Wohnsitzwechsel in niedrig besteuernde Gebiete: Steuerliche Implikationen und Pflichten

Ein Wohnsitzwechsel in ein niedrig besteuerndes Gebiet kann attraktive Steuerersparnisse mit sich bringen. Doch deutsche Steuerpflichtige, die diesen Schritt wagen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass das deutsche Steuerrecht eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht vorsieht, die erhebliche steuerliche Pflichten mit sich bringt. In diesem Beitrag erläutern wir die wesentlichen Regelungen und Konsequenzen eines solchen Wohnsitzwechsels gemäß dem Außensteuergesetz (AStG).

1. Anwendungsbereich der erweiterten beschränkten Steuerpflicht

1.1 Voraussetzungen

Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht greift für Personen, die ihren Wohnsitz in ein niedrig besteuerndes Gebiet verlegt haben und nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland sind. Dies betrifft insbesondere Steuerpflichtige, die wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland behalten und deren neuer Wohnsitz in einem Gebiet liegt, in dem die Steuerbelastung deutlich niedriger ist als in Deutschland.

Die erweiterten Regelungen gelten ab dem Jahr, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht endet, und für die folgenden zehn Jahre, sofern der Steuerpflichtige während dieses Zeitraums weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat und in einem niedrig besteuernden Gebiet ansässig ist.

1.2 Wechsel der Steuerpflicht

Sollte der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz zunächst in ein nicht niedrig besteuerndes Gebiet und später in ein niedrig besteuerndes Gebiet verlegen, kann die Steuerpflicht wechseln. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige von einer regulären beschränkten Steuerpflicht in die erweiterte beschränkte Steuerpflicht wechseln kann.

2. Steuerliche Auswirkungen bei Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

2.1 Grundlegende Regelungen

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) können die erweiterte beschränkte Steuerpflicht beeinflussen. Grundsätzlich haben DBA Vorrang vor den Regelungen des § 2 AStG. Sofern ein DBA dem anderen Staat das ausschließliche Besteuerungsrecht zuspricht, sind diese Einkünfte auch bei der erweiterten beschränkten Steuerpflicht von der deutschen Besteuerung auszunehmen, wobei der Progressionsvorbehalt greift.

2.2 Spezialregelungen für die Schweiz und Italien

Besondere Regelungen bestehen beispielsweise für Steuerpflichtige, die in der Schweiz ansässig sind. In diesen Fällen kann Deutschland in den ersten fünf Jahren nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland weiterhin inländische Einkünfte und Vermögen besteuern, ungeachtet der Bestimmungen des DBA-Schweiz.

Für Italien gelten ähnliche Regelungen, jedoch ohne zeitliche Begrenzung. Deutsche Staatsangehörige, die der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen und in Italien ansässig sind, können weiterhin für inländische Einkünfte nach deutschem Steuerrecht besteuert werden.

3. Persönliche Voraussetzungen und Umfang der Steuerpflicht

3.1 Unbeschränkte Steuerpflicht in den letzten zehn Jahren

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht ist, dass der Steuerpflichtige in den letzten zehn Jahren vor Beendigung seiner unbeschränkten Steuerpflicht mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland war. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Personen, die Deutschland verlassen, nicht durch kurzfristige Steueroptimierungen entlastet werden.

3.2 Ansässigkeit und Einkünfte

Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht setzt weiterhin voraus, dass der Steuerpflichtige in einem niedrig besteuernden Gebiet ansässig ist oder in keinem anderen ausländischen Gebiet ansässig ist. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Einkünfte, die in Deutschland nicht der Steuer unterliegen würden, im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht erfasst werden.

4. Niedrige Besteuerung und Vorzugsbesteuerung

4.1 Kriterien für niedrige Besteuerung

Ein ausländisches Gebiet gilt als niedrig besteuernd, wenn die dort erhobene Einkommensteuer um mehr als ein Drittel niedriger ist als die in Deutschland anfallende Steuer. Nach aktuellem Stand (2021) liegt diese Schwelle bei einem ausländischen Steuersatz von weniger als 20,08 Prozent bei einem Einkommen von 77.000 Euro.

4.2 Vorzugsbesteuerung

Eine wesentliche Vorzugsbesteuerung liegt vor, wenn das ausländische Gebiet spezielle Steuervergünstigungen gewährt, die die allgemeine Besteuerung erheblich unterschreiten. Dies kann durch Steuererlasse, besondere Steuerverträge oder andere Vergünstigungen erfolgen, die bestimmte Einkünfte bevorzugen.

5. Wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen

Steuerpflichtige, die wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland behalten, unterliegen weiterhin der erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Diese wirtschaftlichen Interessen umfassen neben inländischen Einkünften auch bestimmte Vermögenswerte, wie z.B. Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren, die von inländischen Schuldnern gezahlt werden.

6. Verfahrensfragen und Ermittlung des zu versteuernden Einkommens

Steuerpflichtige, die der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen, müssen eine Steuererklärung abgeben, die sämtliche im Kalenderjahr erzielten Einkünfte umfasst. Der Steuersatz wird dabei auf Grundlage des Welteinkommens ermittelt, was bedeutet, dass auch ausländische Einkünfte zur Bestimmung des deutschen Steuersatzes herangezogen werden können.

Fazit

Ein Wohnsitzwechsel in ein niedrig besteuerndes Gebiet kann erhebliche steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht stellt sicher, dass Personen, die weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland haben, auch nach ihrem Wegzug steuerlich erfasst werden. Es ist daher entscheidend, die steuerlichen Implikationen eines solchen Schrittes sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und steuerliche Risiken zu minimieren.

Für eine individuelle Beratung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Lassen Sie uns gemeinsam sicherstellen, dass Ihr Wohnsitzwechsel steuerlich optimal gestaltet wird.