Vorläufiger Rechtsschutz gegen Verlustabzugsbeschränkung gem. § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG gewährt

Der 2. Senat hatte mit Beschluss vom 29. August 2017 (2 K 245/17) dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt hat, ob § 8c Satz 2 KStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (jetzt § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG) verfassungswidrig ist. Nach § 8c Satz 2 KStG a.F. entfällt der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft vollständig, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft übertragen werden. Im Anschluss daran hat der 2. Senat jetzt wegen jener Verfassungsfrage auch vorläufigen Rechtsschutz gewährt. Es widerspricht damit der gegenwärtigen Verwaltungspraxis (im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 15. Januar 2018, BStBl I 2018, 2, dort unter V. i.V.m. Abschnitt B der Anlage), wonach für eine Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden, die auf Basis des § 8c Satz 2 (§ 8c Abs. 1 Satz 2) KStG ergangen sind, kein Grund besteht.

Auch wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugt ist und deshalb das BVerfG anruft, ist zwar nicht automatisch auch die Vollziehung des angefochtenen Be-scheides auszusetzen. Denn bis zur endgültigen Entscheidung ist offen, ob das BVerfG die Norm, derentwegen es angerufen wird, tatsächlich für nichtig erklärt, und wenn ja, mit wel-chen Folgen, lediglich mit Wirkung für die Zukunft oder aber rückwirkend. Weil ein formell verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz zunächst grundsätzlich weiterhin anzu-wenden ist, muss die Interessenlage des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen das öffentliche, vornehmlich haushalterische Interesse abgewogen werden.

Das FG Hamburg hat dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hier den Vorrang eingeräumt. Im Rahmen der für die Aussetzungsentschei-dung maßgeblichen „summarischen Prüfung“ sei eher zu erwarten, dass § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG nicht nur für die Zukunft, sondern auch rückwirkend für nichtig erklärt werde. Es liege insoweit nicht anders als bezogen auf die Vorschrift des § 8c Satz 1 (bzw. Abs. 1 Satz 1) KStG, die bei Anteilsübertragungen von mehr als 25% einen quotalen Verlustuntergang an-ordnet. Das BVerfG hat durch Beschluss vom 29. März 2017 (2 BvL 6/11) entschieden, dass diese Rechtsfolge mit dem Grundgesetz unvereinbar ist und dass die festgestellte Unverein-barkeit vorbehaltlich einer gesetzlichen Nachbesserung bis spätestens zum 31. Dezember 2018 rückwirkend eintritt. Das Fiskalinteresse, das der Gesetzgeber seinerzeit bei Einführung von § 8c KStG mit einer jährlichen Haushaltswirkung von 1,45 Mrd. Euro angegeben hatte, ändert in Anbetracht dessen an der Rückwirkung aus Sicht des FG Hamburg nichts.

Beschluss vom 11. April 2018 (2 V 20/18), die Beschwerde wurde nicht zugelassen.

Finanzgericht Hamburg Newsletter 2/2018