BFH zur 1 %-Regelung: Berechnung des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG

Der positive Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ist bei Anwendung der 1 %-Regelung auch dann unter Ansatz von 0,03 % des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs je Kalendermonat zu berechnen, wenn der Steuerpflichtige im Monat durchschnittlich weniger als 15 Fahrten zur Betriebsstätte unternommen hat.

BFH, Urteil VIII R 14/15 vom 12.06.2018

BFH: Von Eltern getragene Kranken- und gesetzliche Pflegeversicherungsbeiträge eines Kindes in der Berufsausbildung können Sonderausgaben sein

Tragen Eltern, die ihrem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet sind, dessen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, können diese Aufwendungen die Einkommensteuer der Eltern mindern. Der Steuerabzug setzt aber voraus, dass die Eltern dem Kind die Beiträge tatsächlich gezahlt oder erstattet haben. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 13. März 2018 X R 25/15 entschieden.

Eltern können gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch die Beiträge ihres Kindes, für das sie einen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) oder auf Kindergeld haben, als (eigene) Beiträge im Rahmen der Sonderausgaben ansetzen. Voraussetzung ist aber, dass die Eltern zum Unterhalt verpflichtet sind und sie durch die Beitragszahlung oder -erstattung tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sind.

Im Streitfall hatte zunächst das Kind der Kläger, welches sich in einer Berufsausbildung befand, die von seinem Arbeitgeber einbehaltenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für das Streitjahr 2010 als Sonderausgaben geltend gemacht, ohne dass diese sich im Rahmen seiner Einkommensteuerfestsetzung auswirkten. Daraufhin machten seine Eltern die Aufwendungen im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr mit der Begründung geltend, sie hätten ihrem Kind, das noch bei ihnen wohne, schließlich Naturalunterhalt gewährt. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht (FG) lehnten den Sonderausgabenabzug der Eltern jedoch ab.

Der BFH bestätigte im Ergebnis das FG-Urteil. Die im Rahmen der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG von den unterhaltsverpflichteten Eltern ansetzbaren eigenen Beiträge des Kindes umfassten zwar auch die vom Arbeitgeber des Kindes im Rahmen einer Berufsausbildung einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Sie müssten jedoch dem Kind im Veranlagungszeitraum aufgrund einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung tatsächlich bezahlt oder erstattet werden. Da dies im Fall der Gewährung von Naturalunterhalt nicht geschieht, hatte die Revision der Kläger keinen Erfolg.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 51/18 vom 08.10.2018 zum Urteil X R 25/15 vom 13.03.2018

Haltelinie für Beiträge und Rentenniveau

Arbeit und Soziales/Gesetzentwurf – 08.10.2018 (hib 732/2018)

Berlin: (hib/CHE) In der gesetzlichen Rentenversicherung soll eine doppelte Haltelinie für das Sicherungsniveau vor Steuern bei 48 Prozent und den Beitragssatz bei 20 Prozent eingeführt werden. Diese Haltelinien sollen vorerst bis 2025 gelten. So sieht es der Gesetzentwurf (19/4668) der Bundesregierung über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz) vor.

Um das Rentenniveau bei 48 Prozent stabil zu halten, soll die Rentenanpassungsformel um eine Niveausicherungsklausel ergänzt werden, die dafür sorgt, dass die Renten bis 2025 so angepasst werden, dass mindestens ein Niveau von 48 Prozent erreicht wird. Um den Beitragssatz bei 20 Prozent zu halten, soll eine Beitragssatzgarantie eingeführt werden, indem bei Bedarf weitere Bundesmittel für die Rentenversicherung bereitzustellen sind. Zusätzlich verpflichtet sich der Bund in den Jahren 2022 bis 2025 zu Sonderzahlungen in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr als Finanzierungssockel für die allgemeine Rentenversicherung.

Weiterer Bestandteil des Gesetzes ist eine bessere Absicherung bei verminderter Erwerbsfähigkeit. So soll die Zurechnungszeit für Rentenzugänge im Jahr 2019 in einem Schritt auf das Alter von 65 Jahren und acht Monaten verlängert werden. Anschließend wird ab 2020 die Zurechnungszeit schrittweise auf das vollendete 67. Lebensjahr angehoben.

