Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Verzinsung nach § 233a AO in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Satz 1 AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015

Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs hat am 25. April 2018, IX B 21/18, in einem Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz Zweifel an der Verfassungskonformität des Zinssatzes nach § 238 Absatz 1 Satz 1 AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 geäußert und deshalb die Vollziehung eines Bescheides über Nachforderungszinsen nach § 233a AO gemäß § 69 Absatz 3 Satz 1, Absatz 2 Satz 2 FGO ausgesetzt.

Nach Auffassung des IX. Senats des Bundesfinanzhofs begegnet die Zinshöhe in § 233a AO in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Satz 1 AO durch ihre realitätsferne Bemessung im Hin-blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz und das Übermaßverbot für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifeln. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz gemäß § 238 Absatz 1 Satz 1 AO überschreite angesichts einer zu dieser Zeit bereits eingetretenen strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Markt-zinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße. Dem könne nicht entgegen gehalten werden, dass bei Kreditkartenkrediten für private Haushalte Zinssätze von rund 14 Prozent oder bei Girokontenüberziehungen Zinssätze von rund 9 Prozent anfallen würden. Hierbei handele es sich um Sonderfaktoren, die nicht als Referenzwerte für ein realitätsgerechtes Leitbild geeignet seien und damit einem typisierten Zinssatz nicht zu Grunde gelegt werden dürften.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

I

Der BFH-Beschluss vom 25. April 2018, IX B 21/18, ist für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 (nur) auf Antrag des Zinsschuldners in allen Fällen anzuwenden, in denen gegen eine vollziehbare Zinsfestsetzung, in der der Zinssatz nach § 238 Absatz 1 Satz 1 AO zugrunde gelegt wird, Einspruch eingelegt wurde. Unerheblich ist dabei, zu welcher Steuerart und für welchen Besteuerungszeitraum die Zinsen festgesetzt wurden.

Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes soll nach § 361 Absatz 2 Satz 2 AO grundsätzlich ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Die angeordnete Gewährung der Aussetzung der Vollziehung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015 ist nicht dahingehend zu verstehen, dass die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder die Verfassungsmäßigkeit des § 238 Absatz 1 Satz 1 AO bezweifeln. Angesichts der bisherigen Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Verzinsungsregelung (vgl. Beschlüsse vom 3. September 2009, 1 BvR 2539/07, BFH/NV S. 2115 sowie 1 BvR 1098/08, HFR 2010 S. 66) ist ungewiss, ob das Bundesverfassungs-gericht in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 den Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat bei einer neuerlichen Prüfung unter Berücksichtigung der weiteren Marktzinsentwick-lung in den letzten Jahren nun als verfassungswidrig einstufen wird.

II

Für Verzinsungszeiträume vor dem 1. April 2015 ist Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Absatz 2 Satz 2 AO nur zu gewähren, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbil-lige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte und im Einzelfall ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers zu bejahen ist.

Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Zinsbescheids eintretenden Eingriffs beim Zins-schuldner und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. November 2013, II B 46/13, BStBl 2014 II S. 263; vom 27. August 2002, XI B 94/02, BStBl 2003 II S. 18; vom 20. Juli 1990, III B 144/89, BStBl 1991 II S. 104, und vom 20. Mai 1992, III B 100/91, BStBl II S. 729).

Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestehenden Geltungsanspruch der formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Zinsvorschriften ist für Verzinsungszeiträume vor dem 1. April 2015 der Vorrang einzuräumen. Denn die Aus-setzung bzw. Aufhebung der Vollziehung würde im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwen-dung dieser Zinsvorschriften führen, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollzie-hung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen sind als eher gering einzustufen und der Eingriff hat keine dauerhaften nachteiligen Wirkun-gen (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2010, II B 168/09, BStBl II S. 558).

BMF 2018/0482980

E-Bilanz; Veröffentlichung der Taxonomien 6.2 vom 1. April 2018

Hiermit wird das aktualisierte Datenschema der Taxonomien (Version 6.2) als amtlich vorge-schriebener Datensatz nach § 5b EStG veröffentlicht. Die aktualisierten Taxonomien (Kern-, Ergänzungs- und Spezialtaxonomien) stehen unter www.esteuer.de zur Ansicht und zum Abruf bereit.

