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Leistungen von Berufsbetreuern steuerfrei

Gerichtlich bestellte Berufsbetreuer unterliegen mit ihren Leistungen nicht der Umsatzsteuer. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden (Urteil vom 25 April 2013 V R 7/11).

Die Klägerin war vom Vormundschaftsgericht zur Betreuerin bestellt worden. Grundsätzlich wird die Betreuung ehrenamtlich erbracht; nur ausnahmsweise wird sie entgeltlich ausgeführt, wenn das Gericht bei der Bestellung ausspricht, dass sie berufsmäßig geführt wird. Das war hier der Fall. Nach nationalem Recht unterliegen die von sog. Berufsbetreuern erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer. Die Klägerin hatte dagegen geltend gemacht, ihre Leistungen seien nach dem vorrangig zu beachtenden Recht der EU umsatzsteuerfrei.

Der BFH hat die Auffassung der Klägerin bestätigt und die anders lautende Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben. Er bejaht eine sich aus dem Unionsrecht ergebende Steuerfreiheit, da die Klägerin zum einen durch ihre Betreuungstätigkeit Leistungen erbringt, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind. Für solche Leistungen sieht das EU-Recht die Steuerfreiheit vor. Zum anderen bejaht der BFH auch die für die Steuerfreiheit zusätzlich erforderliche Anerkennung als steuerfreier Leistungserbringer (sog „anerkannte Einrichtung“). Sie ergibt sich aus der gerichtlichen Bestellung für die Tätigkeit, aus dem an der Leistung bestehenden Gemeinwohlinteresse sowie daraus, dass gleichartige Leistungen, die durch Betreuungsvereine und sog. Vereinsbetreuer erbracht werden, gleichfalls steuerfrei sind.

Nicht umsatzsteuerfrei sind allerdings Leistungen, die zum Gewerbe oder zum Beruf des Betreuers gehören. Der BFH hat die Sache deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen. Sollte die Klägerin z. B. als Rechtsanwältin Beratungsleistungen für die von ihr betreuten Personen erbracht haben, hätte sie dafür Umsatzsteuer zu entrichten.

Hinweis
Seit dem 1. Juli 2013 sind Leistungen der Betreuer auch nach nationalen Recht umsatzsteuerfrei (vgl. § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG i. d. Fassung durch das AmtshilfeRLUmsG). Die Neuregelung gilt aber nur für Leistungen, die ab Juli 2013 erbracht werden (Art. 31 Abs. 4 AmtshilfsRLUmsG). Für davor erbrachte Leistungen können sich die Berufsbetreuer auf das Unionsrecht berufen.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 41/13 vom 24.07.2013 zum Urteil V R 7/11 vom 25.04.2013

Umsatzsteuerbefreiung für Berufsbetreuer/innen

In Bezug auf die Vergütung gibt es endlich einmal gute Nachrichten:

Der Bundesfinanzhof hat in unserem Musterverfahren (Az.: V R 7/11 – allerdings noch nicht rechtskräftig) entschieden, dass die Betreuervergütung bereits in der Vergangenheit nicht der Umsatzsteuerpflicht unterlag und Bundestag und Bundesrat haben endlich das lang erwartete Gesetz zur zukünftigen Umsatzsteuerbefreiung für Berufsbetreuer beschlossen. Das Verfahren vor dem BFH ist von uns finanziert und begleitet worden. Und wir gehen davon aus, dass der Gesetzgeber ohne dieses Verfahren und ohne unser beharrliches Drängen auf eine Gesetzesänderung nicht tätig geworden wäre – vermutlich ist ihm gerade durch das BFH- Verfahren bewusst geworden, dass die bisherige Regelung nicht mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist.

1. Die Gesetzesänderung

Nach monatelangem Ringen haben sich Bundestag und Bundesrat nun endlich auf eine Regelung geeinigt, nach der die Vergütung für Berufsbetreuer nun nicht mehr der Umsatzsteuerpflicht unterliegen wird. Enthalten ist dies in dem Gesetz mit dem sperrigen Namen „Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften“, kurz auch „Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG)“ genannt.
Dieses Gesetz war ursprünglich bereits im Februar vom Bundestag beschlossen worden, hatte dann aber im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Nachdem man sich im Vermittlungsverfahren auf etliche Änderungen geeinigt hatte, haben nun der Bundestag in seiner Sitzung am 6. Juni 2013 und der Bundesrat am 7. Juni 2013 dieser geänderten Fassung zugestimmt. Das Gesetz muss jetzt lediglich noch vom Bundespräsidenten unterzeichnet und dann im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Dabei dürfte es sich aber um reine Formalien handeln, dass das Gesetz daran noch scheitern wird ist nicht zu erwarten.
Der gesamte Gesetzestext kann in der Bundesrats-Drucksache 477/13 nachgelesen werden, die für Betreuer und Vormünder relevanten Änderungen sind dort auf S. 44 enthalten. In § 4 UStG, der die Befreiungen von der Umsatzsteuer regelt, wird die Auflistung von umsatzsteuerfreien Leistungen wie folgt ergänzt:
In § 4 Nr. 16 Satz 1 wird folgender Buchstabe k eingefügt: „k) Einrichtungen, die als Betreuer nach § 1896 Absatz 1des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1908i Absatz 1 in Verbindung mit § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden, oder …“ (der bisherige Buchstabe k wird dann im Anschluss als Buchstabe l angefügt) und
in Nr. 25 Satz 3 wird folgender Buchstabe c eingefügt: „c) Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die als Vormünder nach § 1773 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder als Ergänzungspfleger nach § 1909 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden;“.
Das Gesetz sieht also vor, dass die Vergütungen für Tätigkeiten als Vormund und als Ergänzungspfleger ebenfalls umsatzsteuerfrei sein werden.
Nicht umsatzsteuerfrei werden dagegen bleiben: Der Ersatz für berufliche Dienste gem. § 1835 Abs. 3 BGB sowie die Vergütungen für Abwesenheitspflegschaften, Nachlasspflegschaften, Sammlungspflegschaften, Pflegschaften für einen unbekannten Beteiligten, Verfahrenspfleg- schaften und Verfahrensbeistandschaften.

Anders als für Betreuer/innen ergibt sich daraus für beruflich tätige Vormünder leider eine Verschlechterung: Vormünder erhalten keine Inklusivstundensätze (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VBVG), bekommen deshalb in Zukunft also auch entsprechend weniger ausgezahlt, für sie entfällt aber ebenfalls die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs.

Nicht irritieren lassen darf man sich von der Verwendung der Bezeichnung „Einrichtungen“ – auch Einzelunternehmer sind Einrichtungen in diesem Sinne, die Neuregelung soll also nicht nur für Betreuungsvereine gelten.
Einzelheiten zur Umsetzung der Gesetzesänderung

Inkrafttreten
Nach Artikel 31 Abs. 4 des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes wird die Umsatzsteuerbefreiung für Berufsbetreuer und Vormünder am 1. Juli 2013 in Kraft treten (S. 67 der o.g. Bundesrats-Drucksache).

Umfang der sich ergebenden Einkommenserhöhung

Vor Einkommensteuer beträgt die prozentuale Einkommenssteuerung zwar 19 %, der Absolutbetrag hängt aber davon ab, wie hoch der Anteil der Betriebsausgaben am Umsatz ist. Wie hoch dann die Steigerung des Nettoeinkommens tatsächlich ist, hängt davon ab, wie hoch der Einkommenssteuersatz des betreffenden Betreuers ist – die genaue Steigerung des Netto- einkommens muss deshalb jeder Betreuer anhand dieser Daten individuell für sich errechnen.

Verfahren in der Übergangszeit – kommt es für die Steuerpflicht darauf an, wann die abgerechnete Tätigkeit ausgeführt wurde oder ist auf den Zeitpunkt des Zahlungseingangs abzustellen?
Wir hatten schon Ende 2012 das BMF um eine Klarstellung gebeten, wie in Bezug auf die (von uns ursprünglich bereits zur Jahreswechsel erwartete) Übergangszeit zu verfahren ist. Wir haben dazu die folgende Antwort erhalten (Schreiben des BMF v. 10.12.2012 mit dem Geschäftszeichen IVD3-S7130/10/10002):

„Gemäß § 27 Absatz l Satz l UStG gilt, dass Änderungen des Umsatzsteuergesetzes auf Umsätze anzuwenden sind, die ab dem Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift ausgeführt werden. Sonstige Leistungen sind grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Anzahlungen sind zwar grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vereinnahmung zu versteuern (vgl. Abschnitt 13.1 Absatz 3 UStAE). Wird die Anzahlung vor Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift vereinnahmt, die zugrunde liegende Leistung jedoch erst nach diesem Zeitpunkt ausgeführt, ist die für die Anzahlung abgeführte Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung nachträglich zu berichtigen (§ 27 Absatz l Satz 2 und 3 UStG).

Für die Leistungen der Berufsbetreuer heißt das, dass die Vergütung z. B. für ein Betreuungsquartal vom 16. Oktober 2012 bis zum 15. Januar 2013 am 15. Januar 2013 als
ausgeführt gilt und somit die gesamte Vergütung für dieses Betreuungsquartal unter die vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nummer 16 UStG fällt. (…)“
Berücksichtigt man das verzögerte Inkrafttreten der Neuregelung ergibt sich daraus, dass für die Vergütung für alle Betreuungsquartale, die nach dem 30. Juni 2013 enden, keine Umsatzsteuer mehr abgeführt werden muss. Wegen der Entscheidung des BFH zur Umsatzsteuerpflicht wird das aber vermutlich keine Bedeutung mehr haben, da danach alle Einnahmen für die Betreuertätigkeit – auch aus der Zeit vor der Gesetzesänderung – umsatzsteuerfrei sind.

Vorsteuerabzug für vor dem 1. Juli 2013 getätigte Anschaffungen
Auch dies ist möglicherweise in vielen Fällen wegen der BFH-Entscheidung irrelevant. Sofern in der Vergangenheit gezahlte Umsatzsteuer erstattet wird, muss auch der seinerzeit vorgenommene Vorsteuerabzug korrigiert werden. Sofern Anschaffungen in Zeiten getätigt worden sind, für die keine Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer mehr durchgesetzt werden kann (etwa, weil bereits bestandskräftige Steuerbescheide vorliegen), gilt

Folgendes:
Zunächst konnte noch der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Aber gem. § 15a UStG muss dann in den folgenden 4 Jahren jeweils eine Korrektur vorgenommen werden. Das heißt, das für jedes der Folgejahre, in dem der angeschaffte Gegenstand nicht für die Erzielung umsatzsteuer- pflichtiger Umsätze verwendet wird, 1/5 des Vorsteuerabzugs erstattet werden muss.
Vorsteuerabzug bei Erzielung umsatzsteuerpflichtiger und umsatzsteuerfreier Tätigkeiten (z.B., wenn neben der Tätigkeit als Berufsbetreuer auch Verfahrenspflegschaften geführt werden)

Hier muss unterschieden werden:

Wenn eine Anschaffung bzw. Ausgabe direkt einer bestimmten Tätigkeit zugeordnet werden kann, bestimmt sich die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nach dem Charakter dieser Tätigkeit.
Hierzu ein Beispiel: Betreuer B fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Anhörungstermin in einem Betreuungsverfahren. Da die Betreuervergütung ab 2013 keine Umsatzsteuer mehr enthält, ist der Vorsteuerabzug bzgl. der im Fahrpreis enthaltenen Umsatzsteuer nicht möglich.

Fährt er aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln um etwas wegen einer Verfahrenspflegschaft zu erledigen, kann er die im Fahrpreis enthaltene Umsatzsteuer vollständig abziehen.
Kauft er sich schließlich noch ein neues Faxgerät, das er sowohl für Schriftverkehr im Rahmen der Betreuungsarbeit als auch für die Arbeit als Verfahrenspfleger verwendet, kann er die dabei gezahlte Umsatzsteuer anteilig abziehen und muss einen sachgerechten Aufteilungsmaßstab wählen. Das dürfte die prozentuale Aufteilung entsprechend der Anteile an steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Einnahmen sein.
Ein Rechenbeispiel: Das Faxgerät kostet 100,- € netto, darauf entfallen 19% Umsatzsteuer, insgesamt bezahlt er also 119,- €. Wenn er 1/6 seiner Einnahmen für Tätigkeiten als Verfahrenspfleger erhält und es sich bei den restlichen 5/6 um Betreuervergütung handelt, könnte er dementsprechend 1/6 der gezahlten Umsatzsteuer – also 3,17 € – in Abzug bringen.

Das BMF hatte uns in dem o.g. Schreiben dazu mitgeteilt:
„Der Unternehmer kann die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, grundsätzlich als Vorsteuer abziehen (§ 15 Absatz l Satz l Nummer l UStG). Voraussetzung ist neben anderen, dass der Unternehmer die bezogenen Leistungen zur
Erzielung von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen verwendet.

§ 15 Absatz 2 Satz l Nummer l UStG sieht einen Ausschluss vom Vorsteuerabzug für Leistungen vor, die der Unternehmer für bestimmte steuerfreie Umsätze verwendet (u. a. nach § 4 Nummer 16 UStG befreite Umsätze). Dieser Ausschluss vom Vorsteuerabzug basiert auf den für die Mitgliedstaaten verbindlich festgelegten Grundsätzen in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (vgl. Artikel 168 ff. MwStSystRL).
Sofern Vorsteuerbeträge, sowohl mit Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (wie z. B. aus der Tätigkeit als Verfahrenspfleger i. S. d. §§ 276, 277 FamFG), als auch mit Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, erfolgt eine Aufteilung nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel (§15 Absatz 4 UStG). Die Verwendung eines Umsatzschlüssels als Aufteilungsmaßstab ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.“

2. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes

In seinem Gerichtsbescheid vom 25. April 2013 in unserem Musterverfahren (Az. V R 7/11) stellt der Bundesfinanzhof fest, dass die Umsatzsteuerfreiheit der Betreuervergütung bereits aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. G der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. G Mehrwertsteuer- Systemrichtlinie (MwStSystRL) folgt.
Da diese Entscheidung die gegenwärtige Rechtslage betrifft, kann unter Berufung darauf auch in der Vergangenheit gezahlte Umsatzsteuer zurückverlangt werden, sofern die Steuer noch nicht rechtskräftig festgesetzt wurde.

Noch keine Rechtskraft
Der Bundesfinanzhof hat für seine Entscheidung die Form des Gerichtsbescheides gewählt. Das ist eine durch § 90a FGO gegebene Möglichkeit, eine Entscheidung etwas schneller und einfacher als im üblichen Verfahren herbeizuführen. Die Entscheidung wird dann ohne mündliche Verhand lung „nach Aktenlage“ getroffen. Allerdings können die beteiligten Parteien des Rechtsstreits innerhalb eines Monats einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellen. Das bietet sich für die unterlegene Partei (hier: das Finanzamt) an, wenn sie meint, das Ergebnis dann mit ihren Argumenten noch „drehen“ zu können.
Die Entscheidung wird also nur dann rechtskräftig, wenn das Finanzamt von der Möglichkeit eines Antrags auf mündliche Verhandlung bis zum 8. Juli 2013 keinen Gebrauch macht. Anträge auf Rückzahlung gezahlter Umsatzsteuer sind deshalb erst dann sinnvoll, wenn Klarheit über die Rechtskraft dieser Entscheidung besteht. Bis dahin ist – wie bisher auch – darauf zu achten, dass keine Umsatzsteuerbescheide bestandskräftig werden, weil das spätere Rückforderungen gezahlter Umsatzsteuer ausschließen würde.

(Hoffentlich kein) Nichtanwendungserlass

Gerichtsentscheidungen binden zunächst nur die direkt an dem Verfahren beteiligten Parteien. Trotzdem haben Entscheidungen der Bundesgerichte auch für andere Verfahren eine gewisse Bindungswirkung – man kann ja erwarten, dass in anderen Verfahren zur gleichen Fragestellung im Falle eines Rechtsstreits erneut entsprechend entschieden werden würde, es macht von daher auch für die Finanzämter keinen Sinn, Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zu ignorieren.

Verbindlich werden die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes für die Finanzämter aber dann, wenn sie vom Bundesfinanzministerium im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden. Eine solche Veröffentlichung ist als Dienstanweisung zu verstehen. Aber auch davon gibt es eine Ausnahme:
Das Bundesfinanzministerium kann die Veröffentlichung mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass verbinden – die Finanzbehörden dürfen die vom Bundesfinanzhof aufgestellten Grundsätze nicht bei der Bearbeitung anderer Fälle berücksichtigen. Von dieser Möglichkeit macht das Bundesfinanzministerium zwar nur in weniger als 2 % aller Fälle Gebrauch, wir können aber nicht garantieren, dass ein solcher Nichtanwendungserlass auch in diesem Fall unterbleibt. Ggf. müssten dann Ansprüche auf Rückzahlung in eigenen Gerichtsverfahren geltend gemacht werden.

Bestandskraft von Steuerbescheiden

Wichtig ist, dass die Bestandskraft eventuell vorhandener Steuerbescheide bzw. der Eintritt der sogenannten Festsetzungsverjährung verhindert wird, um sich für den Fall einer positiven Entscheidung des BFH Rückzahlungsansprüche offen zu halten. Deshalb muss rechtzeitig beim Finanzamt beantragt werden, die Umsätze aus der Tätigkeit als Berufsbetreuer umsatzsteuerfrei zu stellen (ein Musterschreiben dafür kann nach wie vor von unserer Internetseite heruntergeladen werden).

Die Festsetzungsverjährung ist in den §§ 169 ff AO geregelt. Solange kein (bestandskräftiger) Bescheid besteht, kann die vom Finanzamt entgegengenommene oder (vorläufig) festgesetzte Steuer noch jederzeit neu berechnet werden, sie ist also noch frei änderbar. Diese Möglichkeit endet erst, wenn die sogenannte Festsetzungsverjährung eintritt. Diese Festsetzungsverjährung tritt bzgl. der Umsatzsteuer nach 4 Jahren ein. Der Ablauf dieser Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist: Wenn eine Steuererklärung oder -anmeldung abzugeben ist, beginnt die Frist mit Ablauf des Jahres, in dem die Erklärung/Anmeldung abgegeben wurde.
Anträge auf Steuerfestsetzung oder auf Änderung oder Aufhebung einer Steuerfestsetzung sowie Rechtsmittel gegen einen Steuerbescheid führen zur sogenannten Hemmung der Ablauffrist – d.h., dass die Festsetzungsverjährung zunächst nicht eintritt.

In Bezug auf bereits gezahlte Umsatzsteuer ergibt sich daraus Folgendes:
Bzgl. der Umsatzsteuer wird regelmäßig zu Beginn des Folgejahres die Jahressteuererklärung abgegeben, für das Jahr 2008 ist das also überwiegend Anfang des Jahres 2009 geschehen. Die vierjährige Frist für die Festsetzungsverjährung beginnt also mit Ende des Jahres 2009 zu laufen und endet deshalb Ende des Jahres 2013. Sofern bisher kein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt, können für diesen Zeitraum noch bis Ende dieses Jahres Änderungsanträge gestellt werden. Das gilt erst Recht für die nachfolgenden Jahre.
Für das Jahr 2007 ist allerdings bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten (Abgabe der Steuererklärung üblicherweise Anfang 2008, Beginn der 4-Jahres-Frist Anfang 2009, Ablauf demnach Ende 2012), für 2007 und frühere Jahre wären Festsetzungs- oder Änderungsanträge deshalb jetzt nicht mehr möglich.
Weitere Voraussetzung ist – wie bereits geschrieben -, dass noch kein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt.

Insoweit gibt es im Wesentlichen drei Fallkonstellationen:

1. Die Umsatzsteuer wurde überwiesen und zu Beginn des Folgejahres wurde eine Jahressteuererklärung abgegeben. Das Finanzamt hat die Zahlung entgegengenommen und sonst nichts unternommen oder lediglich eine Mitteilung über die erhaltenen Beträge übersandt.
Dann gibt es keinen „richtigen“ Bescheid, der bestandskräftig werden könnte, bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung kann das Finanzamt die Steuer deshalb noch anders festsetzen – entweder, weil man Ihre Unterlagen irgendwann geprüft hat und zu dem
Schluss kommt, dass Sie mehr Steuern bezahlen müssen als von Ihnen angegeben oder z.B. auf Ihren Antrag hin auch niedriger (z.B. weil Sie zu dem Schluss gekommen sind, dass Sie für die Einnahmen aus der Betreuertätigkeit möglicherweise gar keine Umsatzsteuer abführen müssen).

2. Auch hier wurde die Umsatzsteuer regelmäßig überwiesen und zu Beginn des Folgejahres wurde eine Jahressteuererklärung abgegeben. Das Finanzamt nimmt das Geld entgegen und übersendet einen Jahressteuerbescheid. Weil das Finanzamt sich aber die Möglichkeit offen halten will, die Angaben in der Steuererklärung noch näher zu überprüfen (z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung) wird der Steuerbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung erteilt. Das bedeutet, dass das Finanzamt es sich ausdrücklich vorbehält, den Bescheid noch abzuändern, deshalb wird er nicht bestandskräftig und kann – wie auch in der ersten Fallvariante – bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung noch geändert werden.

3. Diese Möglichkeit kommt seltener vor. Auch hier wurde die Umsatzsteuer regelmäßig überwiesen und zu Beginn des Folgejahres wurde eine Steuererklärung abgegeben. Das Finanzamt verschickt aber nach einiger Zeit einen Jahressteuerbescheid, der nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt wurde (z.B., weil die Angaben schon näher überprüft wurden und das Finanzamt deshalb keinen Anlass für diesen Vorbehalt mehr sieht).Dann wird der Bescheid nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig und kann deshalb nicht mehr geändert werden.
Falls solche bestandskräftigen Steuerbescheide bzgl. der Umsatzsteuer existieren, könnte für die betreffenden Jahre deshalb keine Rückzahlung der abgeführten Umsatzsteuer mehr erreicht werden. Wer sich die Möglichkeit der Rückforderung offenhalten will, muss solche Bescheide innerhalb der Einspruchsfrist anfechten – dies kann mit dem Antrag verbunden werden, das Einspruchsverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung des BFH ruhen zu lassen.

Dringender Handlungsbedarf dürfte zurzeit lediglich in der dritten o.g. Fallkonstellation – Zugang eines nicht mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehenen Steuerbescheides – bestehen. In den anderen Fällen müsste – sofern noch keine Anträge gestellt wurden – erst zum Jahresende ein Änderungsantrag gestellt werden, damit die Möglichkeit der Rückforderung der für das Jahr 2008 gezahlten Umsatzsteuer gewahrt wird.

Hinweis zum Abschluss:

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine verbindlichen Angaben machen können. Diese Informationen sind lediglich allgemeine Empfehlungen und ersetzen nicht die individuelle Einzelfallklärung mit Ihrem Steuerberater.

PM Bundesverband der Berufsbetreuer

 

Bundesrat Drucksache 477/13
BRFuss 06.06.13
Beschluss des Deutschen Bundestages
Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie- Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG)
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 243. Sitzung am 6. Juni 2013 die beiliegende Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses – Drucksache 17/13722 – zu dem
Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG)
angenommen.

Artikel 10

3. § 4 wird wie folgt geändert:

Nach Buchstabe j wird folgender Buchstabe k eingefügt:
Drucksache 477/13
– 44 –
„k) Einrichtungen, die als Betreuer nach § 1896 Absatz 1 des Bür gerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1908i Absatz 1 in Verbindung mit § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden, oder“.
ddd) Der bisherige Buchstabe k wird Buchstabe l und in diesem wird die Angabe „40 Prozent“ durch die Angabe „25 Prozent“ ersetzt.
bb) In Satz 2 werden die Wörter „nach den Buchstaben b bis k“ durch die Wörter „nach den Buchstaben b bis l“ ersetzt.

 

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 12.1.2012, V R 7/11

Steuerfreiheit für Berufsbetreuer, Aussetzung des Verfahrens

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin als sog. Berufsbetreuerin steuerfreie Leistungen erbringt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) behandelte diese Leistungen als steuerpflichtig. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
2
Das Finanzgericht wies die Klage mit seinem in „Entscheidungen der Finanzgerichte“ 2011, 1115 veröffentlichten Urteil ab, da die Betreuungsleistungen eines selbständig tätigen Berufsbetreuers weder nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht noch nach dem Unionsrecht von der Umsatzsteuer befreit seien, Berufsbetreuer keine in der Bundesrepublik Deutschland anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) seien und diese Richtlinienbestimmung den Mitgliedstaaten ein Ermessen zur Frage einräume, ob sie bestimmten Einrichtungen sozialen Charakter zuerkennen; danach sei die Bestimmung, welche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG anzuerkennen seien, Sache der nationalen Behörden und eine Ungleichbehandlung zwischen Vereinsbetreuern und Berufsbetreuern sei vom deutschen Gesetzgeber beabsichtigt.

Entscheidungsgründe

3
II. 1. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 2. März 2011 XI R 47/07 (BFHE 232, 568, BFH/NV 2011, 1089) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit folgenden Fragen gerichtet:
4
„1. Erlauben es Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und/oder Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG dem nationalen Gesetzgeber, die Steuerbefreiung der Leistungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen davon abhängig zu machen, dass bei diesen Einrichtungen „im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind“ (§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG)?
5
2. Ist es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung, dass der nationale Gesetzgeber dieselben Leistungen unter anderen Voraussetzungen als steuerfrei behandelt, wenn sie von amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, ausgeführt werden (§ 4 Nr. 18 UStG)?“
6
Das Verfahren wird beim EuGH als Rechtssache C-174/11 (Zimmermann) geführt.
7
2. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt von der Beantwortung dieser Fragen ab. Es ist im Streitfall entscheidungserheblich, ob der nationale Gesetzgeber unter Berücksichtigung der sich für ihn aus dem Unionsrecht ergebenden Bindungen berechtigt war, Betreuungsleistungen, die durch Vereinsbetreuer erbracht werden, von der Umsatzsteuer zu befreien, ohne diese Befreiung auf Berufsbetreuer zu erstrecken. Hierfür kommt es auf die Antwort des EuGH auf die zweite Vorlagefrage im BFH-Beschluss in BFHE 232, 568, BFH/NV 2011, 1089 an.
8
3. Die Aussetzung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zwar hängt die Entscheidung des Rechtsstreits nicht, wie es der Wortlaut des § 74 FGO voraussetzt, von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Vorgreiflich ist aber die Beantwortung der Rechtsfragen, die der BFH mit dem vorbezeichneten Beschluss dem EuGH vorgelegt hat (ebenso zur Parallelvorschrift des § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2007  6 C 20/06, juris).