Ferner sollen Elternteile künftig für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern ein weiteres halbes Jahr Erziehungszeit anerkannt werden.

Um Geringverdiener bei den Sozialabgaben zu entlasten, soll die bisherige Gleitzone, in der Beschäftigte mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 450 bis 850 Euro verringerte Arbeitnehmerbeträge zahlen, zu einem „sozialversicherungsrechtlichen Übergangsbereich“ weiterentwickelt werden: Die Obergrenze der Beitragsentlastung soll auf 1.300 Euro angehoben werden. Zudem soll sichergestellt werden, dass die reduzierten Rentenversicherungsbeiträge nicht zu geringeren Rentenleistungen führen.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 732/2018

Kindergeld steigt 2019 um zehn Euro

Berlin: (hib/HLE) Familien sollen in den nächsten Jahren steuerlich stark entlastet werden. Dies plant die Bundesregierung mit dem von ihr eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/4723). Damit sinkt die Steuerbelastung in den Jahren 2019 und 2020 um rund 9,8 Milliarden Euro (volle Jahreswirkung).

Zu den einzelnen Maßnahmen gehört eine Erhöhung des Kindergeldes um zehn Euro monatlich ab 1. Juli 2019. Allein dies führe zu Mehrausgaben von rund 3,3 Milliarden Euro, erwartet die Bundesregierung, die die Bedeutung der familienpolitischen Maßnahmen betont: „Familien halten unsere Gesellschaft zusammen. Familien zu stärken und zu entlasten, ist deshalb ein wichtiges Ziel.“ Die Erhöhung des Kindergeldes führt im Gegenzug allerdings zu einer Anrechnung bei den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, so dass der Staat dort 2019 rund 130 Millionen Euro und ab 2020 rund 260 Millionen Euro spart.

Außerdem werden die steuerlichen Kinderfreibeträge ab 1. Januar 2019 von derzeit 7.428 um 192 auf 7.620 Euro angehoben. Zum 1. Januar 2020 steigt der Kinderfreibetrag weiter um 192 Euro auf dann 7.812 Euro.

Zur Sicherstellung der Freistellung des steuerlichen Existenzminiums wird der Grundfreibetrag (derzeit 9.000 Euro) erhöht. 2019 erfolgt eine Erhöhung um 168 Euro, 2020 um 240 Euro. diese beiden Erhöhungen führen zu Steuermindereinnahmen von über drei Milliarden Euro (volle Jahreswirkung). Um den Effekt der „kalten Progression“ auszugleichen, werden außerdem die Eckwerte des Einkommenstarifs verschoben, wodurch es zu einer Entlastung der Steuerzahler kommt, was 2019 zu Mindereinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro und 2020 in Höhe von 2,1 Milliarden Euro führen soll (jeweils volle Jahreswirkung).

Der Bundesrat begrüßt in seiner Stellungnahme die Erhöhung des Kindergeldes. Zugleich wird die Regierung aber aufgefordert, dass sich Bund dauerhaft an den Kosten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung von jährlich mindestens zwei Milliarden Euro beteiligt. In ihrer Gegenäußerung stellt die Bundesregierung fest, sie sehe derzeit keinen Grund für eine Verbindung des Familienentlastungsgesetzes mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung. 

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 734/2018

Grunderwerbsteuer: Hallenboden einer Logistikhalle ist keine Betriebsvorrichtung

Mit Urteil vom 29. August 2018 hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass ein Hallenboden einer Logistikhalle keine Betriebsvorrichtung ist, wenn der Boden eine sog. Doppelfunktion hat.

Das Gericht hatte zu entscheiden, ob der Kaufpreisanteil, der auf einen 50.000 qm großen Hallenboden mit besonderer Tragfähigkeit entfiel, in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen war.

Die Betonplatten aus Stahlfaserbeton hatten eine Dicke von 18 cm. Unter dem Boden befand sich eine 30 cm dicke Tragschicht aus verdichtetem Schotter. Als Trennlage zwischen dem Schotter und dem Betonboden war eine doppellagige PE-Folie eingebaut.