Die Taxonomien sind grundsätzlich für die Bilanzen der Wirtschaftsjahre zu verwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 beginnen (Wirtschaftsjahr 2019 oder 2019/2020). Sie gelten entsprechend für die in Rdnr. 1 des BMF-Schreibens vom 28. September 2011 genannten Bilanzen sowie für Eröffnungsbilanzen, sofern diese nach dem 31. Dezember 2018 aufzu-stellen sind. Es wird nicht beanstandet, wenn diese auch für das Wirtschaftsjahr 2018 oder 2018/2019 verwendet werden.

Die Übermittlungsmöglichkeit mit diesen neuen Taxonomien wird für Testfälle voraussichtlich ab November 2018 und für Echtfälle ab Mai 2019 gegeben sein.

Auf folgende Neuerungen wird im Einzelnen hingewiesen:  

  • Änderung der Auszeichnungen Textpositionen in den Berichtsteilen „Bilanz“ und „Gewinn- und Verlustrechnung“ sind für die Übermittlung an die Finanzverwaltung nicht mehr zugelassen (Auszeich-nung als „notPermittedFor“ = „steuerlich“). Erläuterungen zu einzelnen Posten der Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung sind in einer Fußnote zu der jeweiligen Taxonomie-Position zu übermitteln. Positionen, die in der Steuerbilanz, nicht aber in der Handelsbilanz zulässig sind, haben eine Auszeichnung als „notPermittedFor“ = „handelsrechtlich“ erhalten.  Angaben, die im Kontext einer steuerlichen Gewinnermittlung keine Bedeutung haben, werden für die Übermittlung an die Finanzverwaltung nicht mehr zugelassen und sind durch die Auszeichnung „notPermittedFor“=“ Einreichung an Finanzver-waltung“ gekennzeichnet.
  • Fachliche Änderungen Neben Standardüberarbeitungen zur Qualitätssicherung und Optimierung der Taxo-nomien wurden fachliche Änderungen, insbesondere zur Umsetzung gesetzlicher Vor-gaben, vorgenommen. Beispielhaft genannt seien die neuen Taxonomie-Positionen zur Übermittlung nicht abziehbarer Sonderbetriebsausgaben im Sinne des § 4i EStG und nicht abziehbarer Aufwendungen für Rechteüberlassungen im Sinne des § 4j EStG, die im Berichtsteil „steuerliche Gewinnermittlung“ geschaffen wurden. Außerdem wurden Positionen zur Darstellung der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung von Verpflichtungsübernahmen beim ursprünglich Verpflichteten und beim Verpflichtungsübernehmer gemäß § 4f und § 5 Absatz 7 EStG eingefügt (vgl. BMF-Schreiben vom 30. November 2017, BStBl I Seite 1619).
  • Abbau von Redundanzen Redundanzen wurden weiter abgebaut. So wurden die Gesellschaftergruppen im GCD-Modul und die Art der Beteiligung der Erklärung zur gesonderten und einheit-lichen Feststellung angeglichen.
  • Neuer Berichtsteil „steuerlicher Betriebsvermögensvergleich“ Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 EStG wird der Gewinn für Zwecke der Besteuerung durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Ent-nahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Mit der Taxonomie-Version 6.2 ist ein neuer Berichtsteil eingefügt worden, der Taxonomie-Positionen zur Ermittlung und Übermittlung des Gewinns durch Betriebsvermögensvergleich im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 EStG vorsieht. Die werthaltige Übermittlung des Berichtsteils mit der Taxonomie-Version 6.2 ist freiwillig. Wird der Berichtsteil freiwillig werthaltig übermittelt, greifen entspre-chende ERiC-Regeln. Voraussichtlich ab der übernächsten Taxonomie-Version wird die Übermittlung verpflichtend sein.

E-Bilanz; Veröffentlichung der Taxonomien 6.2 1. April 2018

BMF 2018/0449558

Wie wird die Einlage wertgeminderter Beteiligungen bewertet?

Wie wird die Einlage wertgeminderter Beteiligungen bewertet?

