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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist gegen die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften

FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.2.2013, 1 K 2850/11

Tenor

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist gegen die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Abs. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) zu gewähren ist.
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Der Kläger ist Rentner, geschieden und – jedenfalls nach deutschem Recht – nicht wieder verheiratet. Er erwarb im Mai des Streitjahres (2005) ein Grundstück in X zum Kaufpreis von 40.000 EUR und veräußerte es noch im September des Streitjahres wieder, wobei er einen Veräußerungserlös von 82.500 EUR erzielte. Nachdem er für das Streitjahr trotz Aufforderung des beklagten Finanzamts (des Beklagten) keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, wurde der Kläger durch Bescheid vom 18. Juni 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer für 2005 veranlagt.
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Unter dem 8. September 2009 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005, in dem er weitere Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften – nämlich erstmals resultierend aus dem Verkauf des Grundstücks in X – in Höhe von 42.500 EUR in Ansatz brachte und die Steuer entsprechend heraufsetzte. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte zugleich auf. Der Bescheid wurde automatisiert erstellt, an den Kläger unter dessen Anschrift in Y adressiert und noch am gleichen Tag zur Post gegeben.
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Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 – beim Beklagten eingehend am gleichen Tag – legte der Kläger über seine damalige Steuerbevollmächtigte gegen den geänderten Bescheid Einspruch ein und bat zugleich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu ließ er vortragen, er habe sich vom 20. August 2009 bis zum 14. Dezember 2009 in Z / Asien befunden und den Bescheid erst am 15. Dezember 2009 erhalten. Er habe einen Bekannten, nämlich Herrn B aus W, damit beauftragt, für die Zeit seiner Abwesenheit seine Post zu verwalten. Herr B habe einen Schlüssel zur Wohnung und zu seinem Briefkasten gehabt und ihn – den Kläger – regelmäßig ein- bis zweimal pro Woche über den aktuellen Stand der Post informiert. Leider habe Herr B dabei die Post des Beklagten übersehen. Zum Nachweis seines Aufenthalts in Z / Asien legte der Kläger eine Farbkopie seines Reisepasses vor, aus der sich zwei auf den 17. November 2009 und auf den 14. Dezember 2009 datierte Stempel sowie ein weiterer Stempel mit den beiden Daten: „17. Nov. 2009“ und „16. Dec. 2009“ ersehen lassen.
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Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens beantwortete der Kläger die Frage des Beklagten nach der Bedeutung der Stempelangaben auf den 17. November 2009 und auf den 16. Dezember 2009 nicht. Zugleich übergab er eine Stellungnahme des Herrn B, derzufolge dieser die Post für den Kläger überwacht und verwaltet haben will; ein Brief des Beklagten sei – so Herr B – während der Zeit, in der er in dieser Weise tätig geworden sei, „nicht dabei gewesen“. In der Sache selbst bezifferte der Kläger die „Grundsanierungs- und Renovierungskosten“ für das Objekt in X mit Schreiben vom 12. März 2010 auf „etwa 30 000 Euro“.
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Mit Bescheid vom 25. Oktober 2010 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für 2005 unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erneut und behandelte weitere, ihm zwischenzeitlich bekannt gewordene Renteneinkünfte des Klägers als steuerpflichtig. Hiergegen legte der Kläger durch seine späteren Prozessbevollmächtigten am 16. November 2010 gleichfalls Einspruch ein. Durch die Bevollmächtigten ließ er zudem vortragen, er habe nicht mit einer Übersendung eines Einkommensteuerbescheids für 2005 während seines Aufenthalts in Z / Asien im Jahre 2009 rechnen müssen. Außerdem habe es sich bei Herrn B nicht um seinen Vertreter, sondern um eine bloße Hilfsperson gehandelt, deren mögliches Verschulden er sich nicht zurechnen lassen müsse. Der Bescheid vom 8. September 2009 habe sich mittlerweile „erledigt“.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 behandelte der Beklagte den Einspruch vom 16. November 2010 als Gegenstand des bereits anhängigen Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009. Zugleich verwarf er den Einspruch „wegen Einkommensteuer 2005“ als unzulässig. Der Einspruch sei verspätet. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Es stehe nicht fest, dass der Kläger sich tatsächlich in der Zeit von August 2009 bis Dezember 2009 durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe. Einen Einreisestempel in seinem Reisepass für seine Einreise nach Z / Asien habe der Kläger trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Auch die beiden Stempelaufdrucke auf den 17. November 2009 habe er – ebenfalls trotz Aufforderung – nicht erläutert.
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Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 9. August 2011 erhobene und beim Finanzgericht (FG) am 11. August 2011 eingegangene Klage. Mit ihr verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung lässt er ausführen, dass er in Z / Asien mit seiner von ihm nach z-ischen Recht geheirateten Ehefrau lebe, so dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass er sich im Herbst 2009 nicht durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe. An der auf dem Grundstück in X befindlichen Immobilie habe er – der Kläger – erhebliche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten durchgeführt.
9
Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Einkommensteuer für 2005 unter Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 auf den Betrag herabzusetzen, der sich bei Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 12.500 EUR anstelle von 42.500 EUR ergibt.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er beruft sich auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend meint er, auch in der Sache selbst habe der Kläger einen Nachweis der behaupteten Renovierungsarbeiten nicht erbracht.
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Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids mit Beschluss vom 23. April 2012 – 1 V 238/12 (nicht veröffentlicht) abgelehnt. Mit Beschluss vom 4. Februar 2013 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

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1. Das Gericht konnte in dem Rechtsstreit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 durch Urteil entscheiden, obwohl der Kläger im Termin nicht persönlich anwesend und auch nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war.
14
Der Kläger war über seine früheren Prozessbevollmächtigten  zur mündlichen Verhandlung mit Telefax vom 4. Februar 2013 gegen Empfangsbekenntnis unter Wahrung der zweiwöchigen Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –) ordnungsgemäß geladen worden. Die früheren Prozessbevollmächtigten hatten die Zustellung der Ladung unter Angabe des Empfangsdatums 6. Februar 2013 mit Telefax vom 7. Februar 2013 gegenüber dem Gericht bestätigt. Die spätere Mitteilung der früheren Prozessbevollmächtigten, der Kläger werde von ihnen nicht mehr vertreten, hatte auf die Wirksamkeit der Ladung keinen Einfluss, da sie dem Gericht gegenüber erst am 8. Februar 2013 und damit nach Bewirkung der Ladung zum Termin erfolgt ist  (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 22. März 1994 – X R 66/93, BFH/NV 1994, 499, und vom 18. August 2009 – X B 14/09, Zeitschrift für Steuern und Recht – ZSteu – 2009, R1144). Darauf, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne, war die Klägerseite in der Ladung zum Termin vom 4. Februar 2013 auch ausdrücklich hingewiesen worden (§ 91 Abs. 2 FGO). Außerdem hat das Gericht den Kläger persönlich durch Schreiben vom 15. Februar 2013 – das ihm mit Postzustellungsurkunde am 20. Februar 2013 übermittelt worden ist – nochmals von dem bevorstehenden Termin und den Folgen des § 91 Abs. 2 FGO in Kenntnis gesetzt.
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2. Die Klage ist unbegründet.
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Der Einkommensteuerbescheid vom 25. Oktober 2010, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 8. September 2009 ersetzt hat, kann in dem hier streitbefangenen Punkt der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht zugunsten des Klägers geändert werden. Denn die Entscheidung des Beklagten, die Einkommensteuerfestsetzung vom 8. September 2009 als bestandskräftig zu behandeln und den gegen sie gerichteten Einspruch als unzulässig zu verwerfen (§ 358 Satz 2 AO), ist rechtmäßig. Der Einspruch war verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war dem Kläger nicht zu gewähren.
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a) Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der – wie vorliegend der Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009 – durch die Post im Inland übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am dritten Tage nach seiner Aufgabe zur Post bekanntgegeben. War der Einspruchsführer ohne sein Verschulden verhindert, die sich daraus ergebende Einspruchsfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO), wobei das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Dieser Wiedereinsetzungsantrag ist – wie auch die versäumte Einlegung des Einspruchs – nach § 110 Abs. 2 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
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b) Dies vorausgeschickt, war der erst am 14. Januar 2010 eingegangene Einspruch offenkundig verspätet. Denn die Monatsfrist zu dessen Einlegung begann mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 8. September 2009 am Freitag, den 11. September 2009 und endete damit – weil der 11. Oktober 2009 auf einen Sonntag fiel – am Montag, den 12. Oktober 2009 (§ 108 Abs. 3 AO). Der erfolgten Bekanntgabe steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich – wie er vorträgt – während dieses Zeitraums durchgehend nicht in Y, sondern bei seiner Lebensgefährtin in Z / Asien aufgehalten haben will. Denn es genügt, dass der Verwaltungsakt derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich ist und dass sie unter gewöhnlichen Umständen auch erwartet werden kann (vgl. Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 10. Aufl., § 122 Rz. 6). Diese Voraussetzungen sind regelmäßig erfüllt, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wird, und zwar insbesondere dann, wenn der in einem gewöhnlichen Brief enthaltene Bescheid – wie hier – in einen für den Adressaten – hier: den Kläger – bestimmten Briefkasten eingeworfen wird. Auch dass der Bekanntgabeempfänger am Ort der Bekanntgabe den räumlichen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat, erfordert eine wirksame Bekanntgabe nicht (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 6. März 1990 – VIII R 141/85, BFH/NV 1991, 71). Gleichfalls unerheblich ist, ob der Betroffene den Bescheidinhalt tatsächlich zur Kenntnis nimmt (Brockmeyer in Klein, a. a. O.).
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c) Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies würde – wie dargelegt – sowohl ein fehlendes Verschulden des Klägers am Versäumen der Einspruchsfrist (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO) als auch einen Wegfall des Hinderungsgrunds nicht vor dem 14. Dezember 2009 (§ 110 Abs. 2 AO) voraussetzen. Für beide Umstände war der Kläger darlegungs- und nachweispflichtig. Letzteres ist im gesamten Verlauf des Verwaltungs- und des Klageverfahrens nicht geschehen, obwohl die genannten Erfordernisse dem Kläger spätestens aufgrund des Senatsbeschlusses vom 23. April 2012 – 1 V 238/12 (über die Ablehnung der AdV) hinlänglich bekannt waren.
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aa) Der Senat folgt dem Beklagten darin, dass die Behauptung allein, sich vom 20. August 2009 bis zum 14. Dezember 2009 in Z / Asien aufgehalten zu haben, nicht zur Widerlegung der Vermutung ausreicht, dass der Antragsteller seine Wohnung in Y in der Zwischenzeit nicht doch wenigstens einmal aufgesucht hat. War dies aber der Fall, so ist der Hinderungsgrund für das Versäumen der Einspruchsfrist bereits zu diesem Zeitpunkt fortgefallen, so dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet war (§ 110 Abs. 2 AO). Der Kläger hat trotz mehrfacher Aufforderung nicht erläutert, welche Aussage dem auf den 17. November 2009 datierten Stempelaufdruck in seinem Reisepass zuzumessen war. Auch hat er den Reisepass im gesamten Verfahren nicht im Original, sondern nur einzelne Seiten daraus in Fotokopie vorgelegt, so dass dem Beklagten wie auch dem Gericht ein lückenloses Nachvollziehen des vorgeblichen Auslandsaufenthalts im streitrelevanten Zeitraum nicht möglich war. Die damit einhergehende Beweisvereitelung hat der Kläger zu vertreten. Die beiläufige Bemerkung im Klageverfahren, es gebe wegen der Beziehung zu seiner thailändischen Lebensgefährtin keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich nicht durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe, ist zu unbestimmt, als dass sie zum Nachweis des Gegenteils ausreichen würde.
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bb) Der Kläger hat daneben auch nicht hinreichend dargelegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten.
22
Mit dem bloßen Hinweis, er habe sich auf einer viermonatigen Auslandsreise nach Z / Asien befunden, ist das Versäumnis nicht entschuldigt. Jedenfalls bei längerer Abwesenheit entspricht es dem allgemeinen Sorgfaltsgebot bei Teilnahme am Rechtsverkehr, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass man von behördlichen Zustellungen Kenntnis erhält und Fristen gewahrt werden (BFH-Beschluss vom 30. März 2006 – VIII B 197/05, BFH/NV 2006, 1487). Das trifft insbesondere für Personen zu, die sich – wie der Kläger – oft oder länger auf Auslandsreisen befinden und bei denen die Abwesenheit von der Wohnung zur Regel wird (BFH-Urteil vom 12. August 1986 – VII R 202/83, BFH/NV 1988, 89).
23
Zwar trägt der Kläger vor, durch Beauftragung des Herrn B mit der Verwaltung seiner im Abwesenheitszeitraum eingehenden Post eine solche Maßnahme getroffen zu haben. Auch ist ihm darin zu folgen, dass im Falle einer solchen Beauftragung das mögliche Verschulden des Herrn B ihm – dem Kläger – nicht über § 110 Abs. 1 Satz 2 AO als eigenes Verschulden zuzurechnen wäre, weil Herr B – der, anders als etwa ein Prozessbevollmächtigter, nicht aufgrund eines entgeltlichen Auftragsverhältnisses, sondern aus bloßer Gefälligkeit tätig geworden ist – insoweit nicht als „Vertreter“, sondern nur als eine sog. „Hilfsperson“ anzusehen gewesen wäre (BFH-Entscheidungen vom 11. Januar 1983 – VII R 92/80, BFHE 137, 399, BStBl II 1983, 334, und vom 23. Oktober 2001 – VIII B 51/01, BFH/NV 2002, 162). Darum geht es hier indessen nicht, da im Streitfall kein fremdes, sondern ein eigenes Verschulden des Klägers vorgelegen hat.
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Dieses eigene Verschulden des Klägers ergibt sich aus der – nicht sachgerechten – Hinzuziehung einer dafür nicht geeigneten Hilfsperson. Ein solches Verschulden bei der Auswahl der Hilfsperson folgt daraus, dass der mit der Kontrolle der Eingangspost beauftragte Herr B nicht in der Wohnung in Y anwesend war. Weil der Beauftragte in W und nicht in Y wohnhaft gewesen ist, hätte es für eine sachgerechte Vorkehrung einer Vereinbarung bedurft, wonach die Hilfsperson die Wohnung in Y turnusmäßig aufsuchen sollte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 162). Eine solche Regelmäßigkeit der Kontrolle der Wohnung in Y auf eingegangene Postzustellungen ist aber nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar. Dies entnimmt das Gericht dem Umstand, dass der im September 2009 erstellte Einkommensteuerbescheid für 2005 während der Zeit, in der Herr B den Posteingang überwacht haben will, „nicht dabei gewesen“ ist und somit während des ganzen Zeitraums von Mitte September 2009 bis Mitte Dezember 2009 keine Nachschau durch Herrn B mehr erfolgt sein kann.
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3. Die Klage war damit im Streitpunkt der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften abzuweisen. Davon unberührt bleibt die Frage, ob die zuletzt angefochtene Einkommensteuerfestsetzung vom 25. Oktober 2010, die den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 8. September 2009 ersetzt hat, daneben noch in einzelnen anderen Punkten zugunsten des Klägers abgeändert werden kann. Darüber war im Rahmen des hier anhängigen Klageverfahrens nicht zu entscheiden.
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a) Denn anders als der Beklagte bei Abfassung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 angenommen hat, ist der Bescheid vom 25. Oktober 2010 nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009 geworden.
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Letzteres ist zwar nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch voraus, dass der vorher eingelegte Einspruch nicht – etwa, wie im Streitfall, wegen Verfristung – unzulässig war, denn die Norm verfolgt den Zweck zu verhindern, dass der Rechtsbehelfsführer ohne Einlegung eines erneuten Rechtsbehelfs aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren hinausgedrängt wird, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird (Brockmeyer in Klein, a. a. O., § 365 Rz. 6). Dass § 365 Abs. 3 Satz 1 AO von einem zulässigen Einspruch gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt ausgeht, ergibt sich auch aus § 358 Satz 2 AO. Denn die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung, hinsichtlich derer der Finanzbehörde kein Ermessen eingeräumt ist. § 358 Satz 2 AO aber lässt auf einen „verfristeten“ Einspruch keine andere als die vorgeschriebene Entscheidung („ist als unzulässig zu verwerfen“) zu (BFH-Urteil vom 13. April 2000 – V R 56/99, BFHE 191, 491, BStBl II 2000, 490). Dies hat im Ergebnis im Übrigen auch der Beklagte noch mit Schreiben an die Bevollmächtigten des Klägers vom 24. Januar 2011 zutreffend so gesehen.
28
b) Daraus folgt, dass sich der Bescheid vom 8. September 2009 keineswegs – wie der Kläger meint – durch den nachfolgenden Bescheid vom 25. Oktober 2010 „erledigt“ hat. Die Einkommensteuerfestsetzung vom 8. September 2009 ist vielmehr, wie im Rahmen des hier anhängigen Klageverfahrens entschieden worden ist, bestandskräftig geworden. Zugleich wird der Beklagte – sofern noch nicht geschehen – über den (zulässigen) Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 25. Oktober 2010 noch in der Sache zu entscheiden haben. In diesem Einspruchsverfahren werden die Beteiligten indessen zu beachten haben, dass gemäß § 351 Abs. 1 AO Verwaltungsakte, die – wie der Bescheid vom 25. Oktober 2010 – unanfechtbare Verwaltungsakte – wie hier den Bescheid vom 8. September 2009 – ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht. Dies bedeutet, dass der Kläger mit seinem Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 25. Oktober 2010 auf die Einwendung beschränkt ist, die dort erstmals besteuerten Renteneinkünfte seien fehlerhaft erfasst oder die Änderungsnorm des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht zutreffend angewendet worden.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.