Bundesrat stimmt Hartz-IV-Erhöhung zu, fordert aber weitere Änderungen

Der Bundesrat hat der Anhebung des Arbeitslosengeldes II am 16. Dezember 2016 zugestimmt. In einer Entschließung wiederholt er allerdings Bedenken, die er bereits gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf geäußert hatte. So sehen die Länder eine Unterfinanzierung bei Gebrauchsgütern für den Haushalt. Auch die Leistungen für das Schulbedarfspaket müssten erhöht und der tatsächliche Bedarf an Sehhilfen sichergestellt werden. Zudem warnt der Bundesrat vor einer Schlechterstellung von Leistungsberechtigten, die ab 2020 eine andere Regelbedarfsstufe als bisher bekommen sollen.

 

Regelbedarfe steigen an

Von der Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze profitieren Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren am meisten. Sie erhalten künftig 21 Euro mehr und damit insgesamt 291 Euro. Jugendliche ab 14 Jahre bekommen mit 311 Euro fünf Euro mehr als bislang. Der Regelbedarf für alleinstehende Erwachsene steigt von 404 Euro auf 409 Euro pro Monat. Für zwei erwachsene Leistungsempfänger/-innen in einer Wohnung wird der Regelsatz um vier Euro auf 368 Euro pro Person und Monat angehoben.

Weitere Verbesserungen

Darüber hinaus enthält das Gesetz Verbesserungen für Menschen mit Behinderung: Nicht erwerbsfähige oder behinderte erwachsene Sozialhilfeempfänger/-innen erhalten künftig 100 statt 80 Prozent der Grundsicherung und haben damit einen gesetzlichen Anspruch auf die Regelbedarfsstufe 1. Außerdem können sie ihre Kosten für Unterkunft und Heizung leichter geltend machen, wenn sie beispielsweise im Haushalt der Eltern leben. Menschen mit Behinderung in gemeinschaftlichen Wohnformen erhalten ab 2020 die Regelbedarfsstufe 2.

Verkündung und Inkrafttreten

Das Gesetz geht nun zur Unterschrift an den Bundespräsidenten und kann danach im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Die Anpassung der Regelsätze treten bereits zum 1. Januar 2017 in Kraft.

Wie es mit der Entschließung weitergeht

Die Entschließung wird der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, ob sie das Anliegen der Länder aufgreifen möchte. Feste Fristen für die Behandlung innerhalb der Bundesregierung gibt es nicht.

 Beratungsvorgang (712/16)

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 16.12.2016

 

Erbschaftsteuer von 30 % für Erwerber der Steuerklasse II ist verfassungsgemäß

Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 10. November 2016 (Az. 3 K 1476/16 Erb) entschieden, dass eine Besteuerung von Erwerben durch Geschwister bzw. Nichten und Neffen des Erblassers mit 30 % nicht gegen Art. 6 GG verstoße.

Die Kläger sind als Geschwister bzw. Nichten und Neffen des Erblassers aufgrund eines Testaments dessen Erben geworden. Das Finanzamt besteuerte die Erwerbe der Kläger jeweils mit einem Steuersatz von 30 % gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG in der für 2009 gültigen Fassung. Hiergegen wandten die Kläger ein, dass es gegen Art. 3 und Art. 6 GG verstoße, dass für sie derselbe Steuersatz gelte wie für entferntere Verwandte oder fremde Dritte.

Die Klage hatte keinen Erfolg, weil der Senat § 19 Abs. 1 ErbStG nicht für verfassungswidrig hielt. Hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verwies er auf die hierzu bereits ergangene BFH-Rechtsprechung.

Die Vorschrift sei aber auch gemessen am besonderen Schutz von Ehe und Familie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 6 Abs. 1 GG erfordere gerade keine steuerliche Besserstellung von Familienangehörigen, sodass eine Gleichstellung der Erwerber der Steuerklasse II mit solchen der Steuerklasse III zulässig sei. Im Übrigen seien die Kläger als Geschwister bzw. Abkömmlinge von Geschwistern nicht vom Schutzbereich des Art. 6 GG erfasst. Soweit das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich für das Vormundschaftsrecht, in dem es um die Sorge für ein Kind geht, weiter gefasst habe, sei dies auf den Bereich des lediglich finanziell wirkenden Erbschaftsteuerrechts nicht zu übertragen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.12.2016 zum Urteil 3 K 1476/16 vom 10.11.2016

 

Hartz 4: Ehelicher Güterstand bei Bedarfsgemeinschaft ohne Bedeutung

Auch bei Gütertrennung ist ein Hartz-IV-Darlehen nach Verkauf des dem Ehepartner gehörenden Hauses zurückzuzahlen

Wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann, ist hilfebedürftig und erhält Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch Einkommen und Vermögen des (Ehe-)Partners zu berücksichtigen. Auf den ehelichen Güterstand kommt es dabei nicht an. Daher ist der Verkaufserlös des allein im Eigentum des Ehepartners stehenden Hauses auch bei ehelicher Gütertrennung auf das Vermögen anzurechnen. Ein zuvor gewährtes Hartz-IV-Darlehen ist entsprechend zurückzuzahlen. Dies entschied in einem am 15.12.2016 veröffentlichten Urteil der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Wegen Vermögenszuwachs ihres Ehemanns soll Hartz-IV-Empfängerin ein Darlehen des Jobcenters zurückzahlen

Eine Frau aus dem Landkreis Kassel beantragte Hartz-IV-Leistungen. Ihrem Ehemann gehörte ein Haus. Da dieses zunächst nicht verkauft werden konnte, gewährte das Jobcenter der Frau Hartz-IV-Leistungen als Darlehen. Nachdem ihr Mann das Haus für 85.000 Euro (Nettoerlös) verkauft und zudem Leistungen der Lebensversicherung in Höhe von knapp 180.000 Euro erhalten hatte, forderte das Jobcenter von der Frau das gewährte Hartz-IV-Darlehen in Höhe von rund 4.600 Euro zurück. Hiergegen klagte die Frau mit der Begründung, dass sie mit ihrem Ehemann im ehelichen Güterstand der Gütertrennung lebe und ihr deshalb sein Vermögen nicht zugerechnet werden könne.

Gütertrennung steht Rückzahlungspflicht nicht entgegen

Die Richter folgten insoweit jedoch der Argumentation des Jobcenters. Der eheliche Güterstand sei für die Beurteilung der Bedarfsgemeinschaft ohne Bedeutung. Bei zusammenlebenden Ehepartnern gelte die Vermutung, dass diese sich wechselseitig unterstützten. Der zivilrechtliche Güterstand sowie familienrechtliche Unterhaltsregelungen seien insoweit unbeachtlich. Daher könne das Jobcenter das Hartz-IV-Darlehen zurückfordern.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 7 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die (…)

3. hilfebedürftig sind (…)

§ 9 SGB II

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. (…)

§ 24 Abs. 5 SGB II (früher: § 23 Abs. 5 SGB II)

(5) Soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. 2Sie können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

§ 1414 BGB

Schließen die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand aus oder heben sie ihn auf, so tritt Gütertrennung ein, falls sich nicht aus dem Ehevertrag etwas anderes ergibt. Das Gleiche gilt, wenn der Ausgleich des Zugewinns ausgeschlossen oder die Gütergemeinschaft aufgehoben wird.

Quelle: LSG Hessen, Pressemitteilung vom 15.12.2016 zum L 6 AS 373/13 vom 15.12.2016

 

Einkommensteuer: Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung in elektronischer Form kann wirtschaftlich unzumutbar sein

Mit Urteil vom 12. Oktober 2016 (Az. 2 K 2352/15) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) entschieden, dass es einem selbständigen Zeitungszusteller mit jährlichen Einnahmen von ca. 6.000 Euro nicht zuzumuten ist, seine Einkommensteuererklärung in elektronischer Form abzugeben.

Der Kläger ist selbständiger Zeitungszusteller in der Südpfalz. In den Jahren 2013 und 2014 erzielte er aus dieser Tätigkeit Einnahmen von knapp 6.000 Euro jährlich. Den Lebensunterhalt bestritt er mit Einkünften aus seinem Kapitalvermögen. Seine Einkommensteuererklärungen gab er auf amtlichem Vordruck handschriftlich ab.

Im Juli 2015 forderte ihn das beklagte Finanzamt auf, seine Einkommensteuererklärung künftig in elektronischer Form (nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung) abzugeben. Daraufhin beantragte der Kläger, seine Einkommensteuererklärung aus Billigkeitsgründen auch weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, da er weder die entsprechende Hardware noch einen Internetanschluss besitze und nur über eine sehr eingeschränkte „Medienkompetenz“ verfüge.

Das FG hob die ablehnende Entscheidung des Finanzamtes auf und gab der Klage statt. Der Kläger – so das FG – habe einen Anspruch darauf, vom Formerfordernis (elektronische Form) befreit zu werden, weil ihm dies angesichts seiner geringen Betriebseinnahmen wirtschaftlich nicht zuzumuten sei. Denn zu den Kosten der Umstellung auf den elektronischen Verkehr mit dem Finanzamt gehörten nicht nur die Aufwendungen für die Anschaffung der Hard- und Software, sondern auch für deren Einrichtung, Wartung und ähnliche Dienstleistungen. Alle diese Kosten müssten in einer wirtschaftlich sinnvollen Relation zu dem Betrieb bzw. den daraus erzielten Einkünften stehen. Da nur die Verhältnisse des konkreten Betriebes maßgeblich seien, komme es für die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit auch nicht darauf an, ob und in welcher Höhe der Steuerpflichtige noch andere Einkünfte oder Vermögen habe. Deshalb seien auch die (nicht unerheblichen) Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen insoweit irrelevant. Solche Einkünfte – seien sie auch noch so hoch – lösten kraft Gesetzes keine Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung in elektronischer Form aus.

Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde nicht zugelassen, allerdings hat das beklagte Finanzamt Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim BFH eingelegt.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 14.12.2016 zum Urteil 2 K 2352/15 vom 12.10.2016

 

Provisionen sind beim Elterngeld zu berücksichtigen

Regelmäßig gezahlte Provisionen sind beim Elterngeld auch nach der neuen Rechtslage 2015 zu berücksichtigen, entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg am 13.12.2016. Entgegenstehende Verwaltungsvorschriften haben hieran nichts geändert. Das Bundeselterngeldgesetz verfolgt den Zweck, die Einkünfte (teilweise) zu ersetzen, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands den Lebensstandard der Elterngeldberechtigten geprägt haben. Dazu gehören auch regelmäßig gezahlte Provisionen.

Die 28-jährige Klägerin arbeitet als Marketing Managerin im Medienbereich. Neben einem monatlichen Grundgehalt von ca. 3.000 Euro erhält sie regelmäßig quartalsweise Provisionen in wechselnder Höhe, im maßgeblichen Bemessungsjahr vor der Geburt ihres Sohnes im Mai 2015 insgesamt ca. 6.800 Euro.

Die beklagte Elterngeldstelle (Landeskreditbank Baden-Württemberg) berücksichtigte bei der Elterngeldberechnung nur das Grundgehalt, nicht aber die Provisionen und bewilligte Elterngeld in Höhe von monatlich rund 1.230 Euro. Die Provisionen seien nach den Lohnsteuerrichtlinien nicht als „laufender Arbeitslohn“, sondern als „sonstige Bezüge“ anzusehen und damit für die Höhe des Elterngelds nicht maßgeblich.

Das Sozialgericht Mannheim hat in erster Instanz der Klägerin Recht gegeben und die Beklagte verurteilt, höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der Provisionen zu zahlen.

Die Richterinnen und Richter des Landessozialgerichts haben diese Entscheidung bestätigt. Neben dem monatlichen Grundgehalt prägen auch die regelmäßig gezahlten Provisionen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin im maßgeblichen Bemessungsjahr vor der Geburt, so der Senat. Die Neufassung des Gesetzes zum 01.01.2015 stellt zwar darauf ab, dass Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind und verweist auf die entsprechenden Verwaltungsanweisungen in den Lohnsteuerrichtlinien. Nur dort – und nicht im Elterngeldgesetz – ist parallel geändert worden, dass als „sonstige Bezüge“ auch „Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als viertel- oder halbjährliche Teilbeträge“ gelten. Eine solche Verweisung auf Verwaltungsvorschriften, die jederzeit ohne Beteiligung des Gesetzgebers geändert werden können, ist nicht ausreichend, um den gesetzlichen Anspruch einzuschränken, befand das Landessozialgericht. Die Regelung in den Lohnsteuerrichtlinien über die viertel- oder halbjährlichen Zahlungen passt auch nicht zum Zweck des Gesetzes, bei der Elterngeldberechnung diejenigen Einkünfte zu berücksichtigen, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands den Lebensstandard der Elterngeldberechtigten geprägt haben.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Landessozialgericht die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Hinweis zur Rechtslage

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)

§ 2 Abs. 1 BEEG

Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f (…)

§ 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG

Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 13.12.2016 zum Urteil L 11 EG 1557/16 vom 13.12.2016

 

Erbschaftsteuerreform 2016: Das müssen KMU-Berater beachten

Das lange Ringen um die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer hat ein Ende. Am 14.10.2016 hat der Bundesrat letztlich dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Reform der Vererbung von Unternehmensvermögen zugestimmt. Das neue Gesetz ist im Bundesgesetzblatt I vom 09.11.2016 verkündet worden (BGBl. I 2016, Satz 2464 ff.).

Die Fälle, in denen Know-how zur Erbschafts- oder Schenkungsbesteuerung gefragt sein wird, werden aufgrund der neuen Ausgestaltung zunehmen. Gerade Berater von Erwerbern kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sollten sich auf vermehrte Nachfragen einstellen, da es auch Neues bei Erwerben von begünstigtem Vermögen von weniger als 26 Mio. Euro zu beachten gilt. Es folgt ein Überblick über ausgewählte Aspekte, die unterhalb der Prüfschwelle von 26 Mio. Euro relevant sind.

Festgeschriebener Kapitalisierungsfaktor beim vereinfachten Ertragswertverfahren

Ermitteln Erwerber den gemeinen Wert des Unternehmens nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren, so gilt rückwirkend auf den 01.01.2016 ein festgeschriebener Kapitalisierungsfaktor in Höhe von 13,75 (§ 203 Abs. 1 BewG). Nach bisheriger Ermittlungsmethode des Kapitalisierungsfaktors ergab sich für 2016 auf Basis des niedrigen Zinsniveaus ein Faktor von 17,8571. Durch den neuen Wert sinken die Unternehmenswerte im Rahmen der Bewertung, was grundsätzlich zu einer niedrigeren Steuerlast führt.

In Einzelfällen kann sich diese Änderung aber auch negativ auf zwischen dem 01.01.2016 und dem 30.06.2016 bereits veranlagte Sachverhalte auswirken. Für diesen Zeitraum gilt noch die alte Rechtslage, nach der bei Überschreiten der Verwaltungsvermögensquoten von 50 % bzw. 10 % der Erwerb nicht begünstigt ist. Der Anteil des Verwaltungsvermögens bestimmt sich dabei nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Unternehmens. Mit der rückwirkenden Bewertungsänderung sinkt für vorgenannte „Altfälle“ der gemeine Wert des Betriebs, sodass das Übersteigen der 50 %- bzw. 10 %-Quote schneller eintritt. Die bisher gewährte Vergünstigung entfällt, sodass es zu einer nachträglichen Steuerfestsetzung kommen kann. Insoweit verstößt die Neuerung gegen den Vertrauensschutz und ist verfassungsrechtlich problematisch.

Vollversteuerung des Verwaltungsvermögens

Nach den bis zum 30.06.2016 geltenden Regelungen konnte das Verwaltungsvermögen begünstigt übertragen werden, sofern es nicht mehr als 50 % bzw. 10 % des Wertes des Unternehmens überstieg. Diese Regelungen ändern sich gravierend dahingehend, dass Verwaltungsvermögen wie Privatvermögen grundsätzlich voll steuerpflichtig ist.

Für die Bestimmung des Verwaltungsvermögens gilt weiterhin ein Katalog, der die nicht begünstigten Vermögensgegenstände abschließend aufzählt. Der bisherige Katalog ist wie folgt angepasst worden:

  • Vermögensgegenstände, die ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersvorsorgeverpflichtungen dienen und dem Zugriff aller Gläubiger entzogen sind, die keinen Anspruch auf die Altersversorgung haben, zählen bis zur Höhe des gemeinen Werts der Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen nicht zum Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 3 ErbStG).
  • Eine schädliche Nutzungsüberlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, usw. an Dritte ist dann nicht anzunehmen, wenn sie vorrangig überlassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten zu dienen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 e) ErbStG). Typische Beispiele dürften Brauereigaststätten sowie Tankstellen sein.
  • Neben beispielsweise Kunstgegenständen zählen Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände grundsätzlich zum Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 3 ErbStG).
  • Finanzmittel sind nur noch bis zu 15 % dem begünstigten Vermögen zu zuordnen (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG). Dies gilt zudem nur, wenn der Betrieb nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit dient. Junge Finanzmittel sind stets Verwaltungsvermögen.

Neu ist zudem, dass das Verwaltungsvermögen bei mehrstufigen Unternehmensstrukturen konsolidiert ermittelt und in einer sog. Verbundvermögensaufstellung zusammengefasst werden muss (§ 13b Abs. 9 ErbStG).

Investitionsklausel bei Erwerb von Todes wegen

Im Falle des Erwerbs von Todes wegen entfällt für Vermögensgegenstände die Zurechnung zum Verwaltungsvermögen rückwirkend, wenn der Erwerber sie innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer in begünstigungsfähiges Vermögen investiert hat (§ 13b Abs. 5 Satz 1 ErbStG). Voraussetzung ist allerdings, dass die Investition auf einen vorgefassten Plan des Erblassers erfolgt und keine Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen wird oder wurde. Zudem ist eine Sonderregelung für Finanzmittel vorgesehen (§ 13b Abs. 5 Satz 3 ErbStG).

Keine Begünstigung bei einem Verwaltungsvermögen von mehr als 90 %

Zum begünstigungsfähigen Vermögen gehören im Wesentlichen land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften zu mehr als 25 % im Inland, in der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums. Aber selbst begünstigungsfähiges Vermögen kann vollständig von der Begünstigung ausgeschlossen sein. Dies ist dann der Fall, wenn es fast ausschließlich (zu mehr als 90 %) aus Verwaltungsvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Bei der Bestimmung der 90 %-Grenze gilt zwar grundsätzlich der Verwaltungsvermögenskatalog. Zu beachten ist aber, dass ein Bruttowert vor der Schuldenverrechnung und vor dem Freibetrag nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG zugrunde zu legen ist. Zudem zählt nur das Altersversorgungsvermögen nicht zum Verwaltungsvermögen, welches durch Treuhandverhältnisse gesichert wird.

Ermittlung des begünstigten Vermögens

Das begünstigte Vermögen ergibt sich, wenn man das begünstigungsfähige Vermögen um den Nettowert des Verwaltungsvermögens kürzt, wobei unschädliches Verwaltungsvermögen wie begünstigtes Vermögen behandelt wird.

Gemeiner Wert des begünstigungsfähigen Vermögens
./. Nettowert des Verwaltungsvermögens
= Zwischensaldo
+ unschädliches Verwaltungsvermögen
= begünstigtes Vermögen

Diese Berechnung klingt zunächst einfach – erfordert praktisch jedoch eine Vielzahl an hochkomplexen Rechenschritten.

1. Nettowert des Verwaltungsvermögens

Der gemeine Wert des Verwaltungsvermögens, welcher auf Basis des Katalogs zu ermitteln ist, wird um einen quotalen Schuldenabzug gemindert (§ 13b Abs. 6 ErbStG). In diesen quotalen Schuldenabzug werden diejenigen Schulden einbezogen, die nach dem Finanzmitteltest und nach der Aussonderung für Altersvorsorgeverpflichtungen verbleiben. Eine Schuldenverrechnung mit wirtschaftlich nicht belastenden Schulden darf nicht erfolgen (§ 13b Abs. 8 ErbStG). Sie ist darüber hinaus ausgeschlossen, soweit die Summe der Schulden den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer übersteigt. Dies gilt wiederum nicht, soweit der Erwerber nachweist, dass die Erhöhung des Schuldenstands durch die Betriebstätigkeit veranlasst ist. Nach der Minderung erhält man den Nettowert des Verwaltungsvermögens. Der erste Zwischensaldo kann berechnet werden.

2. Unschädliches Verwaltungsvermögen

Ein Teil des Nettowerts des Verwaltungsvermögens wird im Rahmen des sog. „Schmutzzuschlags“ als begünstigtes Vermögen angesehen (§ 13b Abs. 7 ErbStG). Man spricht hier von unschädlichem Verwaltungsvermögen. Es beträgt 10 % des zuvor ermittelten Zwischensaldos. Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass sowohl junges Verwaltungsvermögen als auch junge Finanzmittel kein unschädliches Verwaltungsvermögen sein können. Junges Verwaltungsvermögen bzw. junge Finanzmittel sind solche, die dem Betrieb im Zeitpunkt der Steuerentstehung weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren.

Vorab-Abschlag für Familienunternehmen

Noch vor der Wahl der Regel- oder Optionsverschonung kann unter Umständen ein sog. Vorab-Abschlag gewährt werden (§ 13a Abs. 9 ErbStG). Dieser wird vom begünstigten Vermögen abgezogen. Hierfür müssen der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung des Unternehmens bestimmte Bestimmungen über Entnahme- bzw. Ausschüttungsbeschränkungen, Verfügungsbeschränkungen über Anteile am Unternehmen sowie bestimmte Abfindungsbestimmungen enthalten. Die Abschlagshöhe richtet sich nach der im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert. Sie darf 30 % nicht übersteigen.

Regel- und Optionsverschonung

Sofern das begünstigte Vermögen abzüglich des Vorab-Abschlags einen Wert von 26 Mio. Euro nicht übersteigt, kann der Steuerpflichtige von der Regel- oder Optionsverschonung mit einem Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % Gebrauch machen. Auch hier wurden einzelne Parameter angepasst.

Eine relevante Änderung ist, dass die Lohnsummenregelungen künftig deutlich häufiger zu beachten sein werden. Bisher mussten Unternehmen, die nicht mehr als 20 Beschäftigte hatten, die Lohnsummenregelungen nicht beachten. Künftig müssen die Regelungen bereits von Unternehmen mit mehr als 5 Mitarbeitern eingehalten werden. Darüber hinaus gilt folgende Staffelung:

  • 6-10 Beschäftigte: Regelverschonung 250 %, Optionsverschonung 500 %
  • 11-15 Beschäftigte: Regelverschonung 300 %, Optionsverschonung 565 %
  • 16-20 Beschäftigte: Regelverschonung 400 %, Optionsverschonung 700 %

Außer Ansatz bleiben Vergütungen für Beschäftigte, die sich im Mutterschutz oder in einer Ausbildung befinden, die Krankengeld oder Elterngeld beziehen, und für Saisonarbeiter (§ 13a Abs. 3 ErbStG).

Die Optionsverschonung setzt wie bisher strengere Anforderungen an Lohnsummenregelungen und Behaltefristen voraus. Zusätzlich kann die Optionsverschonung nur noch gewählt werden, sofern das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen besteht (§ 13a Abs. 10 ErbStG).

Stundungsmöglichkeit

Bei Erwerben von Todes wegen besteht grundsätzlich die Möglichkeit auf Antrag, den Teil der Steuern, der auf das begünstigte Vermögen entfällt, bis zu sieben Jahren zu stunden. Der erste Jahresbetrag ist ein Jahr nach der Steuerfestsetzung fällig und bis dahin zinslos zu stunden. Danach greifen die allgemeinen steuerlichen Verzinsungsregelungen. Die Stundung ist an die Einhaltung der Lohnsummengrenzen und Behaltefristen geknüpft. Die Steuer, die aus der Vollversteuerung des Verwaltungsvermögens resultiert, kann nicht gestundet werden.

Fazit

Bisher sind noch nicht alle Anwenderfragen geklärt. Beispielsweise wären für die Ermittlung der verschiedenen Verwaltungsvermögensgrößen und die quotale Schuldenberechnung umfassende Richtlinienbeispiele äußerst wünschenswert. Auch herrscht noch keine abschließende Sicherheit, wie die gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen für den Vorab-Abschlag konkret formuliert werden müssen. Zudem ist unklar, wie der vorgefasste Plan eines Erblassers dokumentiert sein muss. Für die Praxis bleibt zu hoffen, dass diesen Unsicherheiten alsbald mit einem umfangreichen Anwendungsschreiben begegnet wird.

 Quelle: DStV, Mitteilung vom 12.12.2016

 

AltZertG: Neue Transparenz bei der steuerlich geförderten Altersvorsorge

Verbraucher können sich zukünftig vor Abschluss eines Riester- oder Basisrentenvertrages besser über das Preis-Leistungs-Verhältnis der auf dem Markt angebotenen zertifizierten Produkte informieren.

Alle Anbieter dieser Produkte müssen ab 1. Januar 2017 ein neues Produktinformationsblatt (PIB) erstellen. Dieses Blatt ist so konzipiert, dass ein Vergleich verschiedener Produkte künftig problemlos möglich ist. Es ist nämlich für alle genau und einheitlich vorgegeben, welche Informationen über das Produkt wo und wie zu platzieren sind. Insbesondere wird eine detaillierte Übersicht über die Kostenstruktur von den Anbietern verlangt.Erstmals kann ein Verbraucher auch erkennen, wie chancen- und risikoreich das von ihm gewählte Produkt ist. Eine neutrale Stelle, die Produktinformationsstelle Altersvorsorge in Kaiserslautern, ordnet alle Produkte einer sog. Chancen-Risiko-Klasse zu. Diese ist dann von den Anbietern auf den PIB anzugeben.

Anbieter müssen auch angeben, wie hoch die Effektivkosten ihres Produktes sind. Bei der Berechnung der Effektivkosten werden renditemindernde Größen berücksichtigt, die sich auf die Höhe des Kapitals zu Beginn der Auszahlungsphase auswirken. Dies sind insbesondere die Kosten der Ansparphase, ohne Berücksichtigung von Zusatzabsicherungen. Die genaue Berechnungsmethode wurde auch von der Produktinformationsstelle Altersvorsorge verbindlich vorgegeben.

Es wird sowohl ein individuelles PIB als auch ein PIB für einen Musterkunden geben. Das individuelle PIB ist auf die persönlichen Kundendaten zugeschnitten und enthält alle relevanten Informationen des Produkts, insbesondere zu Leistungen, Kosten, Chancen und Risiken. Mit dem Muster-PIB kann sich der Verbraucher schon vor Vertragsabschluss über die auf dem Markt angebotenen Produkte informieren. Dadurch, dass alle Anbieter das Muster-PIB auf den Daten des gleichen „Muster-Kunden“ erstellen müssen, kann man die angebotenen Produkte bereits vergleichen, ohne dass dafür die Angabe von Kundendaten erforderlich ist. Diese Muster-PIBs müssen von den Anbietern im Internet bereitgestellt werden, und zwar auf allen Internetseiten, auf denen sie die Produkte bewerben.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 12.12.2016

Betriebliche Altersversorgung – Maßgebendes Pensionsalter bei der Bewertung von Versorgungszusagen

Der Bundesfinanzhof (BFH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben in drei Urteilen zu dem bei Versorgungszusagen maßgebenden Pensionsalter entschieden. Zu diesen Entscheidungen nimmt das BMF nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

I. Maßgebendes Pensionsalter

1 Bei der bilanzsteuerrechtlichen Bewertung von Pensionszusagen nach § 6a Einkommensteuergesetz (EStG) ist grundsätzlich das Pensionsalter maßgebend, das in der jeweiligen Versorgungszusage festgeschrieben wurde; Änderungen erfordern eine schriftliche Anpassung der Pensionszusage (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG).

2 Wird in der Pensionszusage ausschließlich auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung Bezug genommen (keine Angabe des Pensionsalters), ist als Pensionsalter die gesetzliche Regelaltersgrenze der Rückstellungsbewertung zugrunde zu legen, die am Bilanzstichtag für den Eintritt des Versorgungsfalles maßgebend ist; das BMF-Schreiben vom 5. Mai 2008 (BStBl I S. 569) zur Anhebung der Altersgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 ist weiterhin anzuwenden.

II. BFH-Urteil vom 11. September 2013 (BStBl II 2016 S. …) zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern

3 Der BFH hat mit Urteil vom 11. September 2013 (a. a. O.) entschieden, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6a EStG bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen hinsichtlich des Pensionsalters ausschließlich auf den in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles abzustellen ist. Maßgebend seien dabei die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Zusageerteilung. Abweichend von R 6a Abs. 8 EStR schreibe das Gesetz auch bei Versorgungszusagen gegenüber beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern kein Mindestpensionsalter vor.

4 Die Grundsätze dieses BFH-Urteils sind über den entschiedenen Einzelfall hinaus in allen noch offenen vergleichbaren Fällen anzuwenden.

1. Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG

5 R 6a Abs. 8 Satz 1 letzter Teilsatz und Satz 5 EStR zum Mindestpensionsalter bei der Bildung von Pensionsrückstellungen für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer sind nicht weiter anzuwenden; das BMF-Schreiben vom 3. Juli 2009 (BStBl I S. 712) zur erstmaligen Anwendung von R 6a Abs. 8 EStR i. d. F. der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2008 (EStÄR 2008) wird aufgehoben. Abweichend von R 6a Abs. 8 Satz 4 EStR ist R 6a Abs. 11 Satz 1 EStR (grundsätzliche Zugrundelegung des vertraglich vereinbarten Pensionsalters) nunmehr anzuwenden. Es ist grundsätzlich zu unterstellen, dass die Jahresbeträge nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG vom Beginn des Dienstverhältnisses bis zur vertraglich vorgesehenen Altersgrenze aufzubringen sind. Das sog. zweite Wahlrecht nach R 6a Abs. 11 Satz 3 EStR kann nicht in Anspruch genommen werden.

6 In den Fällen, in denen bislang aufgrund des Mindestalters nach R 6a Abs. 8 EStR der vertraglich vereinbarte frühere Pensionsbeginn nicht berücksichtigt wurde, kann von einem späteren Pensionseintritt ausgegangen werden, sofern mit einer Beschäftigung des Berechtigten bis zu diesem Alter gerechnet werden kann (analoge Anwendung des sog. ersten Wahlrechtes, R 6a Abs. 11 Satz 2 EStR). Dieses einmalige Wahlrecht ist spätestens in der Bilanz des Wirtschaftsjahres auszuüben, das nach dem 9. Dezember 2016 beginnt.

2. Verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) bei Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften

7 Ist die Pensionsrückstellung dem Grunde und der Höhe nach zutreffend bilanziert, ist bei Zusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften im zweiten Schritt zu prüfen, ob und inwieweit die Gewinnminderung aufgrund der Pensionsverpflichtung eine vGA darstellt.

8 Bei Neuzusagen nach dem 9. Dezember 2016 ist bei einer vertraglichen Altersgrenze von weniger als 62 Jahren davon auszugehen, dass keine ernsthafte Vereinbarung vorliegt (vGA dem Grunde nach). Zuführungen zur Pensionsrückstellung sind in voller Höhe vGA. Bei zum 9. Dezember 2016 bereits bestehenden Zusagen gilt die R 38 Satz 8 KStR 2004 (Altersgrenze von 60 Jahren) weiter.

9 Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ist bei Neuzusagen nach dem 9. Dezember 2016 grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Pensionszusage insoweit unangemessen ist, als eine geringere vertragliche Altersgrenze als 67 Jahre vereinbart wird (vGA der Höhe nach). Zuführungen zur Pensionsrückstellung sind dann insoweit vGA, als diese nicht auf das 67. Lebensjahr, sondern auf das vertraglich vereinbarte geringere Pensionsalter berechnet werden. Den Steuerpflichtigen bleibt es aber unbenommen, die Fremdüblichkeit eines niedrigeren Pensionsalters darzulegen.

Bei zum 9. Dezember 2016 bereits bestehenden Zusagen wird es nicht beanstandet, wenn eine vertragliche Altersgrenze von mindestens 65 Jahren vereinbart wurde (BFH-Urteile vom 11. September 2013 (a. a. O.); vom 23. Januar 1991, I R 113/88, BStBl II S. 379; vom 28. April 1982, I R 51/76, BStBl II S. 612 und vom 23. Januar 1980, I R 12/77, BStBl II S. 304) oder nachträglich spätestens bis zum Ende des Wirtschaftsjahres vereinbart wird, das nach dem 9. Dezember 2016 beginnt. Ist eine vertragliche Altersgrenze von weniger als 65 Jahren vereinbart, gelten die Sätze 1 und 2 dieser Randnr. mit der Maßgabe entsprechend, dass für die Berechnung der vGA statt auf das 67. Lebensjahr auf das 65. Lebensjahr abzustellen ist.

10 Bei Neuzusagen nach dem 9. Dezember 2016 an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer mit Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX ist es abweichend von Randnr. 9 nicht zu beanstanden, wenn eine vertragliche Altersgrenze von mindestens 62 Jahren zugrunde gelegt wird. Bei zum 9. Dezember 2016 bereits bestehenden Zusagen ist es nicht zu beanstanden, wenn eine vertragliche Altersgrenze von mindestens 60 Jahren zugrunde gelegt wird (R 38 Satz 7 KStR 2004).

11 Für die Frage, ob eine vGA vorliegt, ist grundsätzlich auf die Verhältnisse bei Erteilung der Zusage abzustellen (u. a. BFH-Urteil vom 31. März 2004, I R 65/03, BStBl II 2005 S. 664). Ein Statuswechsel vom nicht beherrschenden zum beherrschenden Gesellschafter begründet für sich alleine regelmäßig noch keinen Anlass zur Prüfung, ob das in der Zusage vereinbarte Pensionsalter durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn weitere Anhaltspunkte für eine mögliche Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis hinzutreten (z. B. eine zeitliche Nähe von Erteilung der Zusage und Erwerb der beherrschenden Stellung). Wird die Zusage wesentlich geändert, ist stets auch im Hinblick auf das vereinbarte Pensionsalter erneut zu prüfen, ob die Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.

III. Auswirkungen der BAG-Urteile vom 15. Mai 2012 – 3 AZR 11/10 – und 13. Januar 2015 – 3 AZR 897/12 – auf Zusagen über Unterstützungskassen (§ 4d EStG) und unmittelbare Pensionszusagen (§ 6a EStG)

12 Nach den BAG-Urteilen vom 15. Mai 2012 – 3 AZR 11/10 – und vom 13. Januar 2015 – 3 AZR 897/12 – zu Gesamtversorgungssystemen ist die Bezugnahme auf die Vollendung des 65. Lebensjahres in einer vor dem Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) entstandenen Versorgungsordnung regelmäßig dahingehend auszulegen, dass damit auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung Bezug genommen wird.

13 Auch bei von der BAG-Rechtsprechung betroffenen Gesamtversorgungszusagen bleibt bilanzsteuerrechtlich das schriftlich fixierte Pensionseintrittsalter maßgebend.