 

Die Grundsätze, die bei der Bewertung der Einlage wertgeminderter Beteiligungen in ein Betriebsvermögen gelten, sind entsprechend auf die Bewertung der Einlage solcher wertgeminderter Forderungen aus Gesellschafterdarlehen anzuwenden.

 

Hintergrund

X war alleiniger Gesellschafter der O-GmbH und gründete 1996 eine Verwaltungs-GmbH (V-GmbH). Diese stattete er mit einem Stammkapital von 1 Mio. DM aus und verkaufte seine Beteiligung an der O-GmbH an die V-GmbH für 6 Mio. DM. Daraus ergab sich bei X für 1996 ein Verlust von 20 Mio. DM.

Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte X in 1996 der V-GmbH ein Darlehen von zunächst 4 Mio. DM. Durch Zuschreibung der Zinsen erhöhte sich dieses laufend. Im Januar 2001 veräußerte X 25 % der Anteile an der V-GmbH zum Preis von 1 DM an N. Im August 2001 erwarb X ein von einem Dritten an die O-GmbH vermietetes Grundstück. Im Dezember 2001 veräußerte X weitere 74 % Anteile an der V-GmbH für 1 DM an N. Gleichzeitig erklärte er den Verzicht auf das der V-GmbH gewährte Darlehen einschließlich noch nicht abgerechneter Zinsen.

 

 

Für das Jahr 2001 machte X Verluste aus der Veräußerung seiner Anteile an der V-GmbH und aus dem Darlehensverzicht geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust jedoch nicht an. Seiner Ansicht nach war dieser im Betriebsvermögen entstanden. Deshalb waren die Anteile an der V-GmbH lediglich mit ihrem Teilwert in das Betriebsvermögen einzulegen. Das Finanzgericht gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich dem Urteil des Finanzgerichts an und wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück.

X hatte aufgrund der Vermietung des Grundstücks an die O-GmbH im August 2001 eine Betriebsaufspaltung begründet. Die nur mittelbare Beteiligung an der O-GmbH steht dem nicht entgegen.

Durch die Veräußerung der Anteile an der V-GmbH zum 31.12.2001 fand keine Betriebsaufgabe statt. X erzielte aus der Veräußerung vielmehr einen laufenden Verlust. Denn er beteiligte sich an der O-GmbH im Dezember 2001 still. Das Grundstück ging zum Buchwert in das Sonder-Betriebsvermögen des X bei der atypischen stillen Gesellschaft über. Das schloss die Annahme einer Betriebsaufgabe aus.

Bei der Ermittlung der Höhe des Verlustes ist die Einlage der wertgeminderten Beteiligung an der V-GmbH in das Betriebsvermögen des Besitz-Einzelunternehmens zum 1.8.2001 nicht mit dem niedrigeren Teilwert, sondern mit den höheren Anschaffungskosten anzusetzen.

Die Grundsätze zur Bewertung der Einlage wertgeminderter Beteiligungen in ein Betriebsvermögen sind entsprechend auf die Bewertung der Einlage solcher wertgeminderter Gesellschafterdarlehensforderungen anzuwenden, deren Ausfall sich im Falle der weiteren Zugehörigkeit der Forderung und der korrespondierenden Beteiligung zum Privatvermögen bei der Verwirklichung eines gesetzlich geregelten Realisationstatbestands einkommensteuerrechtlich ausgewirkt hätte. Als Einlagewert ist daher nicht der Teilwert anzusetzen, sondern derjenige Wert, mit dem die Forderung als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen wäre.

Rechnungsnummern müssen nicht lückenlos fortlaufend vergeben werden

Rechnungsnummern müssen nicht lückenlos fortlaufend vergeben werden

 

Ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn anhand einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist nicht verpflichtet, Rechnungsnummern numerisch fortlaufend zu vergeben. Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus dem Vollständigkeitsgebot noch aus den umsatzsteuerlichen Pflichten.

 

Hintergrund

Der Kläger verwendete auf seinen elektronischen Rechnungen Buchungsnummern, die computergesteuert durch eine Kombination aus Geburtsdatum des Kunden und Rechnungsdatum erzeugt wurden. Jede Buchungsnummer wurde zwar nur einmalig vergeben. Sie bauten jedoch nicht numerisch fortlaufend aufeinander auf.

Das Finanzamt stellte bei einer Betriebsprüfung keine konkreten Einzelfälle einer Nichterfassung oder fehlerhaften Erfassung von Ausgangsrechnung beim Kläger fest. Auch führte es keine Verprobungsrechnungen durch. Da jedoch keine fortlaufenden Rechnungsnummern vergeben worden waren, konnte das Finanzamt die Vollständigkeit nicht kontrollieren. Es nahm deshalb Hinzuschätzungen zu dem Gewinn vor, den der Kläger mit der Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied dagegen, dass für die Gewinnermittlung der Einnahmen-Überschuss-Rechnung weder eine gesetzliche noch eine aus der Rechtsprechung herleitbare Pflicht zur Vergabe einer Rechnungsnummer nach einem bestimmten lückenlosen numerischen System besteht. Die Richter machten deshalb die Gewinnhinzuschätzung rückgängig.

Eine gesetzliche Pflicht zur Vergabe einer lückenlosen fortlaufenden Rechnungsnummer kann nach Überzeugung des Finanzgerichts auch nicht aus der Rechnungslegungsvorschrift des Umsatzsteuergesetzes hergeleitet werden. Zwar verlangt dieses die Angabe einer fortlaufenden Rechnungsnummer. Die Norm steht nach Überzeugung des Finanzgerichts aber systematisch im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug und dient lediglich dem umsatzsteuerlichen Zweck, die Korrespondenz von Umsatzsteuerschuld des Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers prüfen zu können.

Darüber hinaus sieht das Finanzgericht bislang keine konkret durch die Rechtsprechung hergeleitete Pflicht zur Vergabe einer Rechnungsnummer nach einem bestimmten lückenlosen numerischen System.

Verwendet ein Steuerpflichtiger dagegen ein System, in welchem bei zutreffender Vergabe von Rechnungsnummern eine lückenlose Abfolge von Nummern ersichtlich sein müsste, können nach Auffassung des Finanzgerichts Lücken in der Nummerierung Zweifel an der formellen und sachlichen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung erzeugen. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall gar keine systembedingt lückenlose, d. h. numerisch um 1 oder einen anderen vorhersehbaren Wert erfolgende Hochzählung einer Rechnungsnummer erfolgte, konnte schon gar keine Lückenhaftigkeit festgestellt werden.

Andere zu einer Hinzuschätzung berechtigende konkrete Anhaltspunkte für nicht oder falsch erfasste Einnahmen hat die Betriebsprüfung nicht benannt. Verprobungen, die Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Kläger gemachten Angaben bieten könnten, waren nicht erfolgt.

Unzulässige Datenerhebung für die Zweitwohnungsteuer in Görlitz

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. Juni 2018 entschieden, dass das Studentenwerk Dresden nicht verpflichtet ist, der Stadt Görlitz als Steuerbehörde für Zwecke der Erhebung einer Zweitwohnungsteuer die Namen der Studierenden mitzuteilen, die in Studentenwohnheimen in Görlitz ein Zimmer oder eine Wohnung gemietet haben. Es hat damit der Berufung des Studentenwerks stattgegeben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden geändert.

Die beklagte Stadt Görlitz erhebt auf der Grundlage einer entsprechenden Satzung eine Zweitwohnungsteuer. Diese sieht – anders als etwa für Altenwohnheime – keine Ausnahme von der Steuerpflicht für Zimmer in Studentenwohnheimen vor. Um überprüfen zu können, ob Wohnzimmer von Studierenden als „Zweitwohnung“ genutzt werden, verpflichtete die Beklagte das Studentenwerk Dresden als Betreiber von Studentenwohnheimen im Stadtgebiet Görlitz, ihr die Namen aller Mieter mitzuteilen. Das Studentenwerk verweigerte die Auskunft und erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht, die in erster Instanz noch erfolglos geblieben war.

Der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung des Klägers, der Beklagten die Namen der Mieter in den Studentenwohnheimen zum Zwecke der Erhebung einer Zweitwohnungsteuer zu übermitteln, nicht besteht. Als Steuerpflichtige kämen nur die Mieter eines Wohnheimzimmers in Betracht, die in Görlitz eine Nebenwohnung innehätten, wogegen die Beklagte die Namen aller Mieter angefordert habe. Die Übermittlung der Daten der in Görlitz mit Hauptwohnung gemeldeten Studierenden verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen, sodass der Kläger diese gar nicht übermitteln dürfe. Es bestünden darüber hinaus erhebliche Zweifel, ob die Satzung der Stadt Görlitz über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer überhaupt wirksam sei. Die Bestimmung über die Steuerpflicht sei mit Verfassungsrecht voraussichtlich nicht vereinbar.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde vom Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe kann aber gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Quelle: OVG Sachsen, Pressemitteilung vom 12.06.2018 zum Urteil 4 A 580/15 vom 12.06.2018
 

Fremdwährungsdarlehen: In welchem Umfang sind Schuldzinsen abziehbar?

Fremdwährungsdarlehen: In welchem Umfang sind Schuldzinsen abziehbar?

 

Nimmt ein Steuerpflichtiger zur Finanzierung einer Eigentumswohnung ein Fremdwährungsdarlehen auf, kann er bei einer späteren Vermietung der Wohnung Schuldzinsen nur für den Teil des Darlehens abziehen, der den ursprünglichen Anschaffungskosten der Wohnung entspricht. Ein Währungsverlust kann dagegen nicht geltend gemacht werden.

 

Hintergrund

Im Jahr 2002 erwarb der Steuerpflichtige eine Eigentumswohnung, die er mit einem Darlehen bei der Bank H über 105.000 EUR finanzierte. Bei diesem Darlehen handelte es sich um ein Fremdwährungsdarlehen in Schweizer Franken. 2005 kaufte er eine weitere Eigentumswohnung im gleichen Gebäudekomplex. Deren Anschaffungskosten betrugen einschließlich nachträglicher Herstellungskosten 56.500 EUR.

Im Jahr 2011 schuldete der Steuerpflichtige das Fremdwährungsdarlehen durch ein Darlehen bei einer Bausparkasse um. Aufgrund der Kursentwicklung des Schweizer Franken zum Euro hatte sich der Darlehensbetrag von 105.000 EUR auf 139.309,58 EUR erhöht. Die Darlehenssumme bei der Bausparkasse belief sich dementsprechend auf 139.000 EUR. Beide Wohnungen vermietete der Steuerpflichtige ab dem Jahr 2013.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Schuldzinsen für das Darlehen bei der Bausparkasse nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig waren, soweit sie der Finanzierung des Währungsverlustes dienten.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an und entschied, dass die Schuldzinsen für das Darlehen des Steuerpflichtigen bei der Bausparkasse nur teilweise als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden können. Abzugsfähig war nur der Teil, der der ursprünglichen Finanzierung der Anschaffungskosten der beiden Eigentumswohnungen diente.

Werbungskosten liegen vor, wenn mit einem Darlehen die Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Wirtschaftsguts finanziert werden. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Darlehens der Bausparkasse mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung konnte das Gericht nur in Höhe der ursprünglichen Anschaffungskosten der vermieteten Eigentumswohnungen feststellen. Denn der Steuerpflichtige finanzierte im Zeitpunkt der Umschuldung wegen der damaligen Selbstnutzung einen im Privatvermögen realisierten Währungsverlust in Höhe von 34.000 EUR. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt jedoch die Verschlechterung der Vermögenssituation des Schuldners eines Fremdwährungsdarlehens infolge der Realisierung eines Währungsverlustes einen Vermögensverlust im Privatbereich dar. Dieser bleibt aber bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung außer Betracht.

Gesetz zur Stärkung und steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz)

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen

Familien halten unsere Gesellschaft zusammen. Familien zu stärken und zu entlasten, ist deshalb ein wichtiges Ziel. Eltern sind wegen des Unterhalts, der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder nicht im gleichen Maße finanziell leistungsfähig wie kinderlose Menschen. Deshalb müssen Familienleistungen bei der Bemessung der Einkommensteuer angemessen berücksichtigt werden. Bei einer angemessenen und gerechten Besteuerung ist auch das mit steigenden Preisen verbundene höhere Existenzminimum der steuerpflichtigen Menschen und ihrer Kinder zu berücksichtigen sowie die Wirkung der kalten Progression. Anderenfalls würde es allein durch die allgemeine Inflation zu einer höheren individuellen Besteuerung kommen.

Im steuerlichen Familienleistungsausgleich sorgen Kinderfreibeträge und Kindergeld für eine angemessene Besteuerung von Familien. Um Familien zu stärken und zu entlasten, wird das Kindergeld pro Kind ab 1. Juli 2019 um 10 Euro pro Monat erhöht. Zudem steigt der steuerliche Kinderfreibetrag entsprechend. Zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums der steuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger und zum Ausgleich der kalten Progression werden außerdem der Grundfreibetrag angehoben und die Eckwerte des Einkommensteuertarifs für die Veranlagungszeiträume 2019 und 2020 nach rechts verschoben.

Das Gesetz zur Stärkung und steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz – FamEntlastG) setzt entsprechende Vereinbarungen des Koalitionsvertrags um.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 08.06.2018

Schlampige Buchführung: Das Finanzamt darf hinzuschätzen

Schlampige Buchführung: Das Finanzamt darf hinzuschätzen

 

Ist die Buch- und Kassenführung in erheblichem Maße mangelhaft, muss der Steuerpflichtige damit rechnen, dass das Finanzamt eine Hinzuschätzung vornimmt. Bei einer ordnungsgemäßen Buch- und Kassenführung ist diese jedoch nicht erlaubt.

 

Hintergrund

Eine GbR unterhielt einen Gastronomiebetrieb. Bei einer steuerlichen Außenprüfung stellte das Finanzamt erhebliche Buchführungsmängel sowie Mängel in der Kassenführung fest, sodass es eine Hinzuschätzung von Umsätzen für erforderlich hielt. Das Finanzamt bemängelte insbesondere, dass der Wareneinkauf durch die Klägerin nicht in vollem Umfang erfasst worden war. Außerdem lag durch gefundene Kassenbons der Verdacht nahe, dass nicht alle Umsätze verbucht worden waren.

Mit ihrer Klage rügt die Klägerin die Höhe der Schätzungen.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage in den wesentlichen Fragen als unbegründet zurück und entschied, dass das Finanzamt die Umsatzerlöse hinzuschätzen durfte.

Eine Schätzung ist zulässig, wenn die Buchführung der Besteuerung bei dem betreffenden Steuerpflichtigen aufgrund von Mängeln nicht zugrunde gelegt werden kann. Diese erheblichen Mängel wurden von der Betriebsprüfung festgestellt. Vor allem hatte die Klägerin keine ordnungsgemäße Buchführung und führte auch die Kasse fehlerhaft. Hinsichtlich der Einnahmen war die Hinzuschätzung des Finanzamts zutreffend. Dabei durfte es anhand der sichergestellten Kassenbons auf durchschnittliche Tageseinnahmen schließen. Andere Schätzungsmethoden kamen nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht.

Einkommensteuerpauschalierung: Wann liegen die Voraussetzungen vor?

Einkommensteuerpauschalierung: Wann liegen die Voraussetzungen vor?

 

Nur zusätzliche Zuwendungen, die bei den Empfängern zu steuerpflichtigen Einkünften führen, werden von der Pauschalierung der Einkommensteuer bei Sachzuwendungen erfasst. Es genügt jedoch nicht, dass die Zuwendung zur Leistung eines Dritten hinzutritt.

 

Hintergrund

X vertrieb Fotoartikel und führte zur Verkaufsförderung ein Bonusprogramm für Fachverkäufer im stationären Handel ein, das sowohl für selbstständige Betriebsinhaber als auch für deren Arbeitnehmer galt. Jeder Fachverkäufer konnte Bonuspunkte sammeln und diese bei der A-GmbH gegen Sachprämien einlösen. Die Sachprämien und Gutscheine stellte die A der X in Rechnung. In ihren Lohnsteuer-Anmeldungen unterwarf X die ihr von der A in Rechnung gestellten Prämien der pauschalen Einkommensteuer-Besteuerung mit 30 %. Mit seiner Klage wendet sich X gegen die pauschale Besteuerung der Zuwendungen aus dem Bonusprogramm.

 

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der Lohnsteuer-Anmeldungen der X.

Die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG beschränkt sich auf Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Die Regelung ermöglicht die pauschalierende Erhebung der Einkommensteuer aus Vereinfachungsgründen. Im vorliegenden Fall waren die vereinnahmten Prämien sowohl bei den selbstständigen Fachverkäufern als auch bei den bei diesen angestellten Verkäufern steuerpflichtig.

 

Die gesetzliche Regelung verlangt jedoch neben der betrieblichen Veranlassung der Zuwendungen, dass diese zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden. Das bedeutet, dass zwischen dem Zuwendenden und dem Leistungsempfänger eine Leistung oder Gegenleistung vereinbart sein muss. Darüber hinaus muss die Zuwendung zusätzlich, also freiwillig, zu der ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung des Steuerpflichtigen erbracht werden.

Diese Zusätzlichkeit fehlt im vorliegenden Fall. Denn sowohl der nichtselbstständige als auch der selbstständige Verkäufer erhielt die Prämie von X nicht zusätzlich zu der ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung. Gegenüber den angestellten Verkäufern stellten die Prämien die allein geschuldete Leistung für den Verkaufserfolg dar. Das Gleiche galt für die selbstständigen Betriebsinhaber. Die Prämien wurden für einen bestimmten personenbezogenen Verkaufserfolg gewährt.

Wann gehört ein Darlehen zum notwendigen Betriebsvermögen?

Wann gehört ein Darlehen zum notwendigen Betriebsvermögen?

 

Gewährt der Inhaber eines in der Hausverwaltung tätigen Unternehmens einer Baugesellschaft ein Darlehen, gehört dieses nur dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn es das Einzelunternehmen maßgeblich fördert.

 

Hintergrund

K betrieb ein Einzelunternehmen. An der AB GmbH war er bis zum Jahr 1998 zu 50 % beteiligt. 1996 gewährte K der GmbH aus privaten Mitteln ein unbesichertes Darlehen über 2,6 Mio. DM. Die Zinsen der Jahre 1996 und 1997 wurden als Einnahmen aus Kapitalvermögen in der Einkommensteuererklärung erfasst. Den Veräußerungsgewinn bezüglich der Anteile setzte K als Einnahmen aus Gewerbebetrieb an (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften). Zum 1.1.1998 wurde bei dem Einzelunternehmen eingebucht. Zum 31.12.1999 erfolgte die Abschreibung auf 1 DM.

Das Finanzamt verneinte jedoch die Betriebsvermögenseigenschaft des Darlehens und korrigierte den Aufwand um die Abschreibung. Die Beteiligung an der AB GmbH wurde nicht als Betriebsvermögen des Einzelunternehmens behandelt.

 

Entscheidung

Die Klage des K hatte nur teilweise Erfolg. Zwar sah das Finanzgericht die Beteiligung des K an der AB GmbH zum 31.12.1996 als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens wegen der direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen an. Jedoch war das Darlehen nicht als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens zu qualifizieren. Denn dessen Gewährung beruhte nicht auf einem betrieblichen Vorgang, da er nicht dem Einzelunternehmen diente. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Umsätzen des Einzelunternehmens und dem Darlehen bestand nicht.

Eine Einbuchung als gewillkürtes Betriebsvermögen durfte Anfang 2000 bei Aufstellung der Bilanz 1998 nicht erfolgen. Aus Sicht des K war das Darlehen bereits wertgemindert und konnte damit nicht zum Zwecke der Verlagerung privater Verluste in den betrieblichen Bereich eingelegt werden. Das Darlehen war zum 31.12.1999 nicht als wertlos anzusehen. Insbesondere berücksichtigte die prüferische Durchsicht Jahresergebnisse nach dem Bilanzstichtag und ließ außer Betracht, dass die Ertragslage des Unternehmens im Jahr 1999 durchaus positiv gesehen worden war.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin