erträge, die bei Anwendung der Regelbesteuerung als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen wären. Es handelt sich jedoch um durch Fondsanlagen realistischerweise erzielbare Erträge. Bei Gesetzen, die über einen längeren Zeitraum gelten sollen, wie die Steuergesetze, ist für die gesetzlich vermutete Rendite auch ein längerer Zeitraum in Betracht zu ziehen, nicht nur ein einzelnes, möglicherweise konjunkturbedingt schlechtes Ertragsjahr. Dass 6 % Rendite nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt auch der verfassungsrechtliche gebilligte gesetzliche Zinssatz im Abgabenrecht von 6 % p. a. gemäß § 238 Abs. 1 AO (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2009 1 BvR 2539/07 , BFH/NV 2009, 2115 , NVwZ 2010, 902 , WM 2009, 2001 , Juris Rn. 29).

ee) Zwar dürfte die Erfüllung der Ermittlungs- und Publikationsobliegenheiten aus § 5 InvStG für ausländische Fonds eine höhere Zusatzbelastung darstellen, namentlich höheren administrativen und finanziellen Aufwand verursachen als für inländische Fonds (Wenzel in Blümich, EStG , § 5 InvStG Rn. 5). Dies ist jedoch die unvermeidbare Folge des Umstandes, dass es international noch keine Harmonisierung im Bereich der Ertragssteuern gibt. Praktisch jeder grenzüberschreitende Sachverhalt, egal auf welchem Gebiet und gleich zwischen welchen Staaten, erfordert daher einen höheren administrativen Aufwand als ein reiner Inlandssachverhalt. Dies ist systemimmanent und daher für sich genommen ohne diskriminierende Tendenz.

f) Die Veröffentlichung auf der Website des liechtensteinischen Mutterkonzerns, zu dem die Fondsgesellschaften anscheinend gehören, ist im Sinne von § 5 InvStG keine für die Besteuerung praktikable und daher keine genügende Publikation. Sie könnte dort jederzeit aus dem Internetauftritt entfernt werden, ist daher nicht dauerhaft, und sie ist auch nur schwer bzw. nicht ohne weiteres auffindbar. Darüber hinaus erfolgte sie auch nicht fristgemäß oder zumindest zeitnah, sondern erst nach September 2008.

3. Da bereits keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, stellt sich die Frage nach Rechtfertigungsgründen (z. B. Kohärenz des Steuersystems, EuGH Urteil vom 01.12.2011 C-250/08 , IStR 2012, 67 , Juris Rn. 77 ff.; Vermeidung von Missbrauch) nicht mehr. Ebenfalls ist nicht mehr zu prüfen, ob die mangelnde Überprüfungsmöglichkeit für die deutschen Steuerbehörden aufgrund nicht vorhandener Auskunftsabkommen bzw. -klauseln ein zulässiges Differenzierungskriterium wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 28.10.2010 C-72/09 , IStR 2010, 842 , Juris Rn. 52). Soweit die Regelungen von §§ 5 , 6 InvStG nicht nach Auskunftsmöglichkeiten differenzieren, ist auch nicht zu entscheiden, ob diese Differenzierung nur dann rechtfertigend eingreifen könnte, wenn die gesetzliche Regelung selbst diese Differenzierung bereits ausdrücklich vorsieht (vgl. EuGH, Urteil vom 20.05.2008 C-194/06 , Juris Rn. 95). Schließlich stellt sich auch nicht die Frage nach einer zulässigen Differenzierung zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Drittstaaten (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.05.2011 C-267/09 , HFR 2011, 710 , Juris Rn. 54 ff.; EuGH, Urteil vom 28.10.2010 C-72/09 , IStR 2010, 842 , Juris Rn. 40).

4. a) Im Bereich des Unionsrechts, aufgrund dessen Anwendungsvorrangs sich die Nichtanwendbarkeit einer nationalen Norm im einzelnen Fall ergeben könnte, ist nicht zu prüfen, ob eine nationale Norm allgemein bzw. in allen denkbaren Fällen mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Der Senat sieht sich gleichwohl veranlasst, darauf hinzuweisen, dass in der Praxis Fälle denkbar sind, in denen die Ausgestaltung der Publizitätsobliegenheiten für die Fonds im Detail und die sich daraus bei den Anlegern ergebende Pauschalbesteuerung gemäß §§ 5 , 6 InvStG unverhältnismäßig sein könnte. Dabei ist insbesondere das „Alles- oder Nichts-Prinzip” zu bedenken: Eine erfolgte Veröffentlichung seitens des Fonds, die nicht allen formalen Anforderungen genügt, führt genauso zur Pauschalbesteuerung beim Anleger wie eine insgesamt unterbliebene Veröffentlichung.

b) Vor diesem Hintergrund erscheinen besonders folgende, u. U. zusammentreffende Fälle bedenkenswert:

  • nur kurzfristige Fristüberschreitung bei der Veröffentlichung im Bundesanzeiger, zumal die Frist von vier Monaten recht kurz ist und sich bei thesaurierenden Fonds mangels Ausschüttungsbeschlusses auch nicht verlängert; die Kürze der Frist ist in Anbetracht der üblichen Veranlagungszeiträume bei den meisten Finanzämtern schwer nachvollziehbar
  • Fristüberschreitungen, weil bei nur wenigen deutschen Anlegern oder im Extremfall vielleicht nur einem deutschen Anleger die ausländische Publikumsfondsgesellschaft zunächst gar nicht wusste, dass es in Deutschland ansässige Anleger gab
  • Fristüberschreitungen bei geringem Fondsvolumen oder (neben den Fällen von Spezial-Investmentvermögen gemäß §§ 15 , 16 InvStG) geringer Anlegerzahl (zur Anwendbarkeit des deutschen InvStG auf ausländische Investmentvermögen auch mit nur insgesamt einem Anleger vgl. Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, EStG , § 1 InvStG Rn. 16)
  • die Pflicht zur Veröffentlichung in deutscher Sprache (statt der Möglichkeit der Veröffentlichung in einer anderen gängigen Sprache verbunden mit der Pflicht des steuerpflichtigen Anteilseigners, im Rahmen seiner Steuererklärung oder beim BZSt eine beglaubigte Übersetzung der fremdsprachlichen Veröffentlichung einzureichen, wenn das FA dies verlangt, weil es der ausländischen Sprache nicht mächtig ist)
  • die Notwendigkeit einer Richtigkeitsbestätigung gerade durch einen deutschen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer

 

Bezüglich solcher formaler Erfordernisse ist zugleich die Rechtsprechung des EuGH zu Ausschüttungsbescheinigungen zu bedenken, wonach die Mitgliedsstaaten aufgrund ihrer Steuerautonomie zwar bestimmen können, welche Nachweise nach ihrem eigenen Steuersystem erforderlich sind, um in den Genuss einer Steuervergünstigung zu kommen. Dabei müssen sie jedoch die Erfordernisse des freien Kapitalverkehrs beachten. In Bezug auf das Maß an Präzision, das die Nachweise aufweisen müssen, die erforderlich sind, um in den Genuss einer Steuervergünstigung zu kommen, darf bei einer ausländischen ausschüttenden Gesellschaft nicht dieselbe Detailliertheit und Präsentationsform verlangt werden wie bei inländischen ausschüttenden Gesellschaften. Vielmehr muss es ausreichen, wenn der Steuerpflichtige Belege vorlegt, die es den Steuerbehörden, hier insbesondere dem BZSt, erlauben, klar und genau zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Steuervorteils vorliegen (EuGH, Urteil vom 30.06.2011 C-262/09 , Juris Rn. 37, 38, 45, 46).

Bezüglich der Bescheinigung durch einen deutschen Steuerberater ist ferner zu bedenken, dass der EuGH die Pflicht zur Bestellung eines inländischen Vertreters als Beschränkung des Kapitalverkehrs angesehen hat wegen der damit verbundenen Kosten der Vergütung (EuGH, Urteil vom 05.05.2011 C-267/09 , IStR 2011, 551 , Juris Rn. 37); für die Notwendigkeit einer entsprechenden Bescheinigung eines inländischen Berufsträgers könnten ähnliche Erwägungen gelten.

c) Solche Einzelfälle können jedoch im Billigkeitsverfahren nach § 163 AO geregelt werden (vgl. BFH, Urteil vom 30.04.2009 V R 15/07 , BStBl II 2009, 1427 , Juris Rn. 47 ff. m. w. N.; EuGH, Urteil vom 19.09.2000 C-454/98 , IStR 2000, 595 , Juris Rn. 64; anders früher EuGH, Urteil vom 09.03.1978 C-106/77 , Juris Rn. 21-23).

Bezüglich der Frist hat das Bundesministerium der Finanzen – BMF – bereits im Erlasswege Erleichterungen verfügt, zunächst für das erste Jahr nach Inkrafttreten 2004 die Frist vom 30.04 .2005 auf den 31.01.2006 und für das zweite Jahr 2005 vom 30.04.2006 auf den 31.05.2006 verlängert (BMF, Schreiben vom 08.12.2005 IV C 1-S 1980-1 -137/05; BMF, Schreiben vom 08.09.2006 IV C 1-S 1980-1-33/06 ). Sodann hat es dauerhaft angeordnet, dass das FA (bei ausländischen Investmentvermögen das BZSt) im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung die Veröffentlichung als noch fristgemäß ansehen kann, wenn eine nur kurzfristige Fristüberschreitung vorliegt und der Fonds eine Zahlung von 25.000 € leistet (BMF, Schreiben vom 04.12.2007 IV B 8-S 1980-1/0 , 2007/0560715; eine Rechtsgrundlage für diese Zahlung wird darin allerdings nicht genannt).

Solche Billigkeitsmaßnahmen (vgl. §§ 163 , 227 AO) dürften – wie vorbeschrieben – auch noch in weiteren Fällen, sei es generalisierend durch Erlass, sei es im Einzelfall, angezeigt sein, um eine Unverhältnismäßigkeit aufgrund konkreter Umstände, die den Anwendungsvorrang der Kapitalverkehrsfreiheit und damit die Nichtanwendung der Regelungen über die Pauschalbesteuerung nach sich ziehen würde, zu vermeiden.

Für die Klägerin besteht jedoch dazu kein Anlass.

III.

Schließlich ist die Regelung über die Pauschalbesteuerung der Anleger intransparenter Fonds auch nicht verfassungswidrig (im Ergebnis wie hier FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012 1 K 1159/08 , noch nicht veröffentlicht).

1. Die Pauschalbesteuerung stellt keine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung dar.

a) Aus Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) folgt das Verbot übermäßiger Besteuerung. Allerdings lässt sich daraus – außer dem Verbot erdrosselnder, d. h. die Einkunftsquelle vernichtender Besteuerung – keine allgemeine verfassungsrechtliche Obergrenze ableiten, sondern nur die Begrenzung von Bemessungsgrundlage und Steuersatz durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip (BVerfG 2. Senat, Beschluss vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99 , BVerfGE 115, 97 , DStR 2006, 555 , Juris Rn. 43, 44, 50).

b) Eine erdrosselnde, die Einkunftsquelle vernichtende Besteuerung liegt nicht vor.

Eine Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 6 % des Wertes zum Jahresende führt weder kurz- noch mittelfristig zum Substanzverlust, selbst wenn vom Fonds kein Gewinn erzielt wurde. Bis durch die Steuer (seinerzeit auch bei Kapitaleinkünften noch bis zu 45 % zuzüglich SolZS, also maximal 47,475 % von 6 % = maximal 2,8485 % des Wertes zum Jahresende, d. h. der Substanz) mangels Gewinns des Fonds 100 % des eingesetzten Kapitals aufgebraucht sind, würde dauern.

c) Unverhältnismäßig ist die Pauschalbesteuerung schon deswegen nicht, weil sie für den Anleger nicht unvermeidbar ist.

Bei der Anlageentscheidung ist dem Anleger in der Regel bekannt, ob der zur Auswahl stehende Fonds entsprechende steuerliche Angaben ermittelt und publiziert oder nicht, nämlich aufgrund dessen Verhaltens in der Vergangenheit und aufgrund der Angaben im Fondsprospekt. Jeder Fondsanleger muss daher erwägen, wie die Renditeerwartungen und die Chancen und Risiken des Fonds einzuschätzen sind und ob für sie die Pauschalbesteuerung hingenommen werden soll.

Erfüllen sich die Renditeerwartungen nicht und erweist sich die Pauschalbesteuerung mit der ihr innewohnenden Mindestbemessungsgrundlage daher im Nachhinein als wirtschaftlich belastend, so ist dies das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Investitionsentscheidung. Ähnliches tritt beispielsweise bei der Tonnagebesteuerung gemäß § 5a EStG auf: Optiert ein Reeder für die Tonnagesteuer, muss er die bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung eher niedrigen Pauschalen auch dann bezahlen, wenn in einem einzelnen Jahr ein Verlust eintritt. Dass dann auch im Verlustfalle Einkommensteuer anfällt, stellt keine Übermaßbesteuerung dar.

d) Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich bei der Bestimmung der zumutbaren Belastung auch auswirkt, ob die steuerliche Regelung eine am Gemeinwohl orientierte Lenkungsfunktion hat (BFH, Urteil vom 01.12.2010 IV R 39/07 , BFH/NV 2011, 842 , Juris Rn. 21). In solchen Fällen ist der Spielraum des Gesetzgebers noch größer.

Dass Transparenz am internationalen Kapitalmarkt aber dem Gemeinwohl dient, bedarf in Anbetracht der aktuellen Krisen des deutschen und – dort teilweise noch augenscheinlicher – ausländischen Bankwesens und des zumindest potentiellen Einsatzes von immensen inländischen Steuermitteln zu ihrer Bewältigung keiner näheren Begründung.

e) Abschließend ist auch hier auf die Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung in Höhe von 6 % p. a. gemäß §§ 233a , 238 AO hinzuweisen (vgl. näher oben II.2.e) dd).

2. Die Pauschalbesteuerung der Anleger intransparenter Fonds verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz.

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dieser Spielraum wird im Bereich des Einkommensteuerrechts vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Das gleichheitsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt die Befugnis des (Steuer-)Gesetzgebers, die zentralen Fragen gerechter Belastungsverteilung weitgehend ungebunden zu entscheiden. Das Verfassungsrecht, namentlich die Grundrechte der Steuerpflichtigen, bilden hier lediglich einen allgemeinen Rahmen für die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Bei der Ausgestaltung seiner Verteilungsentscheidungen binden jedoch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Folgerichtigkeit und Verhältnismäßigkeit die Ausübung der gesetzgeberischen Freiheit an ein hinreichendes Maß an Rationalität und Abgewogenheit. Soweit darüber hinaus „überzeugende” dogmatische Strukturen durch eine systematisch konsequente und praktikable Tatbestandsausgestaltung entwickelt werden müssen, ist dies nicht Aufgabe des Verfassungsrechts (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009 2 BvL 1/00 , BVerfGE 123, 111 , DStRE 2009, 922 , Juris Rn. 26, 32).

