Offenbare Unrichtigkeit: Was gilt, wenn das Finanzamt einen Fehler des Steuerpflichtigen übernimmt?

Offenbare Unrichtigkeit: Was gilt, wenn das Finanzamt einen Fehler des Steuerpflichtigen übernimmt?

 

Trägt ein Steuerpflichtiger Zahlungen versehentlich falsch in das Steuerformular ein und übernimmt das Finanzamt diesen Fehler, obwohl die zutreffende steuerliche Behandlung dieser Zahlungen aus beigefügten Bescheinigungen ersichtlich ist, kann eine offenbare Unrichtigkeit vorliegen.

 

Hintergrund

Der Kläger machte Zahlungen an sein Versorgungswerk fälschlicherweise als Rentenversicherung ohne Kapitalwahlrecht in der Steuererklärung geltend. Die Bescheinigungen des Versorgungswerks fügte er jedoch bei. Das Finanzamt übernahm diese Eintragungen des Klägers.

Nachdem der Steuerbescheid bestandskräftig geworden war, beantragte der Kläger die Änderung der Steuerfestsetzungen der betreffenden Jahre. Denn durch die zutreffende Erfassung der Zahlungen ergaben sich für ihn steuerliche Vorteile. Das Finanzamt lehnte die Änderung der bestandskräftigen Bescheide ab. Insbesondere lag seiner Ansicht nach keine offenbare Unrichtigkeit vor.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht sah das anders und entschied, dass eine Korrektur wegen einer offenbaren Unrichtigkeit möglich war. Eine solche offenbare Unrichtigkeit liegt immer dann vor, wenn ein Schreib- und Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit gegeben ist. Die Berichtigungsmöglichkeit setzt voraus, dass der Fehler in der Sphäre des Finanzamts entstanden ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn sich die Finanzverwaltung einen Fehler des Steuerpflichtigen zu eigen gemacht hat.

Insbesondere war vorliegend die fehlerhafte Eintragung ohne Weiteres aus den Bescheinigungen des Notarversorgungswerks erkennbar gewesen. Deshalb war der Fehler offensichtlich, sodass die entsprechenden Bescheide berichtigt werden konnten.

Kindergeld: Der Streit um den Abschluss der ersten Berufsausbildung geht weiter

Kindergeld: Der Streit um den Abschluss der ersten Berufsausbildung geht weiter

 

Nimmt ein Kind im Anschluss an eine Berufsausbildung ein Studium auf, stellt sich die Frage, ob dieses noch Bestandteil der ersten Ausbildung ist oder nicht. Bei einer Ausbildung zum Steuerfachgehilfen und einem anschließenden Bachelor-Studium im Steuerrecht bejahte das Finanzgericht Düsseldorf den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang und gewährte den Eltern das Kindergeld.

 

Hintergrund

Der 1993 geborene Sohn der Klägerin befand sich bis zum Juni 2014 in Berufsausbildung zum Steuerfachgehilfen. Im September 2014 begann er ein Studium an der Hochschule für Ökonomie & Management. Die Familienkasse lehnte die Kindergeldgewährung ab Juli 2014 ab, da der Sohn eine erste Berufsausbildung beendet hatte und sich in einer weiteren Berufsausbildung befand. Wegen seiner Vollzeit-Erwerbstätigkeit konnte der Sohn nicht mehr berücksichtigt werden.

Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Ausbildung zum Steuerfachangestellten und der unmittelbar im Anschluss anschließende Studiengang eine einheitliche Erstausbildung darstellten. Da es sich um eine sog. mehraktige Ausbildung handelte, war die erste Berufsausbildung Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klägerin recht und entschied, dass das Bachelor-Studium des Sohnes einen Teil der Erstausbildung darstellte. Denn das ersichtliche Ausbildungsziel des Sohnes war die Erlangung des akademischen Grades eines “Bachelor of Arts”. Für die Frage, ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein weiterer Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, stellt der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung darauf ab, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Es kommt darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen.