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass der Boden eine Betriebsvorrichtung sei. Die Fläche sei mit Einzelfundamenten für Maschinen vergleichbar. Zudem entspreche die starke Eindeckung der Bodenoberfläche den besonderen Platzbefestigungen einer Tankstelle.

Dem ist das Finanzgericht nicht gefolgt. Der auf den Hallenboden entfallende Kaufpreisanteil entfalle auf ein Gebäudebestandteil und sei daher zu Recht in die Berechnung der Grunderwerbsteuer einbezogen worden.

Der Hallenboden erfülle eine Doppelfunktion, so dass er vorrangig als Gebäudebestandteil zu bewerten sei. Der Boden diene der Umschließung des Gebäudes „Logistikhalle“. Zwar stelle der Boden nicht das Fundament für die umschließenden Wände der Halle dar. Das Gebäude werde aber durch den Hallenboden nach unten vor Witterungseinflüssen abgeschlossen. Die sich unter dem Boden befindende Tragschicht aus verdichtetem Schotter biete keinen hinreichenden Schutz gegen eindringende Feuchtigkeit. Erst die doppellagige PE-Folie vermittele einen solchen Schutz. Diese Folie allein könne aber keinen ausreichenden Gebäudeabschluss bieten, weil eine Nutzung der Halle als Gebäude ohne die darauf befindliche Betonschicht ausgeschlossen sei. Erst die Folie und die Betonschicht zusammen würden einen hinreichenden Schutz gegen Witterungseinflüsse bieten.

Der Streitfall unterscheide sich von Fällen, in denen auf einem Fundament ein Spezialfußboden verlegt werde, der ausschließlich einer betrieblichen Nutzung diene.

Das Gericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Mitteilung vom 05.10.2018 zum Urteil 7 K 641/18 vom 29.08.2018

DBA: Zur Besteuerung von Gewinnen nach Dividendenausschüttung auf Ebene einer gebietsfremden Tochtergesellschaft

Zur Klärung der Frage, ob bei Dividenden, die von einer gebietsfremden Gesellschaft weiterausgeschüttet werden, die Besteuerung der entsprechenden Gewinne auf der Ebene einer gebietsfremden Tochtergesellschaft zu berücksichtigen ist, hätte der Conseil d’État den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Auslegung des Unionsrechts anrufen müssen.

Frankreich hat dadurch, dass es den Mechanismus zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nicht angewandt hat, gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen.

Der Gerichtshof hatte in seinem Urteil Accor1 entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Dividenden, je nachdem, ob diese von einer gebietsansässigen oder -fremden Gesellschaft ausgeschüttet worden sind, unionsrechtswidrig ist und dass der französische Mechanismus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht mit den Vorschriften des Vertrags in Einklang steht.

In der Folge gingen bei der Kommission Beschwerden zu Urteilen des Conseil d’État (Frankreich) ein, die auf das Urteil des Gerichtshofs hin ergangen waren. Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass bestimmte der in den Urteilen des Conseil d’État festgelegten Bedingungen der Erstattung des Steuervorabzugs für ausgeschüttete Dividenden möglicherweise gegen das Unionsrecht verstießen. Sie gab Frankreich in ihrer Stellungnahme auf, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Da Frankreich der Stellungnahme nicht nachkam, erhob die Kommission beim Gerichtshof Klage.

Der Gerichtshof stellt in seinem Urteil vom 04.10.2018 klar, dass die Situation einer Gesellschaft, die als Anteilseignerin Dividenden aus ausländischen Quellen erhält, in Bezug auf eine Steuervorschrift, die die wirtschaftliche Doppelbesteuerung ausgeschütteter Gewinne verhindern soll, mit der einer Gesellschaft, die als Anteilseignerin Dividenden aus inländischen Quellen erhält, insofern vergleichbar ist, als es grundsätzlich in beiden Fällen zu einer mehrfachen Besteuerung der erzielten Gewinne kommen kann. Nach dem Unionsrecht muss ein Mitgliedstaat, der bei von gebietsansässigen Gesellschaften an ebenfalls Gebietsansässige gezahlten Dividenden ein System zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung anwendet, für von gebietsfremden Gesellschaften an Gebietsansässige gezahlte Dividenden eine gleichwertige Behandlung vorsehen.

