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Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung

Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung

Rechtslage

Im Rahmen von fristlosen Kündigungen kommt es bei deren gerichtlicher Überprüfung immer zu einer Interessenabwägung zwischen der Schwere des Pflichtenverstoßes und den berechtigten Belangen des Arbeitnehmers (z. B. langjähriges unbeanstandetes Beschäftigungsverhältnis). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr darüber zu entscheiden, wie das sogenannten Nach-Tat-Verhalten, also im Zeitraum zwischen Pflichtenverstoß und Kündigung, des Arbeitnehmers in dieser Interessenabwägung zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war fristlos gekündigt worden, weil er tatsächlich von ihm eingelegte Pausen nicht als solche gekennzeichnet, sondern als Arbeitszeit deklariert hatte. Zwar waren die Umstände beim zur Kündigung führenden Fall zum Teil streitig, allerdings war der Arbeitnehmer einschlägig vorher abgemahnt worden. Im Zeitraum zwischen der Feststellung des Pflichtenverstoßes und dem Ausspruch der fristlosen Kündigung hatte er stets geleugnet, Pausenzeiten als Arbeitszeit deklariert zu haben. Gegen die fristlose Kündigung klagte der Arbeitnehmer.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Der dem Kläger zur Last gelegte Arbeitszeitbetrug sei für sich genommen eine so schwere Pflichtverletzung, dass eine fristlose Kündigung, insbesondere nach entsprechenden Abmahnungen, zulässig sei. Darüber hinaus sei es korrekt, das stetige Leugnen des Pflichtverstoßes bis zur Kündigung zu Lasten des Arbeitnehmers in die erforderliche Interessenabwägung mit einzubeziehen. Auch eine in Einzelfällen abweichende Rechtsprechung zu fristlosen Kündigungen, in der das Nach-Tat-Verhalten nicht in die Interessenabwägung mit einbezogen worden sei, obwohl der Arbeitnehmer auch dort den Pflichtverstoß geleugnet hatte, könne im Falle des Klägers nicht angeführt werden. Denn in der insoweit abweichenden Rechtsprechung sei deutlich gemacht worden, dass das dortige Leugnen „prozessuales Verteidigungsvorbringen“ gewesen sei.

Konsequenz

Es gilt weiterhin die Regel, dass das Nach-Tat-Verhalten des Arbeitnehmers zu seinen Lasten in die Interessenabwägung über die Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung mit einbezogen werden kann. Dies entspricht der „Regelrechtsprechung“; anders lautende Rechtsprechung bildet die Ausnahme.

Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung

Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung

Rechtslage

Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sind Arbeitnehmer bei arbeitsunfähiger Erkrankung verpflichtet, spätestens am dritten Tag der Erkrankung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Es ist zulässig, diese Regelung mit einer eindeutigen Regelung im Arbeitsvertrag auch zu Lasten des Arbeitnehmers zu verschärfen und die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor dem dritten Krankheitstag zu verlangen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte jetzt über den Inhalt einer solchen Klausel und die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bei Verstoß zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Arbeitsvertrag des Klägers sah vor, dass er ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beizubringen habe. Nachdem er bei Verlassen der Arbeitsstelle angekündigt hatte, am Folgetag wegen Rückenschmerzen einen Arzt aufsuchen zu wollen und deshalb auch nicht zur Arbeit erschien, ohne eine Bescheinigung einzureichen, erteilte ihm der Arbeitgeber am Tag darauf eine Abmahnung. Auch an den Folgetagen legte der Klage keine ärztliche Bescheinigung vor, so dass der Arbeitgeber am fünften Krankheitstag fristlos kündigte. Erst dann wurde eine Bescheinigung vorgelegt.

Entscheidung

Mit seiner Kündigungsschutzklage unterlag der Kläger vor Gericht. Bei erschwerten Umständen kann die Nichtvorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Diese erschwerten Umstände liegen dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer hartnäckig weigert, Bescheinigungen vorzulegen, was der Kläger im konkreten Fall durch Nichtvorlage trotz Abmahnung über Tage hinweg getan hatte. Da die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes in diesem Punkt zudem dispositiv seien, könne auch kein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen, so die Richter beim rheinland-pfälzischen Landesarbeitsgericht.

Konsequenz

Die Entscheidung stärkt die Rechtsprechung zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Legt der Arbeitnehmer auch nach Abmahnung fortgesetzt keine ärztliche Bescheinigung vor, wird man in der Regel davon ausgehen können, dass er sich der Vorlagepflicht hartnäckig widersetzt und eine – auch fristlose – Kündigung zulässig ist.

Fristlose Kündigung bei Diebstahl geringwertiger Sachen und langer Betriebszugehörigkeit

Fristlose Kündigung bei Diebstahl geringwertiger Sachen und langer Betriebszugehörigkeit

Rechtslage

Bis zur „Emmely-Entscheidung“ galt der Grundsatz, dass eine Straftat gegenüber dem Arbeitgeber eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigte. Mit der „Emmely-Entscheidung“ weichte das Bundesarbeitsgericht diesen Grundsatz im Bereich Diebstahls und Unterschlagung geringwertiger Sachen für die Fälle auf, bei denen eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers sprach. Dies ist insbesondere dann so, wenn ein lang bestehendes und (regelmäßig) unbeanstandetes Arbeitsverhältnis vorliegt. Diese Entscheidung wird seither in fristlosen Kündigungssachen stets zugunsten des Arbeitnehmers angeführt. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr zur Abgrenzung des „Emmely-Urteils“ zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger war bereits rd. 20 Jahre – zuletzt als Filialleiter – beim Arbeitgeber tätig, als er zunächst einen Beutel Streusand aus der Filiale mitnahm, ohne ihn zu bezahlen. Zwei Tage später wurde er mit unbezahlten Waren im Wert von 12,02 EUR angetroffen. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos ohne Abmahnung. Der Kläger hatte die Vorwürfe zunächst geleugnet.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung für wirksam. Die im Rahmen der fristlosen Kündigung vorzunehmende Interessenabwägung falle trotz der langen Betriebszugehörigkeit auch vor dem Hintergrund der „Emmely-Entscheidung“ zu Ungunsten des Klägers aus. Dabei sei entscheidend zu berücksichtigen, dass der Kläger die Vorwürfe zunächst geleugnet habe, er in einer gehobenen Vertrauensposition angestellt sei und der Schaden nicht nur im „Cent-Bereich“ liege.

Konsequenz

Die Entscheidung liegt auf dem Kurs weiterer Entscheidungen der arbeitsrechtlichen Obergerichte. Man mag mutmaßen, dass dort versucht wird, die „Emmely-Entscheidung“ praxistauglich zu machen. Auf eine Wertgrenze wird bisher nicht abgestellt, obwohl die Entscheidung vom „Cent-Bereich“ spricht. Regelmäßig stellen die arbeitsrechtlichen Obergerichte vielmehr auf das Nachtatverhalten ab. Wenn der Arbeitnehmer zunächst leugnet, scheinen die Gerichte „geneigter“, dem Arbeitgeber Recht zu geben.

Fristlose Kündigung bei unberechtigter Vorteilsgewährung

Fristlose Kündigung bei unberechtigter Vorteilsgewährung

Kernfrage

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte in einer jüngeren Entscheidung zu zwei Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Zum einen ging es darum, ob einem Arbeitnehmer, dem von einem Geschäftspartner private Vorteile gewährt worden waren, fristlos gekündigt werden kann. Zum anderen hatte das Gericht darüber zu befinden, ob ein unterjähriges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis dazu führen kann, dass eine erfolgsabhängige Vergütung bei entsprechender arbeitsvertraglicher Regelung ganz entfallen kann. Dabei geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass Vergütungsbestandteile, die vertraglich fest zugesagt sind, in der Regel nicht unter Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalte gestellt werden können.

Sachverhalt

Der Kläger war leitender Angestellter und hatte sich von einem Geschäftspartner private Vorteile (hier Bauleistungen am Privathaus) gewähren lassen. Deswegen kündigte der Arbeitgeber fristlos. Mit seiner Kündigungsschutzklage, mit der er die Vorteilsgewährung bestritt, machte der Kläger parallel Ansprüche auf seine Tantieme geltend. Als Grund führte er an, die bestehende Arbeitsvertragsregelung, die eine Tantieme im Falle des unterjährigen Ausscheidens ausschloss, sei unwirksam.

Entscheidung

Das Gericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Die fristlose Kündigung sei wirksam, weil eine „Schmiergeldzahlung“ regelmäßig immer eine fristlose Kündigung rechtfertige; zumal beim Kläger nachgewiesen werden konnte, dass er die Vorteilsgewährung wider besseren Wissens bestritten habe. Gleichzeitig stellte das Gericht fest, dass die Vergütungsansprüche erst mit der fristlosen Kündigung enden. Aus diesem Grund könne er den Teil der Tantieme verlangen, der bis zur fristlosen Kündigung erdient worden sei. Die Tantieme stelle einen festen Vergütungsbestandteil dar, dessen Ausschluss bei unterjährigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unwirksam sei.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht im Hinblick auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht. Mit Rücksicht auf den Tantiemeanspruch hat das Landesarbeitsgericht allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Hier bleibt abzuwarten, ob das BAG, soweit dies die arbeitsvertragliche Klausel zulässt, den Tantiemeanspruch für den Fall einer berechtigten, unterjährigen, fristlosen Kündigung wegfallen lässt.