Im vorliegenden Fall stellte das im Anschluss an die Ausbildung zum Steuerfachgehilfen zum nächsten Semesterbeginn aufgenommene Bachelor-Studium im Steuerrecht aufgrund des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zur ersten berufsqualifizierenden Maßnahme einen integrativen Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung. Der Klägerin stand damit trotz der Erwerbstätigkeit des Sohnes das Kindergeld zu.

Bestandskräftiger Steuerbescheid: Wann liegen neue Tatsachen vor?

Bestandskräftiger Steuerbescheid: Wann liegen neue Tatsachen vor?

 

Kommt das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nicht nach und verzichtet es auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung, darf es den entsprechenden Steuerbescheid nicht ändern. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige alle vom Finanzamt gestellten Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet hat.

 

Hintergrund

3 Steuerpflichtige erbten zu gleichen Teilen verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Das Finanzamt, das für die Bewertung zur Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständig war, verzichtete ausdrücklich auf die Einreichung von Steuererklärungen. Stattdessen forderte es die Erben auf, zu den Grundstücken bestimmte Angaben zu machen. Für ein Betriebsgrundstück bat es um die Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18.1.2003. Dieser Aufforderung kamen die Erben umfassend nach. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Bewertung des Grundstücks den von den Erben mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte den Grundbesitzwert auf 531.500 EUR fest. Nachdem dem Finanzamt bekannt geworden war, dass das Betriebsgrundstück vermietet war, änderte es die Bewertungsmethode und stellte einen Wert von 1.627.500 EUR fest.

Die dagegen gerichtete Klage der Erben wies das Finanzgericht ab, da die Vermietung dem Finanzamt nicht bekannt gewesen war. Deshalb konnte der bestandskräftige Feststellungsbescheid wegen neuer Tatsachen noch geändert werden.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied jedoch, dass der Steuerbescheid nicht geändert werden durfte. Dementsprechend hob er das Finanzgerichtsurteil und die Feststellungsbescheide auf.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Änderung eines Bescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen wegen neuer Tatsachen nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Darauf kann sich der Steuerpflichtige berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung. Die Folge: Der Steuerbescheid kann noch geändert werden.

Geht das Finanzamt ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne Weiteres aufdrängen mussten, nicht nach, verletzt es seine Ermittlungspflicht. Das Gleiche gilt, wenn das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung verzichtet und ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auffordert. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, darf dieses nach Treu und Glauben eine bestandskräftige Steuerfestsetzung nicht ändern, auch wenn es später von steuererhöhenden Tatsachen erfährt.

Dementsprechend durfte das Finanzamt im vorliegenden Fall den bestandskräftigen Feststellungsbescheid nicht mehr ändern. Es hatte für das Betriebsgrundstück lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Damit ist das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Da die Erben zutreffende Angaben gemacht haben, haben sie ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Darüber hinaus hat das Finanzamt auf die Abgabe einer Erklärung ausdrücklich verzichtet.

Entschädigung für entgangene Einnahmen oder steuerfreier Schadensersatz? Das ist die Frage

Entschädigung für entgangene Einnahmen oder steuerfreier Schadensersatz? Das ist die Frage

 

Bei der Beurteilung, ob eine steuerpflichtige Entschädigung für entgangene Einnahmen vorliegt oder eine steuerfreie Schadensersatzleistung, entscheidet sich oftmals anhand von Indizien. Erhält der Geschädigte nicht nur eine übliche Entschädigung für entgangene Einnahmen, sondern eine ebenso hohe weitere Zahlung, spricht dies für eine steuerfreie Schadensersatzleistung.

 

Hintergrund

X wurde bei einem Überfall schwer verletzt. Mit seinem Arbeitgeber A schloss er anschließend einen Aufhebungsvertrag und Vergleich, mit dem sich A verpflichtete, neben einer aus einer Pensionszusage zu leistenden Altersrente an X zwei Mal 400.000 EUR zu zahlen. Damit sollte zum einen eine Abfindung für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses und für mögliche Verdienstausfälle gezahlt, zum anderen Schadensersatz geleistet werden, da der Überfall womöglich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des X als Geschäftsführer stand.