Der Gerichtshof stellt deshalb fest, dass Frankreich zur Abstellung der Diskriminierung bei der Anwendung des Steuermechanismus zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Dividenden im Rahmen seiner eigenen Befugnis zur Besteuerung die vorherige Besteuerung der ausgeschütteten Dividenden durch den seine Befugnisse zur Besteuerung ausübenden Herkunftsmitgliedstaat der Dividenden berücksichtigen musste, und zwar unabhängig davon, auf welcher Stufe der Beteiligungskette – Tochter- oder Enkelgesellschaft – die Besteuerung erfolgt ist. Frankreich hat somit gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen.

Was die Rüge angeht, der Conseil d’État hätte vor der Festlegung der Modalitäten der Erstattung des mit dem Urteil Accor für unionsrechtswidrig erklärten Vorsteuerabzugs für ausgeschüttete Dividenden ein Vorabentscheidungsersuchen einreichen müssen, weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats grundsätzlich unabhängig davon festgestellt werden kann, welches Staatsorgan durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß verursacht hat, selbst wenn es sich um ein verfassungsmäßig unabhängiges Organ handelt. Soweit gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist, ist ein einzelstaatliches Gericht grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof anzurufen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage nach der Auslegung des Vertrags stellt.

Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass die Vorlagepflicht insbesondere verhindern soll, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Unionsrechts nicht im Einklang steht. Sie besteht ausnahmsweise nicht, wenn das nationale Gericht feststellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt.

Der Gerichtshof stellt erstmals fest, dass ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ihn hätte anrufen müssen, um die Gefahr einer fehlerhaften Auslegung des Unionsrechts auszuschließen. Da der Conseil d’État den Gerichtshof nicht angerufen hat, obwohl die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig war, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum geblieben wäre, liegt eine Vertragsverletzung vor.

Fußnote

1 Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2011 in der Rechtssache C-310/09.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 04.10.2018 zum Urteil C-416/17 vom 04.10.2018

Bei Berechnung von Jahresurlaub muss genommener Elternurlaub nicht berücksichtigt werden

Eine nationale Bestimmung, wonach bei der Berechnung der Dauer des einem Arbeitnehmer gewährleisteten bezahlten Jahresurlaubs die Dauer eines von dem Arbeitnehmer genommenen Elternurlaubs nicht berücksichtigt wird, ist mit dem Unionsrecht vereinbar.

Der Zeitraum eines Elternurlaubs kann einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung nicht gleichgestellt werden.

Frau Maria Dicu, Richterin am Tribunal Botoșani (Landgericht Botoșani), nahm vom 1. Oktober 2014 bis 3. Februar 2015 Mutterschaftsurlaub. Vom 4. Februar bis 16. September 2015 nahm sie Elternurlaub für die Erziehung eines Kindes im Alter von unter zwei Jahren. Während dieses Zeitraums war ihr Arbeitsverhältnis ausgesetzt. Vom 17. September bis 17. Oktober 2015 nahm sie 30 Tage bezahlten Jahresurlaub.

Auf der Grundlage des rumänischen Rechts, das einen Anspruch auf 35 Tage bezahlten Jahresurlaub vorsieht, beantragte Frau Dicu beim Gericht ihrer Verwendung, ihr den Restanspruch von fünf Tagen bezahltem Jahresurlaub für 2015 zu gewähren.

Das Tribunalul Botoșani (Landgericht Botoșani) lehnte diesen Antrag ab, da nach rumänischem Recht die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs an die Zeit tatsächlicher Arbeitsleistung innerhalb des laufenden Jahres gebunden sei und die Dauer des Elternurlaubs, der ihr 2015 gewährt wurde, bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen werde.

Dagegen hat Frau Dicu Klage bei den rumänischen Gerichten erhoben. Vor diesem Hintergrund fragt die Curtea de Apel Cluj (Berufungsgerichtshof Cluj, Rumänien) den Gerichtshof, ob das Unionsrecht1 einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, nach der bei der Festsetzung der Dauer des Jahresurlaubs die Zeit, in der sich der Arbeitnehmer im Elternurlaub befunden hat, nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung berücksichtigt wird.

In seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach dem Unionsrecht jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Dieser Anspruch ist ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union. Sein Zweck – es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen – beruht auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat.

Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass ein Mitgliedstaat in bestimmten besonderen Situationen, in denen Arbeitnehmer nicht in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, z. B. weil sie wegen einer ordnungsgemäß belegten Krankheit oder eines Mutterschaftsurlaubs fehlen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass die Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet haben.

Frau Dicu, die während des Bezugszeitraums Elternurlaub genommen hat, befindet sich jedoch nicht in einer solchen besonderen Lage.

In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass zum einen das Eintreten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht vorhersehbar und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig ist. Außerdem leidet ein Arbeitnehmer im Elternurlaub unter keinen durch eine Erkrankung hervorgerufenen physischen oder psychischen Beschwerden, so dass er sich in einer anderen Lage befindet.

Zum anderen soll der Mutterschaftsurlaub dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach ihrer Schwangerschaft und der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der an Schwangerschaft und Entbindung anschließenden Zeit dienen. Diese Situation unterscheidet sich also auch von der eines Arbeitnehmers im Elternurlaub.

Unter diesen Umständen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens der Zeitraum des Elternurlaubs, den der betreffende Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums genommen hat, bei der Berechnung seiner Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung nicht gleichgestellt werden kann. Demnach ist eine Bestimmung des nationalen Rechts, wonach bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub in einem Bezugszeitraum die Dauer eines von dem Arbeitnehmer in diesem Zeitraum genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird, mit dem Unionsrecht vereinbar.

Fußnote

1 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 04.10.2018 zum Urteil C-12/17 vom 04.10.2018

Reisevorleistungseinkauf eines Reiseveranstalters unterliegt nicht der Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer

Mit Urteil vom 24. September 2018 (Az. 3 K 2728/16 G) hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass der sog. Reisevorleistungseinkauf nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegt.

Das klagende Unternehmen ist ein Reiseveranstalter. Es „kauft“ unter anderem Hotelleistungen von (ausländischen) Hoteliers und Agenturen ein, um diese dann gebündelt im Rahmen einer Pauschalreise anbieten zu können. Das beklagte Finanzamt unterwarf einen Teil der in diesem Zusammenhang anfallenden Aufwendungen als Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von fremden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Dabei schätzte es die auf die Zimmerüberlassung als solche entfallenden Aufwendungen und separierte Entgelte für Leistungen, denen ein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukommen sollte.

Dem ist das Finanzgericht Düsseldorf entgegengetreten. Nach seiner Auffassung unterliegt der Hoteleinkauf nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Es fehle an der Voraussetzung des fiktiven Anlagevermögens. Der Geschäftszweck der Klägerin setze das dauerhafte Vorhandensein von Hotels nämlich nicht voraus. Der Reisevorleistungseinkauf sei gedanklich ihr Wareneinsatz. Die Tätigkeit der Klägerin lasse sich – ihr Eigentum an den Hotels bzw. Hotelzimmern unterstellt – nicht nur dann wirtschaftlich sinnvoll ausüben, wenn das Eigentum langfristig erworben wird. Dies würde den Interessen der Klägerin, die auf ein verändertes Nachfrageverhalten auf dem Reisemarkt (z. B. aufgrund geopolitischer Krisen) kurzfristig reagieren müsse, gerade zuwiderlaufen. Die „eingekauften“ Hotels oder Hotelzimmer stellten damit bei wirtschaftlicher Betrachtung eher Umlaufvermögen als Anlagevermögen dar. Die Rolle der Klägerin als Reiseveranstalterin entspreche mehr der einer Vermittlerin von Reiseleistungen als der einer Zwischenmieterin von Hotelzimmern.

Nach Auffassung des Finanzgerichts wird diese Auslegung durch die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der einschlägigen Normen bestätigt. Der Gesetzgeber habe eine Hinzurechnung des Reisevorleistungseinkaufs im Jahr 2007 nicht im Blick gehabt. Zudem lasse sich das Geschäftsmodell eines klassischen (Pauschal-)Reiseveranstalters, der – wie die Klägerin – eine Vielzahl von Hotels in einer Vielzahl von Zielgebieten bereithält, eigenkapitalfinanziert nicht darstellen. Dann könne der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer aber auch keine Hinzurechnung von betrieblich veranlassten Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt der Finanzierungsneutralität rechtfertigen.

Der Senatsvorsitzende und Vizepräsident des Finanzgerichts Düsseldorf, Harald Junker, betonte die Breitenwirkung des Urteils und richtete seinen Blick auf den weiteren Verfahrensgang: „Die Frage der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung des Hoteleinkaufs hat Bedeutung für die gesamte Tourismusbranche. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf eine gegenläufige Entscheidung des Finanzgerichts Münster aus dem Jahr 2016 bleibt abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren positionieren wird.“

Quelle: FG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 04.10.2018 zum Urteil 3 K 2728/16 vom 24.09.2018 (nrkr)

Überwachung von Barmitteltransfers in die EU und aus der EU: Rat nimmt Verordnung an

Am 02.10.2018 hat der Rat eine Verordnung angenommen, mit der die Überwachung von Barmitteltransfers in die Union oder aus der Union verbessert werden soll. Dies wurde möglich, nachdem er im Juni eine Einigung mit dem Europäischen Parlament erzielt hatte.

Hartwig Löger, österreichischer Bundesminister der Finanzen:

„Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und andere kriminelle Machenschaften müssen aufgespürt und unterbunden werden. Die neue Verordnung liefert uns das nötige Instrumentarium, um effizienter gegen diese Bedrohungen vorzugehen.“

Die Verordnung wird das derzeitige System der Überwachung von Barmitteltransfers in die EU und aus der EU verbessern. Das bedeutet, dass die jüngsten Entwicklungen bei den einschlägigen internationalen Standards, die die Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ ausgearbeitet hat, in der Gesetzgebung der EU ihren Niederschlag finden.

Ganz konkret ist der Begriff „Barmittel“ in der neuen Verordnung weiter gefasst, sodass hierunter nunmehr nicht nur Banknoten, sondern auch andere Mittel oder hochliquide Rohstoffe wie Schecks, Travellerschecks, Prepaid-Karten und Gold fallen. Die Verordnung wurde auch auf Barmittel im Post-, Fracht- oder Kurierverkehr ausgedehnt.

Mit dem neuen Rechtsakt wird die Vorschrift erweitert, wonach jede Person, die in die EU einreist oder aus der EU ausreist und Barmittel im Wert von 10.000 Euro oder mehr mitführt, dies bei den Zollbehörden melden muss. Dabei ist unerheblich, ob die Reisenden die Barmittel am Körper, in ihrem Gepäck oder in ihrem Verkehrsmittel mitführen. Auf Aufforderung der Behörden müssen sie sie für eine Kontrolle bereitstellen.

Werden Barmittel als sog. unbegleitete Barmittel auf anderem Wege versandt, sind die zuständigen Behörden befugt, vom Absender oder vom Empfänger eine Offenlegungserklärung zu verlangen. Die Behörden können alle Sendungen, Pakete oder Verkehrsmittel kontrollieren, die unbegleitete Barmittel enthalten können.

Die Mitgliedstaaten tauschen Informationen aus, wenn es Hinweise darauf gibt, dass die Barmittel im Zusammenhang mit einer kriminellen Handlung stehen, die die finanziellen Interessen der EU beeinträchtigen könnte. Diese Informationen werden auch der Europäischen Kommission übermittelt.

Die neue Verordnung wird die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, im Rahmen ihres nationalen Rechts zusätzliche nationale Kontrollen für den Barmittelverkehr an den Binnengrenzen der Union einzuführen, vorausgesetzt, diese Kontrollen stehen im Einklang mit den Grundfreiheiten der Union.

Der Rat und das Europäische Parlament müssen die angenommene Verordnung jetzt noch unterzeichnen. Der unterzeichnete Text wird im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

Hintergrundinformationen

Die aktuellen Vorschriften für Barmitteltransfers in die EU und aus der EU (Verordnung 1889/2005 über die Überwachung von Barmitteln) gelten seit dem 15. Juni 2007; sie sind integraler Bestandteil der EU-Rahmenregelung zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Die neue Verordnung aktualisiert diese Vorschriften und ergänzt den in der Richtlinie 2015/849 festgeschriebenen EU-Rechtsrahmen für die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

Nach den geltenden Regeln müssen Reisende bei der Einreise in die EU oder bei der Ausreise Barmittel in Höhe von 10.000 Euro oder mehr den Zollbehörden melden. Mit der neuen Verordnung wird diese Verpflichtung erweitert. Neue Vorschriften sind erforderlich, weil Terroristen und Kriminelle Möglichkeiten gefunden haben, die Regeln für die Überwachung von Barmitteln zu umgehen. Kriminelle Organisationen, durch deren illegale Machenschaften große Mengen an Barmitteln generiert werden, müssen daran gehindert werden, sich Schlupflöcher im derzeitigen System für Geldtransfers und Geldwäsche zunutze zu machen.

Quelle: Rat der EU, Pressemitteilung vom 02.10.2018

Elektronische Veröffentlichungen: Rat einigt sich darauf, ermäßigte Mehrwertsteuersätze zu gestatten

Der Rat hat sich am 02.10.2018 auf einen Vorschlag geeinigt, mit dem es den Mitgliedstaaten gestattet wird, bei der Mehrwertsteuer ermäßigte Steuersätze, besonders ermäßigte Steuersätze oder sogar Nullsteuersätze auf elektronische Veröffentlichungen anzuwenden; dadurch wird eine Harmonisierung von Mehrwertsteuervorschriften für elektronische und für physische Veröffentlichungen ermöglicht.

Mit dem Text wird ein Beitrag zum Plan der EU für den digitalen Binnenmarkt geleistet.

Hartwig Löger, Minister der Finanzen Österreichs, das derzeit den Ratsvorsitz innehat.

„Dieser Vorschlag ist Teil unserer Anstrengungen zur Modernisierung der Mehrwertsteuer für die digitale Wirtschaft und erlaubt uns, mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten.“

Nach den geltenden Mehrwertsteuervorschriften (Richtlinie 2006/112/EG) werden elektronisch erbrachte Dienstleistungen zum Normalsatz der Mehrwehrsteuer, d. h. einem Satz von mindestens 15 %, besteuert, während Veröffentlichungen auf einem physischen Träger zu vom Normalsatz abweichenden Sätzen besteuert werden können.

Bei physischen Veröffentlichungen – Büchern, Zeitungen und Zeitschriften – haben die Mitgliedstaaten derzeit die Wahlmöglichkeit, einen „ermäßigten“ Mehrwertsteuersatz, d. h. mindestens 5 %, anzuwenden. Einige Mitgliedstaaten sind ermächtigt worden, Folgendes anzuwenden: „besonders ermäßigte“ Mehrwertsteuersätze (unter 5 %) oder Nullsteuersätze (verbunden mit dem Recht auf Vorsteuerabzug).

Die Richtlinie wird es den Mitgliedstaaten, die dies wünschen, gestatten, auf elektronische Veröffentlichungen ebenfalls ermäßigte Mehrwertsteuersätze anzuwenden. Besonders ermäßigte Sätze und Nullsteuersätze werden nur den Mitgliedstaaten gestattet, die solche Sätze derzeit auf „physische“ Veröffentlichungen anwenden.

Die neuen Vorschriften werden vorübergehend gelten, bis ein neues, „endgültiges“ Mehrwertsteuersystem eingeführt wird. Die Kommission hat Vorschläge für das neue System veröffentlicht, die den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität als derzeit einräumen würden, wenn es um die Festlegung von Mehrwertsteuersätzen geht.

Verfahren

Auf einer Tagung des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ wurde eine Einigung erzielt. Der Rat wird die Richtlinie ohne weitere Aussprache annehmen, sobald die Texte in sämtlichen Amtssprachen fertiggestellt sind.

Die Richtlinie erfordert ein einstimmiges Votum im Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments. (Rechtsgrundlage: Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.) Das Europäische Parlament hat am 1. Juni 2017 seine Stellungnahme abgegeben.

  • Wortlaut der Richtlinie wie vereinbart (in englischer Sprache)

Quelle: Rat der EU, Pressemitteilung vom 02.10.2018

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin