Private Veräußerungsgeschäfte: Berechnung der Spekulationsfrist bei schwebend unwirksamem Notarverkaufsvertrag

FG Münster  v. 22.05.2013 – 10 K 15/12 E

EFG 2013 S. 1336 Nr. 16

Leitsatz

Für den Zeitpunkt der Anschaffung oder Veräußerung bei einem privaten Veräußerungsgeschäft mit Grundstücken kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt des obligatorischen Kauf- oder Verkaufsvertrages an. Dies setzt jedoch bei einem Vertrag unter aufschiebender Bedingung schon den Eintritt des zukünftigen Ereignisses voraus. Im Falle eines Verkaufs unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von einer öffentlich-rechtlichen Widmung gelangt der Verkaufsvertrag erst im Zeitpunkt der Erteilgung der Bescheinigung zur Entstehung; insoweit tritt keine Rückwirkung auf den früheren Zeitpunkt des Abschlusses des Notarvertrags ein (entgegen BFH v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl 1999 II S. 606).

 

Gesetze: EStG § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BGB § 158 EStG § 22 Nr 2

Zu entscheiden ist, ob der Kläger durch die Veräußerung eines Grundstücks im Jahr 2008 den Tatbestand eines steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfts gemäß § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)verwirklicht hat.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 03.03.1998 von der Deutsche Bahn Immobiliengesellschaft mit beschränkter Haftung ein Teilgrundstück in A-Stadt, Grundbuchblatt 1900, Gemarkung A-Stadt, Flur 6 Stück 43 (UR-Nr. 38/1998 des Notars N. mit dem Amtssitz in A-Stadt). In § 3 des Kaufvertrages wurde als Stichtag für den Besitzübergang der 01.04.1998 vereinbart. In § 4 des Kaufvertrages verpflichtete sich der Käufer für den Fall, dass das Kaufgrundstück oder Teile davon innerhalb von zehn Jahren nach der Umschreibung im Grundbuch einer höherwertigen Planung zugeführt würden, dem Verkäufer die sich daraus ergebende Wertsteigerung zu erstatten. Das in der Folgezeit neu vermessene Grundstück wird seit 1999 unter dem Grundbuchblatt 6132 Gemarkung A-Stadt Flur 6 Flurstück 464, „B-Straße”, geführt.

Der Kläger vermietete das Grundstück „B-Straße” an die X. GmbH.

Am 30.01.2008 schloss der Kläger mit der Stadt A-Stadt einen notariellen Kaufvertrag über das bebaute Grundstück „B-Straße” (UR-Nr. 10/2008 des Notars N., A-Stadt). Der Kaufpreis in Höhe von 309.632 Euro sollte gemäß § 3 des Kaufvertrages eine Woche nach Vorlage einer Bankbürgschaft in Höhe des Kaufpreises gegenüber der Käuferin fällig sein. Außerdem wurde in § 3 des Kaufvertrages der beurkundende Notar angewiesen, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst dann zu beantragen, wenn ihm der Zahlungseingang des vollständigen Kaufpreises durch den Verkäufer mitgeteilt wird und die Entwidmung durch die Deutsche Bundesbahn vorliegt. Gemäß § 5 des Kaufvertrages war der Kläger verpflichtet, der Käuferin das Grundstück am 24.07.2008 zu übergeben, Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr sollten mit diesem Zeitpunkt auf die Käuferin übergehen. In § 7 des Kaufvertrages wurde festgehalten, dass die Käuferin vom beurkundenden Notar über die Risiken einer Kaufpreiszahlung bei schwebender Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen worden sei und es dennoch bei der Kaufpreisfälligkeit wie in § 3 des Kaufvertrages geregelt bleiben solle. In § 8 des Kaufvertrages war geregelt, dass die Kaufvertragsparteien sich darüber einig seien, dass das Eigentum an dem verkauften Grundstück vom Verkäufer auf die Käuferin übergehen solle und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bewilligt und beantragt werde. Ferner wurde in § 8 die Eintragung einer Erwerbsvormerkung zugunsten der Käuferin bewilligt und beantragt. § 9 des Kaufvertrages sah vor, dass der Vertrag „[…] nur dann wirksam [wird] (schwebend bedingt), wenn die Deutsche Bundesbahn bzw. die dafür zuständige Behörde/Amt die Entwidmung dieses Grundstücks erklärt hat.” Weiter war in § 9 geregelt, dass, sollte die Entwidmung versagt werden, der Kaufvertrag, „[…] soweit bereits abgewickelt (Kaufpreiszahlung) […]”, aufgehoben und rückabgewickelt werden soll. Für den Fall der Rückabwicklung enthielt § 9 die Verpflichtung des Verkäufers, auf Verlangen den Kaufpreis ohne Zinsen innerhalb von 14 Tagen nach Zahlungsaufforderung an die Käuferin zu erstatten. § 9 sah schließlich vor, dass die Käuferin in alle Verpflichtungen des Klägers aus dem Grundstückskaufvertrag vom 03.03.1998 (UR-Nr. 38/1998 des Notars N. mit dem Amtssitz in A-Stadt) eintreten sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 30.01.2009 Bl. 23 bis 29 GA, Bezug genommen.

Unter dem 10.12.2008 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt gegenüber der Stadt A-Stadt einen Freistellungsbescheid, mit dem das Grundstück „B-Straße” von Bahnbetriebszwecken freigestellt wurde. In einem begleitenden Schreiben gleichen Datums teilte das Eisenbahn-Bundesamt der Stadt A-Stadt mit, dass die Grundstücksfläche damit vollständig in die Planungshoheit der Gemeinde zurückfalle.

Mit Schreiben vom 26.01.2009 teilte der beurkundende Notar N. dem Kläger mit, dass ihm die Stadt A-Stadt mitgeteilt habe, dass die Entwidmung des Grundstücks „B-Straße” rechtskräftig geworden sei und er die Eigentumsumschreibung beantragt habe.

In seiner Einkommensteuererklärung 2008 gab der Kläger an, dass private Veräußerungsgeschäfte, insbesondere Grundstücks- und Wertpapierveräußerungen, nicht getätigt worden seien.

Im Einkommensteuerbescheid 2008 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 65.525 Euro fest und berücksichtigte dabei Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von 124.776 Euro aufgrund der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße” durch den Kläger. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass für die Berechnung des Zehnjahreszeitraums gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend sei, in dem der obligatorische Vertrag abgeschlossen werde. Der Übergang von Nutzen und Lasten sei unerheblich.

Den gegen die Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Grundstücks „B-Straße” eingelegten Einspruch des Klägers wies der Beklagte als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete dies wiederum damit, dass grundsätzlich der Abschluss des obligatorischen Geschäfts für die Berechnung des Zehnjahreszeitraums gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgeblich sei. Es lägen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, welche eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Die Parteien des Kaufvertrages vom 30.01.2008 seien sich auch von Anfang an darüber einig gewesen, dass der Vertrag wie vereinbart durchgeführt würde, wenn das Eisenbahn-Bundesamt die Freistellung erteilte. Lediglich in dem Fall, dass das Eisenbahn-Bundesamt die Entwidmung versagt hätte, hätte der Kaufvertrag aufgehoben und rückabgewickelt werden sollen. Auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sei jedenfalls dann auf den ursprünglichen Abschlusszeitpunkt des Kaufvertrages abzustellen, wenn lediglich die Genehmigung eines am Vertrag nicht selbst beteiligten Dritten ausstehe, soweit der Vertragsabschluss für die Beteiligten selbst bindend sei. Da im Streitfall die Wirksamkeit des Kaufvertrages von der Genehmigung eines Dritten abhänge, seien für die Berechnung der Zehnjahresfrist wie im Regelfall die obligatorischen Rechtsgeschäfte maßgebend.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend, dass die Zehnjahresfrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG im Hinblick auf das Grundstück „B-Straße” abgelaufen sei. Es komme nicht allein auf den Zeitpunkt der notariellen Urkundserrichtung an, sondern auf den Vertragsschluss und den Zeitpunkt, an dem dem Grundstückskäufer die wirtschaftliche Verfügungsmacht verschafft werde, also auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Steuerlich seien nicht ausschließlich die schuldrechtlichen Vereinbarungen maßgeblich, sondern in erster Linie der wirtschaftliche Gehalt eines Veräußerungsvorgangs. Der Streitfall weiche außerdem insofern vom Regelfall ab, als der Vertragsschluss und der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums weit hinter dem Zeitpunkt der notariellen Beurkundung gelegen hätten. Der Kaufvertrag vom 30.01.2008 sei außerdem unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt geschlossen und deshalb erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung am 10.12.2008 wirksam geworden. Hierauf sei es nicht nur dem Kläger, sondern auch der Stadt A-Stadt als Käuferin angekommen. Der Kläger und der Käufer hätten am 30.01.2008 noch keine bindenden Willenserklärungen abgegeben. § 9 des Kaufvertrages bedürfe nicht der Auslegung, weil er den Parteiwillen klar und deutlich wiedergebe. Zudem habe auch der beurkundende Notar darauf hingewiesen, dass die „Spekulationsfrist” von zehn Jahren nicht unterschritten werden dürfe. Darauf sei der Kläger auch von seinem steuerlichen Berater hingewiesen worden. Der Kläger habe außerdem kein Interesse an einem Vertragsschluss am 30.01.2008 gehabt, weil er bei einem Verkauf innerhalb einer gleichlaufenden Zehn-Jahres-Frist einen anteiligen Mehrerlös an seinen damaligen Verkäufer, die Deutsche Bahn Immobilien GmbH, hätte zahlen müssen.

Auch die weiteren Schritte der Vertragsabwicklung bestätigten, dass der Vertragsschluss unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgte. In § 7 Abs. 8 des Kaufvertrages vom 30.01.2008 werde der Käufer auf die Risiken einer vorzeitigen Kaufpreiszahlung hingewiesen. Gemäß § 3 Abs. 2 des Kaufvertrages habe sich die Käuferin dieses Risiko durch eine Bürgschaft absichern lassen. Ferner sei der beurkundende Notar in § 3 Abs. 8 des Kaufvertrages angewiesen worden, die Auflassungserklärung erst nach Vorliegen der Entwidmungserklärung des Eisenbahnbundesamtes an das Grundbuchamt weiterzuleiten. Der Umstand, dass die Kaufpreiszahlung vor Erteilung der Freistellungsbescheinigung erfolgt sei, bedeute nicht, dass die Parteien des Kaufvertrages sich so hätten stellen wollen, als würde der Vertrag sofort wirksam geschlossen.

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 03.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2011 dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn des Klägers aus dem Grundstücksverkauf an die Stadt A-Stadt mit notariellem Vertrag vom 30.01.2008 (UR-Nr. 10/2008, Notar N., A-Stadt) nicht besteuert wird,
  2. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
  3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen,
  2. hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Mit Schreiben vom 22.04.2013 hat die Stadt A-Stadt gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu dessen Frage, ob der Kaufvertrag vom 30.01.2008 aufschiebend bedingt geschlossen worden sei, auf ein Protokoll vom 05.03.2008 aus der Sitzung des Ausschusses für Grundstücke und Gebäude am 22.01.2008 verwiesen, in dem es heißt, dass der Kaufvertrag nur unter der aufschiebenden Bedingung der Entwidmung des Kaufgrundstücks durch das Eisenbahnbundesamt geschlossen werden könne, der Kläger aber auf eine Kaufpreiszahlung sofort nach Vertragsabschluss bestehe und sich deshalb die Frage stelle, in welcher Form eine Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des Kaufpreises gesichert werden könne. Weiter hat die Stadt A-Stadt in dem Schreiben vom 22.04.2013 ausgeführt, dass diese Sicherung dann durch eine Bankbürgschaft erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.

1. Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2011 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), als der Beklagte den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße” der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unterworfen hat.

a) Die Voraussetzungen der § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für eine Besteuerung des Gewinns des Klägers aus der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße” liegen nicht vor.

Gemäß § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind als sonstige Einkünfte steuerpflichtig u.a. Gewinne aus einem Veräußerungsgeschäft bei einem Grundstück, bei dem der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Im Streitfall lagen zwischen der Anschaffung des Grundstücks „B-Straße” und der Veräußerung mehr als zehn Jahre.

aa) Maßgeblicher Anschaffungszeitpunkt iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für das Grundstück „B-Straße” war der Tag des Abschlusses des Kaufvertrages mit der Deutsche Bahn Immobiliengesellschaft mit beschränkter Haftung am 03.03.1998. Für den Zeitpunkt der Anschaffung iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts, der schuldrechtlichen Vereinbarung maßgeblich (BFH IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171). Auf den dinglichen Vollzug kommt es nicht an.

bb) Die zehnjährige Veräußerungsfrist iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG war vorliegend abgelaufen. Eine wirksame Veräußerung war nicht schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 30.01.2008 anzunehmen. Es kann offen bleiben, ob die Veräußerung bereits mit Übergang von Nutzen, Lasten, Besitz und Gefahr des Grundstücks „B-Straße” auf die Käuferin am 24.07.2008 oder erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt am 10.12.2008 vollzogen war, denn die zehnjährige Veräußerungsfrist war zu beiden Zeitpunkten abgelaufen.

(1) Für den Zeitpunkt der Veräußerung eines Grundstücks und damit für die Berechnung des Zehnjahres-Zeitraums gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG kommt es ebenfalls auf den Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen (Verkaufs-) Vertrages, also des zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts an (vgl. nur BFH v. 02.10.2001, IX R 45/99, BStBl 2002 II S. 10 m.w.N.). Der Vertragsabschluss muss innerhalb der Spekulationsfrist für beide Vertragsparteien bindend sein (BFH a.a.O.). Im Einzelfall kann bereits vor Zustandekommen des schuldrechtlichen Vertrages eine Veräußerung iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angenommen werden, wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten bereits übergegangen sind und der Verkauf damit bereits vor seinem wirksamen Zustandekommen wirtschaftlich vollzogen ist (BFH v. 02.10.2001, IX R 45/99, BStBl 2002 II S. 10).

(2) Eine Veräußerung ist vorliegend nicht schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 30.01.2008 anzunehmen, da der Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht zivilrechtlich wirksam war. Der Kaufvertrag über das Grundstück „B-Straße” ist erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das EisenbahnBundesamt gegenüber der Stadt A-Stadt am 10.12.2008 wirksam geworden, da er unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung dieser Freistellungsbescheinigung geschlossen wurde. Auf diese zivilrechtliche Wirksamkeit kommt es für Zwecke des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG an.

(a) § 9 des Kaufvertrages vom 30.01.2008 sah vor, dass der Vertrag „[…] nur dann wirksam [wird] (schwebend bedingt), wenn die Deutsche Bundesbahn bzw. die dafür zuständige Behörde/Amt die Entwidmung dieses Grundstücks erklärt hat.” Diese vertragliche Bestimmung ist unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien und des Gesamtzusammenhangs der vertraglichen Regelungen als aufschiebende Bedingung iSv § 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)auszulegen. Der Grundstückskaufvertrag sollte nach dem Vertragswillen der Beteiligten nicht unmittelbar mit Vertragsschluss am 30.01.2008, sondern erst mit Erteilung der Freistellungsbescheinigung wirksam zustande kommen.

Bereits der Wortlaut des § 9 des Grundstückskaufvertrages vom 30.01.2008 („… nur dann wirksam wird…”) spricht für eine aufschiebende Bedingung. Weiter heißt es in § 9 zwar, dass der Vertrag „aufgehoben und rückabgewickelt” wird, wenn die Entwidmung versagt werden sollte und es wird eine detaillierte Regelung für die Rückerstattung des Kaufpreises an die Stadt A-Stadt getroffen. Die Formulierung „rückabwickeln” könnte nahelegen, dass der Grundstückskaufvertrag zunächst wirksam sein und alle vereinbarten Rechtsfolgen entfalten sollte. Die Fälligkeit des Kaufpreises ist aber die einzige Rechtsfolge, die unmittelbar mit Abschluss des Kaufvertrages bzw. Vorlage der Bankbürgschaft eintreten sollte. Der Übergang von Nutzen und Lasten des Grundstücks sollte erst am 24.07.2008 erfolgen. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch sollte ebenfalls erst nach Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt erfolgen. Auch aus dem Schreiben der Stadt A-Stadt vom 22.04.2013 bzw. dem darin zitierten Protokoll vom 05.03.2008 der Sitzung des Ausschusses für Grundstücke und Gebäude am 22.01.2008 ergibt sich, dass der Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Entwidmung des Kaufgrundstücks durch das Eisenbahnbundesamt geschlossen werden sollte und nur die Kaufpreiszahlung auf Wunsch des Klägers sofort nach Vertragsabschluss erfolgen sollte. Dementsprechend wurde auch nur der mögliche Anspruch der Stadt A-Stadt auf Rückzahlung des Kaufpreises durch eine Bankbürgschaft gesichert. Die Sicherung des Eigentums des Klägers an dem Grundstück für den Fall der Versagung der Freistellungsbescheinigung erfolgte bereits dadurch, dass die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bei Versagung der Genehmigung nicht erfolgt wäre (§ 3 des Kaufvertrages vom 30.01.2008).

Darüber hinaus ergibt sich der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien, dass der Kaufvertrag aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Freistellungsbescheinigung des Eisenbahn-Bundesamtes geschlossen werden sollte, auch daraus, dass in § 7 des Kaufvertrages ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Käuferin vom beurkundenden Notar über die Risiken einer Kaufpreiszahlung bei schwebender Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen worden sei.

Schließlich ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass zumindest der Kläger kein Interesse an einem wirksamen und bindenden Vertragsschluss am 30.01.2008 gehabt haben konnte, weil für ihn nach den Regelungen des Kaufvertrages über die Anschaffung des Grundstücks vom 30.03.1998 bei einem Verkauf innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach der Umschreibung im Grundbuch das Risiko bestand, einen anteiligen Mehrerlös an seinen damaligen Verkäufer, die Deutsche Bahn Immobilien GmbH, auskehren zu müssen. In § 9 des Grundstückskaufvertrages vom 30.01.2008 hat die Stadt A-Stadt ausdrücklich bestätigt, dass ihr die Regelungen des Vertrages vom 30.03.1998 bekannt seien und sie in alle Verpflichtungen aus diesem Vertrag eintrete.

(b) Der maßgebliche Veräußerungszeitpunkt lag nicht bereits in der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 30.01.2008. Für Zwecke des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Kaufvertrages an. Im Kaufvertrag vom 30.01.2008 hatten zwar der Kläger und die Stadt A-Stadt bindende Willenserklärungen abgegeben. Der Vertrag war aber aufgrund der vereinbarten aufschiebenden Bedingung bis zur Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das Eisenbahn-Bundesamt schwebend unwirksam.

Der maßgebliche Veräußerungszeitpunkt iSv § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bestimmt sich danach, wann der schuldrechtliche (Verkaufs-)vertrag zivilrechtlich wirksam geworden ist. Die zivilrechtliche Wirksamkeit tritt gemäß § 158 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung ein, der Zeitpunkt des Bedingungseintritts ist damit maßgeblich für den Fristablauf gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Senat folgt insofern nicht der zur Grunderwerbsteuer vertretenen Auffassung des II. Senats des Bundesfinanzhofs, wonach ein Erwerbsvorgang bereits dann verwirklicht sein kann, wenn die Rechtswirkungen eines Rechtsgeschäfts noch von dem Eintritt einer Bedingung oder Erteilung einer Genehmigung abhängen, durch die Abgabe wirksamer Willenserklärungen aber bereits eine Bindung der Vertragsbeteiligten an das vorgenommene Rechtsgeschäft eingetreten ist (BFH v. 18.05.1999 II R 16/98, BStBl 1999 II S. 606). Die Parteien eines genehmigungsbedürftigen oder bedingten Rechtsgeschäfts seien im Regelfall durch den Vertragsabschluss gebunden und könnten die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen (BFH a.a.O.). Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs hat in einer Entscheidung zu § 23 EStGausdrücklich offen gelassen, ob eine Veräußerung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch dann vorliegen kann, wenn eine für den Eintritt der Wirksamkeit erforderliche Genehmigung eines Dritten, der am Vertrag selbst nicht beteiligt ist, fehlt (BFH v. 02.10.2001 IX R 45/99, BStBl 2002 II S. 10).

Der Senat vertritt die Auffassung, dass es für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht ausreicht, wenn die Vertragsbeteiligten wie vorliegend zwar bindende Willenserklärungen abgegeben haben, der Vertrag aber wegen Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung oder eines Genehmigungsvorbehalts noch schwebend unwirksam ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit und damit des Bedingungseintritts bzw. der Erteilung der Genehmigung. Frühestens von diesem Zeitpunkt an können tatsächlich und rechtlich alle Folgerungen aus dem bis dahin schwebend unwirksamen Vertrag gezogen und die Rechte der Vertragsbeteiligten durchgesetzt werden. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung erfordert, nur einen verwirklichten Tatbestand der Besteuerung zugrunde zu legen. (c) Die spätere Erteilung der Freistellungsbescheinigung hat auch nicht dazu geführt, dass der Grundstückskaufvertrag rückwirkend gemäß § 184 BGB wirksam geworden ist. Bei der Erteilung der Freistellungsbescheinigung handelte es sich nicht um eine Genehmigung des Kaufvertrages iSv § 184 BGB, sondern um eine aufschiebende Bedingung gemäß § 158 BGB, deren Eintritt keine rückwirkende Wirkung entfaltet. Im Übrigen wäre auch eine Rückwirkung gemäß § 184 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht in die Spekulationsfristberechnung einzubeziehen (BFH v. 2. Oktober 2001, IX R 45/99, BStBl 2002 II S. 10; BFH v. 7. Juni 2006, IX R 4/04, BStBl 2007 II S. 294; BFH v. 16. Oktober 2007, VIII R 21/06, BStBl 2008 II S. 126; BFH v. 29. Mai 2009, IX B 23/09 – juris –).

b) Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte den Veräußerungsgewinn der Höhe nach zutreffend bestimmt hat, weil schon die Voraussetzungen der § 22 Nr. 2 iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für eine Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des Grundstücks „B-Straße” dem Grunde nach nicht vorlagen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. Abs. 3 Satz 3 FGO wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage für notwendig zu erklären.

4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.