X vertrat die Auffassung, dass der vereinbarte Schadensersatz in Höhe von 400.000 EUR steuerfrei ist. Das Finanzamt beurteilte dagegen die als Schadensersatz bezeichnete Zahlung als Abfindung und unterwarf sie dem ermäßigten Steuersatz nach der Fünftelregelung.

Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass mehrere bzw. unterschiedliche Entschädigungsleistungen, die im Zusammenhang mit der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen vereinbart werden, zwar grundsätzlich einheitlich zu beurteilen sind. Trotzdem muss im Einzelfall geprüft werden, ob jede einzelne Entschädigung tatsächlich als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wurde. Die Steuerbarkeit muss also für jede einzelne Entschädigungszahlung getrennt geprüft werden.

Insbesondere muss berücksichtigt werden, in welchem Rahmen üblicherweise Abfindungen vereinbart werden. Dazu muss der letzte Verdienst, die Kündigungsfrist und das Aufhebungsdatum festgestellt und beurteilt werden und in welchem Umfang eine Entschädigung für entgangene Einnahmen zu erwarten und auch gerichtlich durchsetzbar ist.

Wird neben einer üblichen Entschädigung eine weitere Zahlung vereinbart, die den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreitet, spricht dies indiziell dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Entschädigung für entgangene Einnahmen handelt. Im Streitfall verdoppelte sich durch die zweite Zahlung die Gesamtzahlung, sodass eine Überschreitung in besonderem Maße angenommen werden kann, wenn man davon ausgeht, dass die erste Zahlung noch als üblich anzusehen ist.

Dies spricht dafür, dass die zweite Zahlung ein steuerfreier Schadensersatz darstellt. Der Bundesfinanzhof hob deshalb das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies den Fall zurück.

Auch bei kirchlichem Arbeitgeber ist Religionszugehörigkeit keine zwingende Einstellungsvoraussetzung

Auch bei kirchlichem Arbeitgeber ist Religionszugehörigkeit keine zwingende Einstellungsvoraussetzung

 

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion darf auch ein kirchlicher Arbeitgeber nicht pauschal als Einstellungsvoraussetzung für Bewerber verlangen, da ansonsten ein Verstoß gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie vorliegt.

 

Hintergrund

Eine konfessionslose Sozialpädagogin (FH) bewarb sich auf eine befristete Referentenstelle beim diakonischen Werk EKD. Die Tätigkeit umfasste eine projektweise Berichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention. In der Stellenausschreibung forderte der Arbeitgeber die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche oder der ACK angehörenden Kirche, auch war die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag Voraussetzung für eine Bewerbung.

Die Sozialpädagogin wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und fühlte sich deshalb aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert. Mit ihrer Klage fordert sie eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt, da seiner Ansicht nach die ausgeschriebene Referentenstelle wenig mit Religion zu tun hatte.

Das Landesarbeitsgericht erkannte dagegen keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer fehlenden Religion und verwies auf das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Das diakonische Werk EKD als kirchlicher Arbeitgeber durfte seiner Meinung nach für die ausgeschriebene Referententätigkeit eine – auch nach außen durch die Kirchenmitgliedschaft dokumentierte – Identifikation mit ihm fordern und konfessionslose Bewerber unberücksichtigt lassen.

Das Bundesarbeitsgericht wandte sich an den Europäischen Gerichtshof mit der Frage, ob es mit der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie vereinbar ist, dass kirchliche Arbeitgeber eine bestimmte Religion der Bewerber zur Einstellungsvoraussetzung für eine Stelle machen.

 

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass eine konfessionsgebundene Stellenausschreibung nur dann erfolgen darf, wenn die Konfession für die berufliche Tätigkeit objektiv geboten und verhältnismäßig ist. Die Abwägung muss zudem gerichtlich überprüfbar sein.

Zwar haben Kirchen und religiöse Organisationen auch nach den EU-Vorgaben das Recht, Stellenbewerber mit Blick auf Religion oder Weltanschauung ungleich zu behandeln. Das Recht auf Selbstbestimmung muss jedoch gegen das berechtigte Interesse eines jeden Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung abgewogen werden.

Die Gerichte müssen also die Entscheidung des kirchlichen Arbeitgebers jeweils im Einzelfall prüfen können und dürfen sie ggf. zurückweisen. Den staatlichen Gerichten steht es im Regelfall nicht zu, über das Ethos als solches zu befinden, das der angeführten beruflichen Anforderung zugrunde liegt. Gleichwohl haben sie festzustellen, ob die 3 Kriterien “wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt” in Anbetracht dieses Ethos im Einzelfall erfüllt sind.

Das bedeutet, dass die Kirchen das Einstellungskriterium einer Kirchenmitgliedschaft – unterschiedslos für alle Berufstätigen – nicht mehr so ohne Weiteres bindend festlegen können.

Händler muss gebrauchten VW-Diesel zurücknehmen

Mit Beschluss vom 28.05.2018 hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Leitung von Frau Vorsitzender Richterin am Oberlandesgericht Dr. Morawitz entschieden, dass ein Kölner Autohaus einen VW Eos 2,0 TDI mit dem Motor des Typs EA 189 mit Abschaltvorrichtung zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten muss. Damit wurde im Beschlussverfahren gem. § 522 Abs. 2 ZPO eine erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Köln bestätigt.

Der Kläger hatte das im Jahr 2011 erstmals zugelassene Gebrauchtfahrzeug im April 2015 zu einem Preis von 22.000 Euro gekauft. Im November 2015 forderte er das Autohaus dazu auf, innerhalb von ca. 3,5 Wochen ein mangelfreies Fahrzeug gleichen Typs nachzuliefern, hilfsweise das ausgelieferte Fahrzeug nachzubessern. Nachdem das Autohaus auf die für Anfang des Jahres 2016 geplante Rückrufaktion zur Behebung des Mangels hingewiesen hatte, erklärte der Kläger Mitte Januar 2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Rückabwicklung. Seit September 2016 steht eine technische Lösung für das Software-Update für das Fahrzeug des Klägers zur Verfügung.

Der 27. Zivilsenat bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Köln, wonach der Händler das Fahrzeug zurücknehmen muss und den Kaufpreis abzüglich eines Nutzungswertersatzes in Höhe von 8 Cent pro gefahrenem Kilometer zu erstatten hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der vernünftige Durchschnittskäufer erwarte, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderliche Genehmigung nicht durch eine Täuschung erwirkt habe. Das Fahrzeug sei mangelhaft, da eine Software installiert gewesen sei, die für den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand einen hinsichtlich geringer Stickoxid-Emissionen optimierten Betriebsmodus sowie eine Erkennung des Prüf-Betriebes und eine Umschaltung in den optimierten Betriebsmodus vorsehe. Allein die Installation der Software führe dazu, dass das Fahrzeug nicht die übliche Beschaffenheit aufweise. Der Kläger habe bei Abschluss des Kaufvertrages noch davon ausgehen dürfen, dass sich der Hersteller rechtmäßig verhalten würde. Der Käufer habe daher nach Setzung einer Frist vom Vertrag zurücktreten können. Ihm sei nicht zuzumuten gewesen, für einen damals nicht absehbar langen Zeitraum zuzuwarten, da zum einen das Gelingen und der Zeitpunkt eines genehmigten Software-Updates nicht festgestanden hätten und damit die für den Kläger bedeutsame Zulassung weiter in Frage gestanden habe und zum anderen in der Zwischenzeit die Veräußerbarkeit des erworbenen Pkw sowie sein Verkehrswert in Frage gestanden hätten. Zwar könnte die vom Kläger gesetzte Frist zu kurz gewesen sein. Indes setze eine zu kurz bemessene Frist in der Regel eine angemessene Frist – hier von sieben Wochen – in Lauf.

Obwohl das Softwareupdate nach Beklagtenangaben einen Aufwand von weniger als 100 Euro verursache, sei der Rücktritt nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen. Dies ergebe eine umfassende Interessenabwägung. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktritterklärung sei das Softwareupdate weder vom Kraftfahrt-Bundesamt geprüft und genehmigt gewesen noch habe es überhaupt zur Verfügung gestanden. Schon mit Rücksicht auf diese ganz erhebliche Ungewissheit zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung könne ein unerheblicher Sachmangel mit Blick auf die möglichen Folgen für den Käufer nicht angenommen werden.

Nicht zu beanstanden sei ferner, dass das Landgericht bei der Ermittlung des Nutzungsersatzes von 8 Cent pro gefahrenem Kilometer eine Laufleistung des Fahrzeugs von 275.000 Kilometern angenommen habe.

Der Senat hat die Berufung im Wege des Beschlusses gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil der Fall sich in der Anwendung höchstrichterlich geklärter abstrakter Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall erschöpft. Eine Revision ist damit nicht zugelassen. Für die unterlegene Partei besteht die Möglichkeit, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einzulegen.

Der Hersteller des Fahrzeugs war in dem Verfahren nicht als beklagte Partei beteiligt. Dem Hersteller wurde jedoch vom Autohaus der Streit verkündet und er ist auf Seiten des Autohauses als Streithelfer dem Rechtsstreit beigetreten.

Quelle: OLG Köln, Pressemitteilung vom 11.06.2018 zum Beschluss 27 U 13/17 vom 28.05.2018

BFH: Keine Kapitalertragsteuer auf Rücklagen bei Regiebetrieben

Gemeinden dürfen bei ihren Regiebetrieben Rücklagen bilden, die bis zu ihrer Auflösung die Kapitalertragsteuer mindern. Damit wendet sich der Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 30. Januar 2018 VIII R 42/15 gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, die dies von weiteren Voraussetzungen abhängig macht. Das Urteil ist für die öffentliche Hand im Rahmen des Wettbewerbs ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten mit privatwirtschaftlichen Unternehmen von großer praktischer Bedeutung.

Im Streitfall hatte die klagende Stadt die handelsrechtlichen Jahresüberschüsse ihres Betriebs gewerblicher Art (BgA) Schwimmbäder, der als Regiebetrieb geführt wurde, in den Jahren 2005 und 2006 als Gewinnvortrag ausgewiesen. Die Gewinne stammten maßgeblich aus Dividendeneinnahmen, die zwar auf das Bankkonto der Klägerin flossen, aber vom BgA in einem verzinsten Verrechnungskonto erfasst waren. Die Klägerin ging davon aus, dass insoweit keine der Kapitalertragsteuer unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlagen. Zu diesen gehört nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) erkannten demgegenüber die Gewinnvorträge nicht als Rücklage i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG an, so dass es zu einer Nachforderung von Kapitalertragsteuer kam.

Der BFH hob das FG-Urteil und die angegriffenen Nachforderungsbescheide auf. Er entschied, dass Regiebetriebe eine Rücklage bilden dürfen, auch wenn ihre Gewinne – abweichend zu Eigenbetrieben – unmittelbar in den Haushalt der Trägerkörperschaft fließen. Denn das Gesetz sehe keine Differenzierung zwischen Eigen- und Regiebetrieben vor und die Ausschüttungsbesteuerung der BgA habe ohnehin nur fiktiven Charakter. Damit wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Januar 2015 IV C 2 -S-2706- a / 13 / 10001, BStBl I 2015, 111). Danach sollte im Gegensatz zu Eigenbetrieben bei Regiebetrieben eine Rücklagenbildung nur zulässig sein, wenn die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nicht erfüllt werden können. Nach dem Urteil des BFH ist dem nicht zu folgen, da hierfür keine gesetzliche Grundlage besteht. Darüber hinaus kommt es auch nicht auf eine haushaltsrechtliche Mittelreservierung an. Für die steuerliche Anerkennung reicht vielmehr jedes „Stehenlassen“ der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital aus, sofern anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Liquiditätsabflüssen an die Trägerkörperschaft, sind die für Kapitalgesellschaften und deren Alleingesellschafter entwickelten Grundsätze über verdeckte Gewinnausschüttungen entsprechend anwendbar.

Die Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Kapitalertragsteuerabzug bei BgA wird durch zwei weitere Urteile des BFH vom 30. Januar 2018 ergänzt. Zum einen hat der BFH im Urteil VIII R 75/13 entschieden, dass bei dem Regiebetrieb einer kommunalen Gebietskörperschaft die Gewinne des Jahres 2001 auch dann steuerfrei bleiben, wenn sie zunächst in die Rücklagen eingestellt, dann aber in einem späteren Veranlagungszeitraum wieder aufgelöst werden. Diese nur für die Gewinne des Jahres 2001 geltende Steuerfreiheit folge aus der Formulierung der zeitlichen Anwendungsregelung bei Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchs. b EStG. Zum anderen hat der BFH im Urteil VIII R 15/16 entschieden, dass die für Regiebetriebe kommunaler Gebietskörperschaften entwickelten Grundsätze zur Bildung von Rücklagen auch bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft Anwendung finden.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 26 vom 23.05.2018 zu den Urteilen VIII R 75/13, VIII R 42/15 und VIII R 15/16 vom 30.01.2018

 

Umsatzsteuer in landwirtschaftlichen Betrieben wird oft pauschaliert – „rechtskonform“

Von den 2016 existierenden rund 270.00 landwirtschaftlichen Betrieben machen rund 181.000 von der Möglichkeit der Umsatzsteuerpauschalierung Gebrauch. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort ( 19/2062 ) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP ( 19/1793 ) mitteilt, hat sie die Regelung aufgrund einer Kritik des Bundesrechnungshofes und vor dem Hintergrund eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission überprüft „und erachtet sie nach wie vor als rechtskonform“. Eine Änderung der umsatzsteuerlichen Sonderbehandlung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sei nicht geplant.

Lt. Bundesregierung machten von den in 2016 existierenden rund 270.00 landwirtschaftlichen Betrieben rund 181.000 von der Möglichkeit der Umsatzsteuerpauschalierung Gebrauch. Aufgrund einer Kritik des Bundesrechnungshofes und vor dem Hintergrund eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission wurde die Pauschalierung überprüft. Die Regierung erachtet sie nach wie vor als rechtskonform.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 22.05.2018

 

Kein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für Tagesmütter

Wird eine selbständige „Tagesmutter“, die nach §§ 22 ff., § 43 SGB VIII als Tagespflegeperson Kinder in der Kindertagespflege betreut, schwanger, hat sie keinen Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz. Ein Anspruch folgt auch nicht aus Unionsrecht.

Die Klägerin ist als Tagespflegeperson in der Kindertagespflege tätig. Der beklagte Landkreis erteilte ihr als örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe die Erlaubnis zur Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern in der Kindertagespflege. Die Betreuungszeiten wurden in Absprache zwischen der Klägerin und den Eltern festgelegt. Für die Betreuung gewährte der beklagte Landkreis der Klägerin laufende Geldleistungen nach § 23 SGB VIII in Höhe von 3,90 Euro pro Kind und Betreuungsstunde. Dieser Anerkennungsbetrag wurde pro Betreuungsjahr für bis zu sechs Wochen Urlaub und bis zu zwei Wochen Krankheit weitergezahlt.

Die Klägerin gebar im März 2014 ein Kind. Sie verlangt vom beklagten Landkreis für den Zeitraum der Mutterschutzfristen von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt die Zahlung von Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe der durchschnittlichen wöchentlichen laufenden Geldleistungen. Sie meint, sie sei Arbeitnehmerin des beklagten Landkreises, jedenfalls sei sie als eine solche zu behandeln. Der Anspruch ergebe sich bei unionsrechtskonformer Auslegung des Mutterschutzgesetzes, des § 23 SGB VIII sowie unmittelbar aus der Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben.

Der Fünfte Senat hat – wie die Vorinstanzen – die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist als Tagespflegeperson keine Arbeitnehmerin des beklagten Landkreises, und zwar auch nicht im Sinne des Unionsrechts. Sie verrichtet für diesen nicht Tätigkeiten nach dessen Weisung. Aus der Richtlinie 2010/41/EU folgt kein unmittelbarer Anspruch auf die begehrte Zahlung gegen den beklagten Landkreis, denn die Richtlinie bestimmt den Schuldner nicht hinreichend konkret. Gleiches gilt für die UN-Frauenrechtskonvention.

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 23.05.2018 zum Urteil 5 AZR 263/17 vom 23.05.2018

 

Finanzministerium: Umstellung der Steuernummern für Körperschaften und Personengesellschaften – Weiterer Schritt auf dem Weg zur Umsetzung des Projektes „Finanzamt 2020“

Ab Donnerstag (24.05.2018) wird die technische Umstellung der Steuernummern durchgeführt. Im Rahmen dieser Neuorganisation werden für Körperschaften und Personengesellschaften, die bislang keine Steuernummer aus dem Steuernummernkreis des Finanzamts Saarbrücken Am Stadtgraben (Bundesfinanzamtsnummer 1040) besitzen, neu vergeben. Dies betrifft rund 47.000 Steuernummern.

Im Zuge der Umstrukturierung der saarländischen Finanzämter im Rahmen des Projektes „Finanzamt 2020“ steht, nach der Zentralisierung der Veranlagungsstellen für Körperschaften, nun die Zentralisierung der Veranlagungsdienststellen für Personengesellschaften beim Finanzamt Saarbrücken Am Stadtgraben Außenstelle Völklingen bevor.

Die Steuernummer wird bei der Abgabe der Steuererklärung sowie bei Einzahlungen und im Schriftverkehr mit anderen Behörden oder bei sonstigen steuerlichen Angelegenheiten benötigt. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten ihre neue Steuernummer Ende Mai mit einem Schreiben.

Die Sprecherin des Ministeriums, Lisa Fetzer, wies daraufhin: „Wenn Sie steuerlich beraten werden, teilen sie die neue Steuernummer bitte umgehend Ihrem Steuerberater mit. Sollten Sie als Arbeitgeber oder Datenübermittler das ELStAM-Verfahren (Elektronische LohnSteuerAbzugsMerkmale) nutzen, sind nur wenige Schritte notwendig, um das Verfahren mit Ihrer neuen Steuernummer komplett nutzen zu können. Hinweise hierzu können Sie Ihrem Mitteilungsschreiben zur Neuvergabe der Steuernummer entnehmen. Weitere Informationen erhalten die Steuerbürgerinnen und -bürger unter www.elster.de .

Der Saarland-Servicedienst steht bei Rückfragen zur Neuvergabe der Steuernummern telefonisch unter 0681 501 00 zur Verfügung.

Unter der Servicenummer 0681 501 3040 erhalten Arbeitgeber und Datenübermittler-Informationen zum ElStAM-Verfahren.“

Aufgrund des technischen Neuvergabeverfahrens werden die EDV-Systeme aller saarländischen Finanzämter am Freitag (25.05.2018) eingeschränkt zur Verfügung stehen.

Lisa Fetzer: „Wir bitten um Verständnis, wenn es an diesem Tag zu Einschränkungen kommt. Die Bearbeiterinnen und Bearbeiter der Service-Center sind bemüht, die Bürgerinnen und Bürger bei ihren steuerlichen Angelegenheiten weitestgehend zu unterstützen – soweit dies ohne einen Rückgriff auf die EDV-Systeme möglich ist.“

Quelle: Ministerium für Finanzen und Europa, Meldung v. 09.05.2018 (Ls)

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin