Rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht für Unternehmensjuristin

Eine Syndikusanwältin ist für ihre durchgängig seit 01.11.2014 bestehende Tätigkeit nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die zuvor an die gesetzliche Rentenversicherung geleisteten Beiträge sind zu erstatten. Das hat das Sozialgericht Osnabrück in einem Urteil vom 05.06.2019 entschieden (Az. S 10 R 347/17).

Die Klägerin war zunächst als Rechtsanwältin zugelassen und ist dem 01.11.2014 als Unternehmensjuristin tätig. Eine Weisungsgebundenheit bestand nicht. Im Zusammenhang mit der Aufnahme ihrer Tätigkeit als Unternehmensjuristin verzichtete die Klägerin auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, weil das nach der damaligen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 (Az. B 5 RE 13/14 R u. a.) nicht möglich war. Sie wurde daraufhin zunächst freiwilliges Mitglied des Rechtsanwaltsversorgungswerkes und zahlte die entsprechenden Beiträge. Nach Änderung der einschlägigen Rechtsvorschriften beantragte die Klägerin im März 2016 erneut die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, und zwar rückwirkend seit Aufnahme ihrer Tätigkeit als Unternehmensjuristin. Gleichzeitig beantragte sie die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Rentenversicherung sowie die Erstattung der gezahlten Rentenversicherungsbeiträge. Dies lehnte die Rentenversicherung ab, da die Klägerin weder Pflichtmitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung noch überhaupt zur Rechtsanwaltschaft zugelassen gewesen sei.

Das Sozialgericht Osnabrück hat entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beträge hat. Das Gericht hat dabei auf die Sonderregelung des § 231 Absatz 4b Satz 1 SGB VI Bezug genommen, die aufgrund der oben genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts neu geschaffen wurde. Hiernach tritt eine Befreiung von der Versicherungspflicht rückwirkend vom Beginn der Beschäftigung an ein, wenn das beantragt wird. Auf das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk kommt es dagegen nicht an, wenn es um die gleiche, noch ausgeübte Tätigkeit geht und die entsprechenden Zeiten nicht vor dem 01.04.2014 liegen. Dies ist bei der Klägerin für die Zeit ab Aufnahme der Tätigkeit als Unternehmensjuristin (01.11.2014) der Fall. Erst für vorherige Tätigkeiten oder vorherige Zeiten kommt es auf die Beitragszahlung an.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Hinweis zur Rechtslage

§ 231 Absätze 4b und 4c Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lautet:

(4b) Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.

(4c) Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt als gegeben für Personen, die

  1. nach dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet haben und
  2. bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen.

Quelle: SG Osnabrück, Pressemitteilung vom 25.06.2019 zum Urteil S 10 R 347/17 vom 05.06.2019 (nrkr)