Fristlose Kündigung eines freigestellten Arbeitnehmers zulässig?

Fristlose Kündigung eines freigestellten Arbeitnehmers zulässig?

Rechtslage

Fristlose Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses sind nur dann zulässig, wenn einer der Parteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann. Grundsätzlich ist bei der arbeitgeberseitigen Zumutbarkeitsprognose auch darauf abzustellen, wie sich der Arbeitnehmer künftig verhalten wird. Ist das Arbeitsverhältnis bereits beendet und befindet sich der Kläger in der Freistellung, fällt diese Zumutbarkeitsprognose regelmäßig gegen eine fristlose Kündigung aus. Das Landesarbeitsgericht Hessen hat nunmehr zu den Voraussetzungen entschieden, unter denen auch in der Freistellung eine fristlose Kündigung zulässig ist.

Sachverhalt

Der Kläger war bei einem Kreditinstitut beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war durch Aufhebungsvertrag beendet. An seinem letzten Arbeitstag versandte der Kläger Unterlagen und Dokumente, die dem Bankgeheimnis unterlagen, an seine private Email-Adresse. Hiervon erfuhr der Arbeitgeber in der Freistellungsphase und kündigte das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, er habe die Unterlagen und Dokumente nicht an Dritte weitergeben wollen, unterlag aber vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht sah den Verstoß gegen das Bankgeheimnis als solch gravierende Pflichtverletzung arbeitsvertraglicher Pflichten an, dass es eine firstlose Kündigung in der Freistellung für zulässig erachtete. Zwar sei nicht damit zu rechnen, dass sich die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung wiederhole, die Schwere des Vertrauensbruchs, die mit einer Straftat zu Lasten des Arbeitgebers vergleichbar sei, ermögliche hier aber eine fristlose Beendigung des nicht mehr in Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnisses.

Konsequenz

Dem Grunde nach ist auch in der Freistellungsphase eines beendeten Arbeitsverhältnisses eine fristlose Kündigung (noch) möglich. Allerdings wird der Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers eine Schwere haben müssen, die mit einer nicht nur geringfügigen Straftat gegen den Arbeitgeber gleichzusetzen ist.

Fristlose Kündigung bei erheblichem Überziehen der Pausenzeiten

Fristlose Kündigung bei erheblichem Überziehen der Pausenzeiten

Rechtslage

Die Rechtsprechung zu außerordentlichen Kündigungen aufgrund von bewusst wahrheitswidrig erfasster Arbeitszeit erscheint vor dem Hintergrund jüngerer Entscheidungen, in denen (geringfügige) Straftaten nicht mehr zur fristlosen Kündigung berechtigten, „auf dem Prüfstand“ zu stehen. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte nunmehr in einem solchen Fall – allerdings in einem sicherheitsrelevanten, sensiblen Berufszweig – hierzu zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 2001 als Fluglotse beschäftigt. Während der Nachtschichten ist nach den geltenden Flugsicherungs-Vorschriften eine Besetzung des Towers mit 2 Fluglotsen vorgeschrieben. Die Pausen von je 2 Stunden müssen die Fluglotsen untereinander absprechen. Sie müssen zudem auch in der Pause erreichbar sein. Aus Videoaufzeichnungen ergab sich, dass der Kläger entgegen seinen Eintragungen im Arbeitsplatznachweis an 4 Nächten im August 2009 und in einer Nacht im September 2009 zwischen 20 und 45 Minuten länger Pause gemacht hatte. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.

Entscheidung

Anders als noch die erste Instanz hielt das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung für wirksam. Dem Kläger sei bekannt gewesen, welche Risiken entstehen können, wenn nicht genügend Fluglotsen am Platz seien. Er wusste zudem, dass es gerade deshalb 6 Wochen zuvor nachts zu einer gefährlichen Annäherung zweier Flugzeuge gekommen war. Zu Lasten des Klägers kam hinzu, dass er Arbeitsnachweise falsch ausgefüllt hatte, um so vorschriftsmäßige Pausen vorzuspiegeln. Angesichts der Schwere und möglichen Sicherheitsgefährdung sei dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen. Der Arbeitsplatz eines Fluglotsen erfordere unverzichtbar Zuverlässigkeit; der Kläger habe damit rechnen müssen, dass sein Verhalten nicht hingenommen werden würde.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend. Mit ihr wird zudem deutlich, dass es Arbeitsplätze in sensiblen Bereichen gibt, in denen Abmahnungen in der Regel nicht ausreichend wären. Ungeachtet dessen bleibt eine Einzelfallabwägung erforderlich; eine andere Entscheidung wäre beispielsweise bei nur einem oder 2 Verstößen denkbar.