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Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid über Hinterziehungszinsen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die hinterzogene Steuer für Zwecke der Berechnung der Hinterziehungszinsen zutreffend ermittelt. |
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Gemäß § 235 Abgabenordnung (AO) sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Hinterzogene Steuer in diesem Sinne ist die Steuer, welche das Finanzamt bei zutreffender Kenntnis der Sachlage festgesetzt hätte. Der Steuerbescheid ist insoweit kein Grundlagenbescheid; vielmehr ist für Zwecke der Berechnung der Hinterziehungszinsen die materiell zutreffende Steuer zu ermitteln (vgl. BFH, Urteil vom 28. März 2012 – II R 39/10 –, BFHE 238, 208, BStBl II 2012, 712, Rn. 21; Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung 07.2017, § 235 AO, Rn. 28; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 148. Lieferung 04.2017, § 235 AO, Rn. 9). |
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Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Hinterziehungszinsen keine Bedenken, da der Beklagte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und somit die Bemessungsgrundlage für die Hinterziehungszinsen zutreffend ermittelt hat. Denn bei zutreffender Kenntnis der Sachlage zum Zeitpunkt der Veranlagung – und nur auf diesen Zeitpunkt kommt es an – hätte der Beklagte – anders als im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, 5 EStG – die Umsatzsteuer mangels Zahlung aufgrund von § 11 EStG nicht einkünftemindernd berücksichtigen dürfen. |
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Für eine gewinnmindernde Berücksichtigung von (fiktiver) Umsatzsteuer als „Ausgabe“ besteht keine Rechtsgrundlage. Ebenso wenig besteht eine Rechtsgrundlage für eine allenfalls denkbare Berücksichtigung als „fiktive“ Werbungskosten. Vielmehr ist im Rahmen der Überschusseinkünfte die abgeführte Umsatzsteuer gemäß § 11 EStG erst zum Zeitpunkt ihrer Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig. |
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Entgegen der Auffassung der Klägerin führt auch das von ihr zitierte Urteil des BFH vom 28. März 2012 II R 39/10 zu keiner anderen Beurteilung. Nach dieser Entscheidung ist der Steuerbescheid kein Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Vielmehr ist im Rahmen der Festsetzung der Hinterziehungszinsen eigenständig der Betrag der hinterzogenen Steuer (erneut) zu ermitteln. Hieraus folgt indes lediglich, dass für Zwecke der Festsetzung von Hinterziehungszinsen erneut Einwendungen gegen die Höhe der (gegebenenfalls bestandskräftig festgesetzten) hinterzogenen Steuer vorgebracht werden können (vgl. Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 40/2012 Anm. 3). In dem vom BFH entschiedenen Fall ging es darum, dass das FG eine unzutreffende materiell steuerrechtliche Würdigung der Ermittlung der hinterzogenen Beträge zugrunde gelegt hatte. Im vorliegenden Fall ist die Steuerberechnung jedoch unstreitig zutreffend. |
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An dieser Beurteilung ändert auch die Erwägung, dass in Fällen, in denen die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG erfolgt, Umsatzsteuernachzahlungen aufgrund einer Steuerhinterziehung durch eine Rückstellung gewinnmindernd berücksichtigt werden könnten, nichts. |
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Zum einen ist die Annahme der Klägerin, es hätte vorliegend im Falle der Bilanzierung (rückwirkend) eine Rückstellung für die Umsatzsteuer im jeweiligen Veranlagungszeitraum gebildet werden dürfen, unzutreffend. Denn nach ständiger Rechtsprechung darf eine Rückstellung für hinterzogene Steuern erst in dem Zeitraum gebildet werden, in dem mit einer Rückforderung ernsthaft gerechnet werden muss (vgl. BFH, Urteile vom 22. August 2012 X R 23/10, BFHE 238, 173, BStBl II 2013, 76; vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731 und vom 16. Februar 1996 I R 73/95, BFHE 180, 110, BStBl II 1996, 592). Eine Rückstellung für hinterzogene Umsatzsteuer hätte daher auch im Falle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG frühestens im Jahr der Selbstanzeige gebildet werden dürfen. |
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Zum anderen wäre eine möglicherweise gegebene Ungleichbehandlung zwischen Einkünften, die durch Überschussermittlung und solchen, die durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt werden, Teil eines komplexen Gefüges steuerrechtlicher Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Gewinnermittlungsarten, die, wozu die Klägerin allenfalls punktuell und einseitig vorgetragen hat, in ihrer Gesamtheit zu würdigen wären (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 5. Juli 2005 – 2 BvR 492/04 –, Rn. 13, juris). |
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So wären bei stringenter Zugrundelegung der Meinung der Klägerin nicht nur die „Umsatzsteuerverbindlichkeit“ gewinnmindernd zu berücksichtigen, sondern beispielsweise auch etwaige Vorsteuerüberhänge und ausstehende Mietzahlungen als Forderungen für Zwecke der Berechnung der Hinterziehungszinsen gewinnerhöhend anzusetzen. |
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Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Hinterziehungszinsen isoliert nur für Umsatzsteuernachzahlungen die Grundsätze einer anderen Gewinnermittlungsart zugrunde zu legen sein sollten. Denn hierdurch käme es zu einer Art „Meistbegünstigung“ aufgrund willkürlicher, isolierter Betrachtungsweisen und hypothetischer Annahmen. |
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Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass nach der Rechtsprechung der früher für Steuerhinterziehung zuständigen Senate des Bundesgerichtshofs (3. und 5. Senat) eine Steuerhinterziehung bereits auf Tatbestandsebene ausscheiden soll, soweit sich aus einer Steuerhinterziehung unmittelbar Vorteile ergeben, die dem Täter bei wahrheitsgemäßen Angaben ohne weiteres von Rechts wegen zugestanden hätten (z.B. Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerrückstellungen, vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 1990 3 StR 72/90, juris und vom 17. April 2008 5 StR 547/07, BFH/NV 2008, Beilage 4, 308-312; BGH, Urteile vom 3. Juni 1954 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336-352 und vom 31. Januar 1978 5 StR 458/77, juris). |
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Die Klägerin übersieht insoweit jedoch, dass diese Rechtsprechung zu Fällen ergangen ist, in denen die Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG erfolgte. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG folgt die gewinnmindernde Rückstellungsfähigkeit der genannten betrieblichen Steuern indes ohne weitere Voraussetzungen unmittelbar aus dem Gesetz. Demgegenüber ist im Rahmen der Überschusseinkünfte nach § 11 EStG für eine Einkünfte mindernde Berücksichtigung als Werbungskosten zusätzlich die Zahlung der genannten Steuern erforderlich. Die zitierte Rechtsprechung ist daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar (so i.E. ohne Begründung auch Meyer in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 133. Lieferung, § 370 AO 1977 Rn. 185). |
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Der hiergegen von der Klägerin erhobene Einwand, bei rechtmäßigem Verhalten – also bei Offenlegung und Erklärung des umsatzsteuerpflichtigen Vermietungsverhältnisses – wäre aufgrund der monatlich oder quartalsweise abzugebenden Voranmeldungen im jeweiligen Jahr auch die entsprechende Umsatzsteuer gezahlt worden, muss demgegenüber als alternativer hypothetischer Kausalverlauf steuer- und steuerstrafrechtlich unbeachtlich bleiben (vgl. Schönke/Schröder, StGB Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff Rn. 80). Denn die reine Fiktion eines nicht gegebenen tatsächlichen Geschehens kann die Strafbarkeit eines tatsächlich verwirklichten Delikts nicht entfallen lassen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin insoweit gleich eine ganze Reihe von rein hypothetischen Sachverhalten und fiktiven Geschehensabläufen unterstellt. Zunächst stellt sie die Hypothese auf, bei Aufdeckung des Sachverhaltes wäre sie durchgehend zur Abgabe von monatlichen oder quartalsweisen Voranmeldungen verpflichtet gewesen. Sodann stellt sie die zweite Hypothese auf, dass sie in diesem Fall alle Voranmeldung fristgerecht und fehlerfrei abgegeben hätte. Als Drittes stellt sie die Hypothese auf, dass sie in diesem Fall auch fristgerecht die Umsatzsteuerzahllast abgeführt hätte. Und letztlich wird die Hypothese aufgestellt, dass die Zahllast aufgrund der Voranmeldungen identisch mit der Zahllast aufgrund der Umsatzsteuerjahreserklärung ausgefallen wäre, d.h. dass es aufgrund der Jahreserklärung keine Abschlusszahlung gegeben hätte. |
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Entgegen der Auffassung der Klägerin widerspricht die im Streitfall vorgenommene Verzinsung der hinterzogenen Steuern auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Dieser besteht darin, den steuerlichen Vorteil, den der Steuerpflichtige durch die Hinterziehung erlangt hat, abzuschöpfen (BFH, Urteile vom 12. Oktober 1993 VII R 44/93, BFHE 172, 401, BStBl II 1994, 438; 19. April 1989 X R 3/86, BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596; vom 27. Juni 1991 V R 9/86, BFHE 165, 10, BStBl II 1991, 822; und vom 27. September 1991 VI R 159/89, BFHE 166, 4, BStBl II 1992, 163). Dieser Vorteil liegt darin, dass der Steuerschuldner die gesetzlich entstandene Steuer erst zu einem späteren Zeitpunkt zahlt. Dabei kann der steuerliche Vorteil immer nur in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem die Verkürzung eintritt, und nicht nach einem zu diesem Zeitpunkt hypothetischen später – nach Eintritt der Verkürzung – in Betracht kommenden fiktiven Steuerminderungstatbestand beurteilt werden. Dies folgt aus § 235 Abs. 2 AO. Denn danach beginnt auch der Zinslauf mit dem Eintritt der Verkürzung. Er wird erst durch Zahlung der hinterzogenen Steuer, nicht aber durch einen zwischenzeitlich in Betracht kommenden hypothetischen Vorteilsausgleich, beendet (BFH, Urteil vom 12. Oktober 1993 VII R 44/93, BFHE 172, 401, BStBl II 1994, 438). |
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Schon gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine fiktive Berücksichtigung der erst viel später gezahlten Umsatzsteuer nicht in Betracht. Im Übrigen käme es bei Ansatz der begehrten „Umsatzsteuerrückstellung“ zu einer nicht gerechtfertigten Begünstigung des Steuerhinterziehers gegenüber dem steuerehrlichen Bürger. Denn der steuerehrliche Bürger könnte seine gezahlte Umsatzsteuer ebenfalls erst im Jahr der Zahlung steuermindernd berücksichtigen. Dieses ist jedoch nicht zwangsläufig identisch mit dem Veranlagungszeitraum, der bei Zugrundelegung des § 4 Abs. 1 EStG anzusetzen wäre, sondern vielmehr – gerade in Fällen der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung in geringerem Umfang – häufig erst das Folgejahr. Der Steuerhinterzieher behielte mithin einen Vorteil, welchen der steuerehrliche Bürger nicht hätte erhalten können. |
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Zudem kann es bei Zugrundelegung der Auffassung der Klägerin – je nach Fallkonstellation – zu einer weiteren, nicht gerechtfertigten Doppelbegünstigung des Steuerhinterziehers dadurch kommen, dass sich die bezahlte Umsatzsteuer doppelt zu Gunsten des Hinterziehers hinsichtlich anfallender Zinsen auswirkt. Nämlich zum einen im Rahmen der Berechnung der Hinterziehungszinsen im Veranlagungszeitraum der Steuerhinterziehung und zum anderen im Jahr der tatsächlichen Zahlung im Rahmen einer etwaigen Berechnung von Zinsen nach § 233a AO. |
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Demgegenüber stellt die vorgebliche „doppelte“ Verzinsung sowohl der Einkommensteuernachzahlung als auch der Umsatzsteuernachzahlung aufgrund der Hinterziehung eine sachgerechte und systemimmanente Abschöpfung der Zinsvorteile der Klägerin aufgrund der Hinterziehung dar. Denn die Klägerin hat sowohl die Vorteile der zu niedrigen Einkommensteuerfestsetzung als auch jene der zu niedrigen Umsatzsteuerfestsetzung genossen. Beide Steuern wurden nicht rechtzeitig gezahlt und führten somit zu Zinsvorteilen gegenüber dem steuerehrlichen Bürger. Demgegenüber stellte es eine rein hypothetische und – jedenfalls in einer nicht geringen Zahl der Fälle steuerehrlicher Vermieter – realitätsferne Unterstellung dar, nähme man an, dass die angefallene Umsatzsteuer im jeweiligen Veranlagungszeitraum auch vollständig, zutreffend und fristgerecht ermittelt und abgeführt worden wäre. |
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. |
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