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Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen und Mieten

Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen und Mieten

Kernproblem

Auf Seiten der steuerpflichtigen Gewerbetreibenden hat die wirtschaftliche Bedeutung der Gewerbesteuer seit der Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 % im Jahr 2008 sowie der gleichzeitig eingeführten Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe nochmals zugenommen. Für die Gemeinden hingegen, die durch die individuelle Festlegung des Hebesatzes die Höhe der Gewerbesteuer maßgeblich beeinflussen können, stellt die Gewerbesteuer eine wichtige Einnahmequelle dar. Die seit Jahren geführte Diskussion über eine Reform oder gar Abschaffung der Gewerbesteuer dürfte durch einen aktuellen Beschluss des Finanzgerichts (FG) Hamburg, der verfassungsrechtliche Zweifel an wesentlichen Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes äußert, neue Nahrung erhalten.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Verfahren pachtete die Klägerin die für ihren Tankstellenbetrieb wesentlichen Wirtschaftsgüter. Die Pachtzinsen wurden im Rahmen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben berücksichtigt und minderten den zu versteuernden Gewinn. Anders hingegen bei der Gewerbebesteuerung. Diese sieht eine (teilweise) Hinzurechnung u. a. von Zinsen, Mieten und Pachten vor. Diese Vorschrift hält das FG Hamburg wegen Verstoßes gegen den grundgesetzlich verankerten allgemeinen Gleichheitssatz nunmehr für verfassungswidrig.

Entscheidung

Das Gericht führt aus, dass der allgemeine Gleichheitssatz eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit gebiete, die unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts zu bestimmen sei. Erwirtschafte der Gewerbetreibende mit seinem Betrieb einen Ertrag und werde dieser besteuert, ohne Aufwendungen – wie etwa im Streitfall die Pachtzinsen – zu berücksichtigen, sei das sogenannte Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt. Ein solcher Verstoß könne zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein, allerdings erachtet das Gericht die bisher angenommenen Rechtfertigungsgründe (z. B. Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, Äquivalenzprinzip, Gleichstellung des Fremdkapitaleinsatzes mit dem Eigenkapitaleinsatz) als unzureichend.

Konsequenz

Eine endgültige Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungsvorschrift obliegt allein dem Bundesverfassungsgericht, dem die Frage zur Klärung vorgelegt wurde. Da de facto fast jeder Betrieb von dieser Hinzurechnungsvorschrift mehr oder weniger betroffen ist, ist die Entscheidung mit Spannung zu erwarten. Betroffene Steuerpflichtige sollten ein Offenhalten entsprechender Verfahren anstreben.

Bundesfinanzministerium: Keine Anerkennung der grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft

Bundesfinanzministerium: Keine Anerkennung der grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft

Grundlagen

Mit Urteil aus Februar 2011 hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine grenzüberschreitende gewerbesteuerliche Organschaft zwischen einer inländischen Untergesellschaft und einer britischen Obergesellschaft für das Streitjahr 1999 anerkannt. Zwar ergebe sich dies nicht aus dem Gesetzeswortlaut, wonach zwingende Voraussetzung für die Anerkennung einer Obergesellschaft als Organträger ist, dass diese ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Das Erfordernis einer inländischen Geschäftsleitung verstoße jedoch gegen das im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und Großbritannien vereinbarte Diskriminierungsverbot. Dieses gebiete, dass ein inländisches Unternehmen, welches von im Ausland ansässigen Anteilseignern beherrscht werde, nicht schlechter behandelt werden dürfe als ein inländerbeherrschtes Inlandsunternehmen.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil des BFH ist auf aktuelle Sachverhalte nicht unmittelbar übertragbar. Die Anerkennung einer gewerbesteuerlichen Organschaft – wie auch seit jeher die körperschaftsteuerliche Organschaft – erfordert, anders als im Streitjahr 1999, nunmehr auch den Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags. Enthält das jeweils anzuwendende DBA daher eine Diskriminierungsklausel entsprechend der des OECD-Musterabkommens, wird eine grenzüberschreitende Organschaft nur anerkannt, wenn neben den sonstigen Voraussetzungen auch ein Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen und durchgeführt wird. Ob und inwieweit das Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrags für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses wiederum den Anforderungen des Europarechts entspricht, ist derzeit noch ungeklärt.

Reaktion der Finanzverwaltung

Mit Schreiben vom 27.12.2011 hat die Finanzverwaltung erwartungsgemäß mit einem Nichtanwendungserlass auf die Entscheidung des BFH reagiert. Demnach ist das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelsachverhalt hinaus anzuwenden.

Konsequenz

Die Europatauglichkeit der aktuellen Organschaftsregelungen ist eines der umstrittensten Themen des internationalen Steuerrechts. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, wie auch das aktuelle Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission zeigt. In diesem äußert die Kommission europarechtlichen Bedenken gegen das Erfordernis des doppelten Inlandsbezugs von Organgesellschaften, wonach diese sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung in Deutschland haben müssen. Fraglich ist, ob diese Bedenken durch ein im März 2011 veröffentlichtes Schreiben des Bundesfinanzministeriums beseitigt sind. Aufgrund der hohen Komplexität der Materie sowie der sich ständig weiterentwickelnden Rechtsgrundsätze sollte in der Praxis in Fällen von grenzüberschreitenden Organschaften stets die Heranziehung eines steuerlichen Beraters erwogen werden.