Sonderausgabenabzug von inländischen Pflichtbeiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für in Drittstaaten erzielten, im Inland steuerfreien Arbeitslohn

  1. Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung, die im Zusammenhang mit den nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfreien Einnahmen aus einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen in einem Drittland stehen, sind nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in der am 01.01.2021 geltenden Fassung (Gesetz vom 21.12.2020, BGBl. I S. 3096) abzugsfähig. Denn erzielt der Steuerpflichtige steuerfreie Einnahmen, die gleichzeitig Pflichtbeiträge an die Sozialversicherungsträger auslösen, so besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Einnahmen und den Aufwendungen. Das hat zur Folge, dass die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vorgeht.
  2. Ein Sonderausgabenabzug lässt sich nicht auf die analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 a) – c) EStG stützen, da diese Regelung aufgrund des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers nicht auf steuerfreie Einkünfte aus Drittstaaten anwendbar ist. Auch ist eine einschränkende Auslegung des Abzugsverbots gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG nicht verfassungsrechtlich zwingend geboten. Die Notwendigkeit einer solchen einschränkenden Auslegung folgt weder aus dem subjektiven Nettoprinzip noch aus dem Folgerichtigkeitsgebot (a. A. FG Düsseldorf, Urteil vom 10.07.2018, 10 K 1964/17, EFG 2018, 1515; ausdrücklich offengelassen hingegen durch BFH, Urteil vom 18.04.2012, X R 62/09, BStBl II 2012 S. 721, Urteil vom 5.11.2019, X R 23/17, BStBl II 2020 S. 763).

Der Kläger war im Streitjahr 2016 bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture als Diplom-Kaufmann tätig, wobei er insgesamt 224 Arbeitstage in China verbrachte. Er erzielte insoweit Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sowohl in Deutschland als auch in China. Von den erklärten Einkünften entfielen 12,28 % auf im Inland steuerpflichtige Einkünfte und die restlichen 87,72 % auf nach Art. 15 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und China vom 28.03.2014 („DBA-China“) im Inland steuerfreie Einkünfte. Zudem wurden Beiträge zur Renten- und zur Arbeitslosenversicherung für das gesamte Streitjahr als Sonderausgaben erklärt. Das Finanzamt ließ die in Zusammenhang mit den steuerfreien Einkünften stehenden Vorsorgeaufwendungen unberücksichtigt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Die nicht berücksichtigten Vorsorgeaufwendungen stünden in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den im Inland steuerfreien Einnahmen aus der Tätigkeit in China, sodass sie gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in der am 01.01.2021 geltenden Fassung (n. F.), die gemäß § 52 Abs. 18 Satz 4 EStG i. d. F. des Art. 1 des Gesetzes vom 21.12.2020 in allen noch offenen Fällen anzuwenden sei, nicht abziehbar seien.

Eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 a)-c) EStG n. F. auf Drittstaaten komme ebenso wenig in Betracht wie eine einschränkende Auslegung des Sonderausgabenabzugsverbots gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n. F. Die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung folge insbesondere nicht aus den verfassungsrechtlichen Prinzipien des subjektiven Nettoprinzips sowie des Folgerichtigkeitsgebots.

Das Gericht hat die Revision zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Blick auf die besondere Fallkonstellation des Zusammentreffens der inländischen Sozialversicherungspflicht und eines möglichen anteiligen Abzugsverbotes nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG n. F. wegen Drittstaateneinkünften, ohne dass die übrigen Vorsorgeaufwendungen zur Altersvorsorge im In- oder Ausland abzugsfähig sind (ausdrücklich offengelassen durch BFH-Urteile vom 18.04.2012, X R 62/09, BStBl II 2012 S. 721 und vom 05.11.2019, X R 23/17, BStBl II 2020 S. 763). Zudem hat es die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil das FG Düsseldorf mit Urteil vom 10.07.2018 entschieden hat, dass inländische Beiträge zur Rentenversicherung, die mit nach DBA-China steuerfrei (mit Progressionsvorbehalt) gestellten Einkünften in Zusammenhang stehen und im Beschäftigungsstaat China nicht abziehbar sind, als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen sind (Az. 10 K 1964/17, EFG 2018, 1515; Rev. BFH X R 25/18 aus formalen Gründen verworfen).

Quelle: FG Hamburg, Mitteilung vom 30.09.2021 zum Gerichtsbescheid 1 K 73/19 vom 14.06.2021 (nrkr – BFH-Az.: I R 31/21)