14 Soll aufgrund der BAG-Entscheidungen das bislang schriftlich vereinbarte Pensionsalter geändert werden, ist diese Anpassung nach den allgemeinen Grundsätzen durch eine schriftliche Änderung der betroffenen Zusagen zu dokumentieren (Schriftformerfordernis gemäß § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 und 5 EStG bei Leistungsanwärtern sowie § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG bei Pensionszusagen); bei mit unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedenen Versorgungsberechtigten reicht eine betriebsöffentliche schriftliche Erklärung des Versorgungsverpflichteten aus (z. B. Veröffentlichung im Bundesanzeiger, Aushang am „schwarzen Brett“). Es ist bilanzsteuerrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die betreffenden Versorgungszusagen spätestens bis zum Ende des Wirtschaftsjahres angepasst werden, das nach dem 9. Dezember 2016 beginnt (Übergangsfrist). Nach Ablauf der Übergangsfrist nicht nach den oben genannten Grundsätzen angepasste Versorgungszusagen können aufgrund der o. g. Regelungen in § 4d und § 6a EStG mangels hinreichender Schriftform bilanzsteuerrechtlich nicht mehr berücksichtigt werden; in der Steuerbilanz insoweit passivierte Pensionsrückstellungen sind gewinnerhöhend aufzulösen.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Urteile des BFH vom 11.09.2013 (BStBl II 2016, S. …) und des BAG 3 AZR 11/10 vom 15.05.2012 und 3 AZR 897/12 vom 13.01.2015

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2176 / 07 / 10004 :003 vom 09.12.2016

 

Kündigung bleibt trotz Nachzahlung der Miete bestehen

Kündigung bleibt trotz Nachzahlung der Miete bestehen

Wird dem Mieter wegen Zahlungsverzugs gekündigt, kann er durch die Nachzahlung von Mietschulden nur eine fristlose Kündigung verhindern, nicht aber nicht eine ordentliche Kündigung.

Hintergrund

Der Mieter hatte in einem 3-Familienhaus 2 Wohnungen gemietet. Ab Mai 2014 geriet er mit den Mietzahlungen in Rückstand. Von Mai bis Juli 2014 zahlte er die Mieten nur teilweise, für August bis Oktober 2014 zahlte er gar keine Miete.

Deshalb kündigte der Vermieter im Oktober 2014 die Mietverhältnisse für beide Wohnungen wegen des Zahlungsrückstands fristlos, hilfsweise ordentlich. Gleichzeitig reichte er Räumungsklage ein.

Wenige Tage nach der Zustellung der Räumungsklage zahlte der Mieter die kompletten Mietrückstände.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass durch die Nachzahlung der Mietschulden zwar die fristlose, nicht aber die ordentliche Kündigung unwirksam geworden war.

Werden rückständige Mieten innerhalb der gesetzlich geregelten Schonfrist gezahlt, führt dies nur zur Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, wenn sämtliche Rückstände ausgeglichen werden. Eine ordentliche Kündigung bleibt dagegen von der Schonfristregelung unberührt.

Eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit kann den Mieter entlasten und ihm ermöglichen, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Dabei ist es aber Sache des Mieters, darzulegen, dass er die Pflichtverletzungen wegen einer unvorhersehbaren wirtschaftlichen Notlage nicht zu vertreten hat.

Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Mieters hier jedoch nicht. Insbesondere fehlen Angaben zur tatsächlichen Höhe der angeblich weit überhöhten Steuerschätzung. Auch hat der Mieter nicht dargelegt, warum es nicht zu einer Stundungsvereinbarung mit dem Finanzamt gekommen ist. Zu den näheren Gründen für das Zustandekommen der Steuerschätzung und den Umständen der Beitreibung hat der Mieter ebenfalls keine Angaben gemacht.

Wohnungseigentümergemeinschaft darf Ausstattung mit einheitlichen Rauchwarnmeldern beschließen

Wohnungseigentümergemeinschaft darf Ausstattung mit einheitlichen Rauchwarnmeldern beschließen

Wohnungseigentümer dürfen beschließen, dass alle Wohnungen der Gemeinschaft mit einheitlichen Rauchwarnmeldern ausgestattet werden. Das gilt auch für die Wohnungen, deren Eigentümer bereits selbst Rauchwarnmelder installiert haben. Dieser Meinung ist zumindest das Amtsgericht Düsseldorf. Andere Gerichte kommen zu anderen Ergebnissen.

Hintergrund

Die Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, dass alle Wohnungen mit Rauchwarnmeldern ausgestattet werden sollen. Gegen diesen Beschluss erhob ein Wohnungseigentümer Anfechtungsklage, da er seine Wohnung bereits mit Rauchwarnmeldern ausgestattet hatte. Dies hätte bei der Beschlussfassung berücksichtigt und seine Wohnung ausgenommen werden müssen.

Entscheidung

Die Anfechtungsklage des Eigentümers hatte keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass der nachträgliche Einbau von Rauchwarnmeldern eine Maßnahme der erstmaligen Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands und damit eine Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahme darstellt. Die Wohnungseigentümer waren nicht verpflichtet, die Wohnung des Eigentümers, der bereits selbst Rauchwarnmelder installiert hatte, in dem Beschluss auszunehmen. Vielmehr steht Ihnen ein Ermessensspielraum zu, ob und inwieweit sie eine einheitliche Ausrüstung und Wartung beschließen oder nicht.

Ein einheitlicher Einbau von Rauchwarnmeldern und deren einheitliche Wartung stellt ein höheres Maß an Sicherheit dar. Der Beschluss widerspricht deshalb nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin