Zu den gewerbesteuerlichen Folgen der Verletzung einer Sperrfrist gem. § 22 Abs. 2 UmwStG

Der Einbringungsgewinn II gem. § 22 Abs. 2 UmwStG unterliegt dann nicht der GewSt, wenn die Einbringung der GmbH-Anteile zum gemeinen Wert nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre.

Mit dem Urteil des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 21. März 2018 ist – soweit ersichtlich – erstmals eine Entscheidung zu den gewerbesteuerlichen Folgen der Verletzung einer Sperrfrist gem. § 22 Abs. 2 UmwStG ergangen.

Die Klägerin war durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der A GmbH & Co. KG (A-KG) geworden. An der A-KG waren die C-GmbH als Komplementärin ohne Kapitaleinlage und die Eheleute E und G mit einer Kapitaleinlage i. H. v. je 25,5 % sowie die I-GmbH mit einer Kapitaleinlage i. H. v. 49 % als Kommanditisten beteiligt. Auch an der C-GmbH waren E und G zu je 25,5 % und die I-GmbH zu 49 % beteiligt. Daneben hielten E, G und die I-GmbH im selben Beteiligungsverhältnis Anteile an der K-GmbH. Die Anteile an der C-GmbH und an der K-GmbH stellten notwendiges Sonderbetriebsvermögen II der Kommanditisten dar. Im März 2010 gründeten E und G die M-GmbH, deren Geschäftsanteile sie zu jeweils 50 % hielten. Im Mai 2010 brachten E und G ihre Anteile an der A-KG, der C-GmbH und der K-GmbH zum Buchwert – bezüglich des Kapitalkontos der Ergänzungsbilanz der A-KG zum Zwischenwert – gegen Gewährung neuer Gesellschaftsanteile gem. § 20 UmwStG in die M-GmbH ein. Außerdem legten sie Optionsrechte betreffend die genannten Beteiligungen in die M-GmbH ein, die aus einem bereits im Jahr 2005 geschlossenen Optionsvertrag resultierten. Daraus ergab sich insbesondere das Recht für E und G, ihre Gesellschaftsanteile mit Wirkung auf den 30.06.2010 der I-GmbH zu einem bestimmten Preis anzudienen (sog. Put-Option). Die M-GmbH übte die Optionsrechte aus und veräußerte die Kommanditanteile an der A-KG sowie die eingebrachten Geschäftsanteile an der C-GmbH und der K-GmbH an die I-GmbH. Aus der Veräußerung der Anteile an der K-GmbH ergab sich ein Einbringungsgewinn II i. H. v. ca. 2.500.000 Euro. Diesen erfasste das FA unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. § 3 Nr. 40 EStG zu 60 % als gewerbesteuerpflichtigen Gewinn der Klägerin bei der Festsetzung des GewSt-Messbetrags für 2010 und berief sich in seiner Argumentation ausdrücklich auf Tz. 22.13 des BMF-Schreibens vom 11. November 2011 (BStBl I 2001 S. 1314). Daraus ergebe sich, dass der Einbringungsgewinn II zum Gewerbeertrag gehöre.

Dieser Sichtweise ist der 1. Senat in seiner Entscheidung entgegengetreten. In dem der Gewerbebesteuerung zu unterwerfenden Gewerbeertrag sei nur der Gewinn aus dem laufenden Gewerbebetrieb zu erfassen, während Gewinnbestandteile, die durch dessen Aufgabe oder Veräußerung entstanden seien, unberücksichtigt blieben, weil sie dem Wesen der GewSt als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer widersprächen. Der Einbringungsgewinn II i. S. d. § 22 Abs. 2 UmwStG sei kein laufender Gewinn und gehöre damit nicht zum Gewerbeertrag der Klägerin. Das UmwStG enthalte selbst keine Aussage darüber, ob der Einbringungsgewinn II in den Gewerbeertrag einzubeziehen sei. Insbesondere lasse sich eine solche nicht der in § 22 Abs. 2 UmwStG enthaltenen Formulierung entnehmen, dass es sich bei dem Einbringungsgewinn II um einen „Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung von Anteilen“ handele. Denn aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass dadurch nicht eine gesonderte Zuordnung des Gewinns geregelt werden solle; diese sollte sich vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften richten. Dementsprechend sei der Einbringungsgewinn II gewerbesteuerlich so zu behandeln, wie eine Anteilseinbringung zum gemeinen Wert im Einbringungszeitpunkt zu versteuern gewesen wäre.

Danach sei der Einbringungsgewinn II vorliegend nicht dem Gewerbeertrag zuzurechnen, denn die eingebrachten Anteile an der K-GmbH seien als notwendiges Sonderbetriebsvermögen II Bestandteil der vollständig veräußerten Mitunternehmerschaft der Eheleute E und G an der A-KG gewesen. Da in den Gewerbeertrag insb. die nach dem ESt-Recht mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuernden Veräußerungsgewinne nicht einzubeziehen seien, wäre auch eine direkte Veräußerung der gesamten Mitunternehmerschaft zum gemeinen Wert für E und G nicht der GewSt zu unterwerfen gewesen. Denn zu den Bestandteilen des begünstigten Veräußerungsgewinns zählten auch solche, die zwar einkommensteuerrechtlich keine Veräußerungs- oder Aufgabegewinne darstellten, die aber doch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe stehen und daher keinen „laufenden“ Gewinn darstellten. Das gelte nach der BFH-Rechtsprechung, der zu folgen sei, auch für Gewinne aus der Veräußerung einer im Sonderbetriebsvermögen II eines Mitunternehmers gehaltenen Beteiligung an einer GmbH (vgl. das BFH-Urteil vom 3. April 2008 IV R 54/04, BStBl II 2008, 742). Der erforderliche unmittelbare Zusammenhang sei dabei – wie hier – immer dann zu bejahen, wenn die Anteilsveräußerung Teil des einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs der Betriebsveräußerung oder -aufgabe bzw. der Veräußerung oder Aufgabe des Mitunternehmeranteils sei, welche zur Einstellung der werbenden Tätigkeit des Unternehmens führe (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 2015 IV R 4/13, BStBl II 2016, 544).

Gegen diese Sichtweise sprächen nicht die unterschiedlichen Formulierungen in § 22 Abs. 1 UmwStG einerseits und in Abs. 2 der Norm andererseits. Diese beruhten auf der unterschiedlichen ertragsteuerlichen Behandlung der jeweils geregelten Vorgänge und hätten keine Bedeutung für ihre gewerbesteuerliche Beurteilung. Sinn und Zweck der §§ 20 ff. UmwStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sei es, im Interesse der Erleichterung von Unternehmensumstrukturierungen ein einheitliches und EU-konformes System für die steuerliche Behandlung von Einbringungsfällen zu schaffen (nachträgliche Einbringungsgewinnbesteuerung), das Doppelbesteuerungen von stillen Reserven weitgehend vermeidet. Es solle jedoch auch weiterhin sichergestellt werden, dass die im Zeitpunkt der Betriebseinbringung oder des Anteilstauschs aufgelaufenen und auf die Anteile der übernehmenden Gesellschaft übertragenen stillen Reserven bei einer Veräußerung der Anteile innerhalb der Sperrfrist letztlich im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile der (vollen) Besteuerung unterliegen (vgl. BT-Drucks. 16/2710 S. 42). Dementsprechend solle § 22 Abs. 1 UmwStG dazu dienen, eine als ungerechtfertigt angesehene Flucht in das Teileinkünfteverfahren zu vermeiden: durch die Erfassung des Einbringungsgewinns II werde bewirkt, dass bei der Einlage von Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft. und die nachfolgende Veräußerung der Anteile an derselben keine Statusverbesserung von einer Besteuerung gem. § 16 EStG zu einer Teileinkünftebesteuerung erfolge. Letzteres wäre aber auch bei einer direkten Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen durch eine natürliche Person einschlägig. Ziel des § 22 Abs. 2 UmwStG sei es daher, eine „Flucht“ in das körperschaftsteuerliche Freistellungsverfahren gem. § 8b KStG zu verhindern.

Dieser Sichtweise stehe nicht entgegen, dass durch die Anwendung der Siebtel Regelung nicht zwangsläufig sämtliche stillen Reserven in den (Mitunternehmer-)Anteilen aufgedeckt würden. Vorliegend ergebe sich das schon daraus, dass die Weiterveräußerung bereits im ersten Jahr nach der Einbringung erfolgt sei. Hinweise auf eine missbräuchliche Vorgehensweise i. S. d. § 42 AO lägen nicht vor.

Der 1. Senat hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 13/18 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 02.07.2018 zum Urteil 1 K 1/16 vom 21.03.2018 (nrkr – BFH-Az.: I R 13/18)