Schutz vor versteckten Steuererhöhungen – Maßnahmen gegen die kalte Progression

Die Bundesregierung hatte bereits am 15.2.12 den Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression beschlossen (BT-Drs. 17/8683). Ziel war es, inflationsbedingte und „nicht gewollte Steuerbelastungen“ abzubauen und die Steuerzahler um insgesamt sechs Milliarden EUR zu entlasten. Nach der Blockade im Bundesrat konnte im Vermittlungsausschuss eine „kleine“ Einigung erzielt werden. Danach erhöht sich der Grundfreibetrag in zwei Stufen (2013 auf 8.130 EUR/2014 auf 8.354 EUR). Die prozentuale Anpassung des gesamten Tarifverlaufs war jedoch nicht konsensfähig. Der Bundesrat hat am 1. Februar 2013 den Weg für wichtige Steuerrechtsänderungen frei gemacht. Dazu gehört die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrages. Die geplante weitergehende Entlastung von Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen durch den Abbau der kalten Progression wurde von der Bundesratsmehrheit weiter blockiert.

 

Der starke wirtschaftliche Aufschwung in den Jahren 2010 und 2011 hat sich bei vielen Menschen auch auf dem Lohnzettel bemerkbar gemacht. Im Schnitt erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2012 im Vergleich zu 2010 voraussichtlich 5,9 Prozent mehr Geld. Diese Lohnerhöhungen dienen auch dazu, die Inflation auszugleichen und damit die Kaufkraft zu erhalten. Die Bundesregierung will mit ihrem aktuellen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der kalten Progression erreichen, dass die Lohnerhöhungen auch wirklich den Bürgern in vollem Umfang zugutekommen. Der Anteil, der nur die Inflation ausgleicht, soll nicht dem Staat zufallen („heimliche Inflationsgewinne“), sondern bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bleiben. Wenn man hier nicht eingreift, nehmen Bund, Länder und Gemeinden allein durch die Inflation immer mehr ein und der durchschnittliche Arbeitnehmer hat real immer weniger im Portemonnaie. Die Bundesregierung hält es nicht für richtig, dass der Staat solche „Inflationsgewinne“ auf Kosten des Steuerzahlers Ausgleich für die kalte Progression macht, und hat deshalb den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der kalten Progression eingebracht.

Gerechte Verteilung

Das Steuersystem in Deutschland ist so aufgebaut, dass Gutverdienende nicht nur absolut, sondern auch relativ gesehen deutlich mehr Steuern zahlen als Menschen mit niedrigem Einkommen. Wer mehr Steuern bezahlt, wird in Euro-Beträgen durch die kalte Progression stärker belastet. Eine gleichmäßige Milderung der Verdeckte Steuererhöhung ausgleichen kalten Progression führt deshalb in diesem Bereich auch zu einer betrags mäßig etwas „höheren“ Entlastung. Prozentual werden höhere Einkommen jedoch durch den Vorschlag der Bundesregierung deutlich weniger entlastet als kleine und mittlere Einkommen. Auch künftig tragen also die hohen Einkommen wesentlich stärker zum Steueraufkommen bei als untere Einkommensgruppen. Dieses Prinzip gilt für Einkommen bis zum Erreichen des Höchststeuersatzes. Dieser wird 2014 ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von rund 55.000 Euro erhoben. Dabei kommt es zu einer Entlastung von absolut rund 380 Euro im Jahr, die für höhere Einkommen – trotz der sehr hohen Steuerbelastung – nicht mehr zunimmt. Das liegt daran, dass die kalte Progression ab hier nicht mehr wirkt.

-> siehe auch Steuerrechner

Der Grenzsteuersatz

Der Steuerbetrag ändert sich mit steigendem Einkommen. Der Grenzsteuersatz gibt an, wie hoch die Steuer für den zuletzt hinzuverdienten Euro des zu versteuernden Einkommens ist. Er steigt zwischen Eingangs- und Spitzensteuersatz kontinuierlich an. Der Höchststeuersatz wird bei einem Einkommen von aktuell 52.882 Euro erreicht. Für sehr hohe Einkommengibt es allerdings noch eine Art Zuschlag, die sogenannte „Reichensteuer“, die den Spitzensteuersatz auf 45 Prozent (plus Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) festlegt. Er gilt ab einem Jahreseinkommen von derzeit 250.730 Euro bei Ledigen.

Was bedeutet Steuerprogression?

In Deutschland wird die Einkommensteuer nach einem sogenannten progressiven Tarif berechnet. Wer mehr verdient, zahlt prozentual mehr Steuern. Das bedeutet: Für jeden Euro an zusätzlichem Einkommen wird ein höherer Steuersatz veranschlagt. Der Steuerbetrag steigt also nicht gleichmäßig, sondern überproportional.

Warum gibt es eine Steuerprogression?

Starke Schultern tragen mehr – das ist der Grundsatz der deutschen Steuerpolitik. Mit der Steuerprogression belastet der Staat Menschen mit geringem Einkommen auch anteilig weniger als Gutverdienende. So leistet jeder nach seinen Möglichkeiten einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens.

Welche negativen Auswirkungen kann die Progression haben?

Der progressive Steuertarif kann dann negative Effekte haben, wenn die Einkommensteuersätze nicht die Preisentwicklung, also die Inflation, berücksichtigen. Der Effekt der kalten Progression: Der Grenzsteuersatz für 30.000 Euro zu versteuerndes Einkommen betrug 2010 ca. 32 Prozent, ohne Ausgleich der kalten Progression würde er für ein vergleichbar hohes  Einkommen 2020 auf ca. 35 Prozent steigen.

Wenn das allgemeine Preisniveau beispielsweise um 2 Prozent steigt und die Löhne in gleichem Umfang nach ziehen, dann sollte auch die Steuerlast nur um 2 Prozent steigen. Das progressive Steuersystem kann aber nicht erkennen, welcher Teil von Lohner höhungen nur einen Ausgleich für die allgemeine Preisentwicklung darstellt. Das kann dazu führen, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer trotz einer Lohnerhöhung am Ende weniger kaufen kann als zuvor. Dieses Zusammenspiel von Inflation und Steuerprogression nennt
man „kalte Progression“.

Wie entsteht das Problem der kalten Progression?

Das deutsche Steuersystem baut auf dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit auf. Das bedeutet: Wer mehr verdient, zahlt auch mehr Steuern. Dies gilt nicht nur für den reinen Steuerbetrag. Mehr Einkommen führt auch zu einem höheren Anteil des Einkommens an Steuern. Wenn durch eine Lohnerhöhung der Verdienst steigt, erhöht sich also nicht nur der absolut zu zahlende Steuerbetrag, sondern auch der prozentuale Anteil der Steuern am Einkommen. Wenn die Lohnerhöhung aber nur den Kaufkraftverlust ausgleicht, verdient jemand in Wirklichkeit gar nicht mehr als bisher; dann soll er nicht (wie es bei einem realen Einkommenszuwachs der Fall wäre) einen höheren Anteil seines Einkommens an das Finanzamt abführen müssen. Das wäre unfair, weil der Staat Steuern eintreiben würde, indem er die Bürger reicher rechnet, als sie in Wirklichkeit sind. Der Steuertarif geht davon aus, dass jeder Einkommenszuwachs eine höhere Leistungsfähigkeit bedeutet und daher der Steuersatz progressiv ansteigen soll, auch wenn es sich nur um einen Inflationsausgleich handelt. Diesen Effekt nennt man „kalte Progression“ oder „heimliche Steuererhöhung“, weil sie sich schleichend und versteckt auswirkt. Die Bundesregierung möchte diesen Effekt ausgleichen, da es sich faktisch um eine Steuererhöhung handelt, die vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Der Ausgleich soll schrittweise in den Jahren 2013 und 2014 umgesetzt werden.

Zudem soll künftig alle zwei Jahre, zum Beispiel zusammen mit einer Überprüfung des steuerlichen Existenzminimums, ermittelt werden, in welchem Umfang sich die kalte Progression auswirkt und wie sie ausgeglichen werden kann.

Was passiert, wenn nicht gegengesteuert würde?

Ohne eine Anpassung des Einkommensteuertarifs führen Lohnerhöhungen, die nur die Infl ation ausgleichen, zum Effekt der kalten Progression. Wenn die Einkommen an die Infl ation angepasst werden und steigen, der Tarifverlauf aber unverändert bleibt, spüren die Lohnempfänger den Effekt der kalten Progression.

Am 7. Dezember 2011 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression beschlossen. Ziel des Gesetzes ist der Ausgleich der durch die kalte Progression entstandenen steuerlichen Mehrbelastungen. Der geplante Ausgleich hat ein Volumen von insgesamt sechs Milliarden Euro pro Jahr. Er wird 2013 und 2014 in zwei Schritten umgesetzt und umfasst folgende Eckpunkte: Der Grundfreibetrag wird bis 2014 um insgesamt 350 Euro bzw. 4,4 Prozent auf 8.354 Euro angehoben. Dieser Betrag bleibt steuerfrei, erst höhere Einkommen werden besteuert Der Tarifverlauf wird bis 2014 ebenfalls um insgesamt 4,4 Prozent angepasst. Denn jedes Einkommen soll genau um den Betrag entlastet werden, um den es durch die kalte Progression belastet wird.

Die Bundesregierung wird künftig alle zwei Jahre überprüfen, wie die kalte Progression wirkt und ob nachgesteuert werden muss. Grundfreibetrag und Tarifverlauf können daraufhin entsprechend angepasst werden Höherer Grundfreibetrag Allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wird ein Existenzminimum garantiert. Einkünfte bleiben bis zu diesem Betrag steuerfrei. Dafür sorgt der sogenannte Grundfreibetrag. Dessen Höhe wird alle zwei Jahre geprüft, damit er nicht unter das Existenzminimum sinkt. Droht der Grundfreibetrag unter das Existenzminimum zu sinken, ist eine Anpassung verfassungsrechtlich geboten. Schon heute zeichnet sich ab, dass der Grundfreibetrag in den Jahren 2013 und 2014 erhöht werden muss. Er soll in zwei Schritten steigen: um 126 Euro zum 1. Januar 2013 und um weitere 224 Euro zum 1. Januar 2014.

Anpassung der Steuertarife

Im Zusammenhang mit der Anhebung des Grundfreibetrags um insgesamt 4,4 Prozent erfolgt eine Anpassung der Steuertarife in gleichem Umfang. Wenn nur der Grundfreibetrag stiege, würde sich der Eingangssteuersatz erhöhen. Das würde bedeuten, dass Menschen mit niedrigem Einkommen künftig höhere Steuern zahlen müssten. Mit einer Veränderung der Steuertarife verschiebt sich die gesamte Steuerkurve und der Eingangssteuersatz bleibt gleich. Die Anpassung des Tarifverlaufs um einen festen Prozentsatz sorgt dafür, dass der Effekt der kalten Progression für alle in gleichem Umfang ausgeglichen wird. Damit bildet der Tarifverlauf den Aspekt der Leistungsfähigkeit genauso gut ab wie bisher.