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BFH, Urteil vom 01.12.2010 IV R 39/07 , BFH/NV 2011, 842 , Juris Rn. 18).

b) Hier sind zu vergleichen nicht aus- und inländische Fonds, sondern transparente und intransparente Fonds, genauer nicht die Fonds, sondern die Anleger, deren Besteuerung zur Überprüfung steht. Da die Anleger die Fonds auswählen, indem sie ihre Investitionsentscheidung treffen, sind die Vergleichsgruppen daher Anleger, die in transparente Fonds investieren, und Anleger, die in intransparente Fonds investieren. Die Anleger können zwar nicht beeinflussen, ob die Fonds die Publizitätsobliegenheiten aus § 5 InvStG erfüllen, sie können aber die Erfüllung dieser Obliegenheiten bei ihrer Investitionsentscheidung (Auswahlentscheidung) berücksichtigen.

c) Diese beiden Vergleichsgruppen sind jedoch nicht gleich, sondern gerade wesentlich ungleich in Bezug auf die Ermittelbarkeit der Besteuerungsgrundlagen für die deutschen Steuerbehörden.

Die beiden Gruppen mögen zwar in Bezug auf das Merkmal der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vergleichbar sein. Der Steuergesetzgeber darf aber, da es sich um Massenvorgänge des Alltagsgeschäfts handelt, typisierend verallgemeinern und dabei Aspekte des Verwaltungsverfahrens, namentlich des Ermittlungsaufwandes und der Praktikabilität, berücksichtigen.

d) Das System der Publizitätsobliegenheiten gemäß § 5 InvStG und der an deren Nichterfüllung anknüpfenden Pauschalbesteuerung der Anleger gemäß § 6 InvStG ist geeignet, die sich aus den Anforderungen eines effizienten Verwaltungsverfahren ergebenden Ziele des Gesetzgebers zu erreichen (näher oben II.2. e) bb) und cc).

e) Dieses Besteuerungsregime ist auch nicht unverhältnismäßig.

aa) Soweit die Klägerin auf die milderen Mittel einer Schätzung (§ 162 AO ) statt der Pauschalbesteuerung und auf die bei der Pauschalbesteuerung denkbare, vom Gesetzgeber aber gerade nicht vorgesehene Möglichkeit eines Nachweises geringerer Fondserträge im Einzelfall durch den einzelnen Anleger gegenüber seinem Veranlagungsfinanzamt hinweist, sind diese Mittel nicht genauso effizient wie das vom Gesetzgeber gewählte. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit von Schätzungserwägungen bzw. der Überprüfung steuerlicher Daten von Fonds durch die einzelnen Veranlagungsfinanzämter wären für die typischen Fälle von Publikums-Fonds mit ihrer Vielzahl von Anlegern, ggf. auch Kleinanlegern, praktisch nicht handhabbar bzw. für die Steuerverwaltung insgesamt betrachtet mit einem unzumutbaren, jedenfalls unverhältnismäßigen Mehraufwand verbunden. Die Möglichkeit eines Gegenbeweises im Einzelfall würde dem Gesetzeszweck gerade zuwider laufen. Der Ausschluss eines Gegenbeweises ist folgerichtig.

Für die in- und ausländischen Spezial-Investmentvermögen, also solchen mit maximal 100 institutionellen Anlegern, gelten ebenfalls folgerichtig die Veröffentlichungspflichten nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 16 Satz 2 InvStG ) und daher auch nicht die bei deren Verletzung eintretende Pauschalbesteuerung.

bb) Auch die Höhe der Pauschalbesteuerung ist nicht unverhältnismäßig (vgl. näher oben II.2.e) dd).

cc) Schließlich ist auch der Ausschluss des HEV folgerichtig (vgl. bereits oben II.2. e) cc). Bei Intransparenz werden im Rahmen der Pauschalbesteuerung die Fondseinkünfte als unermittelbar behandelt, was nicht nur die typisierende Schätzung einer Rendite von 6 %, sondern auch die Annahme rechtfertigt, dass die Fonds nur Einkünfte erzielen, die nicht dem HEV unterliegen. Sonst müssten die Veranlagungsfinanzämter im Einzelfall zwar nicht die Höhe der Einkünfte, aber deren Zusammensetzung ermitteln, was nicht weniger unpraktikabel wäre.

f) Wie bereits oben bei der Kapitalverkehrsfreiheit näher ausgeführt, sind – bei der Klägerin nicht vorliegende – Umstände denkbar, die in einzelnen Ausnahmefällen zu einer Unverhältnismäßigkeit führen können (oben II.4.b).

In solchen Fällen sind Billigkeitsmaßnahmen (§§163 , 227 AO) geboten. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist nämlich anerkannt, dass nur in Einzelfällen auftretende untragbare Härten einer Billigkeitsregelung gemäß §§ 163 , 227 AO zuzuführen sind, wodurch ein Gleichheitsverstoß nicht in Betracht kommt (BVerfG, Beschluss vom 22.07.1991 1 BvR 829/89 , HFR 1992, 424 , Juris Rn. 9; BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 2 BvL 42/93 , BStBl II 1999, 174 , NJW 1999, 561 , Juris Rn. 82; ebenso BFH, Beschluss vom 17.12.2003 XI R 63/00 , DStRE 2004, 848 , Juris Rn. 10, 37).

In der breiten Mehrzahl der Fälle ergibt sich ein Gleichheitsverstoß hingegen nicht.

Ob ein Gleichheitsverstoß aufgrund besonderer, hier nicht vorliegender, aber anderweitig denkbarer Umstände des Einzelfalles darüber hinaus auch wegen des Grundsatzes der Normerhaltung und daraus folgend der Teilnichtigerklärung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2010 2 BvL 16/09 , NVwZ-RR 2011, 387, Juris Rn. 29 m. w. N.) für die Klägerin nicht entscheidungsrelevant wäre, bedarf danach keiner Entscheidung mehr, ebenso wenig, ob bei den Anlegern ausländischer Fonds in solchen Fällen aufgrund des Anwendungsvorrangs der Unionsrechts und der sich daraus ergebenden Nichtanwendung des nationalen Rechts die innerstaatliche Verfassungswidrigkeit neben der Unionsrechtswidrigkeit überhaupt noch entscheidungserheblich wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.2011 1 BvL 3/08 , DStR 2011, 2141 , Juris Rn. 45).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO .

Besteuerung ausländischer sog. schwarzer Investmentfonds rechtens (FG)

Kein Verstoß der Besteuerung von Einkünften aus schwarzen US-Fonds gemäß § 6 InvStG gegen EU-Recht oder gegen das Grundgesetz

 Leitsatz

1. Ist der Steuerpflichtige an sog. schwarzen US-Investmentfonds, die die Publizitätsanforderungen nach § 5 Abs. 1 InvStG nicht erfüllen, beteiligt, so ist die deswegen durchgeführte Besteuerung der Einkünfte aus den US-Investmentfonds nach § 6 Abs. 1 InvStG nicht verfassungswidrig oder EU-rechtswidrig; sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit, das Verbot einer (versteckten) Diskriminierung, den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz oder das Verbot einer übermäßigen Besteuerung.

2. Dass in § 5 Abs. 1 S. 1 Nrn. 4, 5 InvStG spezifische, nur von ausländischen Investmentgesellschaften einzuhaltende Anforderungen enthalten sind, führt nicht zu einer diskriminierenden Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.

3. Es ist EU-rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das – grundsätzlich nach § 2 Abs. 2 InvStG anwendbare – Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG im Anwendungsbereich von § 6 InvStG nicht gilt und dass der Gesetzgeber durch §§ 2 , 4 InvStG einerseits und § 6 InvStG andererseits unterschiedliche Vorschriften für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei Einnahmen aus Investmentanteilen geschaffen sowie für inländische und ausländische Investmentgesellschaften im Investmentsteuergesetz teilweise unterschiedliche Fondsbegriffe geregelt hat.

4. Im Urteilsfall kann offen bleiben, ob die im Falle eines Verlustes bei Rückgabe oder Veräußerung von Investmemtanteilen dennoch eintretende Versteuerung nach § 6 InvStG von 6 % des letzten Rücknahmepreises verfassungsgemäß ist.

Doppelbesteuerung | Versorgungsbezüge aus staatlichen Pensionsfonds nach DBA-NL (BMF)

Deutsch-niederländisches Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-NL); Anwendung des Kassenstaatsprinzips auf ehemalige staatliche Pensionsfonds

Das Bundeszentralamt für Steuern hatte sich in Verständigungsverfahren mit den Niederlanden aus dem Zuständigkeitsbereich des Niedersächsischen Finanzministeriums mit der Frage auseinander zu setzen, ob das Kassenstaatsprinzip auf ehemalige staatliche Pensionsfonds der Niederlande angewandt werden kann.
Die Besteuerungsfälle betreffen Versorgungsbezüge, die aus einem niederländischen Pensionsfonds an in Deutschland ansässige ehemalige Beschäftigte des niederländischen öffentlichen Dienstes gezahlt werden. Dieser Pensionsfonds (Algemeen Burgerlijk Pensionensfonds – ABP -) war in den Niederlanden im Rahmen einer Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Versorgungssystems von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in eine private Stiftung umgewandelt worden. Im Rahmen der Verhandlungen über ein neues DBA waren sich beide Staaten einig, dass das Besteuerungsrecht für die Versorgungsbezüge ehemaliger Beschäftigter des niederländischen öffentlichen Dienstes aus dem ABP dem Kassenstaatsgedanken folgen soll. Das am 12. April 2012 unterzeichnete neue DBA enthält daher in Nr. XIV seines Protokolls die Bestimmung, Seite 2 dass unabhängig vom Schuldner des Ruhegehaltes ein aus den Niederlanden bezogenes Ruhegehalt in den Anwendungsbereich des Kassenstaatsartikels fällt, soweit der Anspruch auf dieses Ruhegehalt im Rahmen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst erworben wurde. Wurde der Anspruch auf ein Ruhegehalt zum Teil im Rahmen eines privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses und zum Teil im Rahmen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst erworben, werden der Teil dieses Ruhegehalts, der unter den Rentenartikel, und der Teil, der unter den Kassenstaatsartikel fällt, anhand der Anzahl der Jahre, in denen der Anspruch auf dieses Ruhegeld im Rahmen eines privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses beziehungsweise im Rahmen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst erworben wurde, im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Jahre, in denen der Anspruch auf dieses Ruhegeld erworben wurde, anteilig ermittelt. Das DBA regelt auch eine Rückwirkung dieser Vorschrift für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen.

Die Verständigungsverfahren, die ausschließlich niederländische Versorgungsbezüge betrafen, die im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen aufgebaut wurden, wurden
daher im Lichte des neuen DBA gelöst und den Niederlanden das Besteuerungsrecht nach dem Kassenstaatsgedanken zugeordnet.

Ich bitte, in gleich gelagerten offenen Besteuerungsverfahren Ihres Zuständigkeitsbereiches entsprechend zu verfahren. Mit Blick auf die Zuordnung eines Ruhegeldes aus dem ABP zum
Rentenartikel bzw. zum Kassenstaatsartikel im konkreten Fall weise ich auf die Möglichkeit hin, den Steuerpflichtigen aufzufordern, das Formular „loonbelasting beschikking LBB20“
auszufüllen und beim „belastingdienst buitenland“ in Heerlen einzureichen. Nach Eingang des ausgefüllten Formulars fordert der „belastingdienst buitenland“ beim ABP eine Aufteilung
der Zahlungen der Altersbezüge in Beträge, die auf öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen und in Beträge, die auf privat-rechtlichen Dienstverhältnissen beruhen, an.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es ist außerdem auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen verfügbar

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin